G. F. Unger Sonder-Edition 318 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 318 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als die Postkutsche die Pueblo-Station erreicht, hat Nayenaezghani, der Sonnengott der Apachen, bereits die Sterne ausgepustet, und all die Schatten verschwinden und weichen dem zunehmenden Grau des Tages. Es war eine erbärmliche, staubige, heiße Fahrt von Fort Apache nach Süden. Einer der wenigen Fahrgäste ist Jones Wade, und weil er ein Soldat ist und man unterwegs immerzu mit Apachen zu rechnen hatte, lag er die ganze Zeit hinter dem Fahrer und dessen Begleitmann auf dem Kutschdach zwischen den angebundenen Gepäckstücken und hielt sein Gewehr bereit. Nachdem er nun sein weniges Gepäck hinuntergeworfen hat, klettert er von der Kutsche. Trotz seiner Steifheit, die von der unbequemen Fahrt in seinen Gliedern ist, kann man unschwer erkennen, dass dieser hagere und nur wenig mehr als mittelgroße Sergeant sich gewiss unheimlich schnell bewegen kann, wie ein Wüstenwolf.


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Seitenzahl: 205

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Schmutziger Sieg

Vorschau

Impressum

Schmutziger Sieg

Als die Postkutsche die Pueblo-Station erreicht, hat Nayenaezghani, der Sonnengott der Apachen, bereits die Sterne ausgepustet, und all die Schatten verschwinden und weichen dem zunehmenden Grau des Tages.

Es war eine erbärmliche, staubige, heiße Fahrt von Fort Apache nach Süden. Einer der wenigen Fahrgäste ist Jo‍nes Wade, und weil er ein Soldat ist und man unterwegs immerzu mit Apachen zu rechnen hatte, lag er die ganze Zeit hinter dem Fahrer und dessen Begleitmann auf dem Kutschdach zwischen den angebundenen Gepäckstücken und hielt sein Gewehr bereit.

Nachdem er nun sein weniges Gepäck hinuntergeworfen hat, klettert er von der Kutsche. Trotz seiner Steifheit, die von der unbequemen Fahrt in seinen Gliedern ist, kann man unschwer erkennen, dass dieser hagere und nur wenig mehr als mittelgroße Sergeant sich gewiss unheimlich schnell bewegen kann, wie ein Wüstenwolf.

Sein dunkles Gesicht ist etwas hohlwangig und stoppelbärtig. Er ist mit Staub bedeckt wie der Fahrer und dessen Begleitmann und auch die Reisenden, die sich steif und erschöpft aus der Kutsche quälen.

Als er sich umsieht, tritt ein Soldat auf ihn zu und fragt missmutig: »Sergeant Wade?«

Jones Wade nickt, und er betrachtet den Soldaten fest. Dieser grinst und schiebt seinen Kautabak von der linken in die rechte Backentasche. Dann spuckt er dem Sergeanten vor die Füße und schiebt seine Daumen unter die Hosenträger, die er gegen die Vorschrift über dem Reithemd trägt, und sagt trocken: »Wir wissen über Sie Bescheid, Sergeant, und was mich betrifft, ich war auch schon mal Sergeant, so wie Sie Lieutenant waren, First Lieutenant sogar. Bei der Armee verliert ein Sergeant schneller seinen Streifen als ein Lieutenant sein Patent. Kommen Sie! Ich soll Sie zu Lieutenant Sanders holen. Er macht es nicht mehr lange, dieser milchbärtige Junge, unter dessen Befehl man Männer stellte. – Kommen Sie!«

Er wendet sich einfach ab und geht voraus. Er ist ein großer, massiger Mann. Das Leben in diesem Land und in der Armee machten ihn hart und zäh. Selbst der Alkohol konnte ihm noch nichts anhaben.

Jones Wade sagt nichts. Er nimmt sein weniges Gepäck und folgt diesem Soldaten, der ihm so offensichtlich Missachtung und Respektlosigkeit zeigte.

Sie gehen in einen Raum des Pueblos hinein. Sie können dies tun, weil man hier von außen ebenerdig Eingänge in die Mauern brach und nun nicht mehr von oben hinuntersteigen muss.

