G. F. Unger Sonder-Edition 319 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 319 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es ist eine schlimme Nacht, eine Nacht des Todes. Stille herrscht um das kleine Farmhaus, und draußen in der Dunkelheit lauern die Mörder. Drinnen aber kauert eine verzweifelte Frau neben einem schwer verwundeten, blutenden Mann, auf dessen Brust der Sheriffstern glänzt. Für die beiden scheint es keine Hoffnung mehr zu geben. Sie wissen, dass der Tod schon unsichtbar hinter ihnen steht. Denn in diesem grausamen Spiel der Rache gibt es keine Gnade ...


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Seitenzahl: 204

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Spiel der Rache

Vorschau

Impressum

Spiel der Rache

Was vorher geschah:

Als die Expresspost in Mesa eintrifft, erkennt der Sheriff schon an den drei Vorreitern, dass in der Kutsche Geld transportiert wird. Und die beiden Insassen sind dann auch keine Fahrgäste, sondern bewaffnete Begleiter. Das ist immer so: drei Vorreiter, der Fahrer und sein Begleitmann auf dem hohen Bock – und zwei Mann in der Kutsche. Bisher reichte das stets aus, um auch den größten Geldtransport sicher ans Ziel zu bringen.

Der Sheriff von Mesa tritt aus dem Schattenbereich des Hauses in den Lichtschein der Laterne, die von den Kutschlampen nun noch Unterstützung erhält. Er betrachtet den Sheriff aus Jubal, der sich von seinem erschöpften Gaul schwingt und dabei ein zufriedenes Knurren hören lässt.

»Du bist an der Reihe, Ben«, sagt der Sheriff aus Jubal zu seinem Kollegen vom Mesa-Distrikt. »Es sind heute genau hunderttausend Dollar in Hartgeld und Scheinen. Es sind drei Kisten. Dieses Hartgeld könntest du nicht in einem Sack forttragen, so schwer ist es.«

Er wendet sich an seine Reiter und an die beiden Männer, welche aus der Kutsche klettern mit schussbereiten Gewehren.

»Gleich ist es vorbei, Jungens. Gleich gebe ich euch einen dort drüben aus. Und morgen – ah, erst morgen reiten wir gemächlich zurück nach Jubal. Ganz langsam werden wir die dreißig Meilen reiten, ganz langsam, das verspreche ich euch.« Er lacht zufrieden; man hört ihm an, dass er froh ist, seine Arbeit nun erledigt zu haben und die Verantwortung abgeben zu können.

»In fünf Minuten musst du übernehmen, Ben. Wo hast du deine Jungens?«

»Aaah, ich habe in einer Minute welche«, erwidert der Sheriff von Mesa und setzt sich in Bewegung. Er überquert die Straße und betritt den Saloon. Jetzt zum Wochenende ist der Saloon gut besucht. Es sind Arbeiter aus dem Minenland da, Cowboys aus dem Rinderland, einige Frachtführer und Soldaten vom nur ein Dutzend Meilen entfernten Fort und ein paar Mexikaner, die mit ihrer Pferdeherde gekommen sind, um davon möglichst viele Tiere schon hier zu verkaufen. Es sind prächtige Tiere darunter, schon zugeritten und an die Lassoarbeit gewöhnt, doch noch ohne Brandzeichen.

Der Sheriff hält gleich hinter der Schwingtür an. Sein Blick schweift an der langen Bar entlang und gleitet dann über die Tische.

Die Trinker an der Bar scheinen ihm alle nicht mehr nüchtern genug zu sein. An den beiden Billardtischen sind ernsthafte Partien im Gange. Aber an dem runden Pokertisch in der Ecke sitzen vier Cowboys von vier verschiedenen Ranches, die sich hier zumeist an den Wochenenden beim Poker zusammenfinden.

Eigentlich sind es mehr als nur Cowboys.

Jim Keefer ist Vormann auf der Broken-Arrow-Ranch.

