G. F. Unger Sonder-Edition 81 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 81 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

In blindem Rassenwahn fiel General Custer über Red Falcons Dorf her, machte es dem Erdboden gleich und metzelte alle Frauen und Kinder bestialisch nieder. Seitdem hat der Cheyenne-Häuptling allen Weißen den Tod geschworen und verfolgt sie mit gnadenlosem Hass. Aber dann steht der Revolvermann Bud Lonnegan vor ihm und fordert ihn zum Zweikampf um seine Frau heraus, die der Häuptling nach einem Postkutschenüberfall am Leben ließ und als Squaw in sein Tipi schleppte. Roter Falke sieht sich jäh vor eine harte Entscheidung gestellt, denn er muss wählen zwischen seinem abgrundtiefen Hass auf die Weißen und seiner bisher unbefleckten Ehre als Cheyennne-Krieger ...

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Seitenzahl: 186

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Kriegerehre

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2786-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Kriegerehre

General Philip Sheridan war es, der den Satz prägte, der auf sehr unrühmliche Weise in die Geschichte der Besiedlung des Westens und der Indianerkämpfe einging: »Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer.«

General Sheridan wurde 1869 Befehlshaber des Militärbereichs Missouri, und seine Einstellung gegenüber der roten Urbevölkerung übertrug sich natürlich auch auf die ihm unterstellte Armee. Deshalb fanden immer wieder schreckliche Massaker statt, Massaker von unvorstellbarer Brutalität, die einer gnadenlosen Vernichtung der roten Ureinwohner Amerikas gleichkamen.

So wuchsen der Hass und die Unversöhnlichkeit auf beiden Seiten ins Unermessliche, und viele menschliche Schicksale, rote und weiße, gerieten in den Verderben bringenden Sog dieser lebensverachtenden Diskriminierung einer ganzen Rasse …

1

Red Falcon, also Roter Falke, ist ein kleiner Häuptling vom Volk der Cheyenne, und sein Dorf besteht nur aus etwa fünfzig Tipis. Aber es ist ein gesundes Dorf mit guten Zelten. Es gibt schon seit vielen Jahren keine Krankheiten. Die Sterberate ist unterdurchschnittlich. Denn das Dorf bringt auch die Alten durch die harten Winter. Red Falcon und seine Krieger haben stets eine gute Büffeljagd.

Auch die Pferdeherde des Dorfes ist groß. Mehr als fünfhundert Tiere besitzt es. Da man auf jedes Tipi durchschnittlich fünf Bewohner zählen kann, ist Red Falcon das Oberhaupt von etwa zweihundertfünfzig Seelen – angefangen von den Alten bis zu den Neugeborenen. Etwa fünfzig Krieger schützen das Dorf und versorgen es mit allen lebenswichtigen Dingen, von denen der Büffel den Hauptanteil ausmacht.

Red Falcons ganzer Stolz und seine ganze Liebe aber ist seine Frau und die Mutter seiner drei Söhne. Immer wenn er sie in den Nächten in den Armen hält, dankt er Wakan Tanka, dem Großen Geist, für das wunderbare Geschenk und all die Gnade, die ihm dieses Glück ermöglichen.

Roter Falke ist also ein glücklicher Häuptling.

Doch wie so oft überall auf der Erde unter den Menschen, kann solch ein Glück schnell ins Gegenteil umschlagen und das Böse niederstürzen wie ein Raubvogel auf ein argloses Wild.

In Red Falcons Fall heißt dieser Raubvogel Custer, George Armstrong Custer, einst während des Bürgerkrieges Zweisternegeneral, nun aber heruntergestuft auf den Rang eines Lieutenant Colonel.

Man hatte ihn schon einmal suspendiert und unter Arrest gestellt wegen disziplinloser Vergehen und unmenschlicher Behandlung seiner Soldaten. Doch sein großer Beschützer General Sheridan brauchte ihn als Werkzeug zur Vernichtung der Indianer in seinem Militärbereich. Custer ist Sheridans Ziehsohn. Und er ist jung, schneidig, mutig und besessen von einem selbstzerstörerischen Ehrgeiz.

