G. F. Unger Sonder-Edition 64 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 64 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Von Golden Town hatte ich schon gehört. Und eines Tages ritt ich hin. Ich war in den Bergen beim Goldsuchen ein hungriger Wolf geworden - hungrig auch nach menschlichen Sünden.

Ich hatte für etwa tausend Dollar Goldstaub bei mir. Das war ein Monatsverdienst von mehr als zweihundert Dollar - etwa zehnfacher Cowboylohn. Damit konnte ein Bursche wie ich zufrieden sein.

Ich nahm mir vor, in Golden Town nicht mehr als zwanzig Dollar auf den Tisch zu hauen. Übrigens - mein Name ist Ben Yates, und ich schreibe die Geschichte so, wie sie mir gerade einfällt.

Ich ritt also aus den Bergen der Grand Mesa in Richtung Süden zum Gunnison River hinunter. Aber noch bevor ich das Gunnison Valley erreichte, begann mein Pech...

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Seitenzahl: 178

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Inhalt

Cover

Impressum

Böse Town

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-1547-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Böse Town

1

Von Golden Town hatte ich schon gehört. Und eines Tages ritt ich hin. Ich war in den Bergen beim Goldsuchen ein hungriger Wolf geworden – hungrig auch nach menschlichen Sünden.

Ich hatte für etwa tausend Dollar Goldstaub bei mir. Das war ein Monatsverdienst von mehr als zweihundert Dollar – etwa zehnfacher Cowboylohn. Damit konnte ein Bursche wie ich zufrieden sein.

Ich nahm mir vor, in Golden Town nicht mehr als zwanzig Dollar auf den Tisch zu hauen. Übrigens – mein Name ist Ben Yates, und ich schreibe die Geschichte so, wie sie mir gerade einfällt.

Ich ritt also aus den Bergen der Grand Mesa in Richtung Süden zum Gunnison River hinunter. Aber noch bevor ich das Gunnison Valley erreichte, begann mein Pech …

Ich musste durch einen bitterkalten Creek. Mein Pferd rutschte auf den glatt geschliffenen Felsen, legte sich mit mir ins Wasser – und stand nicht wieder auf. Ich wollte das zuerst nicht glauben, aber es war doch wohl so, dass mein guter Brauner ganz einfach einen Herzschlag bekommen hatte wie ein Mensch, der sich in eiskaltes Wasser stürzt.

Ich konnte nichts Anderes tun, als mir den Sattel und die paar für mich noch notwendigen Dinge auf meine Schultern zu laden und mich zu Fuß auf den Weg zu machen.

Drei Stunden später – es war schon fast Abend erreichte ich die Wagenstraße am Fluss. Es war ein schlechter Weg wie alle Wege in den Bergen Colorados. Eigentlich war es ein Wunder, dass es hier überhaupt Wege gab.

Doch zum Gold und zu den käuflichen Sünden dieser Erde gibt es wohl immer Wege. Um diese Plätze zu erreichen, strengen sich die Menschen besonders an.

Ich saß auf einem Stein und betrachtete meinen an den Zehen klaffenden Stiefel, als die Postkutsche kam.

Oha, was ist das für ein Glück!, dachte ich, denn ich hatte schon viele Wochen keine Menschen mehr gesehen, und deshalb war meine Meinung von diesen Lebewesen etwas besser geworden, eigentlich sogar ausgesprochen gut.

Deshalb stand ich freundlich grinsend auf dem Weg, als die Postkutsche herangerollt kam. Neben mir lag der Sattel mit meinem kärglichen Bündel, und jeder Mensch konnte erkennen, dass ich mein Pferd verloren hatte.

Aber als die Postkutsche vor mir hielt, zielte der Begleitmann mit seinem Parker-Schrotgewehr auf mich und war bereit, beide Läufe auf mich abzufeuern.

