G. F. Unger Sonder-Edition 314 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 314 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Die schöne Jessica ist eine Tigerkatze, die den Männern beim Spiel das Geld aus den Taschen zieht. Und sie fühlt sich sicher, weil Jake Allison, der Revolvermann, sie beschützt. Trotzdem sind sie jetzt auf der Flucht. Jessica besiegte den Sohn des mächtigen Duke John Warwick beim Poker und tötete ihn in Notwehr, weil er nicht verlieren konnte. Noch hat sie der Rinderkönig mit seinen Schergen nicht eingeholt, und fast sieht es so aus, als könnten sie ihm tatsächlich entrinnen. Aber dann kommen sie nach Silver City, wo Jessica eine Riesenbeute wittert. Was wird stärker in ihr sein, ihr Selbsterhaltungstrieb oder ihre Spielsucht und ihre unersättliche Gier nach Geld und Reichtum?


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Seitenzahl: 188

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Verlassen in der Hölle

Vorschau

Impressum

Verlassen in der Hölle

Es ist eine Stadt wie vor ihr schon viele andere, aus der sie wieder einmal mit der Beute flüchten müssen, die Jessica mit ihren flinken Fingern und ihren Zaubertricks am Spieltisch machte. Denn alles wiederholt sich unablässig, seit sie zusammen sind und Jagd auf Hammel machen, denen sie die Wolle scheren können, bis sie nackt sind.

Jake Allison lenkt den leichten Buggy mit dem schnellen Gespann in den Hinterhof des Hotels und hält unter einem bestimmten Fenster an. Es ist noch nicht Tag, aber bald wird das erste Grau von Osten her heraufziehen und die Sterne am Himmel verschwinden lassen. Jake Allison stellt sich im leichten Zweirädrigen auf und fängt die Reisetasche und die zwei Koffer, die ihm Jessica Parker von oben zuwirft.

Und dann kommt sie selbst. Wie eine Katze springt sie in den Hof hinunter, landet geschmeidig wie eine Artistin oder eine Tänzerin. Aber das war sie ja auch einmal. Und sie konnte sogar auf dem Seil tanzen.

Jetzt landet sie also weich neben dem Wagen auf dem sandigen Boden des Hofes. Sie trägt jetzt ihr praktisches Reitzeug, also einen geteilten Lederrock, eine Flanellbluse und eine Lederjacke. Ihre kleinen Füße stecken in Cowgirlstiefeln, die ein Künstler in Alabama einst für sie nach Maß gearbeitet hat.

»Also gut«, stößt sie hervor, als sie sich neben Jake in den Wagen wirft. Jake lässt ein kehliges Lachen hören. Dann fährt er an, zuerst im ruhigen Schritt, doch dann, als sie durch die Gasse auf die einzige Hauptstraße eingebogen sind, lässt er das Gespann im Trabe laufen.

Es ist wirklich ein erstklassiges Gespann, welches jedes Rennen gewinnen könnte.

So verlassen sie also im Morgengrauen die Stadt, deren Name völlig unwichtig ist, weil es schon viele andere ähnliche Städte oder gar nur Camps vor ihr gab.

Und überall machten sie reiche Beute.

Sie fahren eine Weile auf dem Wagenweg nach Westen. Und erst nach etwa zwei Meilen, als im Osten der Tag heraufzieht und bald hinter den Bergen die ersten Lichtexplosionen der Sonne gen Himmel schießen, bricht er sein Schweigen und spricht ruhig: »Das kann diesmal böse werden. Ich habe mich nach dem Jungen erkundigt, dem du fast noch die Hosen abgewonnen hättest. Sein Vater ist ein mächtiger Mann. Und der Junge sollte mit dem Geld bei einer Landversteigerung mitbieten und den Zuschlag erhalten. Es handelt sich um ein altes Armeefort mit einer guten Quelle und einer Menge Umland. Die Regierung lässt es heute versteigern. Und der Junge, dem sein mächtiger Vater zum ersten Mal einen wichtigen Auftrag anvertraute, kann nicht mehr mitbieten. Er hat das Geld an dich verloren. Wie viel war es?«