Ja, Custer war und ist General Sheridans williges Werkzeug.

Und so wurde er wieder in den aktiven Dienst übernommen, das Urteil gegen ihn vorzeitig aufgehoben und ihm das Kommando über das erstklassige Siebte Kavallerieregiment übergeben.

Sein gnadenloses Wirken beginnt am 27. November 1868 am Washita River in Oklahoma, als er das Dorf von Black Kettle überfällt – und es setzt sich in den folgenden Monaten fort. Immer wieder überfällt Custer mit seiner Truppe friedliche Indianerdörfer. Und an diesem Tag ist das Dorf von Red Falcon oder Roter Falke an der Reihe.

Es ist im Morgengrauen, als die Hunde des Dorfes anschlagen und wütend zu kläffen beginnen. Roter Falke lauscht nicht lange, dann löst er sich von seiner Squaw, steigt über einen seiner schlafenden Söhne hinweg und gleitet aus dem Zelt.

Einer der noch ganz jungen Krieger, die bei der Pferdeherde wachten, nur eine Viertelmeile vom Dorf entfernt, kommt herangeritten und hält bei seinem Häuptling an.

»Mila Hanska«, flüstert er heiser zu Roter Falke nieder, »viele Mila Hanska. Sie kommen leise und umzingeln unser Dorf im weiten Kreis.«

Roter Falke verharrt einige Sekunden bewegungslos. O ja, er hat von der Vernichtung anderer Dörfer gehört – aber auch von Friedensgesprächen.

Nun wird ihm klar, dass es kaum eine Chance gibt für seine Dorfgemeinschaft.

Wenn die Mila Hanska gekommen sind, um zu töten, dann werden sie alle hier sterben – nicht nur die Krieger, nein, auch die Alten, die Frauen und Mädchen, die Knaben und die Säuglinge.

Was also kann er als Häuptling tun? Mit seinen vier Dutzend Kriegern angreifen?

Ihre Kriegerehre würde das eigentlich von ihnen fordern. Denn sie sind freie Cheyenne in einem von ihren Vorvätern seit grauer Vorzeit ererbten Land. Es war immer ihr Land. Sie bekamen es von Wakan Tanka zugeteilt. Er ließ sie hier leben.

Aber dann kamen die Wasicuns, die Weißen, und ihre Soldaten, die Mila Hanska. Und jetzt wollen sie seinen Stamm vernichten.

Was kann er tun, um sein Dorf zu retten?

Wenn er kämpft, führt er seine Krieger in den Tod. Und wenn er nicht kämpft, lässt er sich mit seiner Dorfgemeinschaft wehrlos abschlachten.

Er verharrt also noch bewegungslos und lauscht. Aber er kann außer dem Gekläffe der Dorfhunde nichts hören.

Doch mit seinem nun wachen Instinkt wittert er die Gefahr.

Ja, da im Morgengrauen lauert das Unheil rings um sein Dorf.

Er wendet sich ab und kehrt in sein Zelt zurück. Dort findet er schnell die Fahne der USA, die damals nach einem der vielen Friedensverträge jedem Dorfhäuptling geschenkt wurden.

Er nimmt eine der Lanzen, die rechts und links neben dem Zelteingang im Boden stecken, und hängt die Fahne daran auf.

Der junge Krieger auf dem Mustang verhält immer noch und beobachtet ihn schweigend.

»Gib mir dein Pferd«, verlangt Roter Falke und sitzt wenig später auf dem Tier.

Mit der Fahne, deren Stock die Lanze ist, reitet er in die Dunkelheit der weichenden Nacht hinein, also nach Westen. Denn er glaubt, dass der Häuptling der Mila Hanska dort zu finden sein wird, wo die Nacht am längsten dauert.

Denn von Osten her kommt nun die erste Helligkeit heraufgezogen.

Er muss nicht weit von seinem Dorf wegreiten.