Der Fahrer hörte sich meine Geschichte so misstrauisch an, als versuchte ich, ihm einen Hut mit faulen Kartoffeln als frische Eier zu verkaufen.

Schließlich sagte er: »Wenn Sie Ihren Revolver und das Gewehr abliefern, können Sie mitfahren. Es ist Vorschrift auf dieser Linie, unterwegs keine bewaffneten Fremden einsteigen zu lassen. Also?«

Was blieb mir übrig? Ich wollte nach Golden Town, und so böse die Stadt auch sein mochte, sie war für mich jetzt das Mekka. Dort gab es ein Pferd, neue Stiefel und sauberes Zeug – auch einen Barbier. Und es gab dort Whisky, Mädchen und ein Spiel. Oh, ich hatte schon lange nicht mehr das Lachen einer Frau gehört. Und an einem Tisch wollte ich auch mal wieder essen.

Es gab also genug Gründe, dankbar für das Mitgenommenwerden zu sein.

Deshalb lieferte ich meine Waffen ab, warf meinen Sattel zu dem anderen Gepäck auf das eingezäunte Wagendach und kletterte in die Kutsche.

Drinnen starrten mich alle an. Es waren Minenleute, ein Spieler, ein würdig aussehender, graubärtiger Mann, dessen Augen jedoch fest und hart blickten, und ein paar Mädchen, die etwas zu bunt wirkten und keinem Männerblick auswichen.

Ich quetschte mich zwischen zwei dieser Honeys und sagte: »Kennen wir uns nicht, ihr Schönen? Wart ihr nicht vor einem halben Jahr die große Nummer in Leadville im Golden Nugget?«

Sie betrachteten mich, und ich wandte ihnen mein Gesicht zu. Dann sagte eine: »Lily, das ist der Indianer, mit dem damals die Carpenter-Brüder einen solchen Streit bekamen, dass der ganze Saloon in Trümmer ging. Das ist er. Wir sollten ihn darum bitten, dass er nicht gerade wieder dann eine Prügelei beginnt, wenn wir auf der Bühne stehen und singen.«

Sie blickten mich böse an.

»Wir sind nämlich Künstlerinnen«, sagte Lily. »Und es ist eine Beleidigung, sich zu prügeln, wenn wir ›Hot Love‹ singen.«

»Das sehe ich ein«, antwortete ich. »Doch ich gab dem einen Carpenter nur was auf sein Maul, weil er laut sagte, dass eine der Hillhorn Sisters eine Trillerpfeife und die andere eine quietschende Maus im Hals hätte und dass sie lieber nicht singen, sondern ihre Beine zeigen sollten. Da musste ich ihm doch was aufs Maul geben – oder?«

Sie sahen mich wieder an – prüfend und misstrauisch.

Dann begannen wir alle laut zu lachen. Die Hillhorn Sisters waren wirklich nicht übel, und dumm schon gar nicht.

Deshalb konnten sie jetzt auch lachen.

Als wir genug gelacht hatten, sagte ich: »Wenn ich gebadet und mich fein gemacht habe und nach Fliederwasser rieche, komme ich euch besuchen. Wo tretet ihr denn auf?«

»Im Paradiesvogel«, erwiderte Lily.

Und Molly fügte hinzu: »Und wir zeigen diesmal auch unsere Beine.«

Es ist schwer zu sagen, wie unsere Unterhaltung weiter verlaufen wäre, wenn es nicht plötzlich eine Unterbrechung gegeben hätte.

Die Kutsche fuhr mit ihrem linken Vorderrad in ein Loch. Wir hörten es bersten und krachen, als das Rad brach.

Der Fahrer und dessen Begleitmann fluchten. Dann aber waren in der Dämmerung Reiter um uns.

