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Aus Angst vor den landgierigen und machtbesessenen Donovans verließ der junge Eliot Murray die Heimatweide. Als er nach sieben Jahren zurückkehrte, hatte sich im Snakebow Valley nichts verändert, aber aus Eliot war ein Mann und ein gefürchteter Revolverkämpfer geworden ...
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Seitenzahl: 224
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Ohne Kämpferlohn
Vorschau
Impressum
Ohne Kämpferlohn
Eliot Murray beugt sich im Sattel vor und beobachtet zufrieden, wie seine kleine Herde in der Senke zur Ruhe kommt. Die Rinder verteilen sich sofort um den kleinen Tümpel, und ihr Brüllen, Muhen und Blöken klingt wie immer, wenn sie das Ende eines mühevollen Tagestrecks erreicht haben.
Der große, hagere und scharfgesichtige Mann sieht noch einmal zum Pass hinauf, den sie heute hinter sich ließen. Der letzte Schein der Abendsonne liegt dort auf der zerhackten Bergmauer, nur der tiefe Keil, durch den sie herunterkamen, ist dunkel.
Eliot Murray nickt zufrieden. Ein schwaches Lächeln verändert sein dunkles Gesicht und nimmt ihm die Härte. In seinen grauen Augen erscheint das Leuchten ungewisser Freude und verlischt wieder. Ja, er freut sich, wieder in die Nähe seiner Heimatweide gekommen zu sein. Zugleich aber denkt er an seinen Bruder, und diese Gedanken machen seine Freude über die Heimkehr ungewiss.
Er weiß nicht, wie Daniel ihn aufnehmen, wie Daniel sich mit seiner Rückkehr abfinden wird.
Eliot Murray ist sehr schmal in den Hüften, aber sehr breit in den Schultern, obwohl er sehr lang und hager ist. Er hebt die Schultern und lässt sie, seufzend ausatmend, wieder fallen. Dann reitet er zu seinen Reitern hinunter, die das Camp aufschlagen.
Jimmy Barret, der Junge, hat zwischen einigen Birken ein Seil ausgespannt. In diesem kleinen Corral bewegt sich nun die Remuda. Der Junge war eine halbe Stunde vor der Herde hier, und die Pferde sind deshalb bereits getränkt.
Curly Smith hängt den Kaffeekessel über das Feuer. Dicht neben ihm steht das kleine Fässchen mit Sauerteig. Gleich wird der weißhaarige Curly seine prächtigen Biskuits herstellen.
Eliot Murray bleibt im Sattel, knetet die Hände am Sattelhorn und sagt: »Curly, ich wollte es dir schon immer sagen: Du bist nicht nur ein erstklassiger Märchenerzähler, sondern du verstehst dich auch auf Rinder und bist der beste Koch zwischen San Antonio und Laramie.«
Curly Smith sieht zu ihm auf. Seine blassblauen Augen funkeln mit einem Mal ziemlich giftig.
»Märchenerzähler? He, du langbeiniger Sklavenantreiber! Jetzt willst du wohl ein paar versöhnliche Worte reden, nachdem du uns hundertundsieben Tage angetrieben hast, als müssten wir abbüßen, dass wir Vater und Mutter erschlagen haben. Ich verfluche die Stunde, in der ich mich von dir für dieses Treiben verpflichten ließ. Ich weiß selbst, dass ich ein guter Koch und ein erstklassiger Rindermann bin. Du brauchst es mir nicht zu sagen, Boss!«
Chap Blaine, der zweite Treiber, kommt mit einer Last Brennholz herbei. Er wirft den Packen neben dem Feuer ab. Chap Blaine ist klein, krummbeinig und glatzköpfig. Er wischt sich mit dem Halstuch den Schweiß von der Glatze und setzt seinen alten Hut wieder auf.
»Curly wird immer mächtig böse und raubeinig, wenn ein Treiben zu Ende geht«, sagt Chap zu Eliot. »Ich reite jetzt schon mehr als zwölf Jahre mit Curly, und immer ist es dasselbe mit ihm. Wenn ein Treiben zu Ende geht, verliert er seinen Zuhörerkreis. Dann kann er seine Lügengeschichten nur noch mir erzählen, und von mir weiß er genau, dass ich nicht mehr zuhöre. Ich habe mich so sehr an seine Kochkunst gewöhnt, dass ich seine Geschichten mit in Kauf nehme. Es ist ja so, dass man einen Wasserfall gar nicht mehr rauschen hört, wenn man lange genug in seiner Nähe lebt.«
Chap Blaine grinst listig, schielt auf Curly, der ihn giftig anstarrt, und sieht dann wieder Eliot an.