Es ist eine kleine Kammer. Die Öllampe beleuchtet das eingefallene Gesicht eines jungen Mannes.

Jones war vor sechs Jahren noch selbst solch ein junger Offizier. Er hat inzwischen auch schon genügend Männer sterben sehen. Er weiß genau, wie ein sterbender Mann aussieht.

Deshalb hat er jetzt Mitleid mit diesem Jungen dort auf dem Sterbelager.

»Sergeant Wade, abkommandiert von Fort Apache nach Camp Pinal, meldet sich zur Stelle, Sir«, sagt er ruhig und klar. Seine Stimme klingt ein wenig zu ruhig, fast monoton.

Doch der junge Offizier hat keine Zeit mehr für militärische Formalitäten. Er spricht abgehackt und mühsam, mit letzter Kraft.

»Ich habe einen Pfeil im Bauch – seit drei Tagen. Er bringt mich um. Ich bin bald tot. – Sie haben das Kommando, Sergeant. Ich kann Ihnen keinen Rat geben. – Wenn Sie nach Camp Pinal ausrücken ... draußen lauert Bronco Coloradas. Und wenn er Susan Elliot ...«

Weiter kommt der junge Lieutenant nicht mehr. Er blickt verstummend in die rauchgrauen Augen des Sergeanten und haucht dabei den letzten Atem aus.

Draußen aber geht die Sonne auf. Ein neuer Tag hat begonnen und taucht nun das Land in ein strahlendes Meer glühender Farben.

Jones Wade weiß es, denn er liebt dieses Land – und er hasst es zugleich.

Er wendet sich um, als der große Soldat eintritt und heiser fragt: »Ist er tot, dieser Junge?«

»Ja«, erwidert Jones Wade. »Und nun möchte ich einen genauen Bericht.«

»Den können Sie haben«, erwidert der Soldat grinsend. »Ich bin Jake Plummer. Außer mir gelang es noch acht Männern, die Pueblo-Station zu erreichen. Wir waren am Anfang fünfzehn Reiter, den Lieutenant mitgezählt. Bronco Coloradas legte uns einen Hinterhalt. Und ...«

»Warum seid ihr zur Pueblo-Station gekommen?«

»Aus dreierlei Gründen. Weil die Braut von Captain Barlett erwartet wurde und wir sie eskortieren sollten, weil wir den Zahlmeister und einige Verpflegungs- und Munitionswagen der Armee erwarteten, und weil Sie angekündigt waren, Sergeant. Es sind nun alle versammelt, und es könnte losgehen. Doch zwischen hier und Camp Pinal lauert Bronco Coloradas. Der Zahlmeister geht hier nicht fort. Niemand von uns geht hier fort. Wir müssen warten, bis man aus Camp Pinal eine neue Abteilung schickt, denke ich. Doch das wird schwer sein, denn in Camp Pinal sind kaum mehr als fünf Dutzend kampffähige Soldaten. Wir hatten eine Seuche. Jemand hatte unsere Brunnen vergiftet. Diese Apachen wollen nicht, dass aus dem Camp ein neues Fort in diesem Lande entsteht. Nun, Sergeant, diese Station hier ist einigermaßen sicher. Sie ist zu verteidigen wie ein Fort. Es gibt hier eine Menge Zivilisten, die sich hergeflüchtet haben. Irgendwann wird die Armee Ersatz schicken. Bis dahin können wir es uns hier recht gutgehen lassen, nicht wahr?«

Jones Wade zieht dem toten Lieutenant die Decke über das Gesicht. Dann geht er an dem Soldaten vorbei hinaus.

Draußen steht eine junge Frau. Sie hält sich sehr gerade und betrachtet ihn forschend. Sie ist mittelgroß, schlank, und sie trägt ein recht modernes Reisekostüm, das die Farbe ihrer grünen Augen besitzt, jedoch jetzt vom Staub verfärbt ist.

Jones Wade grüßt höflich. Er weiß schon jetzt mit einiger Gewissheit, dass dies hier jene Susan Elliot ist, die zu Captain Mark Barlett wollte. Vor allem wegen ihr schickte man ja von Camp Pinal aus die kleine Abteilung unter Lieutenant Ben Sanders.

