G. F. Unger Sonder-Edition 311 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 311 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Die Luft hier im Wyoming-Territorium ist so klar, dass Jim Clouds Augen ohne Fernglas erkennen können, wer da östlich der meilenlangen Hügelketten nach Norden fährt. Denn er kennt die sechs Planwagen und die dazugehörigen zwölf Männer gut genug. Den dreizehnten Mann, der diesen Wagenzug führt und auf einem wundervollen Fuchs an der Spitze reitet, kennt er noch sehr viel besser. Es ist Gordon Banner. Und Gordon Banner ist nun dabei, sechs Wagenladungen voll Handels-Whisky zu den Indianern zu bringen. Mit sechs Wagenladungen aber kann man einige große Indianer-Dörfer für viele Tage betrunken machen. Und was betrunkene Indianer alles anstellen können - nun, dies weiß Jim Cloud zu gut; er weiß es besser als jeder andere weiße Mann.


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Seitenzahl: 222

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Fort Phil Kearny

Vorschau

Impressum

Fort Phil Kearny

Die Luft hier im Wyoming-Territorium ist so klar, dass Jim Clouds Augen ohne Fernglas erkennen können, wer da östlich der meilenlangen Hügelketten nach Norden fährt.

Denn er kennt die sechs Planwagen und die dazugehörigen zwölf Männer gut genug. Den dreizehnten Mann, der diesen Wagenzug führt und auf einem wundervollen Fuchs an der Spitze reitet, kennt er noch sehr viel besser.

Es ist Gordon Banner.

Und Gordon Banner ist nun dabei, sechs Wagenladungen voll Handels-Whisky zu den Indianern zu bringen.

Mit sechs Wagenladungen aber kann man einige große Indianer-Dörfer für viele Tage betrunken machen.

Und was betrunkene Indianer alles anstellen können – nun, dies weiß Jim Cloud zu gut; er weiß es besser als jeder andere weiße Mann.

Ja, Jim Cloud ist ein weißer Mann, aber eigentlich wirkt er fast wie einer der großen, sehnigen, zähen und stolzen Ur-Herren der Hochprärie, wie ein echter Lakota-Sioux vom Stamme der Oglala oder Hunkpapa. Sein Haar ist blauschwarz, sein Gesicht dunkel gebräunt; es ist ein scharfes und verwegenes Gesicht.

Er trägt Lederkleidung wie all die Angehörigen der sogenannten Hirschleder-Brigade, also die Jäger, Scouts und Bergläufer.

Und seine Augen sind grün. Sie haben stets einen ruhig und fest prüfenden Blick. Wie Jim Cloud dort so auf seinem schwarzen Wallach verhält, über das Land späht und dann wieder auf die sechs fahrenden Wagen niederblickt, da wirkt er ganz wie ein Mann, der auf die vollkommenste Weise in diese Welt hier gestellt wurde, in eine Welt, in der längst nicht jeder Mann sich behaupten könnte.

Denn es ist eine ganz besondere Welt hier am Bozeman-Weg zwischen Fort Laramie und dem Powder River.

Er macht nur eine leichte Körperbewegung, die das schwarze Pferd unter ihm jedoch sofort richtig deutet. Es wendet sich zur Seite und trägt den Reiter auf die andere Seite des Hügelkammes, sodass Jim Cloud nun zur westlichen Seite der Hügelkette niederblicken kann.

Was er dort kommen sieht, lässt seinen Gesichtsausdruck härter und bitterer werden. Seine Lippen pressen sich fest zusammen. Seine Augen werden schmal.

»O zum Teufel«, murmelte er, »was sind das für Dummköpfe dort in Washington, die eine Indianerpolitik machen, wie sie nicht dümmer und unglücklicher gemacht werden könnte! – Was sind das für Burschen dort in der fernen Hauptstadt?«

Er erinnert sich wieder scharf daran, wie es vor zwei Tagen bei Fort Laramie gewesen war.

Fünftausend Indianer waren rings um Laramie versammelt, und die großen Häuptlinge waren gekommen, um mit dem Regierungsbeauftragten über den Bozeman-Weg zu verhandeln.

