G. F. Unger Sonder-Edition 316 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 316 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Am Nachmittag erblickt Adam Lee die Stadt zum ersten Mal. Er kann von den Vorbergen aus auf sie niederblicken. Sie liegt genau dort am Flussbogen, wo die Strömung alle Dinge an Land wirft, und sie erscheint ihm wie eine Ansammlung von großen Kisten und Kartons, die der Fluss an Land ablagerte. Es ist eine primitive Stadt, dies kann man schon von hier oben erkennen. Es ist eine dieser rasch aufgebauten Städte, die überall entstehen und zumeist nach wenigen Jahren wieder sterben, verfallen, weil es sich bald herausstellt, dass sie am falschen Platz und im falschen Land gegründet wurden. Adam Lee betrachtet die Ansammlung von Holzhäusern dort unten sehr kritisch. Er kommt dabei zu der Erkenntnis, dass die Stadt eigentlich eine reelle Chance haben könnte. Denn sie liegt an der Flussbiegung und besitzt genügend Landebrücken und einen großen Holzplatz, an dem die Flussdampfer sich mit Feuerholz versorgen können.


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Seitenzahl: 235

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

River Bend City

Vorschau

Impressum

River Bend City

Am Nachmittag erblickt Adam Lee die Stadt zum ersten Mal. Er kann von den Vorbergen aus auf sie niederblicken. Sie liegt genau dort am Flussbogen, wo die Strömung alle Dinge an Land wirft, und sie erscheint ihm wie eine Ansammlung von großen Kisten und Kartons, die der Fluss an Land ablagerte.

Es ist eine primitive Stadt, dies kann man schon von hier oben erkennen. Es ist eine dieser rasch aufgebauten Städte, die überall entstehen und zumeist nach wenigen Jahren wieder sterben, verfallen, weil es sich bald herausstellt, dass sie am falschen Platz und im falschen Land gegründet wurden.

Adam Lee betrachtet die Ansammlung von Holzhäusern dort unten sehr kritisch. Er kommt dabei zu der Erkenntnis, dass die Stadt eigentlich eine reelle Chance haben könnte. Denn sie liegt an der Flussbiegung und besitzt genügend Landebrücken und einen großen Holzplatz, an dem die Flussdampfer sich mit Feuerholz versorgen können.

Der Weg nach Oregon führt dort über den Fluss, denn es gibt eine große Seilfähre. Es geht viel Frachtverkehr nach Westen, wie die ausgefahrenen Wagenradfurchen der staubigen Straße beweisen.

Und überdies soll im Westen der Stadt gutes Weideland sein, das sich nach Norden zu bis zur Rosebud Indian Reservation ausdehnt.

Es sind also viele Voraussetzungen vorhanden, die eine Stadt nötig hat, um durch Handel zu erblühen und sich ein reiches Hinterland zu schaffen, mit vielen arbeitsamen Menschen, die versorgt werden müssen.

Adam Lee nickt leicht, so als bestätigte er sich irgendwelche Gedanken oder Erkenntnisse. Dann reitet er weiter in das Flusstal hinunter.

Er sitzt auf einem hageren, großen und langbeinigen Braunen, der irgendwie anders wirkt als normale Pferde, etwa so anders, wie sich eine Wildkatze von einer Hauskatze unterscheidet, obwohl sie ja beide Katzen sind.

Von Adam Lees Braunem geht eine gewisse Wildheit aus, und er wirkt wie ein Pferd, das für sich selbst sorgen kann. Ja, es ist ein Tier, das eigenwillig und stolz wirkt, sehr selbstbewusst und so, als brauchte es keinem Herrn zu dienen, sondern täte es freiwillig.

Es ist ein narbiges Pferd, ein Pferd aus dem Krieg. Man kann die Säbel-‍, Stich- und Kugelnarben deutlich unterscheiden.

Und der Mann, der auf solch einem Kriegspferd sitzt?

Adam Lee ist groß und schlank, ziemlich hager, dunkel und zäh. Sein Gesicht strahlt Ruhe und Beherrschung aus. Er hat graue Augen, ein festes Kinn, eine kleine, gerade Nase und einen geraden und männlichen Mund.

Irgendwie erscheint er einem beachtlich. Sein Alter ist schwer zu schätzen. Auf den ersten Blick erscheint er nicht älter als achtundzwanzig. Doch betrachtet man ihn näher, erkennt man graue Haarsträhnen und einige tiefe Linien in seinem Gesicht. Und wenn man in seine ruhigen und festen Augen blickt, dann weiß man, dass er älter ist.