Eine scharfe Stimme rief: »Wenn ihr es haben wollt, dann ballern wir los und geben es euch!«

Das wollte niemand. Selbst der Begleitmann, der mich vor einer halben Stunde mit seinem Schrotgewehr so vorsichtig unter Kontrolle gehalten hatte, riskierte nichts. Er wäre ja auch ein Narr gewesen, hätte er es getan. Die Kutsche war bewegungsunfähig. Und wenn die Banditen einige Sharps Flinten bei sich hatten, konnten sie Wagen und Fahrgäste durchlöchern.

Wir mussten aussteigen.

Es waren vier Banditen, die sich um uns kümmerten und auch die Geldkisten aus der Kutsche und unter dem Bock hervorholten. Sie entdeckten auch meinen mit Gold gefüllten Gürtel, den ich unter dem Hemd auf der bloßen Haut trug.

Sie fanden auch bei den anderen Fahrgästen noch ein paar Dinge außer Geld. Einer der Banditen sagte, dass Kleinvieh auch Mist mache und sie nichts verschenken könnten, da die Zeiten schlecht und die Preise hoch seien.

Ihre Gesichter waren nicht zu erkennen. Die Kerle trugen Zuckersäcke, in die sie Löcher geschnitten hatten, als Kapuzen. Diese Fünf-Kilo-Zuckersäcke passten so genau auf einen Männerkopf, dass man auch noch den Hut aufsetzen konnte.

Als sich die Burschen dann zu den Pferden zurückzogen, die ein fünfter Bandit hielt, machte der Begleitmann den letzten und größten Fehler seines Lebens. Er bückte sich schnell nach seinem Parker-Schrotgewehr. Wenn er etwas schneller gewesen wäre, hätte er es sogar geschafft. Mit den beiden Ladungen Indianerschrot konnte man fünf Banditen ordentlich was durch die Jacken ballern.

Aber einer der Kerle war mit seinem Colt schneller – viel schneller. Er schoss den Begleitmann von den Beinen.

Dann ritten sie davon.

Ich hätte die Schrotflinte jetzt gern gehabt, deshalb beeilte ich mich. Der Begleitmann war auf das Ding gefallen. Ich musste ihn erst herunterrollen.

Danach war es zu spät.

Der Mann stöhnte. Ich kniete neben ihm nieder. Alle anderen umgaben uns.

Der Begleitmann krallte seine Hände in meine Ärmel und zog mich näher zu sich nieder. Ich hörte ihn flüstern: »Katy – meine Katy. Jemand muss sich um Katy kümmern. Katy! Gehen Sie zu Katy, Mister. Versprechen Sie mir, Katy zu helfen.«

»Welche Katy?«

»Katy McDarren. Ich bin ihr …«

Dann starb er, und ich konnte ihm nichts mehr versprechen – oder besser gesagt, ich brauchte es nicht. Wenn wir nach Golden Town kamen, würde ich mir erst mal selber helfen müssen.

Es war schon schlimm, dass sie mir das Gold abgenommen hatten, und dass ich kein Pferd mehr besaß, war noch viel schlimmer.

Ich erhob mich und wandte mich mit Bitterkeit an den Fahrer.

»Wenn ihr mir nicht den Colt abgenommen hättet, würde der Begleitmann seine Schrotflinte abgefeuert haben. Denn ich wäre …«

Ich brach ab. Es hatte keinen Sinn, jetzt Reden zu schwingen, in denen Worte wie »hätte« und »wäre« vorkamen.

Es war geschehen.

Auch die anderen Fahrgäste fluchten und schimpften. Man hatte ihnen alles abgenommen, was einigermaßen brauchbar war.

Nur die beiden Hillhorn Sisters waren ungeschoren davongekommen, und das lag gewiss daran, dass die Kerle sie kannten. Sängerinnen und Tänzerinnen kamen im Goldland weit herum, waren bekannt und erfreuten sich auch der Bewunderung von Banditen.

»Sie hätten uns Ihren Goldgürtel geben sollen, Indianer. Bei uns wäre er sicher gewesen«, meinte Lily Hillhorn.