Al Jefferson besitzt selbst eine kleine Einmannranch in den Hügeln.

Kirby Gillen gilt als der beste Raubwild- und Wildpferdjäger im ganzen Lande.

Joe Hatthaway führt die Brennmannschaft der Spanish-Bit-Ranch, die das ganze Jahr umherzieht und die Jährlinge brändet.

Alle vier Männer haben hier einen sehr guten Leumund; sie gelten als hart, erfahren und zuverlässig – und sie sind auch nicht mehr so jung, sondern so um die dreißig Jahre alt, gehören also zu den »gestandenen« Männern, zu jener Sorte also, von der man Besonnenheit und Übersicht erwartet.

Sheriff Ben McCannon aus Mesa nickt zufrieden, als er dieses Kleeblatt beim Poker sitzen sieht. Er hat es als fast sicher angenommen, und er täuschte sich nicht.

Langsam tritt er näher, ein schon grauköpfiger Bursche, hager und etwa mittelgroß, kaum schwerer als hundertfünfzig Pfund. Aber er ist ein Sheriff, der niemals laut spricht, immer ruhig bleibt und dennoch nur selten etwas zweimal zu sagen braucht. In diesem Lande hat es sich längst herumgesprochen, dass es besser ist, sich nicht mit ihm anzulegen. Ein Spieler, ein Revolverheld und ein paar Pferdediebe versuchten das im Verlauf der letzten zwei Jahre ernsthaft – und es bekam ihnen schlecht. Denn sie liegen jetzt auf dem Friedhof von Mesa.

Der Sheriff tritt an den Tisch der vier Pokerspieler.

Sie blicken zu ihm auf.

»Ich möchte euch für dreißig Meilen – genau zweiunddreißig – als Deputies vereidigen«, sagt er zu ihnen. »Nach Silver und zurück. Geht das, Jungens?«

Sie werfen sofort ihre Karten hin.

»Wir kennen ohnehin schon alle gegenseitig unsere Tricks«, sagt Hatthaway und grinst. »Es ist, wie wenn man zu lange schon ein festes Mädchen hat. Da kennt man auch allmählich all ihre Tricks. Jim Keefer sieht immer wie ein Esel aus, wenn er nur blufft und nichts in der Hand hat. Bei Jim Jefferson zuckt immer das linke Augenlid ein wenig. Seine Nerven sind wohl nicht mehr die besten. Und Kirby Gillen muss sich hinter dem Ohr kratzen. Sagen Sie, Sheriff, kann man mit solchen Stümpern Poker spielen? Wie schön, dass es mal eine Abwechslung gibt. Ich kenne ein Mädchen in Silver, das mich gewiss auch noch nicht vergessen konnte. Sie sagte mir damals dankbar ... Aaaah, es geht niemanden etwas an, was sie sagte. Ihr braucht gar nicht erst erwartungsvoll zu grinsen. Gehen wir also.«

Sie erheben sich und wollen zur Tür.

Doch der Sheriff sagt: »Halt! Erst muss ich euch unter Eid nehmen. Hebt die Hand und sprecht mir nach ...«

Die Postkutsche fährt wahrhaftig fünf Minuten nach ihrer Ankunft wieder von Mesa los, versorgt mit einem frischen Sechsergespann und begleitet vom Sheriff dieses Distriktes und vier Deputies.

Jim Keefer und Al Jefferson reiten mit dem Sheriff vor der Kutsche her.

Kirby Gillen und Joe Hatthaway sitzen in der Kutsche. Sie haben außer ihren Colts noch Gewehre mit dabei. Ihre Pferde sind hinter der Kutsche angebunden, wie die Tiere ihrer Vorgänger zuvor auch.

Nach etwa zehn Meilen – es ist nun eine Stunde nach Mitternacht – kommen sie an die alte Brücke über den Loon Creek.

Hier halten sie mit der Kutsche erst einmal an.