Dann sieht er die Mila Hanska, die US-Kavallerie. Sie warten auf das Hornsignal zum Angriff. Und so beeilt er sich, reitet schneller und schwenkt die Fahne.

Als er nahe genug ist, erkennt er im Morgengrauen auch den Mann, den die Indianer Gelbhaar nennen. Ja, es ist Custer, den er schon mehrmals bei den Friedensverhandlungen sah.

Er ruft von seinem trabenden Mustang hinüber: »Adlerhäuptling Gelbhaar, ich komme, um über Frieden zu reden!«

Aber als Antwort kommt eine Kugel, die ihn vom Pferd fegt.

Als er am Boden aufschlägt, tönt das Hornsignal zum Angriff.

Aber das hört Roter Falke nicht mehr.

Um ihn herum bricht nun die Hölle los.

Mehr als zweihundert Mila Hanska fallen über das Dorf und dessen Menschen her und beginnen mit einem gnadenlosen und unmenschlichen Gemetzel. Sie schonen kein Leben – selbst das der Säuglinge nicht. Inzwischen hat der junge Krieger, dessen Mustang Roter Falke verlangte, das Dorf einigermaßen geweckt. Und so gibt es einigen Widerstand. Die Krieger kämpfen verzweifelt und versuchen den Frauen, Kindern und Alten Fluchtwege zu schaffen.

Es wiederholt sich auch hier am Beaver Creek, der in den Little Big Horn fließt und ein schönes Tal durcheilt, was zuvor schon so oft und immer wieder geschehen ist.

Denn nur tote Indianer sind gute Indianer.

So sagte es General Sheridan.

Und eines Tages wird sich eine ganze Nation dafür schämen. Doch das wird erst sehr viel später sein.

Vorerst wird Lieutenant Colonel Custer, der einstige Bürgerkriegsgeneral, in den Zeitungen des Ostens als Kriegsheld gegen die roten Bestien gefeiert werden. Roter Falke liegt viele Stunden lang wie tot am Boden, halb zugedeckt mit der Fahne der Union, mit der er um Frieden bitten wollte.

Der Tag vergeht, es wird Nacht.

Und da erwacht er endlich und tastet nach der Kopfwunde, die so böse schmerzt, sodass sein Kopf bei jedem Pulsschlag zu zerspringen droht.

Er liegt noch eine Weile unbeweglich und versucht sich zu erinnern. Dies geschieht nur zäh und langsam. Die ganze Kopfhälfte ist mit verkrustetem Blut bedeckt. Aber mit seinen zitternden Fingern kann er die tiefe Kerbe ertasten, die ihm die Kugel gerissen hatte. Fast hätte die Kugel ihm den Schädel gespalten wie ein Axthieb.

Roter Falke möchte bewegungslos liegen bleiben, denn er weiß, dass er stehend wie ein Betrunkener schwanken und wahrscheinlich gleich wieder umfallen wird.

Doch die Sorge um seine Squaw und seine Söhne treibt ihn schließlich doch hoch.

Ja, er kommt auf die Füße, verharrt benommen und muss wieder in die Hocke. Doch als er sich nach einer Weile erneut aufrichtet, bleibt er aufrecht stehen.

Es wurde eine helle Nacht. Mond und Sterne leuchten. Er weiß, dass er im abgebrannten Dorf nur Tote finden wird, und dennoch hofft er bis zum letzten Moment.

Aber als er seine Squaw und seine Söhne findet, stößt er einen schrecklichen Schrei aus.

Schmerzhaft muss er erkennen, dass seine Squaw vergewaltigt wurde. Man hat ihr die Kleidung vom Leib gerissen. Nackt, tot und misshandelt liegt sie im Mondlicht zu seinen Füßen.

Offensichtlich hat sie sich wie eine Wildkatze gewehrt, gekämpft mit all ihren Kräften. Vergeblich. Und er konnte sie nicht beschützen, ihr nicht beistehen.

Er wollte mit der Fahne der Wasicuns um Frieden und Schonung bitten.