Ich grinste und sagte: »Ach, ich hole mir aus meiner Goldmine neues Gold.«

Sie lachten, denn sie glaubten nicht an meine Goldmine.

Ich musste den anderen Männern helfen, die Kutsche anzuheben und das Reserverad einzusetzen.

Als wir losfuhren, saß ich neben dem Fahrer auf dem hohen Sitz und war wieder bewaffnet. Der tote Begleitmann lag hinter uns auf dem Wagendach.

Es war Nacht geworden.

Wir mussten langsam fahren. Die beiden Laternen warfen nur ein spärliches Licht voraus. Nach einer Weile fragte ich den Fahrer: »Der Begleitmann sprach von einer Katy McDarren, um die sich jemand kümmern müsse. Was ist das für eine Katy?«

Er ließ mich auf die Antwort warten, und ich wollte ihm schon sagen, dass ich ihn vom Bock werfen würde, wenn er auf eine freundliche Frage keine Antwort geben wolle. Aber dann sagte er: »Die kam vor kurzem nach Golden Town. Sie war Jim Stonehunters Braut. Es gibt in Golden Town keinen Vertreter der Kirche, der sie hätte trauen können. Sie hatten auch noch keine gemeinsame Unterkunft. Also warteten sie mit der Hochzeit. Nächste Woche wollten sie in ein kleines Blockhaus am Rand der Stadt ziehen. Jim erzählte mir auf dieser Fahrt, dass Katy einen Bratstand an der Golden Street übernommen hätte. Ich glaube schon, dass sie sich ohne Jill in dieser bösen Town ziemlich einsam und verlassen vorkommen wird. Sie ist ein Mädel aus Mississippi. Und sie ist so schön wie … aha, sie ist das schönste Mädel in ganz Colorado, denke ich! Aber Sie brauchen sich nicht um sie zu kümmern. Der Postagent wird zu ihr gehen und ihr Jims Tod mitteilen müssen. Das ist die Pflicht eines Postagenten.«

Ich sagte nichts, doch ich dachte eine Weile an die mir noch unbekannte Katy McDarren. Sie sollte schön sein und war fremd in diesem wilden Colorado.

Sie war einem Mann in dieses mitleidlose Land unter die Goldsucher gefolgt. Und nun konnte sie diesen Mann nicht mehr heiraten.

Einen Bratstand sollte sie an der Golden Street haben?

Na, ich würde sie mir ansehen.

Ich war neugierig. Dieser Jim Stonehunter, der hier sein Geld als bewaffneter Postbegleiter verdient hatte, war gewiss ein harter Bursche gewesen, der für sich und eine Frau sorgen konnte.

Sonst hätte man ihm nicht diesen Geldtransport anvertraut.

Er musste wahrscheinlich sogar ein ganz besonderer Bursche gewesen sein.

Vielleicht sollte ich seinen Job übernehmen. Denn mir fehlte alles, und ich konnte deshalb einen Job gebrauchen. Überdies würde ich dann vielleicht wieder mal mit den Banditen zu tun bekommen, die uns überfallen hatten.

Aber welcher Postagent gab einem abgerissenen, völlig abgebrannten Mann wie mir schon einen Job?

Es könnte jedoch auch sein, dass er schon mal weiter im Süden meinen Namen gehört hatte. Black Ben Yates war im Süden ein bekannter Name.

Mir hatte man bisher noch nie etwas wegnehmen können, ohne dass ich es mir wiederholte. Bei mir bekam man Gutes und Böses mit Zinsen zurück.

Das würden die rauen Jungens hier, die mich zu einem Tramp gemacht hatten, schon noch herausfinden.

Wir brauchten nur noch etwa sieben Meilen zu fahren, dann tauchten die Lichter von Golden Town vor uns auf. Die Stadt lag in einem großen Flussbogen. Im Mond- und Sternenschein – die Nacht war inzwischen heller geworden – sah die Stadt nett und friedlich aus.