»Wer hat das Kommando über die Soldaten?« Diese Frage stellt sie fordernd. Irgendwie hat es den Anschein, als kenne sie sich mit der Armee und deren Eigenarten gut aus.

»Das kommt darauf an«, erwidert Jones Wade. »Ich bin Sergeant Wade. Dort drinnen liegt ein toter Lieutenant. Er übertrug mir das Kommando über die Eskorte aus Camp Pinal. Aber es soll auch noch ein Armee-Zahlmeister mit seinen Leuten hier sein. Er hat Offiziersrang. Es wird darauf ankommen, wie Ihre Wünsche sind, Madam.«

»Ich muss so schnell wie möglich nach Camp Pinal«, sagt sie. »Der Kommandant dort ist mein Verlobter. Wann brechen Sie mit Ihren Leuten nach Camp Pinal auf?«

Jones Wade betrachtet dieses Mädchen ernst. Er erkennt in ihren Augen einen fast gehetzten Ausdruck, aber zugleich auch spürt er ihre feste Entschlossenheit.

»Ich glaube nicht, dass ich Sie mit nach Camp Pinal nehme«, sagt er und seine Stimme klingt etwas grob und abweisend. Er deutet hinaus in das Land, dorthin, wo die Hügel und Canyons im Sonnenlicht grün, golden und purpurn leuchten und selbst die Schatten blau erscheinen.

Alles in diesem Lande, selbst die Wüste, ist voller Farben.

»Dort draußen irgendwo zwischen hier und Camp Pinal wartet Bronco Coloradas«, sagt er. »Ich kenne ihn. Ich kenne ihn gut! Er ist ein Neffe von Mangas Coloradas, und Sie würden nicht die erste weiße Squaw für ihn sein.«

Er betrachtet Susan Elliot. Diese erkennt in seinen rauchgrauen Augen ein seltsames Glitzern. Sein Gesicht wird noch etwas dunkler. Susan Elliot spürt plötzlich mit dem feinen Instinkt einer Frau, dass dieser so hart wirkende Sergeant innerlich sehr erregt ist.

Sie ist müde von der langen, zermürbenden Reise. Seit drei Tagen und Nächten fuhr sie mit der Kutsche durch das endlose Land, doch eine unbändige Energie treibt sie an.

»Ich habe einen Passierschein von General Crook«, sagt sie. »Jede Armeeabteilung hat mir bei meiner Absicht zu helfen, unverzüglich zu Captain Mark Barlett nach Camp Pinal zu gelangen. Sie werden mich mitnehmen müssen, Sergeant! Aber ich würde mir auch einen indianischen Führer nehmen und allein nach Camp Pinal reiten. Es ist wichtig, Sergeant! Ich bin bereit, alles zu tun und alles zu wagen, um nach Camp Pinal zu kommen.«

Er betrachtet sie von oben bis unten. Nun sieht er ihr Gesicht dunkelrot werden. Aber sie hebt ihr Kinn und wirkt sehr stolz.

Er ahnt ziemlich sicher, warum sie unbedingt zu Captain Mark Barlett will oder muss. Er ahnt es deshalb fast sicher, weil es ihn an einen Tag vor etwa sechs Jahren erinnert. Damals wollte ein Mädchen zu ihm, dem First Lieutenant Jones Wade.

Auch damals lauerte Bronco Coloradas genau wie heute irgendwo am Wege zwischen jenem Mädchen und ihrem Ziel. Und dann ... Oh, er will jetzt nicht daran denken.

Er geht an ihr vorbei und sagt ruhig: »Ich muss mir erst noch ein besseres Bild über die Gesamtlage machen und mit dem Zahlmeister sprechen. Ruhen Sie sich zwei Stunden aus, Madam. Ich gebe Ihnen mein Wort, dass wir auf keinen Fall vor Ablauf von zwei Stunden aufbrechen werden. Die Frau des Stationsagenten wird Ihnen gewiss eine Kammer geben, wo Sie sich erfrischen, essen und ausruhen können. Sie sind am Ende ihrer Kraft, Madam. Nutzen Sie die Erholungspause.«

»Ja, das werde ich«, sagt sie schlicht.