Denn dieser Weg führt mitten durch das Indianerland hinauf nach Montana. Als man mitten in den Verhandlungen war, die den Weißen die Benutzung des Bozeman-Weges einbringen sollten, kam Colonel Henry B. Carrington anmarschiert, und er kam an der Spitze von siebenhundert Soldaten und vielen Wagen, Geschützen, ja sogar einem Musikzug, der mit klingendem Spiel an der Spitze zog. Und als einige Indianer jenen Colonel Carrington fragten, was er denn hier mit seinen vielen Soldaten wolle, da erwiderte dieser gradlinige Offizier schlicht, dass er gekommen wäre, um im Powder-River-Land einige Forts zu errichten.

Jim Cloud grinst jetzt bitter, als er daran denkt, was es für eine Aufregung unter den versammelten Indianern gegeben hatte.

Oh, die Verhandlungen waren sofort beendet.

Und Rote Wolke sagte mit der ganzen Verachtung, zu der ein Indianer fähig ist: »Wir sitzen hier, um über die Benutzung des Weges durch unser Land zu verhandeln. Doch indes man hier versucht, uns mit Worten eine Erlaubnis abzuringen, schickt der weiße Vater viele Soldaten, die uns einfach den Bozeman-Weg stehlen sollen, bevor wir überhaupt ›ja‹ oder ›nein‹ gesagt haben. – Es wird Krieg geben, wenn dieser ›Adler-Häuptling‹* mit seinen Soldaten ins Powder-River-Land kommt, um Festungen zu errichten. Es wird Krieg geben.«

Und nachdem Rote Wolke diese Worte gesprochen hatte, war alles vorbei und beendet.

Die fünftausend Indianer, die in vielen Dörfern rings um Laramie lagerten, zogen unheimlich schnell ab.

Am nächsten Morgen waren nur noch einige zahme, degenerierte und mehr oder weniger dem Suff verfallene Agentur-Indianer da.

Die Stämme der Sioux aber waren unterwegs ins Powder-River-Land, um dort auf den Adler-Häuptling Carrington und dessen Soldaten zu warten.

An diese Begebenheit erinnert sich Jim Cloud nun also wieder.

Denn was er dort westlich der Hügelkette kommen sieht, sind jene siebenhundert Soldaten mit Colonel Carrington an der Spitze.

Sie sind wahrhaftig zum Powder River unterwegs.

Oh, es ist ein langer Zug – meilenlang. Denn zwischen den einzelnen Kompanien sind weite Abstände. Obwohl es erst Ende Juni ist, ist der Bozeman-Weg schon wieder mit Staub bedeckt, den die Infanteristen mit ihren derben Stiefeln aufwirbeln, zu einer gewaltigen Staubwolke, die sich hoch gen Himmel hebt und die ihr Nahen deutlich genug verkündet. Zwischen dem marschierenden Fußvolk fahren die Maultierwagen, marschieren die Musiker, rollen die Kanonen. Es ist ein endloser, Staub aufwirbelnder und nur sehr langsam sich bewegender Wurm, der da zum Powder River kriecht.

Und diese Soldaten sind mit schlechten Gewehren bewaffnet und mit noch schlechterer Munition versehen.

Jim Cloud weiß das. Er war dort, sah und hörte.

Nun aber wird ihm klar, dass er hinunter muss zu diesem Colonel Carrington, um ihn um Hilfe zu bitten. Denn so furchtlos Jim Cloud auch ist und wie gut er auch kämpfen kann, so kann er es doch nicht mit dreizehn hartgesottenen Burschen aufnehmen, die mit sechs Wagenladungen Whisky zu den Indianern wollen.

Aber wird Colonel Carrington ihm helfen?

Was ist Carrington für ein Mensch – was für ein Offizier?

Jim Cloud seufzte. Er lebt schon seit seiner Kindheit hier im Lande. Er war schon mit seinem Vater hier, bevor die Armee kam und den indianischen Händlern Laramie abkaufte und ein Fort daraus machte. Das war im Jahre 1849. Vorher war Laramie nur ein Handelsposten.

Und nun schreibt man das Jahr 1866. Sein Vater lebt längst nicht mehr. Auch seine Mutter nicht.

Er aber wurde längst ein Mann.

Jetzt reitet er nach Westen zu dem Hang hinunter, um sein Glück bei Colonel Carrington zu versuchen.