Aber der Fahrer neben mir spuckte zur Seite und sagte bitter: »Dieses verdammte Drecknest! Hey, diese böse Burg! Das ist ein neues Sodom oder Gomorrha, und diese beiden Städte wurden damals vom Herrn wegen ihrer Laster und Sünden vernichtet. Mit Golden Town wird das auch noch geschehen. Eines Tages werden die Berge auf diese Eiterbeule stürzen. Übrigens, die Postlinie besitzt schon lange keinen Versicherungsschutz mehr. Keine Versicherung der Welt lässt sich hier mit uns auf ein Geschäft ein. Hier fährt jeder auf eigene Gefahr. Und auch jede Sendung erfolgt auf eigenes Risiko. Wir tun nur unser Bestes – mehr nicht.«

Ich nickte. So etwas hatte ich mir schon gedacht.

Der Fahrer fragte nach einer Weile, als wir den Lichtern der Stadt schon ganz nahe waren und mir bewusst wurde, wie hoch die Berge die Stadt im Norden überragten: »He, Sie sagten vorhin, dass Jim Stonehunter seine Schrotflinte hätte abfeuern können, wenn wir Ihnen den Revolver gelassen hätten. So ähnlich drückten Sie sich doch aus, Mister. Wie meinten Sie das?«

»Ach, das habe ich nur so gesagt«, murmelte ich.

Wir waren bisher bergab gefahren. Nun erreichten wir das schmale Tal des Gunnison River und auch schon die ersten Hütten und Häuser der Goldgräber- und Minenstadt.

Ich wandte den Kopf und blickte zu einem Berg, der wie ein spitzes Horn über der Stadt ragte.

»Das ist das Golden Horn«, erklärte der Fahrer. »Überall in den Schluchten um diesen Berg sind Minen und kleine Claims. Wir schätzen, dass in der näheren Umgebung von Golden Town mehr als fünftausend Menschen leben. Und die Wilde Horde in Golden Town schert all diesen Hammeln die Wolle. Ich werde mir wahrscheinlich einen anderen Job suchen. In den Minen verdient man vier Dollar die Schicht. Ich kann auch Erz zur Mühle fahren. Das ist ungefährlicher. Warum hat Jim nur versucht, zur Schrotflinte zu greifen?«

Ich sagte nichts mehr. Denn wir fuhren in die Stadt, und es gab für mich eine Menge zu sehen.

2

In Golden Town war viel Betrieb. Überall waren die leeren Erzwagen abgestellt, in denen nach Schichtende die Männer von den Minen her in die Stadt kamen. So ein Erzwagen fasste bequem ein Dutzend Männer. Auch andere Gefährte waren zu sehen – vom Frachtwagen bis zum leichten Buggy. Natürlich gab es eine Menge Sattelpferde an den Haltegeländern.

Golden Town war schon aus den Anfängen eines Goldgräbercamps heraus.

Es war bereits eine Stadt, in der eine Menge Gold und Dollars umgesetzt wurden, eine Stadt mit Plankengehsteigen und so viel Luxus, wie er in den Bergen am Gunnison River, der Grand Mesa und der West Elk Mountains nur möglich war. Es war hier nicht anders als in Canon City, Cripple Creek, Leadville, Pikes City und Denver.1)

Wir fuhren an der Paradiesvogel-Halle vorbei, in der schon bald die beiden Hillhorn Sisters auftreten würden.

Dann hielten wir vor der Postagentur, neben der sich das Golden-Horn-Hotel befand. Eine kleine Menschenmenge hatte sich angesammelt, und als die Kutsche hielt, rief eine heisere Stimme: »Ist der Geldtransport durchgekommen?«

»Hebt Jim Stonehunter vom Dach«, sagte der Fahrer müde und voll Bitterkeit. »Und schlagt euch aus den Köpfen, dass die Banditen einen Geld- oder Goldtransport mal nicht erwischen könnten.«

Ich half noch, den Toten vom Dach zu heben. Dann nahm ich meine Sachen und machte mich auf den Weg.