»Fünftausend Dollar«, erwidert sie. »Und die goldene Uhr, welche ihm sein Vater zu seinem einundzwanzigsten Geburtstag schenkte. Aber er war ein schlechter Spieler. Der hat das Pokerspiel noch nicht begriffen. Der besitzt keinen Instinkt. Er ist ein Narr. Vielleicht reißt ihm sein Vater die Ohren ab. Aber auch ich habe als junges Ding einige Male bitteres Lehrgeld zahlen müssen.«

Sie verstummt mit einem klirrenden Klang in ihrer Stimme.

Jake Allison betrachtet sie von der Seite her, und er ist immer wieder von ihrer Schönheit verzaubert. Doch das geht fast allen Männern so. Aber er – er allein und kein anderer Mann sonst, seit sie zusammen sind und er ihr Beschützer ist – wird von ihr mit all den Zärtlichkeiten beschenkt, zu denen eine vitale Frau fähig ist, eine echte Tochter jener Ureva, die nicht nur nimmt, sondern auch gibt.

Ja, sie schenkt ihm immer wieder das Paradies, macht ihn glücklich als Mann.

Und so sind sie ein Paar auf Gegenseitigkeit.

Er erwidert nichts zu ihren Worten. Aber er weiß, dass sie als junges Ding wahrhaftig mehrmals bitteres Lehrgeld zahlen musste. Andere Mädchen wären damals zerbrochen an der Schlechtigkeit der Welt. Aber sie wurde eine Tigerkatze.

Das gefällt ihm an ihr.

Denn er – o ja, er ist ein zweibeiniger Tiger.

Und so ist er der Meinung, dass sie ein prächtiges Paar sind.

Bisher hat er sie auch in den wildesten Städten und bösesten Camps beschützen können. Doch heute macht er sich einige Sorgen. Denn nachdem er sich über den großen Jungen, den Sohn eines mächtigen Mannes, beim Barkeeper erkundigt hatte, wuchsen seine Sorgen.

Denn der wilde und stolze Junge wollte sich nicht geschlagen geben, er pochte auf Revanche. Erst als er die goldene Uhr – sie soll einen Wert von tausend Dollar haben – verlor, musste er aufgeben, ging zur Bar und begann zu trinken.

Und seine beiden Begleiter – wahrscheinlich hat sein Alter sie ihm als Leibwächter mitgegeben – konnten ihn nicht davon abhalten, seine Niederlage gegen die schöne Frau in Whisky zu ertränken.

So war das also.

Und Jake Allison fragt sich nun immer wieder, was der Junge in seiner Not wohl tun wird. Er steckt mächtig in der Klemme, dieser Johnny Warwick.

Was also wird er tun in seiner Not? Sein Vater gab ihm einen Auftrag. Und wenn er diesen Auftrag nicht zur Zufriedenheit des Alten erledigt, dann wird er dessen Verachtung zu spüren bekommen. Das könnte ihn zerbrechen. Gerade die Söhne erfolgreicher und mächtiger Männer haben es schwer.

Von ihnen wird oft zu viel erwartet – oder sie sind zerfressen von Ehrgeiz, weil sie ihre großen Väter nicht enttäuschen wollen. Jake Allison fragt sich abermals: Was wird der Junge tun, der ein Mann sein will und bestimmt noch keiner ist?

Jake Allison lässt das Gespann Meile um Meile ruhig traben. Er weiß zu gut, dass es ein Fehler wäre, die beiden Rappen zu hetzen. Es könnte ein Rennen geben über eine lange Distanz.

Jessica neben ihm hat es sich im Lederpolster des zweirädrigen, gut gefederten Buggy bequem gemacht. Nach dieser Nacht am Spieltisch ist sie ausgebrannt und erschöpft.

Nun schläft sie weit zurückgelegt. Als Jake Allison die Wasserscheide eines kleinen Hügelpasses erreicht, hält er an und blickt zurück.

Und da sieht er sie kommen.

Es gibt für ihn von Anfang an keinen Zweifel.