»Warum bist du im Sattel, Boss? Diese verdammte Herde wird nicht aus der Senke wandern, sondern dicht am Wasser bleiben.«
Eliot grinst.
»Es fällt mir sehr schwer«, murmelt er, »heute auf Curlys Biskuits und seine Geschichten zu verzichten, aber ich reite jetzt gleich weiter. Den letzten Tagestreck werdet ihr ohne mich machen müssen. Ich habe meinen Bruder sieben Jahre nicht gesehen, jetzt kann ich keinen Tag länger warten.« Er macht eine Pause und fährt dann fort: »Nun, wenn alles so ist, wie ich es erhoffe, bleiben wir auch noch zusammen, wenn diese Herde ihr Ziel erreicht hat.«
Er wendet sich im Sattel und sieht zu dem Jungen hin, der vom Pferdecorral ans Feuer kommt.
Jimmy Barret ist lang, dünn, sommersprossig und rothaarig. Er mag sechzehn Jahre zählen, auf diesem Treiben hat er zum ersten Male richtige Männerarbeit geleistet.
Der Junge bleibt am Feuer stehen und sieht zu dem Reiter hoch. Er hat blaue Augen, und in ihnen ist eine kaum verborgene Verehrung und ein festes Vertrauen zu erkennen. Selbst einem Fremden würde sofort klar, dass dieser Junge sich Eliot Murray zum Vorbild für sein ganzes Leben genommen hat.
Eliot betrachtet Jimmy sorgfältig. Dann nickt er. »Du hast Männerarbeit geleistet, Jimmy. Wir haben unterwegs auch kämpfen müssen, und auch dabei hast du wie ein Mann deinen Teil übernommen. Aber ab morgen wirst du keinen Colt mehr tragen. Das Treiben ist zu Ende. Wir sind auf meiner Heimatweide. Und ich möchte keinen Colt mehr an dir sehen. Hast du mich verstanden, Jimmy?«
»Yeah, Onkel Eliot«, murmelt der Junge. Er senkt dabei seinen Blick, und seine lange, sehnige Hand spielt mit dem abgenutzten Griff eines alten Colts.
Die beiden Cowboys beobachten die kleine Szene, und weil nach Jimmys gehorsamer Zustimmung eine Stille zu entstehen droht, ruft Curly Smith plötzlich wütend: »Oh, dann verzichtest du heute auf meine Biskuits, Boss! Und ich wollte doch heute Abend die Geschichte von ›Pecos Bills Ritt‹ auf dem Zyklon erzählen! Verdammt, das ist eine der besten Geschichten von Pecos Bill, und ich ...«
»Ihr werdet die Herde morgen nach Nordwesten zu durch die Hügel treiben«, unterbricht ihn Eliot. »Wenn ihr durch die Hügelbarriere seid, seht ihr im Westen eine tiefe und breite Bergfalte, die sich zu einem Canyon verengt. Aus dem Canyon fließt ein River. Ihr treibt die Herde daran entlang. Ich komme euch entgegen geritten!«
Er zieht ohne ein weiteres Wort seinen roten Wallach herum und reitet in die Abenddämmerung hinein.
Als die Sterne am Himmel stehen und der Mond über die Berge kommt, lässt Eliot Murray auch die Hügel hinter sich.
Das Gelände senkt sich vor ihm, und er sieht etwa eine Meile nördlich von sich die gelben Lichter von Snakebow in der Nacht.
Wenig später erreicht er die zerfahrene Poststraße, die von Nordosten her durch die Hügel kommt.
Er hält an und zögert etwas.
Der Weg nach Westen führt zu seinem Bruder, doch nördlich von ihm liegt die kleine Rinderstadt, von der er weiß, dass sie, wie der größte Teil der weiten Weide, den mächtigen Donovans gehört.