Denn die Brücke ist schon zu alt und zu morsch, um drei Reiter, ein Sechsergespann, die Kutsche und hinter dieser noch zwei angebundene Pferde zu tragen.

Der Fahrer flucht auch sofort oben auf dem Bock: »Diese miese Post- und Frachtgesellschaft, für die wir fahren, aaah, die zahlt nicht nur die schlechtesten Löhne und hat die lahmsten Gäule – nein, die riskiert auch noch, dass wir mal nicht über die Brücke kommen und mit der Kutsche in diesem verdammten Treibsand dort unten versinken. Zur Hölle mit diesen Vollidioten, die auf ihren dicken Ärschen im Büro sitzen und sich nicht mehr vorstellen können, wie es unterwegs auf der Strecke aussieht! Zur Hölle mit ihnen!«

Er hat sich nun ausgeflucht und schweigt.

Sein Begleitmann ist ohnehin einer von der ganz wortkargen Sorte, die ihren Mund nur zum Essen aufmacht, wenn es gilt, sich einen Bissen hinter die Zähne zu schieben. Aber er nickt wenigstens zustimmend im Mondschein.

Sheriff Ben McCannon späht witternd über die Brücke zum anderen Ufer. Dort drüben sind Büsche, ein paar Cottonwoods und auch verwitterte Sandsteinfelsen. Dort drüben gibt es im Mond- und Sternenschein reichlich Deckung und könnte Verdruss lauern.

Er wendet sich an Keefer und Jefferson: »Reiten wir erst mal hinüber und sehen wir nach. Ich habe plötzlich ein ungutes Gefühl. Es ist mit einem Male da. Sehen wir nach. Und nehmt lieber die Colts in die Hand.«

Sie reiten langsam hintereinander über die Brücke. Ihre Pferde sind etwas nervös, so, als spürten sie die Altersschwäche der Brücke – oder als witterten sie drüben eine Gefahr und hätten ungute Gefühle wie der Sheriff.

Sie kommen gut hinüber, verschwinden dann drüben in den Schatten.

Auf dem Kutschbock warten der Fahrer und dessen Begleitmann.

Die beiden bewaffneten Begleiter steigen aus der Kutsche. Der Fahrer spricht zu ihnen nieder: »Ja, das ist gut. Bindet am besten auch eure Pferde hinten los und führt sie nach der Kutsche hinüber. Dann ist mir wohler. Denn diese verdammte Brücke wird wieder ächzen und knirschen wie ...«

Er kommt nicht weiter. Denn Gillen und Hatthaway kamen nach vorn, bis sie zu beiden Seiten der Kutsche neben den Vorderrädern verhalten.

Und dann passiert es. Niemand hätte es zuvor geglaubt oder auch nur ahnen können. Nein, niemals!

Gillen und Hatthaway tragen ihre Gewehre in den Armen. Die Mündungen zeigen schräg nach oben.

Und dann drücken sie auch schon ab.

Fahrer und Begleitmann werden beide getroffen. Sie fallen herunter wie leblose Puppen, was ein Zeichen dafür ist, wie schwer sie getroffen werden.

Drüben am anderen Ufer krachen nun auch zwei Schüsse.

Dann wird es still. Nach einer Weile kommen Keefer und Jefferson mit dem toten Sheriff, den sie quer über dem Sattel seines Pferdes transportieren.

Die vier Banditen schweigen. Aber sie handeln dann so schnell und zielstrebig, dass einem Beobachter sofort klar würde, wie sehr sie dies alles abgesprochen haben und alles, was zu tun ist, in Gedanken viele Male schon ausführten.

Der Morgen graut schon, als die vier »Deputies«, die ihren Eid brachen und zu Mördern und Banditen wurden, wieder in Mesa eintreffen. Sie klopften den Agenten der Post- und Frachtlinie heraus und melden ihm den Verlust der Kutsche, der Pferde und der drei anderen Männer. Und natürlich auch den Verlust des Geldtransportes.