Er hat keine sehr gute Meinung von der Armee, denn er sah diese Soldaten unter der Führung ihrer Offiziere schon oft genug schlimme Dinge tun. Er sah sie Frauen und Kinder töten, die friedlich in ihren Dörfern lebten, sah sie also morden, rauben und schänden, sich betrinken, und er weiß, dass diese Soldaten auch Skalpe nehmen und schlimmer sind als so mancher Indianer. Er weiß auch von Offizieren, die sich Indianermädels zu Frauen nahmen und diese dann wieder mit den Halbblutkindern zu ihren Stämmen zurücksandten.

Aber es ist nicht nur die Armee, die sich hier in diesem Lande schlimm benimmt, es gibt auch viele schurkische Händler. Gordon Banner, der auf der anderen Seite der Hügelkette mit sechs Wagenladungen Schnaps zu den Indianern unterwegs ist, gehört zu dieser schurkischen Sorte.

Jim Cloud kann nun erkennen, dass man ihn inzwischen bemerkt hat. Vorn beim Colonel reiten auch zwei weiße Scouts. Einer davon ist Büffel-Joe. Joe wird jetzt den Colonel gewiss schon über ihn, Jim Cloud, aufklären.

Der Colonel lässt seine kleine Armee nicht anhalten. Er sitzt kerzengerade und steif auf seinem Pferd. Nein, er ist ganz und gar kein Kavallerie-Offizier.

Er ist ein schon älter wirkender Mann, eisgrau an den Schläfen, hager, schmal, mit einem ruhigen Gesicht, in dem die stets mit Zurückhaltung prüfenden Augen eines bescheidenen Mannes das auffälligste Merkmal sind.

Dieser Colonel gehört nicht zu der forschen und vorwärtsdrängenden Sorte, die alle Hindernisse und Schwierigkeiten im ersten Ansturm zu überwinden versucht. Dieser Colonel Carrington gehört zu der stillen ruhig-vornehmen Sorte, die zwar pedantisch ist, doch auf irgendeinem bestimmten Gebiet erstklassige Leistungen vollbringen kann.

Dies alles spürt Jim Cloud instinktiv, indes er neben den Colonel reitet, höflich grüßt und ihn betrachtet und studiert, wie nur ein erfahrener Scout einen anderen Mann prüfen und studieren kann.

»Nun, Mr. Cloud«, sagt der Colonel mit präziser und zugleich unpersönlicher Höflichkeit. »Führt Sie ein besonderer Anlass zu uns?«

Jim Cloud nickt. Er blickt sich um, erwidert Büffel-Joes Nicken und blickt dann in die Augen eines Offiziers, der ein Stück seitlich hinter dem Colonel reitet.

Dieser Captain ist ganz und gar das Bild eines verwegenen und forschen Kavallerie-Offiziers. Jim Cloud kennt ihn vom Ansehen flüchtig. Es handelt sich um Captain William Fetterman, der während des Bürgerkrieges schon Oberstleutnant war und der dem Colonel als Kavallerie-Offizier beigegeben wurde. Er hat offensichtlich den Auftrag, unter dem Kommando von Colonel Carrington eine Kavallerieabteilung aufzustellen, sobald die Forts gebaut sind.

Der Blick des Captains ist eisig, abweisend und irgendwie etwas verächtlich.

Jim Cloud lächelt leicht, denn er kennt auch diese stolze Sorte von Offizieren, bei denen der ebenbürtige Mensch erst beim Leutnant beginnt und für die in Rehleder gekleidete Präriereiter nicht viel besser als Indianer sind.

Überdies hat Captain William Fetterman in Fort Laramie stolz verkündet, dass er mit fünfzig Kavalleristen Rote Wolke und dessen ganzen Stamm in Fetzen hauen würde.

Vielleicht lächelt Jim Cloud, dessen Name ja in Deutsch ebenfalls »Wolke« bedeutet, deshalb so mitleidig. Denn er hat solche Offiziere wie diesen Captain schon oft kommen sehen.

Sie wurden nicht alt hier im Indianerland. Die Roten schlugen oder schossen sie bald tot, und mit ihnen mussten dann stets die Soldaten, die unter ihrem Befehl standen, sterben.

Jim Cloud hält diese Sorte von Offizieren für arrogante Narren, deren Selbstüberschätzung nichts anderes als verblendete Dummheit ist.

Er wendet sich an den Colonel.

