G. F. Unger Sonder-Edition 320 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 320 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als Jungen sahen Clay Cloudman und Thor Palance zu, wie ihre Väter um die beste Weide kämpften. Thors Vater verlor und zog sich in die Bergtäler zurück. Seitdem schwelte in Thor Palance der Hass. Eines Tages würde er die Niederlage des Vaters in einen Sieg verwandeln. Aber Clay Cloudman war stark. Er besaß jene Stärke, die aus dem innersten Kern eines Menschen kommt. Thor dagegen war nicht stark, er hielt sich nur dafür. Der Hass machte ihn blind. Seine Chancen standen nur so lange gut, bis Clay Cloudman den Fehdehandschuh aufnahm, den er ihm zuwarf. Denn als Clay zu kämpfen begann, zeigte sich bald, wer der wirklich Starke im Land war ...


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Seitenzahl: 209

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Die Starken

Vorschau

Impressum

Die Starken

Sie waren beide stark ‒ Clay Cloudman und Thor Palance. Sie waren unerschütterlich in ihrem Selbstvertrauen und glaubten an die eigene Unbesiegbarkeit. Aber ihrem Wesen nach waren sie wie Feuer und Wasser.

Und so war eines Tages der Kampf zwischen ihnen unvermeidlich. Die Gegensätze zwischen ihnen waren zu groß. Und vielleicht war einer von ihnen dazu ausersehen, für die Kleinen und Schwachen einzutreten.

Vielleicht gab es deshalb zwei Starke in diesem Land. Es muss wohl so gewesen sein. Denn einer zerbrach schließlich doch.

Und man muss wissen, dass damals in jener wilden Zeit, aus der dann das heutige Amerika geboren wurde, die Zukunft eines Landes sehr wohl von einem Starken beeinflusst werden konnte.

G.F. Unger

Clay Cloudman lässt sein Pferd am Creek verschnaufen. Das Tier steht bis zu den Knien im Wasser und beginnt vorsichtig zu trinken.

Auch Clay beugt sich weit aus dem Sattel und schöpft sich mit der hohlen Hand einige Schlucke.

Dann wendet er sich im Sattel und späht zu der dunklen Masse der Hügel zurück, aus denen er geritten kam.

Er ist ein großer Mann, der lässig im Sattel sitzt. Nach einer Weile späht er nach Osten. Von dort kommt der Creek aus einem mächtigen Canyon.

Rinderrudel grasen verstreut.

Aber sonst ist nichts zu erblicken.

Clay Cloudman reitet weiter. Er durchfurtet den Creek und lässt seinen struppigen Pinto traben.

Nach einigen Meilen kommt er an Marthe Millers Haus vorbei, aber bis auf die wenigen Tiere in den Corrals regt sich dort nichts. Er hält an und späht einige Sekunden hinüber. Dann weiß er, dass auch das Mädchen in die Stadt geritten ist.

Er reitet weiter.

Nach weiteren staubigen Meilen tauchen dann die eckigen Holzbauten von Royal vor ihm auf. Royal ist eine kleine Rinderstadt, die sicherlich nicht größer werden wird. Und doch ist sie so wichtig für alle Menschen auf hundert Meilen in der Runde. Für die kleine Welt hier ist sie sicherlich wichtiger als Washington und das Weiße Haus mit dem Präsidenten selbst.

Denn diese Welt hier ist eine Welt für sich.

Clay Cloudman reitet langsam an der Schmiede, dem Wagenhof, der Saat- und Futtermittelhandlung und dem Mietstall vorbei. Im Hof des Mietstalles stehen viele Sattelpferde an den Tränktrögen.

Menschen sind jedoch nicht zu sehen.

Clay reitet weiter.

Vor dem Store und dem Royal Saloon stehen ebenfalls viele Sattelpferde. Clay erkennt fast alle Brandzeichen des Landes. Auch viele Fahrzeuge sind längs der Plankengehsteige abgestellt.

Clay findet noch eine Lücke, lenkt sein Tier an den Tränktrog und rutscht langsam aus dem Sattel.