»Es könnte wohl nicht schaden«, murmelt Eliot und lenkt sein Pferd der Stadt zu.
Kurz bevor er die Holzbrücke über den Snake River erreicht, hört er den hallenden Hufschlag einer wild und scharf reitenden Mannschaft hinter sich. Er wäre vor der Brücke zur Seite geritten und hätte das wilde Rudel vorbeigelassen, wenn eine gellende Stimme nicht gerufen hätte: »Platz da vorne! Platz für die Donavans!«
Eliot hörte diesen Ruf, und im selben Moment wird der alte und gefährliche Stolz in ihm so mächtig, dass er einfach nicht anders kann, als ruhig auf die Brücke zu reiten. Denn Eliot Murray hat noch nie in seinem Leben einem anderen Mann freiwillig Platz gemacht, auch dann nicht, wenn ihm das auf unduldsame Art befohlen wurde.
Er reitet also ruhig auf die Brücke, und wenig später reißt hinter ihm das wilde Rudel fluchend die Pferde zurück. Die Reiter verstopfen die schwankende Brücke. Einer drängt sein Pferd dicht neben Eliot und brüllt: »Verdammt, du Hundesohn! Was ist das?«
Obwohl nun inzwischen sieben Jahre verstrichen sind, erkennt Eliot Little Jack Donovan sofort wieder; denn Little Jack hat einen Buckel und hockt wie ein wütender Affe auf dem Pferd.
Eliot gibt keine Antwort, er grinst nur und zeigt Little Jack sein Gesicht. Aber der erkennt ihn nicht in seiner Wut, sondern will mit dem Ende der langen Peitsche zuschlagen. Inzwischen haben sie die Brücke hinter sich gelassen. Eliot macht eine schnelle Bewegung und ergreift das lederüberzogene Peitschenende. Er zerrt mit dem ersten Ruck den kleinen Mann daran halb aus dem Sattel.
Aber da taucht ein riesiger Mann auf einem mächtigen Pferd auf Eliots anderer Seite auf.
»Hoiii!«, brüllt der Riese wütend, drängt sein Pferd dicht an Eliots Tier und schlägt mit dem Colt mitleidlos zu. Eliot bekommt den langen Lauf über Schläfe und Augenbraue. Er lässt Little Jack los, den er inzwischen aus dem Sattel gezerrt hat, und wendet sich dem zweiten Angreifer zu, aber er bekommt schon den zweiten Schlag, diesmal ins Genick. Er schwankt im Sattel. In seinem Kopf explodieren Funken. Er versucht, sich im Sattel zu halten, aber zugleich fühlt er eine Schlinge um seinen Oberkörper. Ein scharfer Ruck presst ihm die Oberarme gegen die Rippen – und dann wird er aus dem Sattel gerissen. Er schlägt schwer auf, wird bewusstlos, erwacht jedoch sofort wieder, kaum dass er zehn Yard über den Boden geschleift worden ist. Er schützt sein Gesicht und greift mit der anderen Hand die gespannte Leine.
So wird er etwa hundert Yard geschleift. Seine Lederchaps schützen die Beine zwar, aber er wird dennoch übel zerschunden und gestoßen. Da er nur seine Unterarme bewegen kann, ist er ziemlich hilflos.
Dann liegt er plötzlich still. Er setzt sich auf und zerrt die Lassoschlinge auf. Ein Reiter hält dicht neben ihm und rollt das Lasso zusammen.
»Freundchen«, knurrt der Mann, und Eliot erkennt wieder Ambrose Donovans Stimme. Ja, es war der riesige Ambrose, der seinem Bruder Little Jack zu Hilfe kam.
»Freundchen«, knurrt der Mann nochmals, »du bist sicher fremd hier, was? Nun jetzt wirst du aber inzwischen begriffen haben, dass man den Donovans nicht den Weg versperren darf. Beim nächsten Mal wirst du höllisch schnell Platz machen – oder es wird noch schlimmer für dich!«
»Amb, ich möchte ihn erschießen!«, ruft die heisere Stimme Little Jacks. »Er hat mich vom Pferd gezogen! Ich möchte ihn erschießen!«
»Das wirst du nicht tun, Jacky! Das hier ist nur ein Fremder. Er ist zurechtgestutzt worden. Es genügt! Und du weißt, dass Big Jack uns verboten hat, bei Kleinigkeiten den Colt zu gebrauchen. Komm, Jacky!«
Sie reiten von Eliot weg, der noch schwankend im Staube sitzt und gegen seine Not ankämpft. Das wartende Rudel formiert sich wieder hinter den beiden Söhnen von Big Jack Donovan. Sie jagen weiter und erreichen bald die Häuser der kleinen Stadt, die eigentlich nur aus einer einzigen Straße und zwei kleinen Quergassen besteht.