Abermals stößt er jenen schrecklichen Schrei aus. Dann ruft er: »Ihr Mila Hanka habt keine Kriegerehre! Ihr seid der verkommenste und stinkendste Dreck dieser Welt!«

Im Klang seiner Stimme ist bitterste Verachtung.

Er ist ein Mann, ein Krieger und Häuptling, der alles verloren hat, was ein Mann verlieren kann, und der nun ohne jede Hoffnung ist.

»Oh, Gelbhaar-Custer, auf was kannst du stolz sein! Eines Tages werden wir dich vernichten!«

Er ruft noch viele andere Flüche und Verwünschungen.

Dann aber sieht er, dass er nicht mehr allein ist.

Einige Gestalten näherten sich ihm. Er sieht, dass sie ebenfalls verwundet wurden und sich kaum auf den Beinen halten können. Er erkennt Gelbvogel, Bunter Hirsch, Regentöter und Büffelhorn.

Ja, es sind Krieger wie er, die man für tot hielt, weil sie ja reglos und starr in ihrem Blut lagen.

Sie betrachten sich eine Weile wortlos. Dann aber spricht Regentöter: »Wir sind die letzten Krieger unseres Dorfes. Alle sind tot. Einige unserer Frauen und Kinder haben die Mila Hanska mitgenommen als Gefangene. Sie werden sie irgendwohin bringen.«

»Ja, zu einem Ort, den die Wasicuns Reservat nennen«, murmelt Roter Falke.

Er sieht seine vier letzten Krieger an.

»Aber wir werden kämpfen und Rache nehmen, wenn unsere Wunden verheilt sind.«

So spricht er nun ganz ruhig, obwohl in ihm ein wildes Feuer brennt.

Die vier Krieger, deren Wunden wirklich böse und schlimm sind und die allesamt eine Menge Blut verloren haben, nicken wortlos. Dann spricht Gelbvogel: »Das verlangt die Kriegerehre von uns. Ja, wir werden Rache für alles nehmen, was Gelbhaar-Custer uns antat. Eines Tages wird er seinen Skalp verlieren.«

***

Wochen vergehen. Roter Falke, Gelbvogel, Bunter Hirsch, Regentöter und Büffelhorn werden gesund.

Und sie bleiben nicht allein. Es stoßen noch andere Krieger von anderen Dörfern zu ihnen. Und so werden sie eine Bande von Rächern. Sie machen das Land westlich des Bozeman Trails unsicher, überfallen kleine Wagenzüge, Postkutschen, Siedlercamps und greifen sogar Armeepatrouillen an.

Einmal fällt der Lieutenant einer solchen Patrouille lebend in ihre Hände. Dieser Offizier ist noch jung, sehr jung, und die Furcht ist so stark in ihm, dass er sich in die Hosen macht. Er kann das nicht verhindern.

Und so stinkt er sozusagen aus allen Knopflöchern, als sie ihn vor Roter Falke zu Boden stoßen. Doch er fleht und wimmert nicht trotz seiner Furcht und der ihn so beschämenden Not. Er weiß, dass er sterben muss, glaubt es jedenfalls, und so wünscht er sich sehnlich, dass sie ihn schnell töten und nicht langsam in Stücke schneiden werden.

Er richtet sich auf, kommt auf die Füße, vergisst seine stinkende Schmach, starrt fest in Roter Falkes graue Augen, und versucht Furchtlosigkeit zu zeigen, obwohl ihm die Furcht bis hoch in den Hals hinaufklopft.