Es ist schon Abend, als er den Fluss und die Fähre erreicht. Ein schwerer Frachtwagen, dessen acht Maultiere ruhig auf der Fähre stehen, nimmt fast den gesamten Platz weg. Doch der Reiter stellt hinter dem Wagen das Pferd quer und bleibt im Sattel.

Einer der beiden Fährleute blickt zu ihm auf und sagt: »Steht dieser Gaul auch ruhig? Sonst warten Sie lieber, bis wir den Wagen drüben haben. Erst gestern ist hier auf diese Weise ein Bursche ertrunken. Das Pferd stieß ihn ins Wasser, und ...« Der Fährmann macht eine bezeichnende Bewegung und vollendet dann: »... gluckgluck, weg war er, bevor wir etwas für ihn tun konnten. Und viel können wir nicht tun, weil auch wir nicht schwimmen können.«

Adam Lee lächelt vom Sattel aus auf ihn nieder. »Dieses Pferd steht wie ein Denkmal«, sagt er. »Und ich kann auch schwimmen.«

»Nun gut, dann bekomme ich für die Überfahrt von Mann und Pferd einen Vierteldollar, Mister. Sie sind fremd hier?«

Adam Lee erwidert nichts. Doch er zahlt aus der Tasche seiner ärmellosen Lederweste, die er über einem grünen Reithemd trägt. Sein Hut und das Halstuch sind schwarz. Seine schwarzen Hosen haben feine, graue Streifen. Er trägt einen Revolver und Cowboystiefel.

Man kann ihn nicht einordnen in eine der besonderen Sorten, zu der die Männer in dem Land hier gehören.

Er wirkt nicht wie ein Cowboy oder Rindermann.

Er wirkt auch nicht wie ein Frachtfahrer oder Flussschiffer. Auch ein Geschäftsreisender ist er nicht, kein Doktor, kein, kein Schulmeister oder Artist.

Es spricht auch nichts dafür, dass er ein Langreiter, ein Nachtfalke oder Bandit sein könnte.

Doch er sieht wie ein Mann aus, der selbstständig ist, wie ein beachtlicher Mann, der gut für sich sorgen kann.

Wenn er seinen Revolver tiefer und herausfordernder tragen würde, könnte man ihn für einen Revolverkämpfer halten, für einen Revolvermann, der seinen Stern in die Tasche gesteckt hat, um nicht sogleich als Gesetzesmann erkannt zu werden oder für einen Revolvermann, der nicht für das Gesetz kämpft, sondern für Geld.

Ja, solch ein Mann könnte er sein. Aber ganz bestimmt kein Revolverheld, kein Rowdy.

Die Fähre will ablegen, und die beiden Fährmänner werden dann an einem Rad drehen, das das jetzt auf dem Flussgrund liegende Stahlseil über eine Trommel und das Fährschiff somit über den Strom zieht.

Doch da taucht noch ein Reiter auf, der es sehr eilig zu haben scheint; er schießt nämlich mit dem Revolver in die Luft und stößt einen langen und scharfen Schrei aus.

»Jiiieeeja! Hoiiieeeja!«

So klingt es. Und die Fährleute warten. Ihre bärtigen Gesichter sind ausdruckslos. Sie betrachten Adam Lee forschend.

»Das ist Jim Denver«, sagt der eine Fährmann.

»Er ist ein wilder Junge und geht mit dem Revolver so fix um, wie Tante Mary mit den Stricknadeln. Mister, es hat kein Reiter mehr Platz auf der Fähre, und der wilde Jim Denver wartet nicht gerne. Er wird von Ihnen verlangen, dass Sie ihm Platz machen. Wenn Sie es nicht tun, bekommen Sie Verdruss. Er ist wild, gefährlich und betrachtet die ganze Welt als eine einzige Herausforderung. Jetzt wissen Sie Bescheid, Fremder.«

Nach diesen Worten geht er zur Seite. Und der Reiter hat inzwischen die Fähre erreicht.

»Euer Glück, Männer, dass ihr auf mich gewartet habt«, sagt er großspurig und arrogant. »Wild Jim Denver lässt man nicht stehen!«

Seine letzten Worte gelten schon mehr Adam Lee. Er blickt ihn nun starr und fest an und sagt zu Adam: »Tut mir leid, Mister. Doch auf mich wartet dort drüben in der Stadt ein Mädel. Ich darf es nicht warten lassen. Und deshalb müssen Sie runter von der Fähre. Sie können ja später immer noch übersetzen. Also los, Mann!«

Er macht eine heftige Handbewegung, die ein Wegscheuchen ausdrückt.