Über den Sattel seines Pferdes hinweg späht er weiter die Straße hinauf und erkennt die Menschenansammlung vor dem Hotel-Restaurant. Dort stehen auch Frauen und Kinder.

Und es sind Frauen verschiedener Sorten, Männer verschiedener Sorten und Kinder, die wahrscheinlich nichts von den Dingen, die im Gange sind, begreifen.

Diese Gruppe vor dem Restaurant, die durch die offene Tür und die geöffneten Fenster in das Restaurant lauscht und sich nicht bewegt, hatte drinnen keinen Platz mehr.

Clay Cloudman bückt sich unter dem Haltegeländer hindurch zum Plankensteig hinauf. Als er sich oben aufrichtet, erkennt man erst, wie groß er ist. Im Sattel wirkt er kleiner und massiger.

Er ist ein Mann mit langen Beinen, schmalen Hüften und muskulösen Schultern. Er misst ohne Schuhe sicherlich einsneunzig und bringt wohl auch für jeden Zentimeter seiner Länge ein Pfund Gewicht auf die Waage. In den hochhackigen Stiefeln und mit dem Hut wirkt er noch größer.

Ein alter Colt hängt an seiner Seite.

Langsam bewegt er sich auf die Schwingtür zu, stößt sie auf und tritt ein.

Duff Lane steht hinter seinem Schanktisch und jagt mit einer Fliegenklatsche Fliegen. Als Clay den Schanktisch erreicht, erwischt der Saloonwirt einen besonders dicken Brummer. Zufrieden knurrend nimmt er einen Lappen und wischt die Reste des Brummers von der Nickelplatte. Dabei sieht er Clay Cloudman an und betrachtet ihn sorgfältig. Es ist ein ernstes Forschen in seinem Blick.

Dann nickt er und füllt zwei Gläser mit Whisky aus einer besonderen Flasche, aus der außer Clay Cloudman noch niemand von den Gästen getrunken hat.

Duff Lanes Glatze glänzt, als wäre sie mit einer Speckschwarte eingerieben worden. Sein Vollmondgesicht ist glatt und unbeweglich.

Die beiden Männer prosten sich zu, trinken und stellen die Gläser ab. Sie haben bisher noch kein Wort gesprochen.

Erst als sie sich aus einer Zigarrenkiste bedienen, murmelt Duff Lane sanft: »Einige Burschen der Jury sind feige. Die Gerichtsverhandlung wird gleich beendet sein. Die Jury wird kein ›Schuldig‹ sprechen. Bald wird Meece Cliff hier am Schanktisch stehen und sich von mir einen Whisky einschenken lassen.«

Clay Cloudman hört diese bitteren Worte, indes er umständlich die ausgewählte Zigarre in Brand setzt. Als sie brennt, hebt er die Schultern und sagt sanft: »Wenn er freigesprochen wird, kann er auch einen Whisky trinken, nicht wahr? Freispruch ist Freispruch!«

Nach diesen Worten geht Clay zum Billardtisch hinüber. Er legt sich die Bälle zurecht und probiert einen Rückläufer. Es gelingt ihm sehr präzise.

Er versucht es nochmals. Bevor er jedoch beginnt, kommt Duff Lane hinter dem Schanktisch hervor, stellt sich an den Billardtisch und sagt: »Dieser Ball dort, der da still und etwas abseits in der Ecke liegt, das bist du, mein Junge. Der Stock in der Hand, das ist Thor Palance, verstehst du? Und er stößt die anderen Bälle so, dass sie zwar scheinbar woanders hinlaufen, aber irgendwie dann auf dich zukommen. Alle Dinge kommen immer mehr auf dich zu, Clay. Und du wirst ihnen nicht ausweichen können. Sie werden eines Tages hart gegen dich prallen und hoffentlich dein Gehirn wieder in Tätigkeit versetzen. Hast du mich verstanden, Freund?«

»Genau.« Clay grinst. Er hat einen festen, breiten Mund, eine kurze, gerade Nase, hohe Wangenknochen und dichte Augenbrauen. Seine Augen sind von einer rauchgrauen Farbe. Sein Gesicht ist braun und glatt. Nur an den Augenwinkeln sind kleine Fältchen. Er hat seinen alten Hut zurückgeschoben, und sein Haar ist so rot wie eine Flamme. Er gibt Duff Lane den Stock.