»Du hast Glück, Pferdesoldat«, spricht Roter Falke zu ihm in seiner Sprache. »Denn ich werde dich heute nicht töten. Ich brauche dich als Boten. Gelbhaar-Custer hat vor einigen Wochen mein Dorf überfallen und nicht nur Krieger, sondern auch viele Frauen und Kinder getötet. Seine Soldaten erschlugen auch meine Frau und meine Söhne. Und zuvor wurde meine Frau vergewaltigt. Ich bin Roter Falke und nehme Rache. Und wenn ich eine besonders schöne weiße Frau zu meiner Gefangenen machen kann, dann wird sie mir meine Frau ersetzen. Sie wird eine Squaw werden. Am liebsten wäre mir die Frau eines eurer hohen Offiziere, vielleicht die von Gelbhaar-Custer. Melde das deinem Adlerhäuptling in Fort Laramie. Vielleicht hole ich mir seine Frau. Jetzt bekommst du ein Pferd und kannst reiten.«

Der junge Lieutenant schluckt mühsam. Eigentlich ist er nur noch ein armer Junge, gar kein stolzer und arroganter Zögling von West Point mehr, der berühmten Offiziersakademie.

Ja, er ist wirklich nur noch ein armer Junge, der die Hosen voll hat und unter dem Gestank und der damit verbundenen Schmach fast wahnsinnig wird.

Es ist ein grauenhafter Zustand für ihn, und er zerbricht ihn in diesen Minuten völlig.

Dann begreift er, dass der Rote ihn am Leben lässt und er zurück zum Fort reiten darf. Aber was hat er davon? Was ist ihm sein Leben jetzt noch wert?

Er wurde zerbrochen. Die Armee hat ihn mit der ihm gestellten Aufgabe überfordert. Er wurde ein Versager, eine Niete. Und er beginnt schon in dieser Minute zu ahnen, dass er von nun an ein erbärmliches Leben führen wird in einer Uniform, auf die er so stolz war, die ihn hoch über die anderen Menschen stellte und aus ihm etwas Besonderes machte.

Doch jetzt stinkt es aus seiner Hose.

2

Es ist an diesem Tag etwa zehn Stunden später, als der Spieler Bac Lonnegan in Laramie am Pokertisch einen Mann erschießen muss, der mit einem Zauberkunststück ein fünftes Ass ins Spiel brachte. Es ist das Ass, das dem Kartenhai zu einem Royal Flush verhalf, das Bac Lonnegan jedoch gerade erst abgelegt hat, um eine vierte Dame bekommen zu können. Er bekam sie auch. Aber was sind schon vier Damen gegen einen Royal Flush?

Als Lonnegan dem Kartenhai sein abgelegtes Ass zeigt, da greift dieser zur Waffe.

Aber Lonnegan ist sehr viel schneller.

Wenig später sagt ihm der Marshal von Laramie, dass er mit der nächsten Postkutsche verschwinden solle. Denn der Kartenhai hätte Freunde. Und wenn die eingriffen, würde es noch mehr Tote geben.

Also geht Bac Lonnegan an diesem grauen Morgen ins Hotel und weckt Fee Lorne. »Wir müssen wieder einmal weiter, Fee«, sagt er. »Heute kann ich nicht zu dir ins Bett kommen und dich lieben. Ich musste einen verdammten Narren erschießen.«

Fee Lorne setzt sich im Bett auf. Sie ist nackt, denn es war eine schwüle Nacht.

Sie hat bis Mitternacht in der großen Amüsierhalle auf der Bühne für mehr als zweihundert männliche Gäste gesungen. Es waren zumeist Arbeiter der nun mit dem Bau beginnenden Union-Pacific-Eisenbahn, auch Frachtfahrer und Büffeljäger.

Und sie musste viele Zugaben folgen lassen, denn sie ließen sie lange nicht von der Bühne.

Und so sang sie immer wieder die Lieder von Männern, die fortgingen, um das Glück zu finden, es manchmal fanden, manchmal aber auch zu Verlierern wurden. Und sie sang von Frauen, die zu Haus saßen und vergebens auf ihre Männer warteten.

Ihre Stimme ist immer wieder eine starke Zauberkraft und schlägt alle Zuhörer in Bann. Und überdies ist sie mehr als schön, denn Schönheit kann leer sein, ohne besondere Ausstrahlung und Faszination. Tote Dinge können auch schön sein, und manch eine Frau ist nur schön auf diese Weise.

Doch Fee Lorne strahlt etwas aus, was alle trifft und unter die Haut geht.