Adam Lee betrachtet den Jungen. Ja, Jim Denver, der sich selbst Wild Jim Denver nannte, ist bestimmt nicht älter als zweiundzwanzig. Er ist ein hübscher, blonder und großer Bursche, so ein richtiger Sunnyboy-Typ. Aber nur vom Ansehen her.

Sonst ist er einer von der Sorte, denen die Revolvergeschicklichkeit zu Kopf stieg, die es gewöhnt sind, dass man ihnen aus dem Weg geht und Männer sich vor ihr ducken. Ihre Revolverschnelligkeit, die ihnen die Macht über Leben und Tod gibt, macht sie großspurig, überheblich, arrogant und unduldsam. Sie halten sich für besondere Exemplare der männlichen Gattung, beanspruchen Sonderrechte und wachen eifersüchtig darüber, dass sie nichts übersehen, was eine Herausforderung sein könnte, ihrem Prestige schaden oder sonst wie ihrem verzerrten Stolze schädlich sein könnte.

Adam Lee betrachtet den Jungen, und er neigt dazu, nachzugeben und ihm den Platz auf der Fähre zu überlassen.

Denn Adam Lee ist kein Mann, der Streit sucht oder jede Herausforderung annimmt. Wilden Burschen wie diesem geht er lieber aus dem Weg, denn es ist keine Freude, sie zurechtzustutzen.

Adam Lee blickt zur Stadt hinüber. Er hat vor mehr als zwölf Stunden die letzte Mahlzeit zu sich genommen, und sie war nur eine karge Kost im Morgengrauen an einem Campfeuer.

Adam Lee verspürt einen starken Hunger, und er sehnt sich nach einem heißen Bad, in dem der Staub des Weges und der Schmutz eines langen Rittes aus den Poren geschwitzt werden. Er sehnt sich nach einem Barbier, nach sauberem Unterzeug – und eben all den Dingen und Annehmlichkeiten, die ein Reiter während eines langen und weiten Rittes entbehren muss.

Er befindet sich auf der Fähre und hat bezahlt.

Nun soll er einem wilden Jungen Platz machen.

Er nimmt den Blick von der Stadt und hat sich entschieden. Ja, er wird warten, bis die Fähre wieder herübergezogen wird. Er lässt dem wilden Jungen den Vortritt.

Es lohnt keinen Kampf.

Als er Jim Denver ansieht, hat dieser den Revolver immer noch in der Hand und ein kaltes und böses Grinsen auf den Lippen.

»Los, runter von der Fähre, alter Freund!«

Dies ist ein Befehl, dem von einem Revolver Nachdruck verliehen wird.

Adam Lee nickt kühl. Aber ein kalter Zorn erfasst ihn.

»Das wollte ich ohnehin schon«, sagt er und zieht sein Pferd herum, lenkt es über die Landeplanke und leicht zur Seite.

Jim Denver aber treibt sein Tier hart an ihm vorbei, um Adam Lees Platz an Bord einnehmen zu können.

Und da bekommt er es.

Adam Lees Rechte lässt die Zügel los. Diese Rechte ist blitzschnell. Bevor Jim Denver den Revolver auf ihn richten kann, trifft Adam Lees Handkante das Gelenk der Revolverhand. Der Revolver fällt auf die Landebrücke und von da ins Wasser.

Jim Denvers Pferd tanzt erschreckt. Doch Adam Lees großes Tier drängt nun seitlich. Das andere Pferd muss von der Landebrücke hinunter, und es springt in den Fluss.

Jim Denver nimmt ein Bad, und er ist ein schlechter Schwimmer. Er gewinnt aber schließlich doch Grund und watet ans Ufer. Die Strömung hat ihn schon ein Stück abgetrieben. Seine Stimme klingt kreischend. Er schüttelt die Fäuste und brüllt: »Dafür bringe ich Sie um! Und wenn ich tausend Meilen hinter Ihnen her ...«

Seine Stimme überschlägt sich nun.

Adam Lee reitet wieder an Bord.

»Nun können wir abfahren«, sagt er zu den beiden Fährleuten, die ihn stumm betrachten.

Sie tun es wortlos, und indes die Fähre ablegt und sich langsam am Seil auf die andere Seite zu bewegt, blickt Adam Lee auf Jim Denver, der nun am Ufer steht und sich das Wasser aus den Stiefeln kippt. Jim Denver tobt nicht mehr.