Eliot Murray kommt schwankend auf die Füße.
Er flucht nicht und stößt auch keine Drohungen aus. Das ist bezeichnend für ihn.
Er betastet seine blutende Stirn und wischt sich Blut und Schweiß aus dem Gesicht. Dann fühlt er nach seinem Colt, doch die Waffe ist aus dem Holster gerutscht und liegt sicher irgendwo im Staub des Weges.
Eliots Pferd trabt heran und folgt seinem Herrn wie ein Hund, als dieser die Poststraße nach dem Colt absucht.
Er findet ihn, pustet und wischt ihn sauber und geht dann mit seinem Pferd zum River hinunter. Dort säubert er sich, wäscht seine Stirnwunde aus und kühlt sie, bis die Blutung zum Stillstand gekommen ist. Seine Kleidung ist jetzt ziemlich arg zerrissen, und eine Stiefelsohle hat sich gelöst.
Er setzt sich eine Weile auf den Uferrand, dreht sich eine Zigarette und denkt rauchend über verschiedene Dinge nach.
Nach einer Weile seufzt er, wirft die Kippe ins Wasser und erhebt sich langsam. Groß, mager und sehnig hebt er sich gegen den Sternenhimmel ab, und bei aller Hagerkeit wiegt er dennoch seine hundertachtzig Pfund.
»Verdammt«, murmelt er, »die Nachrichten, die ich bekam, waren nicht übertrieben. Nun, ich werde den Donovans klarmachen, wen sie so rau behandelt haben. Das muss erst mal erledigt werden. Und dann werden wir sehen, was sonst noch ist.«
Er steigt langsam in den Sattel. Hier und da schmerzt und brennt sein Körper, aber das ist nichts für Eliot Murray, gar nichts.
Langsam reitet er der Stadt entgegen, erreicht die ersten Häuser und hält sich mitten auf der Fahrbahn. Obwohl es dunkel ist, kann er gut erkennen, dass Snakebow, welches in einem Bogen des Snake River liegt, sich in den vergangenen sieben Jahren kaum verändert hat – höchstens insofern, dass diese kleine Rinderstadt noch mehr den mächtigen Donavans gehört.
Vor dem Cattlemen-Saloon steht eine lange Reihe Sattelpferde an den Haltebalken. Eliot sieht im herausfallenden Licht die Brandzeichen der Tiere.
Es ist der Star-D-Brand, das Zeichen der Donovan-Ranch. Eliot sitzt ab und bindet den roten Wallach am Ende des Haltebalkens an. Dann zögert er einen Moment, und seine Hand tastet dabei über den Colt an seiner Seite.
Aber dann schnallt er den Waffengurt ab und hängt ihn über das Sattelhorn. Er bückt sich unter dem Gehsteiggeländer durch, macht drei lange Schritte und stößt die beiden Flügel der Schwingtür auf.
Auch im Saloon hat sich in den letzten sieben Jahren nicht viel verändert.
Der lange Schanktisch ist noch da. Hinter der langen Bar sind die Spiegel allerdings erneuert worden, doch das große Ölbild darüber ist Eliot gut bekannt.
Als Junge war er vor Jahren zum ersten Male in diesem Saloon und hatte damals auf das Bild gestarrt: ein nacktes Mädchen, das nur mit einem hauchdünnen Schleier bedeckt ist und auf einem Rappen reitet. Dieses Bild hängt also immer noch dort. Eliot erinnert sich daran, dass dieses Bild ihm damals zum ersten Mal eine entblößte Frau zeigte.
Der bullige und muskelstarke Noel O'Brien steht immer noch hinter dem Schanktisch, nur ist sein runder Schädel jetzt, nach sieben Jahren, vollkommen kahl.