»Versuch es mal. Dieser Ball, das bin also ich.«

Der Wirt versucht es. Er gibt sich alle Mühe. Aber der Rückläufer gelingt ihm nicht.

»Thor Palance ist ein besserer Spieler als ich«, knurrt er und geht zum Schanktisch zurück.

Draußen auf der Straße wird es laut. Viele Schritte nähern sich. Aber ein Mann ist noch vor den anderen Männern da. Er kommt in den Raum gestürmt und ruft: »Einen großen Whisky, Duff! Sie haben ihn freigesprochen!«

Der Mann, es ist ein Farmer in blauen Overalls, wendet sich bei den letzten Worten nach Clay Cloudman um. Aber der spielt ruhig Billard und tut so, als ginge ihn das alles nichts an.

Nun kommt eine ganze Gruppe von Männern in den Saloon. Es sind Siedler, Farmer und kleine Rancher. Indes sie zum Schanktisch gehen, starren sie alle zu Clay Cloudman hinüber.

Der legt plötzlich den Stock weg und verlässt den Saloon.

Er tritt auf die Straße hinaus und wendet sich nach rechts. Langsam geht er auf dem Plankensteig entlang, und er wirkt sehr ruhig, unerschütterlich und selbstsicher.

Die Straße ist jetzt sehr belebt. Viele Menschen beobachten ihn. Es sieht so aus, als zöge er alle Blicke an wie ein Signal oder ein Magnet.

Vielerlei Sorten von Menschen beobachten ihn. Einige Gruppen, die diesseits stehen, machen ihm Platz.

So nähert er sich dem Restaurant, in dem die Verhandlung stattgefunden hatte. Denn die Stadt besitzt sonst keine größere Versammlungshalle.

Vor dem Restaurant schwingen sich soeben über ein Dutzend Reiter in die Sättel. Es ist ein hartes Rudel, das da aufsitzt.

Und dann kommen noch drei Männer aus dem Restaurant.

Es sind Thor Palance, sein Vormann Meece Cliff und der spindeldürre Advokat Frank Zinnek.

Auch sie sehen Clay Cloudman kommen, und sie wenden sich ihm sofort zu.

Thor Palance lächelt. Er ist noch zwei Fingerbreit größer als Clay. Er ist auch etwa schwerer. Seine braunen Augen und sein dunkles Gesicht sind jedoch lebendig. Er ist ein Mann mit schnellen Bewegungen und schnellen Entschlüssen. Er ist prächtig proportioniert. Seine weißen Zahnreihen blitzen. Aber in der sanften Glätte seiner Worte schwingt ein stählerner Klang.

Er sagt: »Clay, deine Zurückhaltung in dieser Sache war erfreulich. Und vielleicht war sie auch klug, nicht wahr? Die Jury hat gesprochen, und sogar der große Clay Cloudman sollte sich damit abfinden. Was mich betrifft, nun, Clay, ich suche keinen Streit mit dir. Wir haben unsere Grenzen schon vor langer Zeit abgesteckt, nicht wahr? Bleib nur immer auf der anderen Seite des Zaunes.«

Clay Cloudman sieht ihn ruhig an. Dann wendet er sich Meece Cliff zu. Er betrachtet ihn Zoll für Zoll.

Der Vormann der »Hackebeil-Ranch« erwidert diesen Blick mit einem bösen Trotz. Meece Cliff ist nicht groß, aber ungeheuer breit und klotzig. An Meece Cliff ist alles viereckig und kantig, massig und breit.

Eine braune Haarsträhne hängt ihm in die Stirn. Seine Unterlippe ist ständig vorgeschoben.