Es sind drei Reiter, und so kann es sich nur um den wilden und verrückten Jungen handeln, der es mit einer schönen Frau beim Poker aufnehmen wollte, um seine Männlichkeit zu beweisen.

Und vielleicht hatte er sich noch eine Menge mehr versprochen, wenn er Jessica kleingemacht hätte.

Nun kommt er also mit seinen zwei Begleitern herangejagt. Sie reiten erstklassige Pferde, so wie es ja einem Königssohn und dessen treuen Rittern zukommt.

Ja, so etwa ist es wohl zu sehen.

Jake Allison seufzt hörbar.

Jessica erwacht neben ihm, gähnt und reckt sich dann wie eine Katze, die auf einem Felsen in der Sonne ruht.

»Was ist, Jake?«, fragt sie schnurrend.

»Da kommt der Junge«, erwidert er. »Johnny Warwick ist sein Name, nicht wahr? Und seinen Vater nennen sie auf dreihundert Meilen in der Runde Big Duke John Warwick. Er wird sein verlorenes Geld und die Uhr zurückhaben wollen, denke ich. Denn warum würde er sich sonst so beeilen – oder?«

Nun wird sie so richtig wach und munter. Sie lässt ein Fauchen hören wie eine gereizte Katze. Ihre Augen sind nun dunkelblau, nicht mehr so grünlich.

»Dieser Dummkopf«, spricht sie spröde. »Er wollte nicht aufhören, verlangte nach jedem verlorenen Spiel Revanche. Und zuletzt, als er auch noch die Uhr verlor, hat er fast geweint. Aber er ist alt genug, um sein eigener Hüter zu sein. Wer ein Mann sein will, der muss auch wie ein Mann verlieren können. Jake, ich habe bei ihm keinen Trick angewandt. Ich spielte ehrlich gegen ihn. Es war leicht, ihn zu schlagen. In seinem Gesicht waren all die kleinen Zeichen gut zu erkennen, die mir sagten, ob er nur bluffte oder wirklich ein gutes Blatt hielt.«

Nach diesen Worten greift sie in die Tasche ihres rehledernen Reitrocks und holt einen Derringer hervor. Es ist ein kleines, nur zweiläufiges Ding. Doch auf kurze Entfernung hat es die Wirkung eines ausgewachsenen Colts.

Sie kippt den Doppellauf herunter und sieht nach den beiden Patronen.

»Also gut«, spricht sie dann hart.

Er nickt wortlos, und er erinnert sich an einige ähnliche Vorkommnisse. Und nun wird es wieder einmal so sein. Nein, er macht sich keine Sorgen. Er ist ein außergewöhnlich schneller Revolvermann. Wäre er ein Revolverheld, einer dieser ruhmsüchtigen Burschen, dann wäre sein Name überall bekannt und er selbst schon so etwas wie eine Legende.

Aber er war nie ruhmsüchtig.

Er zieht die Bremsen fest an, steigt dann aus dem Wagen und überprüft nun ebenfalls seine Waffe. Dabei spürt er, wie die Bitterkeit aus seinem Kern hochsteigt. Und er denkt: Verdammt, wann endlich hat sie genug? Wann gehen wir nach California und kaufen uns dort ein prächtiges Haus an der Küste?

Indes kommen die drei Reiter unter ihnen auf der kleinen Ebene immer näher. Und bald sind sie auch richtig zu erkennen. Ja, es gibt nun keinen Irrtum mehr. Da kommt der wilde Junge, der ein Mann sein wollte, mit seinen beiden Beschützern, die ihm der Vater mitgegeben hat – und die keinen Einfluss auf ihn hatten in der vergangenen Nacht, als er alles verspielte.

Nun reiten sie mit ihm, zur Treue verpflichtet, weil er ja gewissermaßen der Sohn des Mannes ist, dem sie die Treue halten wie Ritter einem König.

Im Galopp kommen sie näher und näher, schonen ihre herrlichen Pferde nicht.

Auch Jessica verlässt den Wagen.

So warten sie beide wortlos.