Er bedient die lange Reihe der Star-D-Ranch-Reiter.
Plötzlich sieht Noel O'Brien zur Tür – und sein scharfer Blick wird starr.
Er hat mich erkannt, nach sieben Jahren, denkt Eliot und richtet den Blick auf Ambrose Donovan, der mit seinem verwachsenen Bruder an der Ecke des Schanktisches steht. Er sieht fest über den Raum hinweg in Ambroses Augen hinein, in denen plötzlich ein jähes Erkennen aufblitzt.
Der hat mich auch erkannt, denkt Eliot, bewegt sich einige Schritte vor und bleibt stehen. Seine Stimme klingt nicht sehr laut, aber alle Männer drehen sich nach ihm um.
»Amb«, sagt Eliot mit trügerischer Sanftheit, »großer, prächtiger Amb! Ihr habt wieder einmal einen Mann zurechtstutzen wollen, der euch nicht Platz machen wollte. Aber ihr habt euch den Mann vorher nicht gut genug angesehen. Ihr habt mich mit einem Lasso durch den Dreck gezogen, aber ich bin jetzt hier! Und kein Donovan ist groß genug, um mich nochmals aus dem Wege zu stoßen!«
Nach diesen Worten bewegt sich Eliot wieder – genau auf den großen Ambrose Donovan zu.
Der kleine Jack heult plötzlich auf: »Bei Gott, das ist Eliot Murray!« Dabei will er nach dem Colt greifen.
Aber Ambrose schlägt ihm hart auf den Arm.
»Lass es sein, Jacky! Du siehst doch, er hat seinen Colt nicht mit hereingebracht. Du siehst es doch, Jacky!«
Dann tritt er Eliot langsam, massig und schwer entgegen.
»Eliot«, sagt er grollend, »wir haben uns früher oft geprügelt, und ich habe dich immer wieder geschlagen. Du bist dann weggeritten, weil du stolzer als deine Familie warst und nicht ständig im Schatten der Donovans vegetieren konntest. Dein Stolz war aber größer als dein Mut; denn damals bist du mir weggeritten, anstatt zu versuchen, selbst groß zu werden und einen Schatten zu werfen.«
Er schnauft und setzt dann hinzu: »Nun, jetzt bist du also zurück, und wir haben dich vor der Stadt wie einen lausigen Satteltramp durch den Dreck gezerrt. Was willst du noch, um zu erkennen, dass sich hier nichts verändert hat? Den Donovans macht immer noch alles Platz! Muss ich dich erst richtig zerbrechen, damit du erkennst, dass du aus einer Familie stammst, die weniger Mut besitzt als eine Kaninchensippe? Geh lieber, Eliot, und sieh dir erst einmal deinen Bruder und eure Ranch an. Und dann überleg dir, ob du auf etwas stolz sein kannst. Du bist auch ein Murray! Und sie haben noch nie etwas getaugt!«
Er tritt bei seinen Worten dicht an Eliot heran und tippt diesem mit dem dicken und langen Zeigefinger auf die Brust. Eliot sieht fest in die gelben Löwenaugen des anderen und erwidert sanft: »Damals bin ich weggeritten, weil ich ein Mann werden wollte. Wenn ich geblieben wäre, hättet ihr mich zerbrochen. Ihr habt schon immer alle Männer zerbrochen, die ihr in eurer Nähe geduldet habt. Ihr hättet auch mir nicht die geringste Chance gegeben, ein Mann zu werden.
Ich ritt als Junge fort – und sieben Jahre sind eine lange Zeit. Doch jetzt, Amb, werde ich dir was zeigen. Pass auf!«
Die beiden letzten Worte kommen schnell und scharf.
Es wird sofort ein mitleidloser Kampf, bei dem keinerlei Regeln eingehalten werden.
Eliot schlägt seine Linke tief in Ambroses Magenpartie, und er setzt sein ganzes Gewicht und die Hebelgewalt von Hüfte und Schulter hinter den Schlag.
Ambrose Donovan wiegt gewiss mehr als zweihundertzwanzig Pfund. Er ist also gut vierzig Pfund schwerer als Eliot und gilt selbst in diesem Land der großen Männer als ein furchtloser Riese und Kämpfer.