Plötzlich sagt er heftig: »Was willst du, Clay? Du kannst von mir alles bekommen, was du haben willst, verstehst du? Ich habe dir das schon mehrmals angeboten. Ich kann dich nicht sehen. Ich mag deine Art nicht. Zum Teufel, starr mich nicht so an!«

»Nur ruhig, Meece«, murmelt Thor Palance sanft und sieht Clay gerade und sehr scharf an.

»Mach dir nur keine Sorgen, Clay«, sagt er. »Meece möchte gerne herausfinden, wie gut und hart du in Wirklichkeit bist. Aber ich möchte meinen Vormann nicht verlieren. Deshalb halte ich ihn dir vom Leib.«

Er lächelt.

Clay Cloudman erwidert dieses Lächeln, und jetzt kann man auch in seinen Augen jene hellen Lichter erkennen, die einen kalten Zorn verraten, der tief im Innern Clay Cloudmans verborgen ist.

Er sagt ruhig: »Thor, dein Riesenaffe hat einen Siedler totgeprügelt. Dann hat er behauptet, es wäre ein fairer Kampf gewesen. Und eine feige Jury hat sich dieser Behauptung angeschlossen und die ganze Sache für einen bedauerlichen Unglücksfall erklärt.«

»So ist es«, nickt Thor Palance, aber die dunklen Linien in seinem Gesicht verhärten sich. Im Hintergrund seiner Augen glimmt ein gefährliches Licht.

Clay nickt. »Beim nächsten Mal wird es keine Jury geben«, sagt er sanft. »Beim nächsten Mal kaufe ich mich in dieses Spiel mit ein, Mister.«

»Ist das eine Drohung?«

»Ich halte dich auf und jage dich in die Berge zurück ‒ immer wieder und so oft, wie du deine Nase hier im Tale sehen lässt.«

»Große Worte, Clay! Ich kann gar nicht glauben, dass du für diese kleinen Drei-Kühe-Rancher, Schollenbrecher und Rübenzüchter deinen Skalp riskieren möchtest.«

»Ich habe dich gewarnt«, sagt Clay und geht in das Restaurant hinein. Er dreht den Männern achtlos den Rücken.

Meece Cliff macht eine Bewegung, aber Thor Palance hält ihn zurück. Er murmelt: »Ich möchte dich wirklich nicht verlieren, Meece! Du musst dir hinter die Ohren schreiben, dass es außer mir in diesem Land keinen Mann gibt, der Clay Cloudman gewachsen war. Reiten wir.«

Er geht zu seinem Pferd und sitzt auf. Meece Cliff gehorcht.

Und dann reitet Thor Palance mit seiner harten Mannschaft als Sieger aus der Stadt.

Frank Zinnek, der Advokat, sieht ihnen nach. Dann erschauert er leise und sieht sich um. Einige Menschengruppen starren zu ihm herüber und beobachten ihn.

Schnell geht er davon und verschwindet in einer Seitengasse. Und irgendwie ähnelt er einer Ratte.

Im Restaurant sitzen noch zwei Männer am Tisch.

Hinter diesem Tisch hängt die Flagge von Wyoming ‒ ein weißer Büffel im blauen Feld, rot umrandet. Man schreibt das Jahr 1876, und Wyoming ist noch nicht in die Union eingetreten. Das wird erst in zwölf Jahren geschehen.

Die beiden Männer am Tisch sind Richter Ford Walker, der im Hauptberuf der Schmied dieser Stadt ist. Und der zweite Mann ist Sheriff Jim Harding, dessen Amtszeit in zwei Wochen abgelaufen ist.

Clay bleibt vor diesen Männern stehen und sagt: »So sehen zwei Narren aus!«

»Das wissen wir selbst«, knurrt der Schmied und schlägt mit der Faust auf das Gesetzbuch, das vor ihm auf dem Tisch liegt.