Ich wusste, es hatte keinen Zweck, dem Postagenten jetzt mit irgendwelchen Wünschen oder Forderungen zu kommen.

Ich hatte ja nicht einmal Fahrgeld bezahlt. Also hatte ich auch nicht die geringsten Ansprüche.

Ich war allein – ohne Geld, ohne Pferd und vollkommen abgerissen – in dieser wilden Stadt, in der es keine Gnade gab und in der jeder Mensch sein eigener Hüter sein musste.

Zuerst brachte ich den Sattel und das andere Zeug in den Mietstall und sagte dem Stallmann, dass ich mir am nächsten Tag vielleicht ein Pferd kaufen würde.

Dann machte ich mich auf den Weg.

Meinen klaffenden Stiefel hatte ich mir mit einem Riemen zusammengebunden. Ich war unrasiert, doch ich hatte mir am Wassertrog den Staub aus dem Gesicht gewaschen.

Ich wusste, dass ich schon in einem guten Anzug keine Schönheit war. In meinem jetzigen Zustand aber konnte man mich für einen etwas zu groß geratenen Cheyenne oder Comanchen halten.

Die Golden Street war voller Menschen. Sie kamen aus den Saloons und Amüsierlokalen, aus den Geschäften und Restaurants – und sie drängten in andere hinein: Es war wie ein wogender Strom.

Vor den Amüsierhallen standen Anreißer, und jeder versprach alle sieben Himmel. Wenn man ihnen glaubte, gab es in jedem Saloon die schönsten Mädchen, die fairsten Spieler, den besten Whisky, und alle waren nur Wohltäter, die ihr Geschäft aus reiner Menschenfreundlichkeit und ohne Eigennutz betrieben.

Musikkapellen spielten und machten Lärm.

Vor einem Saloon erschienen sogar drei leicht bekleidete Tänzerinnen auf der Veranda und sangen – von einer Geige und einer Klarinette begleitet: »Wir sind die Honeys vom Golden Horn!

Bei uns stimmt alles – hinten und vorn!

Wir sind …«

Mich schüttelte es, und ich ging schnell weiter. Doch ich grinste.

Dann sah ich plötzlich jene Katy, von der Jim Stonehunter gesprochen hatte, bevor er starb.

Ich wusste sofort, dass es Katy McDarren sein musste.

Da war ein Bratstand zwischen zwei Häusern. Es war eine ganz primitive, billige Bude. Man hatte in die Häuserlücke einen Herd gestellt und ihn von außen an den Kamin angeschlossen. Mit Latten und einer Zeltplane war der Stand von Hauswand zu Hauswand überdacht. Aus ein paar Brettern hatte man eine Art Theke zusammengenagelt.

Dahinter stand Katy McDarren.

Obwohl ein weißer Kittel, der ihr ein wenig zu groß war, eine Menge verbarg und sie ein Kopftuch trug, sah ich, dass sie tatsächlich schöner war als alle Frauen, die ich bisher in Colorado gesehen hatte. Das war sie also.

In jedem Saloon hätte sie die Schönste sein können.

Aber sie stand hier hinter einem Bratstand und machte Pfannkuchen, briet Steaks und Kartoffeln und kochte Kaffee.

Jetzt hatte sie nichts mehr zu tun. Die Essenszeit war vorbei. Nun füllten sich die Männer mit Feuerwasser. Erst später würden viele von ihnen wieder Appetit bekommen.

Ich trat an den Stand heran.

Katy rieb Kartoffeln. Sie sagte: »Frische Kartoffelpfannkuchen gibt es erst in zehn Minuten.«

Ich nickte und starrte sie an.