Drei Tage später machen sie dann dem County-Sheriff folgende Aussagen:

»Als wir an die Brücke kamen, schickte uns der Sheriff hinüber. Wir sollten das Gelände drüben durchsuchen. Der Sheriff rechnete vielleicht mit einem Hinterhalt. Es war ihm irgendwie mulmig. Wir ritten hinüber. Aber wir fanden nichts. Es war niemand da. Wir ritten wieder zur Brücke und riefen hinüber, dass die Kutsche kommen könnte. Es wäre niemand da außer uns.

Dann kam die Kutsche. Sie kam bis zur Mitte. Dann brach die Brücke unter ihr ein. Auch der Sheriff mit seinem Pferd fiel in den Loon Creek. Wir konnten niemanden retten, denn der Treibsand fraß alles sofort auf wie ein Ungeheuer. Es war nicht genug Wasser, um schwimmen zu können. Alle landeten sofort im Treibsand. Sie gingen unter wie in einem Sumpf. Mit unseren Lassos kamen wir nicht bis an sie heran. Überdies behinderten uns die Trümmer der Brücke. Wir konnten nichts machen, gar nichts.«

Das waren also dem Sinne nach die Aussagen der vier Deputies, die sie einzeln machten und unterschrieben.

Der County-Sheriff nahm natürlich auch mit einigen Sachverständigen eine Besichtigung des Unfallortes vor. Es wurde geprüft, gesucht – doch nichts ergab sich, was die Aussage der vier Deputies widerlegen konnte. Man musste ihnen glauben. Natürlich wurden die vier Ex-Deputies noch monatelang unauffällig beobachtet und überwacht. Aber ihre Lebensweise änderte sich nie. Es gab nichts, was sich bei ihnen geändert hatte. Sogar ihre Pokerpartie an jedem Samstag behielten sie bei. Es gab natürlich einige Stimmen, die den Verdacht munkelten, dass die vier diesen großen Coup gelandet hätten und nun einige Jahre warten müssten, bis Gras über die Sache gewachsen wäre.

Aber dann brach der Sezessionskrieg gegen die Nordstaaten aus.

Viele Männer meldeten sich zur Konföderiertenarmee des Südens.

Auch die vier Ex-Deputies waren eines Tages fort.

Man hatte sie fast schon vergessen. Denn es war ja Bürgerkrieg. Die Menschen hatten andere Sorgen.

Und die Jahre vergingen ...

Es ist genau zehn Jahre später, als sich in Elkhorn wie immer vier Männer am Samstag zu einer Pokerpartie treffen.

Das Treffen findet wie immer im Spielzimmer des Elkhorn Palace statt, und es ist für einen kalten Imbiss und gute Getränke gesorgt. Auch die Zigarren sind die besten.

Ja, sie sind älter geworden, diese vier Ex-Deputies, sehr viel älter. Denn zehn Jahre sind zehn Jahre. Aber sie wurden nicht nur älter, sondern wirken auch gesetzter, seriöser und gut situiert, wie es nun mal Männer sind, die es im Leben zu etwas gebracht haben.

Jim Keefer besitzt jetzt eine große Ranch und hat mehr als zehntausend Rinder auf der Weide. Er ist bulliger geworden, und in seinen roten Haaren sind graue Strähnen. Seine Sommersprossen wurden größer und zugleich auch brauner.

Al Jefferson besitzt in Elkhorn die Bank, und seine Geschäfte sind sehr vielfältig. Auch der dunkle Al Jefferson ist massiger geworden, fast schon etwas schwammig.