Aber als Eliots Faust ihm den Magen fast bis zum Rückgrat stößt, verbeugt er sich doch, und als sein Gesicht tief genug ist, reißt Eliot sein Knie hoch.
Ambrose Donovan landet krachend auf dem Rücken. Die Sägespäne stauben hoch – und Noel O'Brien brüllt hinter dem Schanktisch: »Er hat keinen Colt! Er hat keinen Colt! Denkt daran, was Big Jack mit euch machen würde, wenn er erfährt, dass ihr auf einen Mann, der fair kämpfen wollte, mit dem Colt losgegangen seid!«
Noel O'Brien ruft es warnend.
Die Meute hält sich wirklich zurück. Ambrose richtet sich schwerfällig am Boden auf. Sein Gesicht blutet. Sein Nasenbein ist eingedrückt. Er betastet seine Magenpartie, aber sein Verstand arbeitet sehr klar, denn er grunzt grollend: »Keiner mischt sich ein! Ich habe Eliot früher so oft verprügelt, dass ich ihm jetzt eine faire Chance geben muss, damit er beweisen kann, dass er damals noch rechtzeitig weggeritten ist, um ein Mann werden zu können.«
Er verstummt, wischt sich das Blut aus dem Gesicht und stürmt dann mit gesenktem Kopf vorwärts.
Und er wirft sich zur Seite, als Eliot ihn an sich vorbei ins Leere stoßen lassen will.
Er erwischt Eliot mit einem Haken auf die Herzspitze und dann mit einem Schwinger, der das Ohr trifft. Eliot fällt auf einen Tisch, rollt sich darüber hinweg und landet benommen auf den Brettern, bevor Ambrose einen Stuhl auf dem Tisch zerschmettern kann.
Dann fegt der Riese den Tisch zur Seite und tritt nach Eliots Kopf. Aber Eliot nimmt den Kopf weg, erwischt den Fuß mit beiden Händen, hält ihn mit beiden Händen fest und rollt sich herum. Er verdreht mit diesem Ruck Ambroses mächtiges Bein. Die Bretter des Saloons zittern, als der schwere Mann niederwuchtet und zwischen die Stühle fällt.
Eliot erwartet ihn, und als er hochkommt, trifft er ihn rechts und links am Kopf. Ambroses Greifbewegung erwischt nur Eliots Hemd. Er reißt es ihm mit einem Ruck in Fetzen – und dann stolpert er an Eliot vorbei ins Leere.
Der trifft ihn von der Seite her, und sein Ansturm ist so wild, dass Ambrose gebückt gegen den Schanktisch prallt, wo die Mannschaft rechtzeitig zur Seite sprang.
Der Schanktisch schwankt, und Ambrose zieht sich knurrend daran hoch. Als sein Gesicht hoch genug ist, kommt Eliots neuer Ansturm. Beide Fäuste hat er zu einem Holzfällerschlag verschränkt, und er schmettert sie in das mächtige Genick des Mannes.
Ambroses Kinn knallt hart auf die Nickelplatte. Er dreht sich halb zur Seite, und dann trifft ihn Eliot wieder und wieder.
Ambrose kann nicht mehr kämpfen, die Luft ist aus seinem Körper geschlagen worden, und in seinem Kopf ist alles dumpf und dröhnend. Er kann nicht mehr denken, nur ein verzweifelter Wille, der instinkthaft ist, hält ihn auf den Beinen. Er dreht Eliot grunzend den mächtigen Rücken zu und zieht sich wieder ruhig aufrecht. Eliot reißt ihn an den Haaren zurück. Ambroses Haare sind wie eine Löwenmähne, überhaupt denkt man bei seinem Anblick an einen Löwen. Eliot reißt ihn also an den Haaren zurück und stößt ihm das Knie in den Rücken. Aber der Riese spannt noch einmal seine ganze Kraft an. Er kämpft gegen den Zug nach hinten, hält sich an der Schanktischkante fest – und brüllt heiser vor Schmerz.
Und dann versucht er es nochmals mit einem Ruck, und obwohl er vor Schmerz verrückt ist, würde er vor Wut seinen gelben Skalp opfern, an dem Eliot so mitleidlos zieht.