»Wenn ein Angeklagter sich für unschuldig erklärt, dann muss eine Jury den Spruch fällen, nicht wahr? Und diese Jury fürchtet sich vor Thor Palance. Du aber hast gar nichts getan. Du hast dich aus der Sache herausgehalten, den Neutralen gespielt und kommst jetzt her und nennst uns zwei Narren. Zum Teufel, für alle Leute sah es so aus, als würdest du Thor Palance nicht in den Weg treten, wenn er noch rauer ...«

»Nein, es war eine Sache der Jury. Sie ...«

»Es war keine Jury, es waren Feiglinge, die soeben dort durch den Hinterausgang verschwanden, weil sie sich schämten.«

Sheriff Jim Harding spricht diese Worte.

Er erhebt sich und geht zu einem der Fenster. Er hinkt leicht. Vor knapp vier Jahren war er noch Cowboy und Zureiter.

Er wendet sich um.

»Meine Amtszeit ist bald beendet. Ich werde nicht mehr kandidieren. Für eine Stadt und ein Land voller Feiglinge trage ich keinen Stern. Clay, bekomme ich auf deiner Ranch Arbeit?«

»Sicher, Freund«, sagt dieser ruhig und sieht den Schmied an.

»Was ist mit dir, Ford?«

»Es hat keinen Zweck«, sagt dieser bitter. »Ich kandidiere ebenfalls nicht mehr. Es hätte auch wenig Zweck. Thor Palance wird schon dafür sorgen, dass seine Kandidaten in die Ämter gelangen. Und du, Clay, hast, wie mir fast scheint, Angst vor ihm. Du bist die größte Enttäuschung für uns alle.«

Clay atmet langsam aus. Er wendet sich ab und geht zur Tür. Dort hält er nochmals an und blickt über die Schulter.

»Ich wollte nur herausfinden, wie groß Recht und Gesetz in unserem Land noch sind«, sagt er. »Jetzt weiß ich das. Es kann die Kleinen und Schwachen nicht mehr beschützen. Nun gut, ich werde Thor Palance in Zukunft aufhalten.«

»Du willst für die Feigen kämpfen?«, fragen Walker und Harding zweistimmig.

»Nicht für die Feigen, nur für mich selbst! Denn ich bin es, den Thor Palance sich schnappen will. Ich bin der Baum, den er fällen will. Die anderen Burschen, nun, die sind nichts anderes als das Gestrüpp und das Unterholz, das er erst beseitigen muss, um an den Baum richtig herankommen zu können.«

Nach diesen Worten geht Clay hinaus. Er wandert den Plankensteig entlang, tritt an sein Pferd, sitzt auf und reitet langsam aus der Stadt.

Hundert Augenpaare verfolgen ihn.

Die beiden Männer im Restaurant aber sprechen lange nicht.

Dann sagt Jim Harding: »Ford, wir sollten wohl doch kandidieren. Wir sollten wenigstens den Versuch machen, ihm zu helfen. Du hast es gehört, wie Clay die Sache nun ansieht. Er wollte herausfinden, ob wir noch ein Gesetz im Land haben. Und nun hat er herausgefunden, dass Thor Palance immer wieder eine Jury beeinflussen können wird. Clay ist ein rechtlicher Mann. Aber jetzt weiß er, dass er auf sich alleingestellt ist. Nun wird er sich einen Teufel um alle Dinge scheren und allein seinen Weg gehen. Er wird das ganze Land verachten und mit Thor Palance seinen längst fälligen Krieg austragen. Ford, da sind zwei Starke in diesem Land. Sie wuchsen heran und steckten ihre Grenzen ab. Aber Thor Palance bekam dann eine Idee in den Schädel und brütete lange genug daran herum. Jetzt hat er sich eine Chance ausgerechnet und versucht es nun mit einem rauen Spiel. Er hält sich für stärker als Clay Cloudman und kommt über seinen Zaun, mit langen Schritten. Wir werden kandidieren, Ford, nicht wahr?«

Der schüttelt den Kopf.