Adam Lee blickt am vor ihm stehenden Frachtwagen vorbei auf die Stadt, die dort am Flussbogen liegt. Der Frachtfahrer, der vom auf dem Fahrersitz sitzt und beruhigend zu den Maultieren spricht, wendet einmal den Kopf und blickt an der hellen Wagenplane entlang nach hinten. Auch die beiden Fährleute, die mit Handspaken das Rad drehen, betrachten Adam Lee immer wieder.

»Dieser Jim Denver wird sich einen neuen Revolver besorgen und hinter Ihnen her sein, bevor er sich Zeit nimmt, seine Sachen zu trocknen«, sagt der eine Fährmann.

»Hat er Freunde?«, fragt Adam Lee ruhig.

»Nicht direkt, Fremder«, bekommt er etwas unklar zur Antwort.

»Dieser Typ hat kaum Freunde, nur Anhänger, Kumpane – und eine ganze Menge Feinde. Er hat sich viele Feinde gemacht. Auf jeden Fall wird er hinter Ihrem Skalp her sein. Sie werden ihn töten müssen oder von ihm getötet werden, denn die Stadt dort drüben ist ziemlich wild. Sie liegt im Westen dieses Flusses.«

Und damit hat der Mann alles gesagt. Bald darauf macht die Fähre an der Landebrücke fest. Das Achtergespann zieht den Frachtwagen an Land. Adam Lee folgt.

Es ist Abend. Die Stadt an der Flussbiegung hat ihre Lichter angezündet. Adam Lee hält einmal an und blickt zurück.

Er fragt sich, ob er weit genug geritten ist. Doch dann sieht er undeutlich den dunklen Körper der Fähre über den Strom gleiten. Die Fähre wird den ehrgeizigen und ruhmsüchtigen Revolverhelden Jim Denver auf diese Seite holen.

Als Adam Lee daran denkt, verspürt er all die Bitterkeit, die er bisher unterdrückte und irgendwo in seinem Innern gefangen hielt.

Doch nun steigt sie auf.

»Nein, ich bin nicht weit genug«, sagt er. »Ich traf schon wieder auf einen Narren. Und wenn ich bliebe, müsste ich mit ihm kämpfen. Warum nur habe ich mich herausfordern lassen? Warum überließ ich ihm nicht den Vortritt?«

Er spricht es bitter. Und zugleich weiß er, dass er wohl eine Herausforderung übersehen und missachten kann, doch noch niemals konnte er ruhig bleiben, wenn man ihn bedrohte. Als dieser Jim Denver den Revolver auf ihn richtete, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, dem jungen Revolverschwinger eine Lektion zu erteilen. Er hatte keine Zeit mehr, um darüber nachzudenken, ob dies klug wäre und was nachher für Verdruss entstehen könnte.

Nein, als Jim Denver dicht an ihm vorbei auf die Landebrücke ritt, erkannte er die Chance, ihm den Revolver aus der Hand schlagen zu können. Sie bot sich nur für einen Sekundenbruchteil – und da schlug er zu. Das ist seine Schwäche. Es war immer so.

Er seufzt leise und blickt wieder auf die erleuchtete Stadt, deren Häuser keine fünfzig Yards entfernt beginnen.

Er ist hungrig und müde. Hinter ihm liegt eine Kette von einsamen Camps. Soll er an der Stadt vorbei und weiter nach Westen reiten? Nur wegen eines wilden Burschen?

Aber weiter im Westen – das weiß er – ist nichts mehr. Es gibt dort keine Stadt mehr. Dort im Westen ist Indianerland. Da ist Büffelweide, und es gibt da nur einige Rinderzüchter, Siedler und Farmer. Und Oregon ist noch weit, und weit ist es auch noch bis Laramie, das am Weg dorthin liegt.

Aber Laramie ist jetzt kurz nach dem beendeten Bürgerkrieg nur ein sehr kümmerliches Fort mit einer kleinen Siedlung.

Dies hier ist wirklich die letzte Stadt, die diese Bezeichnung verdient. Er kennt ihren Namen. Er las ihn auf einem Wegweiser. Es ist River Bend City. Und er weiß etwas über diese Stadt; er hörte von einer Möglichkeit.

In Adam Lee steigt ein bitterer und grimmiger Zorn auf.

Nein, er reißt vor einem wilden Jungen nicht aus. Er ist weit geritten, um einer anderen Salve zu entkommen. Und nun erweist es sich, dass er hier sofort wieder in einen neuen Verdruss geriet, nicht viel anders als jener, dem er sich durch ein langes Reiten entzog.