Aber dann zieht Eliot plötzlich nicht mehr. Ganz im Gegenteil, er stößt jetzt mit aller Kraft den Kopf des Gegners von sich und unterstützt somit ganz plötzlich Ambroses Gegenzug.
Es gibt ein unschönes Geräusch, als Ambrose Donovan mit dem Gesicht auf den Schanktisch knallt, mit einer Wucht, die aus seiner eigenen und aus Eliots Kraft geboren wurde.
Eliot tritt keuchend zurück. Er schwankt etwas. Dieser Kampf, auf den er sich sieben Jahre vorbereitet hatte, höhlte ihn aus. Er findet an der Ecke des Schanktisches einen festen Halt, und er braucht diesen Halt, denn um ihn dreht sich alles. Vor seinen Augen wird es dunkel. Mit aufgerissenem Mund saugt er rasend die Luft ein.
Dann vergeht die Not. Er kann wieder sehen. Sein Gleichgewichtsgefühl stellt sich wieder ein. Er kann den Schanktisch loslassen und wieder ohne Halt allein auf den Beinen stehen.
Er sieht Ambrose Donovan an.
Der liegt immer noch mit dem massigen Oberkörper über dem Schanktisch und mit dem blutenden Gesicht auf der Nickelplatte.
Es ist still im Raum – und dann seufzt eine heisere Stimme bitter: »O Gott! O Heiliger Vater, er hat ihn wahrhaftig geschlagen!«
Diese Stimme kommt aus der Gruppe der Star-D-Mannschaft und gehört Little Jack. Alle starren sie Eliot Murray an. Der wischt sich mit dem zitternden Unterarm über das Gesicht.
Noel O'Brien sagt hinter der Theke: »Keine Colts, Boys! Keine Colts, sage ich! Sie haben es ausgetragen, und Ambrose wird es selbst mit dem Colt erledigen wollen, wenn er wieder rüstig genug ist.«
Die Stimme des Barmannes klingt warnend, und seine Worte sind auch nötig; denn einige Hände ruhen bereits auf den Coltkolben.
Little Jack stößt jäh ein seltsames Gelächter aus. Allen Anwesenden wird es plötzlich klar, dass es der Ausbruch einer wilden Schadenfreude ist. Sie alle verstehen plötzlich, was in Little Jack vorgeht. Dieser Mann ist voller Gift und Bosheit, aber vielleicht ist er so geworden, weil er immer nur im Schatten seines großen und mächtigen Bruders Ambrose leben musste. Vielleicht sehnte sich Little Jack danach, selbst ein so starker Riese zu sein wie Ambrose.
Und jetzt hat er gesehen, wie Ambrose unterlag.
Aus seinem Gelächter klingt jedenfalls Schadenfreude, und dann bricht es plötzlich ab, als würde es Little Jack mit einem Mal klar, dass er zu viel von seinem Inneren preisgibt.
Eliot Murray starrt die Star-D-Mannschaft an. Dann hebt er langsam seine Rechte und deutet auf Ambrose Donovan.
»Da habt ihr ihn«, sagt er heiser. »Bringt ihn zu Big Jack! Und sagt ihm, dass man Eliot Murray nicht durch den Dreck ziehen kann! Kein großspuriger Donovan schafft es allein, dazu braucht er ein Rudel von willigen Knechten, wie ihr es seid!«
Er macht eine Pause und fährt dann fort: »Ich frage mich, worauf die Donovans jetzt noch stolz sein können; denn da liegt Ambrose, der ein zweiter Big Jack werden wollte!«
Er verstummt und sieht Noel O'Brien an.
»Bring mir einen Whisky, Noel!«
Er bekommt ihn schnell und leert das Glas mit einem Zug. Der scharfe Stoff brennt wie Feuer auf seinen zerschlagenen Lippen, aber er grinst voll wilder Lust, als er die Mannschaft noch einmal ansieht.
Die Männer haben sich noch nicht bewegt, sie betrachten immer noch staunend die regungslose Gestalt, die blutend über dem Schanktisch liegt und jetzt einen zitternden Seufzer hören lässt.
Sie glauben immer noch nicht, was sie mit ihren Augen sehen, denn sie alle kennen Ambroses gewaltige Kraft und Härte.
Sie hielten ihn für unbesiegbar.