Kirby Gillen, der einstige Raubzeugjäger und Zureiter, bei dessen Anblick man leicht an einen sandfarbenen Wüstenwolf denken konnte, hat nun fast eine Glatze. Es sind nur noch wenige Haare auf seinem Kopfe. Doch körperlich hält er sich immer noch fit, und dies ist etwas, was man einem Saloonbesitzer und Storehalter nicht zutraut. Der Elkhorn Palace gehört ihm, desgleichen auch der Generalstore. Für die Arbeit hat er einige Angestellte. Er geht immer noch lieber auf die Jagd, aber er sieht auch nach dem Rechten in seinem Geschäftsbereich. Man sieht ihn dann und wann im Store – und von Sonnenuntergang bis Mitternacht im Saloon. Er ist heute bei der allwöchentlichen Pokerpartie der Gastgeber.

Der letzte Mann dieses vierblättrigen Kleeblattes ist Joe Hatthaway, doch er ist nur hier in dieser Vorstellung der letzte Mann. Denn er ist durchaus gleichberechtigt mit den anderen. Auch geschäftlich ist er gut vorangekommen. Ihm gehören das Hotel, der Mietstall und die einzige Fracht- und Postlinie im Lande.

Er ist es auch, der die Karten zu mischen beginnt.

Bevor er austeilt, sieht er in die Runde.

»Wisst ihr noch«, murmelt er. »Heute ist es genau zehn Jahre her. Ich merkte mir den Tag, weil ich drei Tage später Geburtstag hatte. Damals warteten wir, dass ein Geldtransport kommen möge und der Sheriff uns mitnehmen würde. Schon ein ganzes Jahr lang hatten wir darauf gewartet, dass alles mal so gut zusammenpassen würde – unsere Pokerrunde an jedem Samstag, ein Geldtransport und die Notwendigkeit, dass der Sheriff vier Deputies suchen musste. Es war ein langes Geduldsspiel damals, nicht wahr?«

Er grinste breit, und er ist ein Mann, der so hager, starkknochig und grau wirkt wie seine Maultiere, mit einem langen, etwas hohlwangigen Gesicht, in dem man nichts als beharrliche Härte erkennen kann. Er ist körperlich sicherlich der härteste Mann des Kleeblattes.

Die anderen drei Männer starren ihn unwillig an.

Schließlich sagt Jim Keefer, dem eine dicke, goldene Uhrkette vom Westenknopf bis zur Uhr in der Westentasche baumelt: »Wir wollten doch nie – nie, hört ihr? – über das sprechen, was damals war. Nie!«

Und Al Jefferson und Kirby Gillen nicken zu diesen unwillig mahnenden Worten mit grimmigen Gesichtern.

Aber Joe Hatthaway schüttelt den Kopf und verzerrt sein langes Maultiergesicht zu einem harten Grinsen: »Aaaah, stellt euch nicht so an«, sagt er. »Man wird doch wohl das Jubiläum einer erfolgreichen Nacht feiern können, nicht wahr? Schließlich haben wir damals unser Glück gemacht. Wir haben Elkhorn gegründet. Es ist unsere Stadt. Auch das Land ist unser Land. Und man nennt uns die großen Vier. Was soll uns denn passieren, wenn wir uns mal an den Tag – nein, an die Nacht! – von damals erinnern? Na?«

Aber sie bleiben abweisend. Sie wollen nicht ein solches makabres Jubiläum feiern. Nein, diese Nacht damals hatten sie die ganze Zeit zu vergessen versucht. Aber es war ihnen nie ganz gelungen.

Nun wollen sie nicht daran erinnert werden – auch nicht aus sentimentalen Gründen, die gar nicht sentimental sein können. Denn nur ein besonders stures und gefühlskaltes Gemüt kann diese Nacht als Jubiläumsnacht feiern.

Sie beginnen nun zu spielen, und es wird ein Spiel werden wie in all den vielen Jahren, da sie sich treffen – ein Spiel, welches fast nur ein Vorwand ist für eine Zusammenkunft, Geschäfte und Politik zu machen, Pläne zu entwickeln, abzustimmen und Interessen zu wahren.

Damals vor zehn Jahren spielten sie Poker viele Wochen und Monate lang, um für den Sheriff stets greifbar zu sein, wenn mal einer dieser Geldtransporte kam, der für das Minenland bestimmt war.