»Warum, zum Teufel, bin ich also so lange und so weit geritten, wenn hier der gleiche Kummer auf mich wartet?« Dies fragt er sich. Und er spürt es wieder einmal deutlich, dass es wohl seine Bestimmung ist und es zu seinem Schicksal zu gehören scheint, ständig in den gleichen Kummer zu geraten.

»Vielleicht sollte ich endlich einmal irgendwo bleiben und es bis in die Hölle hinein auskämpfen – endlich einmal herausfinden, was dann ist, wenn man mich als das erkannt hat, was ich bin.«

Er spricht es tonlos.

Dann reitet er in die Stadt.

Und die beiden Fährleute, die immer noch die Fähre über den Fluss ziehen, sprechen unterdes folgende Worte: »Hast du ihn dir genau angesehen, Jorge?«

»Ganz genau, Abe, ganz genau.«

»Na und, Jorge? Na, sag es doch schon!«

»Er wollte dem wilden Jimmy Denver zuerst nichts tun. Erst als der wilde Jimmy ihn mit dem Revolver bedrohte, wurde er scharf. Ich denke, er wird den wilden Jim Denver verputzen wie ein Wolf ein Kaninchen. Und dann ...«

Er verstummt.

Doch sein Partner weiß es auch so, was dann sein wird. Er sagt es mit den schlichten Worten: »Dann wird sich die Wilde Horde in River Bend City fragen, ob er ein Mann ist, der ihr gefährlich werden könnte.«

In der Stadt herrscht mehr Betrieb, als Adam Lee erwartet hätte. Im großen Frachtwagenhof, an dem er bald darauf vorbei reitet, stehen viele Frachtwagen. Es ist also ein größerer Frachtzug angekommen, und jener Wagen, der auf der Fähre war, gehört als letzter Wagen dazu.

Adam Lee stellt sein Pferd in den Mietstall und sagt zum Stallmann: »Nur wenig Wasser, viel Heu und wenig Hafer. Wenn Sie ihn sanft behandeln und geduldig sind, wird er Sie nicht beißen und auch nicht treten. Er ist ein Gentleman, vergessen Sie es nicht.«

»Ich kenne diese Pferdesorte«, murmelt der alte Stallmann und stellt dann die Frage: »Bleiben Sie in unserer Stadt, Mister?«

»Vielleicht zwei Tage«, murmelt Adam, nimmt sein Gewehr und sein Bündel und verlässt den Mietstall, und er weiß, dass ihn die Falkenaugen des alten Mannes sorgfältig abschätzten.

Drinnen sagt der Mann zu dem narbigen Pferd: »Ihr passt wohl sehr gut zusammen, du und dein Herr, wie? Er sagt, dass du ein Gentleman bist, der nicht beißt und auch nicht tritt, wenn man dich mit Geduld und Sanftheit behandelt. Man muss also höflich zu dir sein. Nun, ich wette, dass auch dein Herr so ist. Wenn du es mir sagen könntest, würde ich dich fragen. Ich würde dich fragen, wer er ist, was er hier will und ...«

Er verstummt und macht sich an die Arbeit. Er ist ein alter und erfahrener Mann, dieser Stallbesitzer Jeff Harding. Er sah schon viele harte Männer in diese Stadt kommen.

Warum kamen sie gerade nach River Bend City? Doch diese Frage stellt sich nicht nur Jeff Harding.

Adam Lee hat indes ein Hotel erreicht. Es ist das City Hotel, und unter dem Schild, das diesen Namen groß verkündet, steht noch geschrieben, dass es zu den »Marcus-Poe-Betrieben« gehört.

Aha, denkt Adam Lee, es gibt also hier in der Stadt einen Mann, der Marcus Poe heißt und der eine ganze Anzahl von Hotels, Saloons und ähnlichen Betrieben besitzt.

Adam tritt ein in die Empfangshalle. Der Mann hinter dem Anmeldepult betrachtet ihn mit vorsichtiger und wachsamer Abschätzung. Adam bestellt ein Zimmer und ein heißes Bad. Er fragt, ob der Barbier kommen könne, um ihm die Haare zu schneiden, indes er im Bad säße.

»Für drei Dollar kommt er«, sagt der hagere Mann hinter dem Anmeldepult. »Wir führen ein Haus für verwöhnte Gäste.«

»Das dachte ich mir gleich«, brummt Adam Lee und trägt sich ins Gästebuch ein.