Er aber wendet sich an den Soldaten Jake Plummer, der nun neben ihm auftaucht. »Wo ist der Zahlmeister?«

»Im Gastraum natürlich«, sagt der Soldat und Ex-Sergeant. »Er ist seit seiner Ankunft hier nicht mehr richtig nüchtern geworden. Mich hat man wegen Trunkenheit zum Soldaten degradiert. Wer bringt denn diesen Zahlmeister vor ein Militärgericht?«

Jones Wade erwidert nichts. Er geht an der Wand des Pueblos entlang. Es wurden hier noch weitere Eingänge in die starke Wand gebrochen, die zum Postbüro, zu Gastzimmern und dem großen Aufenthaltsraum führen. Das Pueblo ist fünfstöckig und hat eine Grundfläche von zwanzig mal zwanzig Yard. Es gibt hier mehr Räumlichkeiten als in mancher größeren Siedlung. Rings um dieses indianische Bauwerk sind einige Corrals. Dort sind ein halbes Dutzend Wagen abgestellt. In den Corrals sind Pferde, Maultiere und einige Rinder.

Die Pueblo-Station ist ein richtiges Fort. Diese Pueblos wurden nicht zuletzt zum Schutz gegen die Apachen erbaut, damals, als die Athapasken aus dem Norden in dieses Land gezogen kamen und von den hiesigen Indianern »Apachu« genannt wurden. Apachu aber bedeutet nichts anderes als »Feind«.

Ja, damals fühlte man sich vor ihnen nur in diesen fensterlosen und nur über Leitern zugänglichen Adobebauten sicher.

Auch jetzt, nach Jahrhunderten, ist es nicht anders.

Hier in der Pueblo-Station fühlt man sich sicherer als in so manchem Fort oder befestigtem Camp der Armee, in einer Siedlung oder Stadt.

In einem Nebenzimmer des großen Gastraumes findet Sergeant Jones Wade den Zahlmeister damit beschäftigt, starken Kaffee zu trinken. Doch der Kaffee hat ihn noch nicht völlig nüchtern gemacht, nur mürrisch und gereizt.

»Sergeant Jones Wade, Sir«, meldet sich Jones Wade. »Der Lieutenant hat mir das Kommando über seine Abteilung übergeben. Er ist tot.«

»Diese verdammte Armee«, schimpft der Zahlmeister. »Sie schickt grüne Jungen ins Apachenland und gibt ihnen den Befehl über Männer. Wenn sie dort in West Point wenigstens etwas über Apachen und deren Taktik lernen würden. – Sie sind doch jener Jones Wade, der schon einmal Offizier war. Das macht es mir etwas leichter, denn ...«

»Die Befähigung zum Offizier wurde mir aberkannt«, sagt Jones Wade. »Das Kriegsgericht damals stellte ausdrücklich fest, dass man mir nie wieder irgendwelche Entscheidungsgewalt übertragen könnte und meine Fähigkeiten nur dazu ausreichten, Befehle auszuführen. Denken Sie daran, Sir!«

Der Zahlmeister ist ein kleiner, rundlicher Mann, der sein Haar sehr kurz trägt und dennoch nicht verhindern kann, dass es trotz Bürstenhaarschnitt grausilbrig schimmert.

Seine Nase ist rot, seine Augen wässrig. Sie verraten, wie sehr er das Feuerwasser liebt.

»Es ist meine Aufgabe«, sagt er, »die Truppen in diesem Territorium mit Sold zu versorgen. Wie ich das mache, ist meine Sache. Ich werde einen meiner Schreiber mit der Soldliste und den Soldgeldern versehen und mit Ihnen nach Camp Pinal schicken, Sergeant.«

»Wer sagt Ihnen, dass ich mit den paar Männern nach Camp Pinal reiten werde?«, fragt Jones Wade langsam.

Der Zahlmeister schlürft erst den Rest des Kaffees aus dem Zinnbecher. Er tut dies vorsichtig, denn der Kaffee ist sehr heiß und hat diese Hitze auf den Becher übertragen.