»Ich möchte Ihre Hilfe, Sir«, sagte er schlicht. »Ein Dutzend Reiter unter der Führung eines erfahrenen Sergeanten. – Ich sehe, dass Sie keine Pferde bei sich haben, Colonel. Doch Sie könnten einige Wagen anhalten und die Maultiere ausspannen lassen, damit ...«

»Wozu bitten Sie um meine Hilfe, Mr. Cloud?«, fragte der Colonel nüchtern. In seiner Stimme aber schwingt kaum merklich ein ärgerlicher und abweisender Ton mit. Er ist offensichtlich ein Mann, der sich nicht gerne durch irgendwelche Nebensächlichkeiten von seinem Wege abbringen lässt, sich verzettelt.

Er hat den Befehl, ins Powder-River-Land zu marschieren und dort einige Befestigungen zu errichten.

Und genau das und nichts anderes will er tun.

Dass er einige seiner Begleitfahrzeuge anhalten, die Zugtiere ausspannen und eine kleine Abteilung mit diesem Jim Cloud fortschicken soll, gefällt ihm gar nicht. Er erinnert sich jedoch daran, dass Büffel-Joe, der sein erster Scout ist, ihm über diesen Jim Cloud, als dieser sich näherte, eine sehr günstige Auskunft gab. Dieser Jim Cloud soll hier in diesem Lande nicht viel weniger berühmt sein als der große Jim Bridger. Und Jim Bridger gilt als der größte und berühmteste aller Berg- und Prärieläufer und Scouts.

Jim Cloud deutet auf die Hügelkette, von der er heruntergeritten kam.

»Auf der anderen Seite dieser Hügelkette fahren sechs mit Schnaps gefüllte Wagen zu den Indianern. Sie gehören Gordon Banner und dessen Mannschaft. Er ist ein Händler von der übelsten Sorte. Bald werden einige Indianerdörfer vollkommen betrunken sein.«

»Na und! Sollen sich diese roten Affen doch vergiften!«

Es ist Captain Fetterman, der diese Worte scharf und verächtlich hören lässt.

Aber Jim Cloud wendet sich nicht einmal nach ihm um. Er sieht den Colonel vielmehr von der Seite an. Doch Colonel Carrington blickt starr nach Norden, immer geradeaus nach Norden. Er vermeidet es, den Kopf zu wenden und den Reiter an seiner Seite anzusehen.

»Es sind einige Wagenzüge nach Montana und Oregon unterwegs«, sagte Jim Cloud drängend. »Diese Wagenzüge brachen auf, weil sie glauben, dass die Verhandlungen bei Laramie noch viele Tage dauern und bestimmt zu einem guten Ende führen würden. Aber wenn die Indianer sich in den nächsten Tagen richtig betrinken können, so werden sich bald tausend verrückte Krieger auf diese Wagenzüge stürzen. Sie werden Kinder, Frauen und Männer töten. Betrunkene Indianer sind so ziemlich die schlimmste Sache, die es gibt. Jeder Weiße, der an die Indianer Schnaps verkauft, der sollte auf der Stelle erschossen werden. Colonel, ich kann es allein nicht mit dreizehn Burschen aufnehmen, die sämtlich hartgesotten sind und kämpfen können wie die Teufel. Ich möchte von Ihnen eine kleine Abteilung. Ich will diese Schnapsladungen vernichten. Dies allein schon wird Dutzenden von Menschen das Leben retten. Die Indianer sind nach der Enttäuschung in Laramie ohnehin wild wie die Hornissen. Wenn sie jetzt noch Schnaps bekommen ...«

Er verstummt bitter, und seine Handbewegung besagt, dass sich jeder Mann mühelos ausmalen kann, was passieren wird.

Der Colonel aber wendet nun den Kopf und betrachtet ihn von oben bis hinunter zu den Steigbügeln – und dann wieder hinauf.

Der Colonel hat ernste Augen, aber es ist auch ein Staunen darinnen. Für einen Moment wirken diese Augen wie ungläubige Kinderaugen. Dann werden sie unwillig im Ausdruck.

Sie sind ein sehr deutlicher Spiegel seiner Gefühle.

Nun schüttelt er den Kopf.

»Ich kann Ihnen aus verschiedenen Gründen nicht helfen, Mr. Cloud«, sagt er dann, und er wirkt dabei wie ein Mann, den man bei einer wichtigen Beschäftigung zu stören wagte.