Im Lampenschein stellte ich fest, dass sie grüne Augen hatte. Sie war kein dummes Ding mehr. Sie war eine Frau, die das Leben kannte und bestimmt viel in der Welt herumgekommen war.

Ihr Mund war voll, lebendig und ausdrucksvoll. Jetzt lag ein herber Zug um ihre Lippen.

»Hat man es Ihnen schon gesagt?«, fragte ich.

Sie stand still, sah mich fest und wachsam an, und noch bevor sie »Was denn?«, fragte, wusste ich, dass sie ahnungslos war.

»Die Postkutsche wurde von Banditen angehalten und beraubt«, sagte ich. »Auch ich fuhr mit der Kutsche. Jim Stonehunter …«

Ich verstummte. Ich war ein zäher Bursche, und in diesem harten Land musste man den Dingen in jeder Minute fest ins Auge sehen können – aber ich konnte Katy McDarren nun doch nicht so einfach sagen, dass Jim Stonehunter tot war.

Aber nun ahnte sie etwas.

Sie bereitete sich innerlich vor, und sie würde die bittere Nachricht nicht ganz so plötzlich hinnehmen müssen.

»Was ist passiert?«, fragte sie. Nach dem ersten Schrecken war sie sehr gefasst und hatte sich fest in der Hand.

»Er wollte mit der Schrotflinte gewinnen«, sagte ich. »Aber er verlor. Er starb in meinen Armen und nannte Ihren Namen. Er sagte mir, dass ich zu Ihnen gehen und Ihnen helfen sollte. Er war in Sorge um Sie und versuchte mit seinen letzten Gedanken …«

»Er wollte mit einer Schrotflinte gegen die Banditen gewinnen – allein, nicht wahr? Und warum half ihm niemand?«

Verächtlich blickte sie mich an.

»Sie sehen hart und verwegen aus, Mister. Aber …« Sie unterbrach sich. »Ach, ich will niemandem Vorwürfe machen«, sagte sie. »Wer sich in diesem Land als Begleiter für Geldtransporte anwerben lässt, nur weil er mit diesem Job ein paar Dollar mehr verdienen kann, der ist selbst daran schuld, wenn es ihn erwischt, nicht wahr?«

In ihrer Stimme lag Bitterkeit.

Dann begann sie, sich der Schürze zu entledigen. Sie nahm auch das Kopftuch ab, und nun sah ich, dass ihr Haar wie Kupfer leuchtete.

»Ich muss ihn sehen«, sagte sie. »Diese miese Postlinie, für die er gestorben ist, wird nicht viel für ihn tun. Wenn Sie mir einen Gefallen tun wollen, dann bleiben Sie eine Weile hier bei meinem Stand und halten Sie den Ofen weiter in Gang. Ich habe Kuchen in der Backröhre. Machen Sie die Röhre nicht auf. Also, Mister …«

»Ich bin Ben Yates«, sagte ich und ging hinter die Theke. Ich ließ zuerst Katy heraus. Dann sah ich ihr nach, wie sie davoneilte.

Ich schenkte mir Kaffee ein und briet mir ein paar Pfannkuchen. Ich hielt den Ofen in Gang, rieb noch ein paar Pfund Kartoffeln und bediente zwischendurch einige Kunden mit frischen Pfannkuchen, Bratkartoffeln und Steaks. Ja, ich verstand mich auf das Kochen fast so gut wie eine Frau.

Natürlich hatte ich mir eine Schürze umgebunden, den Hut abgenommen und aus Katy McDarrens Kopftuch für mich eine Art Turban gemacht.

Ich leistete für das Essen gute Arbeit. Der Duft der frischen Pfannkuchen lockte Passanten an, die eigentlich gar nicht vorhatten, etwas zu essen. Zwischendurch aß ich immer wieder selbst ein paar Bissen.

Plötzlich kamen zwei Männer, die ich sofort wieder erkannte.