Hart stellt er den Becher auf dem primitiven Tisch und wischt sich über das Gesicht. Heiser spricht er: »Ich habe auch die Verpflegungs- und Ausrüstungslisten der Armee-Intendantur für Camp Pinal. Der Nachschub ist längst überfällig. Die Jungens dort in diesem Camp fressen gewiss schon ihre Schuhsohlen und haben kaum noch Munition. Hier sind sechs Armee-Bagagewagen voll Nachschub für Camp Pinal. Es sind Proviant, Ausrüstung, Waffen, Munition – und nicht zuletzt auch Medikamente in dem Wagen. Tausend Dinge sind es, auf die Camp Pinal dringend wartet. Sie werden zumindest den Versuch machen müssen, Sergeant, damit nach Camp Pinal durchzukommen. Sie können nicht einmal auf Verstärkung aus irgendeinem anderen Fort warten. Aber der Wagen-Sergeant ist ein tüchtiger Mann. Er wird Ihnen eine gute Hilfe sein. Ich selbst gehe nach Fort Apache zurück, sobald von hier eine Postkutsche die Rückfahrt wagt.«

Jones Wade sagt nichts. Er starrt den Zahlmeister nur an. Dieser grinst etwas verzerrt. »Ich habe es in dieser Armee nur zum Zahlmeister gebracht«, sagt er, »denn ich musste mich vom einfachen Schreiber hochdienen. Ich verdanke es nur dem Krieg, dass ich Zahlmeister wurde – nach zwanzig Dienstjahren! In zwei Wochen habe ich nach dreißig Dienstjahren meine Altersgrenze erreicht. Ich bekomme Pension, und ich möchte diese jämmerliche Pension nicht der Armee schenken, indem ich mich jetzt so kurz vor meinem Abschied von den Apachen umbringen lasse. Ich bin ein alter Mann, der seine Ruhe haben möchte. Es gibt genügend junge Zahlmeister, die man an meiner Stelle in dieses Land hätte versetzen können. Jetzt wissen Sie Bescheid, Sergeant, nicht wahr?«

»Yes, Sir«, sagt dieser, »jetzt weiß ich Bescheid. Ich bin der Mann, dem man den Black Jack zugeschoben hat, und was ich auch tun werde, es wird auf jeden Fall falsch sein. Unternehme ich nichts, weil ich nur ein Sergeant bin, dem man abgesprochen hat, Entscheidungen zu fällen, so wird mich die Armee wegen unterlassener Hilfeleistung zur Verantwortung ziehen. Man wird sagen, dass mir Lieutenant Ben Sanders das Kommando übertragen hätte, damit ich an seiner Stelle handle. Aber wenn ich unterwegs die Wagen und Soldaten verliere, dann wird man mich wieder vor ein Militärgericht bringen, mich ...«

»Das wird man nicht«, unterbricht ihn der Zahlmeister, »denn einem skalpierten Mann kann man nichts mehr anhaben. Wie war das doch damals mit Ihnen, Sergeant? Warum verloren Sie Ihr Offizierspatent? Da war doch irgendwie eine Frau mit in diese Sache verwick-«

»Ich möchte nicht darüber sprechen«, unterbricht ihn der Sergeant und geht aus dem kleinen Zimmer in die große Gaststube zurück.

Er sieht sich um.

Es sind Zivilisten und Soldaten versammelt. Er erblickt Frauen, Kinder und Männer. Es sind Siedler, Farmer und Reisende.

Sie alle suchten hier Zuflucht oder konnten wegen der Apachengefahr nicht weiter.

Die Soldaten kamen zum Teil mit dem Wagenzug, den der Zahlmeister herbrachte, zum Teil aber auch gehören sie zu dem Kommando aus Camp Pinal. Diese Soldaten betrachten Wade prüfend, ja lauernd und misstrauisch. Sie haben längst begriffen, dass es von diesem Sergeanten abhängen wird, ob sie das sichere Pueblo verlassen müssen oder hier in seinem Schutze bleiben können.

Dies hier ist wie eine kleine Insel in einer von Haifischen verseuchten See. Jeder Mensch, der von hier nach Camp Pinal reiten oder fahren soll, wird sich wie ein Schwimmer in solch einem Meer vorkommen.