Die drei Reiter lassen ihre mit flockigem Schweiß bedeckten Pferde in Schritt fallen. Und wie sie da so näher kommen, wirken sie wie unerbittliche Jäger, die ihr Wild eingeholt haben und sich nun Zeit nehmen wollen beim Erlegen.

Jessica murmelt auf der anderen Seite des Wagens: »Jake, die schaffen wir, nicht wahr? Aber wenn er die goldene Uhr zurückhaben möchte, dann würde ich sie ihm geben.«

»Er will alles zurück«, erwidert er. »Doch er weiß genau, dass er sich deshalb sein ganzes Leben schämen würde. Deshalb wird er sich eingeredet haben, dass du ihm alles mit üblen Kartentricks abgewinnen konntest. Dies wird die Entschuldigung vor sich selbst sein. Wir werden kämpfen müssen, Jessica.«

»Dann überlass' ihn mir«, spricht sie hart.

Die drei Reiter kommen nun bis auf etwa ein Dutzend Yards heran, halten an und schwingen sich von den Pferden.

Der wilde Junge ruft böse: »Gut, dass ihr auf uns gewartet habt! Und vielleicht lassen wir euch unter einer Bedingung davonkommen.«

»Unter welcher Bedingung, Mr. Warwick?« Jessica fragt es kalt.

Er grinst und erwidert: »Sie müssen gestehen, dass Sie Kartentricks angewandt haben und nur deshalb gewinnen konnten. Und Sie müssen den ganzen Gewinn wieder herausgeben. Dann lasse ich Sie laufen.«

Er verstummt klirrend. Und er ist ein großer, stattlicher und fast hübsch anzusehender Junge, irgendwie wild und ungebändigt wirkend.

Da fragt Jake Allison kühl: »Junge, willst du noch einmal verlieren – und diesmal für immer?«

Doch so warnend Jakes Frage auch ist, Johnny Warwick fasst sie als Herausforderung auf. Und weil er schon beim Kartenspiel verloren hat, will er jetzt besonders stolz auf seinen Mut und seine Entschlossenheit sein.

Er hat die Rechte hinter dem Revolverkolben hängen. Seine Finger vibrieren griffbereit. Doch mit der Linken deutet er auf Jessica.

»Verdammt, du schöne Hexe«, spricht er, »ich weiß nicht, wie du betrogen hast. Aber ich bin sicher, dass du nur auf diese Weise gewinnen konntest, nachdem alle anderen Mitspieler ausgestiegen waren. Gib mir mein Geld und meine Uhr zurück! Sofort!«

Aber Jessica schüttelt den Kopf.

»Die Uhr kannst du zurückhaben, mein Junge«, lächelt sie mit nun schmal gewordenen Lippen, »denn da steht im Innendeckel die Widmung deines Vaters drauf. Er würde dir gewiss gerne den Hintern versohlen, doch ist es dazu wohl zu spät. Du kannst die Uhr zurückbekommen – aber nicht das Geld. Denn ich habe fair und ehrlich gespielt. Du bist ein schlechter Pokerspieler. Spiele nie wieder mit einer Frau, die in deinem Gesicht deine Empfindungen lesen kann. Also!«

Ihr letztes Wort ist ganz und gar die Aufforderung zu einer Entscheidung.

Und Johnny Warwick, der seine Niederlage ausbügeln will und rechts und links von sich zwei Beschützer weiß, stößt nun fauchend hervor: »Wir werden deinen Revolvermann jetzt abschießen. Und dann gehörst du uns!«

Als er es herausgefaucht hat, schnappt er nach dem Colt. Auch seine beiden Begleiter tun es. Denn sie fühlen sich zu bedingungsloser Treue verpflichtet, mag es auch dabei gegen ihre Ehre gehen.

Und so explodiert gewissermaßen alles und ist nicht mehr aufzuhalten. Es ist wie so oft auf dieser Erde unter den Menschen. Immer wieder bricht aus den verschiedensten Anlässen Gewalt aus und ist nicht aufzuhalten, weil dazu nun mal Vernunft gehört, die in den seltensten Fällen vorhanden ist.