Heute – und zuvor in all den Jahren nach dem großen Coup, da ist und war ihr Pokerspiel stets ein »Rat der großen Vier«.

Es ist schon im ganzen Lande bekannt, und es kommt oft vor, dass jemand, der etwas tun will im Lande und genau weiß, dass er dazu erst die Erlaubnis oder die Duldung der großen Vier haben muss, in einer Pause des Spieles vorspricht.

So ist es auch heute, kaum dass sie ein paar Runden mit wechselndem Glück gespielt haben und während des Kartenmischens und -austeilens über die kleinen und größeren Neuigkeiten im Lande und der Welt plauderten.

Der Barmann draußen im großen Amüsiersaal des Elkhorn Palace tritt ein und nähert sich dem Pokertisch.

»Na, was ist?«, fragt Kirby Gillen zur Seite.

»Mrs. Sally Coburne möchte die Gentlemen sprechen«, sagt der Barmann. »Sie kam soeben in den Saloon wie eine Queen. Und keiner von den Jungens kam ihr dämlich. Die hat etwas, was auch den größten Sauerquaker sich seine Worte überlegen lässt.«

»Wer ist Sally Coburne?« Dies fragt Jim Keefer. »Ein Weib? Eine Frau kommt zu uns hier in den Saloon – in unser Spielzimmer, ja?«

»Du wirst staunen«, grinst Kirby Gillen. »Sie kam vor drei Tagen mit der Postkutsche und spazierte hier herum. Gestern Nachmittag badete sie ihre nackten Füße im Creek. Lass sie kommen, Bob!«

Die letzten Worte gelten dem Barmann.

Aber noch bevor dieser sich umdrehen und gehen kann, tritt diese Sally Coburne auch schon ohne Einladung ein, und wenn sie eine ehrenwerte und seriöse Frau ist, dann ist sie die erste, die diesen Saloon und das Spielzimmer betritt.

Denn sonst sind hier nur Saloon-Girls, Tingeltangel-Honeys, manchmal durchreisende Tänzerinnen oder Sängerinnen, die nach ihren Vorstellungen gerne mit den Männern Poker spielen und noch ein paar Dollar gewinnen möchten, was ihnen zumeist auch gelingt.

Aber ist sie eine ehrenwerte und seriöse Frau?

Das fragen sich die vier Männer am Tisch.

Was sie sehen, ist schon wirklich eine Wucht. Diese Sally Coburne ist mittelgroß und wunderbar gewachsen. Ihr Kleid bringt auf eine dezent-raffinierte Weise all ihre körperlichen Vorzüge zur Geltung, und dies ist die Kunst der wenigstens achtzehnkarätigen Frauen.

Dieses Kleid hat die gleiche Farbe ihrer grünen Augen – und dieses Grün bildet einen herrlichen Kontrast zu dem Kupferrot ihrer Haare.

Die vier Männer erheben sich, denn jeder von ihnen spürt die Ausstrahlung dieser Frau; jeder spürt ihren Blick und fühlt sich als Mann begutachtet – und jeder wünscht sich, dass er in den Augen dieser schönen Frau ein besonders beachtlicher Bursche wäre.

Sie setzt sich – und sie lässt sich auch ein Glas Wein einschenken. Dabei lächelt sie jeden der Männer an, während sie abwechselnd in ihre Augen blickt. Sie wirkt sehr selbstsicher, klug, vital – aber ihr Benehmen ist nicht das einer Frau, die auf Männerbekanntschaften angewiesen ist.

»Ma'am, was können wir für Sie tun?«, fragt Al Jefferson schließlich.