Dort draußen irgendwo lauern die Apachen.

Der Name Bronco Coloradas bürgt dafür, dass es keine Gnade geben wird.

Sergeant Jones Wade spürt deutlich den Anprall einer Welle von Aufsässigkeit, Abneigung und sogar des Hasses, der von diesen Versammelten ausgeht. Das alles gilt ihm, denn er ist der Mann, der die Befehle geben wird.

Die Soldaten wollen von hier nicht fort.

Die Zivilisten fühlen sich allein nicht mehr sicher in der Pueblo-Station, obwohl deren obere Stockwerke leicht zu verteidigen sind.

»Die Soldaten aus Camp Pinal und die Fahrer mit ihren Begleitern treten in zwei Minuten bei den Wagen an«, sagt Jones Wade trocken.

Als er wieder hinaus ins Freie tritt, bleibt es hinter ihm still.

Es ist eine feindliche Stille.

Sie wissen noch nicht, was dieser Sergeant in Gang bringen wird.

Aber sie ahnen nichts Gutes.

Er geht am Pueblo entlang und erreicht die Corrals. Hier stehen auch die sechs Armeewagen. Sie sind im Rechteck aufgestellt. In dieser Wagenburg befindet sich das Camp.

Doch es ist nur ein einziger Mann in diesem Camp. Es ist ein kleiner krummbeiniger und eine alte Pfeife rauchender Zwei-Streifen-Sergeant. Er wirkt sehr zäh und ist gewiss einer von jener Sorte, die einen um einen Kopf größeren Mann mit einem einzigen Schlag von den Beinen fegen kann.

Er sieht Jones Wade aus schmalen Augen an. Dieser denkt bei seinem Anblick unwillkürlich an ein verschlagenes Maultier.

»In zwei Stunden brechen wir auf«, sagt Wade zu ihm. »Ich bin Sergeant Jones Wade und ich habe das Kommando. Irgendwelche Fragen?«

Der Zwei-Streifen-Sergeant betrachtet ihn immer noch aus schmalen Augen. Dann sagt er: »Ich bin Mickey O'Brien. Hast du dir das, was du da tun willst, auch gut überlegt?«

»Er ist ein Narr«, sagt eine Stimme hinter Jones Wade. »Und wenn ich etwas nicht leiden kann, so sind es degradierte Offiziere, die wieder aufsteigen wollen. Ich mag sie deshalb nicht, weil sie als Sergeanten auf Kosten armer Hunde Heldentaten vollbringen möchten. Mickey, wir sollten ihn verprügeln. Was meinst du dazu?«

Jones Wade wandte sich dem Sprecher zu. Er sieht den großen und massigen Ex-Sergeanten Jake Plummer, der ihm gegenüber gleich am Anfang schon so völlig unmilitärisch und disziplinlos aufgetreten war.

Nun tritt Jake Plummer langsam näher. Er ist gut einen halben Kopf größer und fast fünfzig Pfund schwerer als Jones Wade. Jake Plummer wiegt mehr als zweihundertzwanzig Pfund, und es gab gewiss in der ganzen Armee noch keinen Mann, der ihn von den Beinen schlagen konnte.

Nun tippt er dem Sergeanten vor die Brust.

»Hör auf damit«, sagt er. »Sonst rücken wir dich zurecht. Denn hier in diesem lausigen Land hat ein Sergeant nicht mehr viel zu sagen. Hier sitzen die Skalpe zu locker, weißt du? Ich will dir genau sagen, was gut für uns ist. Wir ...«

Weiter kommt er nicht.

Denn jetzt bekommt er es.

Sergeant Jones Wade verzichtet darauf, ihn mit Worten zu militärischer Disziplin bringen zu wollen.

Er trifft ihn links auf die Leberpartie, rechts auf den Kinnwinkel und wuchtet dann beide Fäuste, die er zu einem Holzfällerschlag verschränkte, auf den massigen Nacken des Mannes.