»Mein Auftrag lautet, ins Powder-River-Land zu marschieren und dort einige Forts zu errichten. Und nichts anderes werde ich tun. Denn wenn ich erst damit anfange, mich in diesem Lande auch noch um andere Dinge zu kümmern, so werde ich meine Aufgabe bis zum Anbruch des Winters nicht erfüllen können. Überdies ist längst nicht erwiesen, dass jener Wagenzug seine Schnapsladung zu den Indianern bringen wird. Es könnte doch auch sein, dass die Wagen nach Montana ins Goldland wollen. Dort soll es Goldgräberstädte geben mit Saloons, die ständig Nachschub an Feuerwasser nötig haben. Und überhaupt, Mr. Cloud, ist für solche Dinge der kommandierende Offizier in Fort Laramie zuständig. Sie müssen sich dorthin wenden!«

»Dann ist es zu spät«, erwiderte Jim Cloud bitter. Er betrachtet diesen Colonel staunend, denn er glaubt, dass Carrington überhaupt nicht begriffen hat und sich auch gar nicht vorstellen kann, was es bedeutet, wenn einige tausend Indianer betrunken sind.

Carringtons Augen erwidern seinen Blick fest und offen.

Und nun weiß Jim Cloud es endlich genau: Carrington führt alle Befehle genau und wortwörtlich aus, präzise und zuverlässig. Und er blickt dabei nicht nach rechts und nach links. Carrington wird sich niemals durch irgendwelche Dinge, die nichts mit seinem Auftrag zu tun haben, ablenken oder behindern lassen.

Carrington zieht zum Powder River, um Forts zu bauen. Das erste Fort muss bis zum Anbruch des Winters fertig sein.

Und es wird fertig sein! Bei Gott, es wird bis zum Winter stehen.

Selbst wenn ringsum die Hölle offen ist, Carrington wird unbeirrbar seinen Auftrag ausführen.

Für den Ärger mit den Indianern ist das Kommando in Fort Laramie zuständig und auch für den Ärger mit weißen Händlern, für die Indianerpolitik und die Sicherung aller Weißen, die den Bozeman-Weg benutzen.

Colonel Carrington gleicht einem unbeirrbaren Pferd mit riesengroßen Scheuklappen.

Das ist es!

Und weil Jim Cloud das erkennt, verschwendet er kein weiteres Wort mehr und nickt nur leicht.

Bevor er sein Pferd zur Seite lenkt, betrachtet er noch einmal Captain William Fetterman, in dessen Augen es funkelt.

»Warum kümmern Sie sich eigentlich um diese Dinge, Cloud?« So fragt Fetterman scharf herüber.

Aber Jim Cloud gibt ihm keine Antwort. Er nickt Büffel-Joe und dem anderen Scout zu und reitet dann davon.

»Zum Teufel, Cloud, ich habe Sie etwas gefragt!« Dies ruft Fetterman ihm scharf und drohend nach.

Aber Jim Cloud wendet sich nicht einmal um. Da will der Captain sein Pferd antreiben, um ihm zu folgen, denn er ist von anderer Art als der Colonel. Er nimmt eine Missachtung solcher Art nicht hin, sondern fühlt sich herausgefordert wie ein Terrier von einem Wildkater.

Aber Carrington wendet jetzt seinen Kopf, nimmt seinen starren Blick vom nördlichen Horizont und blickt seinen Stellvertreter und Kavallerieoffizier an.

»Schon gut, Captain!«, sagt er ärgerlich. »Schon gut! Ich hoffe, dass Sie sich nicht durch diesen schlecht erzogenen Grenzer herausgefordert fühlen.«

Fetterman schluckt, knirscht mit den Zähnen und hat heiße Flammen in seinen Augen.

Er salutiert sorgfältig: »Yes, Sir! Ich vergaß, dass diese Grenzer nicht viel anders sind als Indianer – ungebildet und primitiv. Man kann wohl von ihnen nicht verlangen, dass sie die primitivsten Regeln beherrschen, wie sie unter Gentlemen gültig sind.«

Als er es gesagt hat, lachen Büffel-Joe und der andere Scout leise, doch unverkennbar so, als hätten sie einen guten Witz vernommen.