»Dies ist eine hübsche Stadt«, erwidert sie. »Auch der Elkhorn Creek ist wunderschön, besonders in den Hügeln und dort, wo er einen See bildet. Ich habe mich hier umgesehen. Es gefällt mir hier so sehr, dass ich bleiben möchte. Aber ich bin eine Frau ohne Mann ...«

»Zum Glück, möchte ich sagen«, sagt da Kirby Gillen. »Denn so haben wir eine Chance – oder? Allerdings, Al Jefferson – das ist dieser Gent hier – ist ja schon verheiratet. Und so ...«

Er bricht ab, denn er und die drei anderen Männer sehen nun, wie Sally Coburnes Gesichtsausdruck sehr ernst und verschlossen wird, sehr starr und fast hart.

»Das ist es ja«, sagt sie herbe. »Wohin ich auch komme, sind die Männer hinter mir her. Es gab schon eine Menge Verdruss wegen mir, Duelle und die Verfeindung von Freunden. Und ...« Sie bricht ab, und ihr Blick wird zweifelnd, etwa so, als müsste sie erst noch prüfen, ob die vier Männer am Tisch Vertrauen verdienten.

»Sprechen Sie ruhig, Ma'am«, murmelt Jim Keefer. »Sie sind unter Gentlemen. Eine schöne Frau wie Sie kann sich bei irgendwelchen Problemen stets an Gentlemen wenden.«

Die drei anderen Männer nicken.

Und so zögert sie nicht mehr lange, sondern legt ihre Rechte mit dem Handrücken nach oben auf den Tisch.

»Sehen Sie sich das an, Gentlemen«, sagt sie.

Sie beugen sich vor und betrachten stumm die Hand. Es ist eine schöne Hand, sehr schmal und dennoch kräftig, so, als könnte sie energisch zupacken und wäre sehr geschmeidig – wie zum Beispiel die Hand einer Zauberkünstlerin, einer Geigenvirtuosin oder Pianistin.

»Wir sehen ein paar kleine Narben«, murmelt Jim Keefer schließlich. »Aber der Schönheit und dem Ausdruck dieser wundervollen Hand tut das wenig Abbruch, denke ich.«

Da nicken sie alle heftig ihm beipflichtend. Aber dann sehen sie das bittere Lächeln der schönen Frau.

»Ich will es kurz machen«, spricht sie herbe. »Ich war eine schon ziemlich berühmte Pianistin. Ich feierte schon einige große Triumphe, und die ganze Welt stand mir offen. Ich hatte tausend Freunde; man riss sich um mich. Das Leben war schön. Aber dann hatte ich einen Reitunfall. Ich brach mir zwei Handknochen. Seitdem ist meine Hand zwar nicht steif. Ich kann alles mit ihr machen, was normale Menschen mit ihrer Hand tun. Nur mit der Virtuosität ist es aus. Ich könnte nur noch im Tingeltangel Klavier spielen – oder Anfängern Unterricht erteilen. Noch schlimmer war für mich die Enttäuschung durch meine Freunde und guten Bekannten. Und das Mitleid von manchen Leuten war nicht zu ertragen. Ich war auch nicht mehr das große Wunderding, welches man auf Gesellschaften herzeigen konnte, um es dann zu bitten, auf dem neuen Flügel zu spielen. Verstehen Sie, Gentlemen, es war alles ziemlich schlimm für mich.«

Sie nicken alle. Und sie fühlen sichtlich mit ihr. Denn sie ist eine schöne Frau mit Ausstrahlung. Sie erzählt ihnen ihre Geschichte. Sie wissen zwar noch nicht, worauf dies alles hinaus soll – aber sie sind bei der Sache.

Und zu dieser Sache kommt sie nun.

Ihre Stimme klingt noch ein wenig spröder. Und ihre Sätze sind knapper.