»Ich habe eine Frau und fünf Kinder«, murmelt er. »Ich bin nicht so stark wie Clay. Und bevor ich aus Feigheit eines Tages meine Amtspflichten verletze, will ich das Amt lieber abgeben. Ich bin nicht so stark wie Clay. Niemand von uns ist so stark.«

Er erhebt sich, nimmt das Gesetzbuch vom Tisch und die Flagge von der Wand.

Und dann verlässt auch er den Raum durch die Hintertür.

Jim Harding aber geht vorn hinaus. Er geht langsam zu seinem Office und betritt dann den Zellenraum. Hier sitzen zwei Satteltramps, die im Mietstall für ihre Pferde Futter stahlen.

Jim Harding öffnet die Zellen und sagt: »Ihr seid frei. Ich kann euch nicht eingesperrt halten, wenn die schlimmsten Hundesöhne von einer Jury freigesprochen werden. Verschwindet binnen zehn Minuten aus der Stadt. Habt ihr mich verstanden?«

Die beiden Satteltramps erheben sich langsam von den Schlafpritschen. Es sind zwei scharfäugige und falkennasige Burschen, ziemlich abgerissen und hager vom ruhelosen Reiten.

Sie folgen dem noch sehr jungen Sheriff ins Office. Dort bekommen sie ihre Waffen.

»Es freut uns, dass man uns laufenlässt, weil man die großen Schufte nicht einsperren kann«, grinst der eine Reiter.

»Verschwindet«, brummt Jim Harding und wirft ihnen je ein Dollarstück zu.

»Damit könnt ihr das Futter für eure Pferde bezahlen.«

»Sie sind sehr nobel, Sheriff«, sagt der andere Satteltramp. Dann gehen sie.

Jim Harding tritt hinter ihnen aus der Tür und blickt ihnen nach. Sie verschwinden im Mietstall. Wenig später kommen sie auf zwei mageren und hässlichen Tieren herausgeritten und verlassen die kleine Stadt.

Der Sheriff blickt die Straße hinauf und hinunter. Es sind jetzt kaum Menschen zu sehen. Es ist, als schämten sich alle Bürger der Stadt.

Und die vielen Besucher, die nach Royal gekommen waren, all jene Drei-Kühe-Rancher, Siedler, Farmer und jene Reiter, von denen niemand weiß, woher sie kommen, wohin sie reiten und von welchen Einkünften sie leben, sind verschwunden.

Aber sie alle haben sehen und erkennen können, wie groß Thor Palances Macht ist. Denn sein Vormann Meece Cliff, der einen Mann totgeprügelt hat, ist von einer feigen Jury freigesprochen worden.

Und Clay Cloudman hat nichts dagegen unternommen.

Das aber war es, was die Menschen herausfinden wollten. Nach ihrer Meinung gibt es jetzt nichts mehr in diesem Land, das Thor Palance aufhalten könnte.

Die große Machtprobe hat stattgefunden. Und von nun an wird Thor Palance noch längere Schritte machen als zuvor. So denken nun die Menschen. Von jetzt an sitzt ihnen die Furcht in den Knochen. Und sie sind enttäuscht von Clay Cloudman, den sie für den zweiten Starken in diesem Lande gehalten haben, dessen Schatten nicht kleiner ist als der von Thor Palance.

Aber Clay Cloudman hat nichts getan. So denken die Leute.

Clay reitet langsam. Es wird Nacht. Er spürt die starken Düfte des Landes, und er wittert den Geruch der noch sonnenwarmen Erde und den Duft der harzigen Kiefern.

Er sieht die Sterne nach und nach aufblinken. Bald tönt der wilde und klagende Chor der Coyoten. Irgendwo in einer Senke brüllt ein Stier.

Clay nimmt sich Zeit.

Als er dann an Marthe Millers kleiner Ranch ist, wird in dem niedrigen Holzhaus eine Lampe angezündet. Clay hält an und späht hinüber. Er sieht, wie sich die Tür öffnet. Das Mädchen tritt heraus, und im herausfallenden Licht ist sie gut zu erkennen. Sie geht zu einem leichten Zweispänner, der dicht bei dem Hause steht.