Adam H. Lee, Texas, Geschäftsmann, so steht es in einer energisch wirkenden Handschrift im Buch zu lesen.

»Darf ich fragen«, murmelt der Hotelmann, »welche Art von Geschäften Sie betreiben?«

»Jede Art«, erwidert Adam Lee sanft und geht nach oben.

Der Mann blickt ihm nachdenklich nach, sagt dann dem Hausneger, dass er die Holzbadewanne mit heißem Wasser füllen möge, und verlässt das Hotel.

Er begibt sich in den Imperial-Saloon, geht dort die Treppe hinauf und betritt bald darauf einen Raum, der als besonders intimes Spielzimmer eingerichtet ist. Es gibt hier eine kleine Bar und auf einem anderen Tisch allerlei kalte Platten und Speisen. Die Spieler bedienen sich hier selbst.

Der Hotelmann tritt zu einem grauhaarigen Gentleman, der wie ein Gelehrter aussieht oder wie ein Dichter und Denker, grau, würdig und kultiviert.

»Da ist ein gewisser Adam H. Lee aus Texas gekommen«, sagt er zu dem so gelehrt und gebildet wirkenden Gentleman. »Er gibt sich als Geschäftsmann aus und wirkt wie eine besonders harte Nummer. Er muss weit und lange geritten sein. Ich würde ihn nicht für einen Revolvermann halten, doch er kann alles sein, alles!«

Dieses »alles« wird wie eine Warnung ausgesprochen. Und nicht nur jener weißhaarige und so kultiviert wirkende Mann hörte interessiert zu. Auch seine Mitspieler lauschten.

Doch nun sagt der Weißkopf: »Es ist gut, Robson. Wir werden ihn im Auge behalten. Und Sie tun das Übliche, nicht wahr?«

Indes sitzt Adam Lee im Bad und bekommt die Haare geschnitten. Der Barbier ist sehr schweigsam. Er hat ein steifes Bein und hinkt sehr stark, weil das Bein auch noch kürzer ist.

Alan gibt ihm vier Dollar, doch der Mann bedankt sich kaum und verschwindet, ganz ein wortkarger, verdrossener und mit seinem Schicksal wohl unzufriedener Mann.

Wenig später kommt der Schwarze zurück, den Adam Lee in den Store geschickt hat, um ihm einige Einkäufe zu besorgen: Unterwäsche, Socken und ähnliche Dinge.

Der Schwarze rollt die Augen, sodass man viel Weißes sieht, und erklärt: »Wild Jim Denver saust durch die Stadt, Sir! Er hat sich einen neuen Revolver besorgt und fragte mich nach einem Mann, der so aussieht wie Sie, Sir. Ich musste ihm sagen, dass Sie bei uns abgestiegen sind. Er sagte mir, dass er Sie im Trail-Saloon erwartet. Und wenn Sie nicht kämen, würde er Sie aus dem Hotel holen.«

Der Schwarze macht eine Pause. »Doch das würde Mr. Marcus Poe bestimmt nicht gestatten, dass Jim Denver einen Gast aus dem Hotel holt.«

»Das ist gut.« Adam Lee nickt. »Ich habe nämlich keine Lust, mich mit einem Lümmel wie Jim Denver auseinanderzusetzen. Ich gehe jetzt in mein Zimmer. Du holst mir aus dem Restaurant ein Essen. Was kannst du mir empfehlen?«

»Es gibt Hammelbraten, grüne Bohnen, eine weiße Soße und kleine Gurken. Zum Nachtisch Apfelkuchen und Kaffee. Und alles für einen Dollar!«

»Dann bring mir zwei Portionen und einen Topf Kaffee. Hast du noch Geld übrig?«

»Noch zehn Dollar, Sir.«

»Den Rest kannst du behalten, Black-Jack!«

»Ich bin Bill, Sir, Bill Washington. So wurde ich getauft. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, dann rufen Sie mich bitte Bill.«

»Sicher, Bill!«

Adam Lee steigt aus der Wanne. Er nimmt das Handtuch von der Bank, die dicht neben der Wanne steht. Und unter dem Handtuch lag griffbereit ein Revolver.

Er hat einen sehnigen Körper mit langen Muskeln. Es ist kein Gramm überflüssiges Fleisch an ihm. Doch er ist nicht mager. Er wiegt etwa hundertsiebzig Pfund und ist sicherlich etwas größer als einsachtzig. Sein Körper ist gebräunt und wirkt sehr abgehärtet und zäh. Er ist kein muskulöser Typ, doch er wirkt sehr ausdauernd. Sein Knochenbau ist auffallend fest.