Sie sagt: »Ich hatte die Nase voll von jener Welt, in der ich an der Ostküste lebte. Ich hatte die Nase voll von falschen Freunden, von Mitleid und Männern, die nun glaubten, leicht meine Liebhaber werden zu können. Ich fuhr los, um einen Ort zu suchen, wo ich ein neues Leben beginnen kann. Ich kam nach Elkhorn und sah mich um. Jetzt kann ich die kleine Farm von Jake Gibson kaufen. Sie hat zwar nicht viel Land, aber ein relativ großes und gutgebautes Haus. Ich möchte einen schönen Garten haben, ein paar Tiere halten und meine Ruhe haben. Sonst nichts. Verstehen Sie?«

Sie nicken etwas zögernd. Dann aber spricht Joe Hatthaway aus, was sie alle denken. Er fragt: »Und warum kommen Sie zu uns, Ma'am? – Halt, wir freuen uns darüber. Wir sind beglückt, Sie hier bei uns am Tisch zu haben. Aber ...«

Er verstummt und zuckt leicht mit den Schultern.

Sally Coburne lächelt leicht. Es scheint, dass sie alle Bitterkeit und Verachtung gegen diese Welt wieder tief in ihren Kern verbannte.

Sie spricht schlicht: »Man sagt, dass Sie, Gentlemen, die großen Vier hier in diesem Lande wären und dass nichts hier gehen würde ohne Ihre Duldung. Ich aber möchte mehr als nur Ihre Duldung. Ich möchte Schutz. Ich bin gekommen, um herauszufinden, ob Sie Gentlemen sind. Denn wenn ich mein Geld in die Farm von Jake Gibson gesteckt habe und Sie, Gentlemen, mich dort nicht haben wollen, dann kann ich nicht einfach fortziehen und nach einem neuen Platz suchen. Dann sind meine Mittel erschöpft. Und es ist ja zumeist so, dass man unter Zeitdruck stets mit Verlust verkauft. Ich bin zu Ihnen gekommen, um herauszufinden, ob ich gewissermaßen unter Ihrem Schutz in diesem Lande leben kann – oder ob es besser für mich wäre, mit der nächsten Postkutsche weiterzufahren und einen anderen Platz zu suchen. Ich bin ein Mensch, der stets geradewegs auf sein Ziel losgeht. Verstehen Sie mich jetzt, Gentlemen? Ich kam zu der ›Big Four‹, um danach entweder zu bleiben oder zu gehen.«

Ja, nun verstehen sie diese schöne Frau besser.

Sie begreifen jetzt, dass eine Enttäuschte sich zurückziehen möchte aus einer Welt, die nichts wert war für sie – oder besser gesagt, die sich als wertlos erwies, als sie echte Freunde brauchte.

Die vier Männer lächeln.

Dann sagt Jim Keefer für alle – denn die drei anderen nicken zu seinen Worten, und ihre Mienen drücken Einverständnis aus – ganz sanft und ruhig: »Sally Coburne, in diesem Lande sind Sie willkommen. Hier werden Sie finden, was Sie suchen, Ruhe, die echten und wahren Dinge des Lebens – und vielleicht ein paar wirkliche Freunde. Hier wird Sie niemand bedrängen – und hier werden Sie aber auch Hilfe bekommen, wenn Sie welche haben möchten. Willkommen! – Kaufen Sie Jake Gibsons Farm. Ich wollte sie zwar selbst kaufen, um meine Weide zu vergrößern und endlich das ganze Ufer des Sees zu besitzen – aber einer solchen Frau wie Ihnen überlasse ich gerne den Vortritt. Auf gute Nachbarschaft!«

Sie alle heben ihre Gläser. Sally Coburne ist nicht zimperlich. Sie leert das Glas mit wenigen Zügen, stellt es dann auf den Tisch und erhebt sich.

Bevor einer der Männer etwas sagen kann, spricht sie schnell: »Nein, bitte nicht! Ich möchte keinen von Ihnen bevorzugen und finde meinen Weg zum Hotel allein. Es sind ja nur wenige Schritte. Es hat mich gefreut, die vier großen Männer dieses Landes kennenlernen zu können. Ich halte Sie für Gentlemen.«

Damit geht sie hinaus.