Clay lenkt sein Tier vom Weg hinunter und reitet auf das Haus zu. Beim Klang seiner Hufschläge wird das Mädchen beim Wagen bewegungslos. Aber dann greift es in den Wagen hinein.

Ein Gewehrlauf blinkt matt im Lichtschein, der aus der offenen Tür fällt.

»Ich bin es, Marthe!«, ruft er halblaut und reitet langsam heran. Er sitzt ab und murmelt sanft: »Kann ich dir helfen?«

Sie sieht zu ihm auf. Sie ist ein großes Mädchen, blond, hübsch, ernst und schon fast fraulich. Sie ist stolz und tapfer. Vor drei Jahren lebte sie mit ihrem Bruder noch in Deutschland. Dann kamen sie nach einer Reise, die viele Monate dauerte, in dieses Land und bauten hier die kleine Ranch auf. Sie waren beide sehr arbeitsam. Frits Miller verstand etwas von Viehzucht, und er wollte hier eine besondere Rinderrasse züchten.

Aber jetzt ist Frits Miller tot.

Er war jener Mann, der von Meece Cliffs Fäusten zusammengeschlagen wurde und dann starb.

Das Mädchen aus Deutschland betrachtet Clay ruhig und fest.

Dann nickt sie und sagt: »Ich habe einen Zweizentnersack im Wagen. Den könntest du mir in den Stall bringen.«

Er will etwas sagen, aber sie nimmt zwei Körbe aus dem Wagen, wendet sich schnell ab und geht in ihr Haus. Er blickt ihr nach. Sie trägt Arbeitshosen und eine viel zu weite Jacke. Und es ist sicher, dass sie nicht in der Stadt war, um der Gerichtsverhandlung beizuwohnen, sondern um Vorräte zu holen und die Erzeugnisse ihrer Arbeit zu verkaufen. Sie bringt regelmäßig Eier, Butter, Käse und Gemüse in die Stadt und hat einen festen Vertrag mit dem Speiserestaurant.

Clay seufzt leise. Dann nimmt er den schweren Sack aus dem Wagen und trägt diesen zum Stall hinüber. Er kippt den Inhalt in die große Futterkiste, und er fühlt im Dunkel, dass es sich um Hühnerfutter handelt.

Langsam geht er dann zum Haus hinüber. Er tritt in die Küche. Das Mädchen kniet vor dem Herd und macht Feuer.

»In zehn Minuten kannst du ein Abendbrot bekommen ‒ wenn du möchtest«, sagt sie über die Schulter.

Er nickt, lehnt sich neben der Tür an die Wand, kreuzt die Beine und dreht sich eine Zigarette. Er beobachtet das Mädchen, und er findet alles an ihr sehr erfreulich.

»Marthe«, sagt er, »du warst nicht zur Gerichtsverhandlung?«

»Was sollte ich dort?«, fragt sie zurück, richtet sich auf und wendet sich ihm zu. Die Flammen prasseln jetzt im Herd.

Clay blickt in die großen, ruhigen Augen des Mädchens. Sie sind tiefblau. Das Gesicht ist wie aus Milch und Blut, sauber, frisch und klar. Ihr Mund ist voll und hat jenen Schwung, den ein Mann gern sieht.

»Was sollte ich dort?«, fragt sie nochmals, und nun wirkt ihr Mund sehr herbe und fast verächtlich. »Ich kann meinen Bruder nicht mehr lebendig machen, nicht wahr? Frits ist tot. Und ich bin kein Mann, der für seinen Bruder Genugtuung fordern kann.«

Clay wendet sich um und blickt in die Nacht hinaus. Draußen reiten zwei Reiter vorbei, langsam und ruhig. Es sind die beiden Satteltramps, die der Sheriff aus Empörung darüber, dass ein Totschläger freigesprochen wurde, laufenließ.

Die beiden Reiter wirken irgendwie ziellos und wie verloren. Der Mond ist aufgegangen. Clay kann die beiden Satteltramps gut erkennen. Einmal sieht es so aus, als wollten sie zur kleinen Ranch herüberkommen. Aber sie reiten dann doch langsam vorbei.