Die beiden Revolverschwinger, die den Jungen schützen sollen, haben gegen Jake Allison keine Chance.

Und als Johnny Warwick dies begreift und seinen Colt abfeuern will, da treffen ihn beide Kugeln aus Jessicas kleiner Waffe.

Dann ist es vorbei.

Einen Moment noch hallen die Schüsse über die kleine Ebene zu Füßen des Hügelpasses. Dann wird es still.

Man hört das Stöhnen eines Verwundeten.

Jake Allison tritt langsam – den noch rauchenden Colt in der Hand haltend – zu Johnny Warwick und kniet bei diesem nieder.

Als er sich erhebt, spricht er zu Jessica: »Er ist tot. Du hast einen Königssohn getötet. Jetzt gilt es, aus dem Machtbereich seines Vaters herauszukommen. Das wird eine lange Flucht.«

Er wendet sich seinen beiden, von ihm besiegten Gegnern zu.

Einer hockt am Boden und hält sich die zerschossene Schulter. Der andere Mann fiel nach vorn auf das Gesicht. Doch nun rollt er sich auf den Rücken, so als wollte er noch mal den Himmel sehen. Doch dann stellt er offenbar fest, dass auch er nicht sterben muss. Denn auch er setzt sich auf. Jakes Kugel traf offenbar eine seiner Rippen und riss auf ihr eine Wunde wie von einem Schwerthieb. Das nahm ihm die Luft, und so wurde er für einen Moment bewusstlos.

Jake Allison spricht zu ihnen nieder: »Ihr werdet es schon schaffen. Ich hätte auch weiterschießen und euch töten können. Bringt ihn heim zu seinem Vater und sagt diesem, dass sein Sohn dies alles so gewollt hatte. Aber das wird der Cattle King wohl nicht so sehen können?«

»Nein«, knirscht einer der beiden Verwundeten, »das wird Duke Warwick niemals so sehen. Der wird euch bis in die Hölle verfolgen. Tausend Meilen sind nicht weit genug für euch.«

Jake Allison nickt langsam, und die Bitterkeit lässt ihn mühsam schlucken.

Aber was geschehen ist, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Er wendet sich Jessica zu, die starr verharrt und seinen Blick fest erwidert. Den leergeschossenen Derringer hält sie noch in der Hand.

Er möchte ihr jetzt sagen, dass es nun endgültig genug sei mit der Jagd nach Beute.

Aber es wäre jetzt zu früh, mit ihr in dieser Hinsicht zu reden.

Und so sagt er nur: »Also fahren wir weiter. Verschwinden wir aus seinem Machtbereich. Aus seiner Stadt entkamen wir. Aber nun werden wir weiter als tausend Meilen flüchten und unsere Fährte verwischen müssen. Fahren wir!«

Sie fahren an diesem Tage noch etwa weitere dreißig Meilen und erreichen ein kleines Dorf, welches zur Zeit der Spanier um eine alte Mission entstand, als sie hier am Weg zwischen El Paso und Santa Fé kleine Garnisonen errichteten und die Jesuitenpadres noch versuchten, die Heiden zu bekehren.

Damals suchten die Spanier überall nach Gold und nach den sagenhaften Städten von Cibola, deren Bewohner sogar aus goldenen Gefäßen essen sollten.

Als Jessica und Jake dann nach dem Abendessen in ihrem Zimmer nebeneinander im Bett liegen, da spricht er endlich: »Jessica, wir müssen aufhören. Wir haben genug. Wenn wir nicht endlich aufhören und ein anderes Leben beginnen, dann sind wir zum Untergang verurteilt. Wenn wir unsere Fährte verwischt haben, werden wir nach California ziehen. Und wir sollten endlich heiraten. Oder willst du dein neues Leben ohne mich beginnen? Dann sag es jetzt.«

Da rollt sie sich über ihn. Und als sie zu ihm niederspricht, da trifft ihn heiß ihr Atem: »Jake, ich wünsche mir keinen anderen Mann bis an mein Lebensende. Wir beide sind füreinander geschaffen. Liebe mich, Jake, liebe mich wie immer in all den wunderschönen Stunden. Ja, lass uns irgendwann nach California gehen als seriöses Paar Jessica und Jakobus Allison.«

Als er das hört, verspürt er ein Gefühl der Erleichterung. Und weil ihm dadurch alles in der Zukunft weniger Sorgen bereiten wird, murmelt er scherzhaft: »Du sollst mich nicht Jakobus nennen, Jessica.«

Er spürt ihre ganze Lebendigkeit und ihr ganzes Feuer, als sie sich dann küssen.