Er kleidet sich dann schnell an, schiebt seinen Revolver in den Hosenbund und geht in sein Zimmer. Er betritt es, ohne die Lampe anzuzünden. Doch er hat den Revolver schussbereit in der Hand.

Aber es hat sich niemand eingeschlichen. Jim Denver scheint wirklich nicht ins Hotel kommen zu wollen. Daraus schließt Adam Lee, dass dieser Marcus Poe ein Mann sein muss, den sogar Wild Jim Denver respektiert.

Adam öffnet das Fenster.

Er kann über das flache Dach des gegenüberliegenden und nur ebenerdigen Hauses hinweg zum Fluss hinuntersehen. Der Fluss ist keine halbe Meile entfernt. Der Mond ist aufgegangen, und der Strom glänzt wie Silber.

Es ist eine helle und dabei warme und schwüle Nacht. Auch der Tag war warm und schwül, viel zu warm für die Jahreszeit.

Bestimmt wird es noch diese Nacht ein Gewitter geben, denkt Adam. Der helle Mondschein bleibt nicht lange. Es ist zu schwül. Er verfolgt den Flusslauf mit Blicken, die alles noch gut erkennen können. Von dieser Seite kann er an der Flussbiegung die Enge und die großen, überhängenden Felsen erkennen. Der Fluss hat dort in Jahrtausenden alles unterspült und seinen Wasserspiegel im Verlauf der Jahreszeit ständig gesenkt oder erhöht.

Adam kann es von seinem Fenster aus im hellen Mondlicht ziemlich gut erkennen. Und er denkt: Eines Tages, da werden die überhängenden Felsen in die schmale Strombiegung fallen und den Fluss für jedes Dampfschiff unpassierbar machen. Es wird sicherlich Jahre dauern, bis Wasser und Strömung wieder eine Fahrtrinne geschaffen haben.

Adam Lee zuckt plötzlich zusammen, als hätte ihn eine Nadel gestochen. Denn mit einem Mal erkennt er die Chance. Ja, sie ist es, wovon er gehört hat und an die er sich erinnerte, als er sich dieser Stadt näherte.

Seine Gedanken jagen sich nun. Er begreift, dass dort, wenn das Mondlicht nicht trügt und auch bei Tageslicht dort drüben alles so aussieht wie jetzt, eine große Chance für ein Geschäft vorhanden ist. Eine ganz besondere Chance, die nur ein harter Mann mit Hilfe anderer harter Männer wahrnehmen könnte.

Er schließt das Fenster, macht Licht und lässt dann Bill Washington herein, der mit einem schwerbeladenen Tablett vom Restaurant kommt.

»Dieser Wild Jim Denver«, sagt der Schwarze, nachdem er das Tablett auf dem Tisch abgesetzt hat, »verkündet überall in der Stadt, dass er Sie töten will. Und er lässt Ihnen durch mich nochmals ausrichten, dass Sie ihm nicht entkommen würden und es keinen Sinn hätte, sich im Hotel zu verkriechen. Wenn Sie in einer Stunde nicht kommen würden oder gekommen wären, dann will er in den Mietstall gehen und Ihr Pferd erschießen. Und er tut das wirklich. Er bringt das fertig.«

Adam Lee erwidert nichts. Er macht sich mit dem Heißhunger eines Mannes über das Essen her, der nach einem langen und anstrengenden Tagesritt endlich neue Säfte und Kräfte in seinen hungrigen Magen schaffen muss, weil der Körper es gebieterisch verlangt.

Bill Washington geht mit einem Gruß hinaus und schließt leise die Tür. Adam Lee aber weiß, dass es nun für ihn zwei Gründe gibt, um sich diesem Jim Denver zu stellen.

Denn er kann nicht zulassen, dass Wild Jim sein Pferd tötet.

Und er will sich am nächsten Tag die überhängende Felswand an der Stromenge ansehen. Dabei würde er sicherlich ohnehin auf diesen wilden Burschen stoßen.

Nachdem er gegessen hat, trinkt er den Kaffee, zündet sich eine Zigarre an und legt sich aufs Bett. Er liegt entspannt da, raucht und denkt nach.

Nach etwa einer halben Stunde erhebt er sich und macht sich auf den Weg zu Jim Denver.

Nein, er will keinen Kampf. Doch er will hier in der Stadt während seines Aufenthalts nicht immerzu einem schießwütigen Burschen ausweichen müssen.