Und jetzt sehen sie ihn geschlagen über dem Schanktisch liegen.
Eliot Murray geht langsam zur Schwingtür. Little Jacks Stimme holt ihn ein: »Eliot; Eliot, ich werde dich töten! Ich werde dich bald töten!! Ich bin nur der bucklige Little Jack, aber ich werde schaffen, was Ambrose nicht konnte!«
Eliot bleibt vor der Pendeltür noch einmal stehen und sieht über die Schulter zurück.
»Jacky, du wirst mich schon in den Rücken schießen müssen, wenn du mich töten und dabei am Leben bleiben willst. Aber wenn du das tust, schlägt dich Big Jack tot.«
Er grinst wieder wild und sieht, wie sich Ambrose endlich zu bewegen beginnt. Der Bulle versucht sich aufzurichten, aber dadurch verliert er den Halt. Er rutscht seitlich am Schanktisch herunter und kracht schwer auf die Bretter. Dort rollt er auf den Rücken.
Eliot sieht das noch, dann tritt er in die Dunkelheit hinaus. Auf dem Gehsteig vor dem Saloon stehen einige Gestalten. Eliot ist vom Licht noch zu sehr geblendet, als dass er die Leute erkennen könnte, aber er weiß, dass es Bürger der Stadt sind, die durch die Fenster und über die Flügel der Schwingtür hinweg dem Kampf zugesehen haben.
Plötzlich fühlt er eine kleine Hand am Ärmel, und die Stimme einer Frau sagte leise: »Komm mit mir, Eliot, du siehst furchtbar aus. So kannst du nicht reiten. Jemand muss dich erst in Ordnung bringen. Komm mit, Eliot!«
Er lässt sich verblüfft einige Schritte von ihr mitziehen, bis sie etwas von den neugierigen Gaffern entfernt sind. Aber dann bleibt er stehen und fragt: »Wer ... wer bist ... Wer sind Sie, Miss?«
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»Sieben Jahre sind eine lange Zeit«, erwidert sie ruhig. »Aber dennoch solltest du dich an mich erinnern können, Eliot Murray! Ganz kannst du mich nicht vergessen haben!«
Sie nennt ihm ihren Namen immer noch nicht. Inzwischen haben sich Eliots Augen besser an die Dunkelheit gewöhnt. Er sieht ein schlankes, mittelgroßes Mädchen vor sich, zwei große Augen, die hell sind, einen leichtgeöffneten Mund, und der Lichtschein, der neben ihnen aus dem Saloon fällt, zaubert Hell und Dunkel auf ihr Gesicht. Ihre Wangenknochen sind hoch, und sie geben ihren Augen eine etwas schräge Stellung.
Die Erinnerung überkommt ihn und er murmelt: »Kate, Kate Milton, du bist immer noch in Snakebow? Das hätte ich nicht erwartet.«
Sie geht auf seine Worte nicht ein, sondern zieht ihn weiter. »Komm, Eliot, ich habe gleich hier um die Ecke einen kleinen Schneiderladen. Die Donovans sind großzügig genug, mich hier zu dulden, nachdem sie uns die Ranch genommen haben.«
Eliot folgte dem Mädchen verwirrt, und obwohl er eine ganze Menge anderer Sorgen hat, denkt er jetzt nur noch an die Dinge, die damals zwischen ihm und Kate Milton waren.
Indes biegen sie von der Mainstreet in eine Gasse ein. Hinter einem kleinen Schaufenster, in dem Frauen- und Kinderkleidung ausgestellt ist, brennt eine Lampe. Kate Milton öffnet die Tür. Ein Glöckchen bimmelt.
»Komm herein, Eliot«, sagt sie etwas herb, und er folgt ihr erschöpft und schwerfällig durch den kleinen Laden, durch die angrenzende Werkstatt bis in die kleine Küche. Das Mädchen schraubt die Lampe höher, und als diese genügend Helligkeit verbreitet, wendet sie sich um.
Eliot sieht Kate nun richtig, und in den vergangenen sieben Jahren ist sie reif und schön geworden, aber auch ernst und herbe. Ihre etwas schrägen graugrünen Augen erwidern Eliots Blick offen und ruhig.
»Setze dich auf diesen Stuhl da, Eliot!«