Ja, das Leben mit ihr ist wunderschön in diesen Stunden.

Und all die anderen Stunden auf der Jagd nach Beute, die Stunden des Lauerns und Kämpfens, der Flucht, das alles wird es bald nicht mehr geben.

Sie lieben sich auch in dieser Nacht so, als hätten sie ihre Liebe lange Zeit entbehren müssen.

Als sie am nächsten Tag das kleine Dorf, dessen Einwohner fast alle mexikanischer Abstammung sind, verlassen, da glauben sie, dass sie nun zu einem neuen Anfang unterwegs sind. Sie müssen nur noch ihre Fährte gut verwirren und schließlich endgültig verwischen, um dann die Richtung nach California einschlagen zu können.

Um diese Zeit etwa erfährt Duke John Warwick auf seiner riesigen Hauptranch, dass sein einziger Sohn Johnny in der kleinen Stadt Ambrose beim Poker von einer schönen Spielerin rasiert wurde wie ein Hammel, ja, dass Johnny sogar die goldene Uhr verlor. Und anstatt bei der Landversteigerung der Regierung das alte Armeefort mit der starken Quelle und dem Umland zu ersteigern, verschwand Johnny mit den beiden Begleitern, die ihm Duke John Warwick mitgab.

Aber auch die schöne Spielerin verschwand mit ihrem Begleiter.

Das also erfährt der mächtige Cattle King an diesem Tag.

Dann wartet er auf weitere Nachrichten bezüglich seines einzigen Nachfolgers. Denn natürlich sind inzwischen einige seiner Reiter unterwegs und auf der Suche.

Es ist dann am nächsten Tag, als sie Johnny Warwick und die beiden verwundeten Begleiter, die ja seine Beschützer sein sollten, heimbringen auf die Hauptranch.

Duke John Warwick war stets ein harter Mann, bei dessen Anblick man unwillkürlich an einen Adler denkt, der die Welt mehr von oben herab betrachtet und stets bereit ist, niederzustoßen auf eine Beute.

In seinem Gesicht regt sich nichts, als er seinen toten Jungen betrachtet, den sie in sein Bett legten, bis der Sarg fertiggezimmert ist.

Er betrachtet ihn lange, und je länger er ihn ansieht, umso endgültiger begreift er, dass er keinen Erben mehr hat und alles, was er sich hier in Texas schuf, mit seinem Tode auseinanderbrechen wird.

Er hat sich viele Feinde gemacht.

Wenn er nicht mehr ist, werden sie von allen Seiten über sein Kingdom herfallen wie Wölfe über einen toten Büffel nach einem langen Blizzard.

Er weiß es.

Und so wird ihm alles, was er schuf, völlig gleichgültig.

Er ist schon zu alt, um einen zweiten Sohn großzuziehen und zu einem Mann werden zu sehen.

Einen Moment denkt er daran, sich eine Frau kommen zu lassen und sie zu schwängern. Aber selbst wenn sie ihm einen Sohn gebären würde, es wäre zu spät.

Und so will er nur noch Rache.

Er nickt auf den Toten nieder und murmelt: »Ich habe dich wohl zu früh für einen Mann gehalten. Du warst es noch nicht. In deinem Alter war ich längst ein erfahrener Bursche.«

Er verlässt das Zimmer und geht hinüber zum Bunkhouse der Mannschaft.

Dort liegen die angeschossenen Begleiter seines Sohnes auf ihren Schlafpritschen. Es geht ihnen nicht gut. Der Transport hat sie fast umgebracht. Auch haben sich ihre Wunden entzündet.