Es waren drei blitzschnelle, unheimlich präzise und wuchtige Schläge. Jake Plummer geht in die Knie. Aus dieser Stellung springt er dann auf und wirft sich gegen den Sergeanten. Dieser weicht vor dem angeschlagenen Mann zur Seite wie ein Stierkämpfer vor dem Stier. Er fasst den vorüberstolpernden Mann am Kragen und Gürtel, reißt ihn vorwärts und stößt ihn mit dem Kopf zwischen die Speichen eines Hinterrades. Der Kopf geht unter der Wucht des Stoßes gerade zwischen zwei Speichen durch. Dabei werden Jake Plummer fast beide Ohren abgerissen. Er knallt gegen den Wagenkasten und wird bewusstlos. Jones Wade sieht den Sergeanten Mickey O'Brien an.

»Das war gut«, sagt dieser. »Hoffentlich bekommt Plummer jetzt seinen Bumskopf wieder heraus, ohne dass ich eine Speiche rausnehmen muss. Du musst ihm das nicht gar so krummnehmen. Er ist eigentlich kein übler Kerl. Aber seit sie ihn degradiert haben, benimmt er sich wie ein gereizter Bulle. Er hatte sich während der Wache betrunken, weil ihn eine Klapperschlange gebissen hatte. Doch niemand wollte ihm glauben, dass es eine Klapperschlange war. Der Captain sagte, dass er erst in seinem Rausch davon geträumt hätte, gebissen worden zu sein. Und weil er betrunken war, konnte er die Wachen nicht kontrollieren. Das nahm ihm die Armee übel. Er aber schwört, dass er nur noch am Leben ist, weil er sich nach dem Klapperschlangenbiss sofort mit Schnaps anfüllte, bis dieser ihm aus den Ohren lief. Er ist sonst kein übler Kerl.«

Mickey O'Brien wirkt ganz ernst und fast traurig bei seinen Worten, doch in seinen Augen funkelt es.

Inzwischen kamen einige Soldaten heran. Sie bilden einen Halbkreis und betrachten Jake Plummer, der jetzt wieder Bewegungen zu machen beginnt und versucht, seinen Kopf aus dem Dreieck der Speichen zu ziehen. Seine Ohren schwollen unterdessen an. Es gelingt ihm nicht, herauszukommen.

»Was ist denn?«, fragt einer der Soldaten.

»Jake ist gestolpert und mit dem Kopf dort hineingeraten«, sagt Mickey O'Brien ernst. »Da seht ihr mal wieder, was einem alles passieren kann.«

Er deutet auf einen jungen Soldaten. »Nimm einen Eimer kaltes Wasser aus dem Brunnen und gieße es Jake über den Kopf. Vielleicht gehen dann seine Schwellungen zurück, und die Ohren werden wieder kleiner. Wenn es dann immer noch nicht klappt, versuchst du es mit Schmierseife. Man bekommt ja auch einen zu engen Ring mit Seife besser von einem angeschwollenen Finger. Ich möchte die Speiche nur ungern ausbrechen.«

Er wendet sich an Jones Wade.

»Soll ich jetzt antreten lassen, Sergeant Wade?«

»Ja«, erwidert dieser.

Dann hört er Mickey O'Brien die Befehle rufen.

Wenige Minuten später bekommt er die Meldung:

»Eskorte aus Camp Pinal und die Nachschubabteilung mit einem Unter-Sergeanten, zwei Corporalen und achtzehn Mann angetreten. Zwei Männer fehlen entschuldigt, da sie ein Wagenrad von einem Hindernis befreien müssen.«

»Danke«, sagt Jones Wade.

Er geht die Front der Männer ab, und er spürt in ihren Blicken die Aufsässigkeit, ihre Ablehnung.

Gewiss, sie sind Soldaten. Sie stehen unter Befehl. Wäre er ein Offizier, so würden sie ihn diese Aufsässigkeit und Ablehnung nicht spüren lassen. Sie würden jeden Befehl widerspruchslos ausführen.

Aber sie sind voller Abneigung gegen einen Sergeanten, von dem sie inzwischen schon wissen, dass er einmal Offizier war. Sie glauben, dass er außergewöhnliche Leistungen vollbringen möchte, um wieder Offizier werden zu können.