Die Stadt ist jetzt noch lauter als sonst. An den Haltestangen stehen viele Sattelpferde, ein Zeichen dafür, dass es im Land einige Ranches und Camps geben muss, Siedlungen und viel Durchreiseverkehr. Gewiss legen hier auch die großen Flussdampfer an, die entweder hinauf ins Goldland von Montana fahren oder von dort kommen.

Und bald wird es Winter werden dort oben in Montana. Die Goldschürfer werden zu Tausenden auf den Schiffen den Strom herunterkommen, und viele dieser Goldschürfer werden die Tasche voll Gold haben.

Adam Lee ist wirklich ein Geschäftsmann, wenn auch einer der besonderen Art. Seine Gedanken beschäftigen sich schon wieder mit den vielen Möglichkeiten, die hier vorhanden sind. Und er weiß, dass er diese Stadt näher kennen lernen muss – ihre Leute und maßgebenden Köpfe.

Doch zuerst geht es um Jim Denver, um Wild Jim, wie er sich nennt und wie er genannt wird.

Die Gehsteige sind überdacht. Adam Lee geht auf der Westseite der Straße entlang. Er geht vorbei an Geschäften, die noch geöffnet sind, an Saloons, Hotels, Speiseküchen und Wohnhäusern. Es gibt eine Anzahl Handwerker hier, die zugleich auch Läden haben.

Der Trail-Saloon befindet sich auf der anderen Seite. Als Adam Lee die Straße überquert, findet er Beachtung. Eine Gruppe von Männern öffnet sich zu einer Front, betrachtet ihn, und eine Stimme sagt: »Das ist er sicherlich! Ja, das ist er!«

Er weiß, dass man hier auf sein Kommen gewartet hat. Er stößt die Schwingtür des Saloons auf und tritt ein. Er weiß, dass er es unbesorgt tun kann. Jim Denver wird nicht mit schussbereitem Revolver auf sein Eintreten warten und sofort losballern. Nein!

Jim Denver hat den Ehrgeiz, als ein besonders großer und berühmter Revolverkämpfer zu gelten.

Das bedeutet aber, dass er nach jenen Regeln kämpfen muss, die für solche Kämpfe zum Gesetz wurden. Und ganz gewiss wurde da sehr viel aus jener Zeit übernommen, da Kavaliere mit dem Degen aufeinander losgingen.

Als Adam Lee eintritt, blicken alle Augen ihn an. Es sind nicht wenige Leute versammelt, wie es ja immer und zu jeder Zeit und an jedem Ort ist, wenn die Menschen eine Sensation, einen Nervenkitzel oder gar einen Kampf erwarten.

Adam Lee geht den Gang entlang, zwischen Stühlen und Tischen hindurch und bis zum Schanktisch.

An der Ecke steht Jim Denver.

Adam steuert auf die andere Ecke zu.

Einige Männer, die trinkend am Schanktisch standen und in den Spiegel starrten, trinken schnell die Gläser aus und entfernen sich.

Adam Lee geht langsam, fast bedächtig. Er raucht nun eine neue Zigarre, und er weiß, dass man ihn genau beobachtet, studiert, abschätzt.

Er kennt dieses Spiel. Er hat es oft gesehen und einige Male selbst erlebt.

In ihm ist ein bitterer Zorn auf Jim Denver, auf diesen dummen und verblendeten Burschen, der ihn zu solchen Dingen zwingt. Er würde immer noch umkehren und fortreiten können. Jim Denver würde sich mit diesem Sieg vielleicht doch zufrieden geben.

Doch Adam Lee hat inzwischen eine Möglichkeit erkannt. Er hat ein Geschäft gewittert. Und er hat schon viele besondere Geschäfte gemacht. Er ist kein armer Mann. Er besitzt in verschiedenen Städten Konten. Insgesamt könnte er mehr als fünfzigtausend Dollar in Bargeld auf den Tisch legen, wenn er alle Konten löschte und das Geld zusammen in einen Sack täte.

Und auch hier in River Bend City hat er eine Möglichkeit erkannt.

Deshalb läuft er auch vor Jim Denver nicht davon, sondern zeigt der Stadt, dass in ihm ein Mann gekommen ist, der solche Jungens wie Wild Jim Denver schnell und sicher zurechtstutzen kann.

Indes er den Gang entlang zum Schanktisch geht und dabei den Blick auf Jim gerichtet hält, hört er da und dort Worte, Gespräche, schnell gezischt oder gemurmelt.