Fettermans rotblonder Kavalleristenbart sträubt sich sofort sichtbar. Er fragt schnaubend: »Warum lachen Sie?«

Büffel-Joe grinst ihn an. »Es war ein guter Witz, Captain«, sagt er ungerührt. »Sie sagten, dass diese Grenzer nicht viel anders als Indianer sind. Vielleicht trifft dies auf mich und Portuge hier zu. Doch wenn Sie Jim Cloud gemeint haben sollten, so sind Sie auf dem Holzwege. Er war Offizier im Bürgerkrieg, und er hat eine sehr noble Schulbildung bekommen. Sein Vater war damals hier einer der größten Händler. Er wurde von den Indianern nicht weniger geachtet und geliebt als Pater de Smet, denn er meinte es gut und war ein ehrlicher Händler. Jim Clouds Mutter aber wurde von den Indianern verehrt. Er kennt all die großen Häuptlinge persönlich. Als Knabe hat er mit ihnen gespielt, war mit ihnen befreundet. Er jagte mit ihnen. – Unterschätzen Sie nur Jim Cloud nicht, Captain!«

Colonel Carrington wendet interessiert den Kopf.

»Er war Offizier der Union? – Oder der Rebellenarmee?«

»Der Union, Sir.«

»Und seine Eltern? – Handelt sein Vater immer noch mit den Indianern? Leben sie hier in diesem Lande?«

»Sie sind tot«, erwiderte Büffel-Joe. »Es war kurz vor dem Bürgerkrieg gewesen, als sie von Indianern erschlagen wurden.«

»Oha, von ihren Freunden? Ich denke, sie wurden geachtet, verehrt, geliebt und ich weiß nicht noch was?« Dies ruft Captain Fetterman spöttisch und verächtlich.

Büffel-Joe aber wischt sich über das dunkle und wettergegerbte Gesicht und schnauft durch seine Falkennase.

»Ein schurkischer Händler hatte den Indianern zuvor Schnaps gegen Felle und Häute gegeben«, spricht er dann. »Die Indianer waren allesamt schlimm betrunken. Haben Sie schon einmal betrunkene Indianer gesehen, Captain? Sie bringen sich dann auch gegenseitig um. Sie sind vollkommen verrückt, glauben, mit irgendwelchen bösen Geistern kämpfen zu müssen – und dabei sind es manchmal ihre eigenen Brüder. Sogar Rote Wolkes Vater war ein Säufer und kam eines Tages während solch eines Saufgelages um, als sich alle gegenseitig anfielen und zu töten versuchten. Jim Cloud ist deshalb auf jene Schufte, die den Indianern Schnaps geben, nicht gut zu sprechen. Und ich denke, dass er noch längst nicht aufgeben wird, obwohl er keine Hilfe erhielt und er allein gegen Gordon Banner und dessen hartgesottene Mannschaft steht.«

Der Colonel sagt nichts zu diesen Worten. Er starrt nur nach Norden.

Dort ist sein Ziel.

Captain Fetterman aber zuckt mit den Achseln und sagt verächtlich: »Wer mit diesen Heiden Handel treibt, muss stets auf schlimme Dinge gefasst sein. Und solange sie sich gegenseitig umbringen, habe ich gar nicht viel dagegen, wenn sie sich Schnaps beschaffen. Die Regierung sollte jede Art von Handel mit ihnen verbieten, bis sie sich unterworfen haben und wir sie entwaffnet in Reservaten einsperren konnten. Aber das wird nun nicht mehr lange dauern. Ein Jahr – höchstens zwei Jahre! Dann gibt es nur noch friedliche Indianer.«

Es ist die stolze und arrogante Rede eines Offiziers, der sich wenig Mühe macht, die Indianer näher kennenzulernen oder gar versucht, alle Probleme zu verstehen.

Deshalb wird er auch bald tot sein, dieser Captain William Fetterman. Die Indianer werden ihn genau am 21. Dezember dieses Jahres noch töten. Und mit ihm müssen sechsundachtzig Soldaten sterben. Denn er wird sie mit seiner arroganten Dummheit in die Falle führen, aus der es kein Entrinnen mehr geben wird.

Doch noch ist es nicht soweit. Noch reitet er stolz neben seinem Kommandeur nach Norden.

Um ein Fort zu errichten, wenn möglich sogar noch mehr als nur eines.

Was Jim Cloud tun wird, dies kümmert sie beide wenig. Sie haben in dieser Hinsicht keine Befehle. Sie wollen sich nicht verzetteln. Was geht sie ein Wagenzug mit Schnaps an?

In Jim Cloud ist ein bitterer und verächtlicher Zorn, doch seine Enttäuschung ist nicht besonders groß. Irgendwie hatte er es gar nicht anders erwartet.