Dafür aber wollen sie nicht ihre Skalpe riskieren.

Er aber versucht es ihnen zu erklären. Er sagt: »Camp Pinal hat keinen Proviant und wahrscheinlich auch bald keine Munition mehr. Es fehlt auch an Medikamenten. Diese sechs Wagen dort müssen nach Camp Pinal, und wir bringen sie hin. Hat jemand noch eine Frage?«

Einer der Männer hebt die Hand und fragt dann: »Und was ist mit Bronco Coloradas? Wir hatten auf dem Herweg schon Verluste. Wissen Sie, dass Bronco Coloradas auf uns lauert, Sergeant?«

»Ich weiß es«, erwidert dieser. »Aber wir müssen nach Camp Pinal. Die Wagenladungen werden so gemischt, dass in jedem Wagen etwas von allen Dingen vorhanden ist. Also ...«

Er gibt nun eine ganze Reihe von bestimmten Befehlen und lässt dann wegtreten. Als er wieder zur Station geht, hört er hinter sich einige unterdrückte Flüche. Doch er wendet sich nicht um. Er hat sich entschieden. Es gibt gar keine andere Möglichkeit.

Der Stationsmann und dessen Gehilfe stehen nun vor dem Pueblo. Sie sehen ihn fragend an.

»Wir rücken nach Camp Pinal ab«, sagt Wade.

Der Mann nickt ungerührt. Er sagt: »Dann haben die Apachen mit euch zu tun und werden die Postkutschen unbehelligt lassen. Mir soll es recht sein, Sergeant.«

Jones Wade betritt den Gastraum. Eine Mexikanerin bedient hier. Er bestellt sich ein Frühstück. Sein Hunger ist mächtig geworden.

Die Zivilisten haben sich zum Teil entfernt.

Doch dann kommt das Mädchen Susan Elliot in den Gastraum. Sie hat sich gesäubert und erfrischt. Nun hat sie offensichtlich Hunger bekommen. Sie tritt an seinen Tisch und setzt sich, während er sie ansieht.

»Ich bin bereit«, sagt sie. »Man sagte mir eben, dass Sie mit den Wagen nach Camp Pinal aufbrechen. Ich werde Ihnen wenig Mühe machen.«

»Überhaupt keine«, sagt er, »denn ich nehme Sie nicht mit. Ich kann es nicht verantworten.«

Sie springt auf und sieht ihn zornig an.

»Oh, Sie müssen mich mitnehmen!«, sagt sie wütend.

»Nein«, antwortet Wade, und sie erkennt in seinen Augen die Unerschütterlichkeit seines Entschlusses.

Da eilt sie davon.

Sie tut ihm leid, denn er weiß ziemlich sicher, warum sie unbedingt nach Camp Pinal zu ihrem Verlobten will. Aber er kann ihr nicht helfen.

Er will es auch nicht. Den dort draußen lauert Bronco Coloradas. Dieser hatte schon einmal die Braut eines Offiziers in seiner Gewalt. Das war vor sechs Jahren. Der Offizier hieß Jones Wade.

Der Wagen-Sergeant mit den zwei Streifen eines Unter-Feldwebels ist nach Wades Einschätzung wahrscheinlich kein zackiger Soldat. Doch als Wagenmeister ist er erstklassig.

Dies stellt Jones Wade bald fest, als er den kleinen Wagenzug an sich vorbeifahren lässt und mit scharfen Augen die Gespanne, Fahrer, Begleitmänner und die Wagen selbst betrachtet.

Er findet nichts, was auszusetzen wäre. Die Vierer-Maultiergespanne sind aufeinander abgestimmt. Alle Tiere passen gut zusammen. Schon diese Zusammenstellung der richtigen Gespanne ist eine Kunst für sich. Aber auch die Geschirre sind erstklassig in Ordnung, und die Wagen sind gut gepflegt, alle Achsen geschmiert und die Wagenplanen festgezurrt.

Der Wagenmeister Mickey O'Brien reitet auf einem Maultier an der Spitze der sechs Wagen, und jeder Wagen hat hinten ein Ersatzmaultier angebunden.

Ein Corporal auf einem Maultier bildet die Nachhut.