Der Koch der Hauptranch, der im Krieg Sanitätssergeant war, hat sich schon um sie gekümmert.

Als Duke John Warwick zu ihren Schlafstätten tritt, da wollen sie sich aufrichten, so sehr ist der Respekt vor ihm in ihren Köpfen.

Aber er knurrt: »Bleibt liegen, Jungs, bleibt liegen. Erzählt mir alles nochmals. Hat die schöne Spielerin wirklich einen unschlagbaren Revolvermann als Beschützer? Wie sieht er aus? Beschreibt ihn mir genau. Und wie schön ist die Frau, so reizvoll wie eine schöne Hure – oder wirkt sie wie eine erfahrene Lady. Ihr Name ist Jessica Parker? Also, erzählt mir noch mal alles genau.«

Sie tun es. Larry Bones erwidert mühsam: »Ja, sie wirkt wie eine wunderschöne Lady. Und jeder möchte an ihrem Spieltisch sitzen und ihre zauberhafte Nähe genießen. Sie hat goldene Haare und grünblaue Augen. Wenn sie einen ansieht, dann vergisst man fast das Atmen. Und das Herz schlägt einem schneller als sonst. Sie besitzt irgendwelche Zauberkräfte, denen auch Johnny verfiel. Wahrscheinlich konnte sie in ihm lesen wie in einem Buch. Deshalb konnte er nicht gegen sie gewinnen. Und sie hat ihn dann mit den beiden Kugeln eines kleinen Derringers getötet. Aber Johnny griff zuerst zur Waffe. Sie wollte ihm die Uhr zurückgeben, das Geld jedoch behalten. Da machte Johnny den großen Fehler. Denn sie hatte die kleine Waffe in ihrer Hand geschickt verborgen.«

Larry Bones verstummt heiser und kaum noch verständlich.

Doch nun beginnt sein Bettnachbar Cliff Garret zu sprechen.

»Dieser Revolvermann«, beginnt er, »ist einer von der besonderen Sorte. Ich halte ihn für einen ehemaligen Offizier der Südstaaten, der im Krieg das schnelle Schießen und Töten lernte. Er wirkt fast wie ein zu groß geratener Comanche, der sich wie ein Weißer kleidet. Ja, er wirkt wie ein elegant gekleideter Comanche, nämlich dunkel, aber mit hellen Augen. Er spricht wie ein Mann aus Alabama oder Georgia. Und er schlug Larry und mich glatt. Er hätte weiterschießen und uns töten können. Aber er tat es nicht. Ein Killer ist er also nicht, verstehen Sie, Boss?«

Duke John Warwick nickt.

»Werdet wieder gesund, Jungs«, murmelt er. »Ich danke euch, dass ihr bereit wart, für Johnny zu sterben. Ihr habt gekämpft. Das allein zählt. Werdet gesund.«

Er geht hinaus, und obwohl er ein Mann von fast sechzig Jahren ist, bewegt er sich leicht und sicher. Von hinten könnte man ihn für dreißig halten. Er ist drahtig und hat kein einziges Gramm zu viel an Gewicht.

Als er das Bunkhouse verlassen hat, flüstert Larry: »He, Cliff, der Boss wird sich selbst die Skalpe dieses Paares holen. Und die Schönheit der Gambler-Lady wird ihn nicht daran hindern.«

»So wird es kommen, Larry«, erwidert Cliff. Dann schläft er trotz seiner hackenden Wundschmerzen ein.

Es ist eine Stunde später, als Duke John Warwick seine Ranch verlässt.

Drei Reiter begleiten ihn.

Und er hat genug Geld bei sich, um ein ganzes Jahr nach dem Paar zu suchen, auch genug Geld für Belohnungen – oder um mit dieser Gambler-Lady um alles oder nichts zu spielen wie sein Junge.

Die Ranch ist ihm nicht mehr wichtig.

Er will die Spielerin und deren Beschützer. Nur das allein zählt noch für ihn.