Dass er nun nach Laramie zurückreitet, ist völlig ausgeschlossen. Selbst wenn er von dort Unterstützung bekäme, könnte er den Lauf der Dinge nicht mehr ändern.

Er käme viel zu spät.

Obwohl er also kaum noch Chancen hat, ein Unglück verhindern zu können, denkt er nicht daran, aufzugeben.

Denn er muss immer wieder an seine Eltern denken, die von Indianern geachtet und geehrt wurden und die man dann dennoch erschlug, weil dieser Handels-Whisky die besten Indianer verrückt machte. Jim Cloud muss immerzu daran denken, wie sehr viel Unglück doch schon durch diese schurkischen Händler angerichtet wurde, die irgendwo in einem Versteck Schnaps herstellen und dann als Tauschware benutzen. Er ist so billig und bringt den allerhöchsten Tauschgewinn. In manchen Dörfern wird dann das letzte Büffelfell gegen Schnaps eingetauscht, das letzte Pferd, und es herrschen dann Not und Elend.

Aber die Sucht nach dem Feuerwasser bleibt und wird immer schlimmer.

Jim Cloud weiß dies alles genau, denn er ist ein Händlersohn. Er verlebte seine Kindheit und Jugend in diesem Lande. Nur für einige Jahre war er fort im Osten auf einer guten Schule.

Dann wurde er während des Krieges schnell Offizier.

Und jetzt ist er wieder in der Heimat.

Gordon Banner aber gehörte damals zu jenen Männern, die am Tode seiner Eltern schuld waren.

Er muss ihm das Handwerk legen.

Doch wie?

Er reitet wieder auf den Kamm der Hügelkette hinauf und sieht, dass die sechs Wagen immer noch in der gleichen Richtung fahren. Irgendwann werden sie auf ein Indianerdorf stoßen.

Und dann?

Jim Cloud denkt an die Wagenzüge, die etwa zwanzig Meilen weiter nördlicher zu finden sein werden.

Er entschließt sich nun, zuerst diese Wagenzüge zu warnen.

Nun will er sein Pferd wieder zur Seite lenken, als ihm plötzlich etwas auffällt. Oh, er hätte es fast übersehen.

Es sind nicht mehr dreizehn Männer dort unten beim Wagenzug.

Er zählt nur noch elf Männer, davon sechs Fahrer. Und auch von den Sattelpferden, die der Wagenzug bei sich hat und die zumeist hinter den Wagen angebunden sind, fehlen zwei Tiere.

Zwei von Gordon Banners hartbeinigen Burschen sind fort. Er muss sie als Scouts ausgesandt haben, als Jim Cloud bei Colonel Carrington war.

Und wo sind sie jetzt?

Jim Cloud weiß, dass er sich nun vorsehen muss. Gordon Banner und dessen Männer kennen ihn gut genug. Es herrscht Feindschaft zwischen ihnen.

Jim Cloud treibt seinen schwarzen Wallach nun schräg den Hang hinunter und auf den Bozeman-Weg zu. Dort gibt er dem Tier die Zügel frei und ruft leise: »Vorwärts, Blackboy, vorwärts!«

Eine Meile weiter führt der Bozeman-Weg durch den Little Dry Fork. Das Gelände ist hier etwas unübersichtlich, denn es gibt hier eine Menge Bäume, große Büsche und auch einige Felsen, die bisher der Erosion standgehalten haben.

Jim Cloud reitet nun vorsichtig, und jetzt gleicht er in seiner ganzen Haltung mehr einem Indianer als einem Weißen.

Obwohl er einen zuverlässigen Colt in einem tiefgeschnallten Holster trägt, wie es Revolvermänner tun, nimmt er nun die Winchester aus dem Sattelschuh, lädt durch und hält sie bereit.

Am sandigen Ufer sind keine frischen Spuren.

Aber sein Pferd spitzt plötzlich die Ohren und wendet den Kopf nach rechts zu den Felsen hinüber.

»Hoiii, warum versteckt ihr euch?« Dies ruft Jim Cloud nun hinüber. Er ist nicht sehr sicher, ob sich dort zwischen den Felsen jemand versteckt hält. Seine scharfe Frage ist nur ein Bluff.

Doch dieser Bluff gewinnt nun.