Clay denkt daran, wie allein und ohne Freunde dieses Mädchen hier ist. In der ersten Zeit konnten sie und ihr Bruder sich nur mühsam mit den Leuten in diesem Land verständigen. Sie lernten sehr schwer die Landessprache. Auch jetzt noch wirken die Worte des Mädchens unbeholfen.

Clay ist eigentlich der einzige Mensch im Land, der mit den beiden Geschwistern nach und nach einen fast freundschaftlichen Kontakt aufnahm.

Und irgendwie verspürt er ein Schuldgefühl, dass dieses Mädchen nun allein ist.

Er wendet sich plötzlich um. »Marthe«, sagt er etwas rau, »dein Bruder und ich, wir waren schon fast Freunde ...«

»Frits hatte dich gern, und er achtete dich«, sagt sie ruhig.

Clay nickt und schluckt.

»Deshalb hätte Frits zu mir kommen müssen und nichts allein und auf eigene Faust unternehmen dürfen. Marthe, versprich mir, dass du zu mir kommst, sobald du irgendwie ...«

»Ich züchte keine Rinder mehr«, sagt sie. »Ich benutze keine Weide mehr. Also wird es für mich auch keinen Kummer geben. Ich bin nicht mehr wichtig. Und ich brauche auch keine Freunde mehr. In ein oder zwei Jahren werde ich genügend Geld zusammengespart haben. Dann fahre ich nach Deutschland zurück. Mein Bruder wollte nicht Soldat werden und sich für den König totschießen lassen. Deshalb kamen wir in dieses Land. Wir dachten, dass es hier Freiheit gäbe. Aber hier gibt es keine Freiheit. Thor Palances Schatten liegt auf diesem Land. Und alle Menschen ducken sich wie ängstliche Hühner, wenn der Schatten eines Raubvogels über sie fällt. Dies ist ein feiges Land, Clay. Hier gibt es nur ein einziges Gesetz ‒ das des Starken! Und außer Thor Palance gibt es keinen, der ihm ebenbürtig wäre an Stärke und Macht.«

Sie blickt Clay Cloudman fest in die Augen.

Aber er schüttelt den Kopf.

»Marthe«, sagt er schwer, »Ich kann Thor Palance zum Teufel jagen. Ich kann ihn zerbrechen und in den Boden schlagen. Ich kann das. Aber bis jetzt glaubte ich an die Stärke und Unbestechlichkeit des Gesetzes. Ich konnte mich nicht zum Richter und Vollstrecker machen. Ich musste erst herausfinden, ob ...«

»Niemand kann ihn aufhalten. Ab heute herrscht er über uns alle.«

Mit diesen Worten unterbricht sie ihn scharf. Und nun zeigt sich in ihren Augen ein seltsames Leuchten. Sie ist innerlich also sehr vital und heftig. Und sie spürt Schmerz und eine kalte Verachtung gegen das ganze Land. Irgendwie ist auch Clay in diese Verachtung eingeschlossen. Er spürt das plötzlich.

Er schluckt, starrt sie an und nickt dann. »Marthe«, sagt er, »wenn Thor Palance und ich aufeinander losgehen, dann wird einer von uns beiden sterben müssen. Und ich kann einen Mann nur dann töten, wenn er mich angreift oder wenn ich von seiner Schuld restlos überzeugt bin.«

Nach diesen Worten wendet er sich ab, geht zu seinem Pferd hinaus und sitzt auf.

Als er abreiten will, kommt Marthe Miller schnell aus dem kleinen Haus. Sie hält sich an seinem Steigbügel fest und ruft heftig zu ihm empor: »Wenn du ihm in den Weg treten willst, wird er dich töten oder töten lassen. Und dann habe ich niemanden mehr auf dieser ...«

Sie bricht erschrocken ab, wendet sich um und läuft in das Haus zurück. Die Tür knallt zu. Clay hört, wie sie von innen den Querbalken vorlegt.

Nun weiß er aber, dass sie ihn liebt.