Gordon Banners beide Scouts kommen nun langsam herausgeritten. Einer hat sein Gewehr unter dem Arm wie Jim Cloud auch. Und der andere Mann lässt sein Tier etwas seitlich gehen. Sein Revolverarm hängt an der Seite nieder. Gewiss hält er auf der Jim Cloud abgewandten Seite die Waffe in der Hand.

Diesen Trick kennt Jim gut. Wenn man sich seitlich aus dem Sattel beugt, kann man gut unter dem Pferdehals hindurch auf einen Gegner schießen und wird überdies auch noch vom Pferd gedeckt.

Langsam kommen sie herangeritten. Als sie bis auf zehn Yard heran sind, verhalten sie.

»Hallo, da ist ja der große Lederstrumpf!«, sagt einer.

»Von dem wir wissen, dass er in Laramie in unseren Wagen herumschnüffelte und dem einer von uns fast eine Ladung Indianer-Schrot verpasst hätte«, fügt der andere Mann hinzu.

Jim Cloud betrachtet sie ernst. Es sind wahrhaftig hartgesottene Burschen, die hier an die Indianergrenze kamen, weil sie gewiss vor dem Gesetz flüchten mussten und eine Zuflucht brauchten. Sie gehören zum Abschaum der Grenze. Ihre harten und hageren Gesichter wirken ausdruckslos. Doch in ihren Augen funkelt die mitleidlose Wachsamkeit von Wölfen.

»Nun, Freund Cloud, nachdem wir wussten, dass wahrscheinlich du es warst, der unsere gesamte Ladung durchschnüffelt hatte, konnten wir uns ausrechnen, dass du uns weiter deine besondere Aufmerksamkeit schenken würdest«, sagt der größere und helläugige Mann langsam.

»Und wir waren sicher, dass wir uns nur nach dir umzusehen brauchten, um auf dich zu stoßen«, fügt der andere Mann hinzu.

Dann schweigen sie wieder einige Atemzüge. Jim Cloud wird sich nun darüber klar, dass sie wirkliche Revolverschwinger und Mordbanditen sind, die dieses »Geschäft« schon eine Weile betreiben.

»Gordon Banner trug uns auf, dich von ihm zu grüßen, sollten wir dich finden«, beginnt der erste Mann wieder, und seine Stimme klingt nun gedehnt und hat einen gefährlichen Unterton, so als näherte sich die Unterhaltung seinem Ende.

Sein Begleiter grinst kalt und sagt etwas schrill: »Wir bekommen hundert Dollar für deinen Skalp, Bruder. – Hast du an Banner noch etwas zu bestellen?«

»Nein«, sagt Jim Cloud und wirft sich zur Seite. Dabei kracht sein Gewehr. Die Kugel des anderen Gewehres, welches sein Gegenüber auf ihn abfeuert, fährt nur durch sein Lederhemd.

Doch er trifft. Er rollt nun über den Boden von seinem Pferd fort. Er ließ das Gewehr los. Als er plötzlich mitten in seinem rasenden und unwahrscheinlich schnellen Bewegungen verhält, hat er den Revolver in der Hand und schießt auch schon.

Er trifft den zweiten Burschen, der immer noch im Sattel sitzt und auf ihn mit dem Revolver zielt. Er trifft ihn noch jenen wichtigen Sekundenbruchteil früher, als der gewiss sehr erfahrene und schnelle Revolverheld selbst abdrücken kann.

Der Bursche sinkt vornüber auf den Pferdehals, lässt die Waffe fallen und umschlingt den Pferdehals. Dann reitet er auf diese Art nicht sehr eilig davon. Jim Cloud hört ihn gepresst und stöhnend sagen: »Ich bin getroffen, oh, es hat mich erwischt.«

Er lässt ihn reiten, denn er glaubt, dass er es bis zu dem Wagenzug noch schaffen wird. Seine Kumpane werden sich seiner annehmen.

Nun betrachtet er den Mann, dem er mit dem Gewehr zuvorgekommen war und der nun bewegungslos am Boden liegt. Das Pferd wich einige Schritte zurück und schnaubte nervös.

In Jim Cloud ist Bitterkeit.

Dieses Land hier zwingt immer wieder alle Lebewesen dazu, ums nackte Überleben zu kämpfen. Und es wird noch schlimmer werden in diesem Lande – noch sehr viel schlimmer, bis dann endlich in einigen Jahren der große Umbruch vollzogen sein wird.

So denkt Jim Cloud bitter. Doch er weiß dabei, dass dies alles nicht aufzuhalten ist.