Und so kam sie erst nach Mitternacht ins Bett.

Nun soll sie schon wieder aufstehen.

Sie starrt Bac Lonnegan im Lampenlicht an. Er hat – das Flämmchen der Lampe nach seinem Kommen höher gedreht.

»Verdammt, Bac«, spricht sie, »schon wieder müssen wir weiter. Was für ist das ein Leben. Wann endlich haben wir genug?«

»Bald«, erwidert er, »bald, schöne Fee. Aber jetzt steh endlich auf.«

Sie zögert noch, sitzt mit nacktem Oberkörper im Bett. Er würde sonst ihre Brüste bewundern. Doch im Augenblick steht ihm nicht der Sinn danach.

Er beginnt ihre beiden Koffer zu packen.

Sie erhebt sich indes, und sie ist völlig nackt. Er aber hat keinen Blick für ihre so makellose Schönheit.

Da beginnt sie sich anzukleiden mit flinken Bewegungen, als hätte sie Übung darin, weil es nicht das erste Mal ist, dass sie rasch reisefertig sein musste.

Dann hilft sie Bac Lonnegan beim Packen.

Sie schaffen es wahrhaftig noch. Gewissermaßen in letzter Minute schaffen sie es zur Postkutsche nach Norden.

Von Osten her zieht der neue Tag herauf und vertreibt die Nacht nach Westen.

Es ist eine neunsitzige Abbot & Downing Stage, und sie ist nun voll besetzt. Die Koffer und die Reisetasche liegen auf dem Dach bei dem anderen Gepäck, das im Gepäckkasten keinen Platz mehr hatte.

Das Sechsergespann schlägt einen zügigen Trab an. Der Fahrer auf seinem hohen Sitz ruft immer wieder: »Braaah! Braaah! Lauft, meine Süßen, ihr braven Tanten! Macht mir Freude an diesem schönen Morgen!«

Als sie am Fort vorbeifahren, kommt dort die Patrouille herausgeritten, von der die Kutsche bis nach Fort Reno eskortiert werden soll.

Eine heisere Männerstimme sagt nach einer Weile laut genug, sodass sie es alle durch den Hufschlag und all die anderen Geräusche hören können: »Vielleicht haben wir Glück und kommen den verdammten Bozeman-Weg hinauf, ohne unsere Skalpe zu verlieren.«

»Halt’s Maul«, sagt eine andere Stimme. »Wir haben eine Lady in der Kutsche. Macht ihr nur nicht unnötig Sorgen.«

***

Bis nach Fort Reno – es wurde erst vor wenigen Wochen fertig – sind es von Fort Laramie siebzig Meilen.

Sie bekommen dort das dritte Sechsergespann und eine neue Eskorte.

Und dann geht es weiter, immer weiter.

Außer Büffeln ist längs des Bozeman-Wegs nichts zu sehen. Als es Abend wird, nähern sie sich dem Powder-River-Land.

Jemand sagt: »Und wir haben noch keinen Indianer gesehen, keine einzige, verdammte Rothaut.«

Da spricht ein anderer Passagier: »Die haben auch hier am Bozeman-Weg nichts zu suchen, denn der wurde durch den Friedensvertrag uns Weißen als Straße mitten durch das Indianerland garantiert. Wir dürfen nur nicht vom Weg abkommen.«

Doch da lacht ein anderer Passagier bitter und spricht: »Dieser Friedensvertrag gilt nicht mehr für die Roten, seit Fort Reno gebaut wurde und weiter im Norden Fort Phil Kearny im Bau ist. Die Roten sind jetzt bei der Büffeljagd. Aber wenn sie genug Fleisch und Häute für den Winter haben, dann wird der Krieg losgehen.«

Es entsteht nun eine Diskussion, aber Bac Lonnegan nimmt nicht daran teil, hört auch nicht zu. Er geht vielmehr seinen eigenen Gedanken nach und erinnert sich wieder einmal mehr an seinen Weg und daran, wie ihn das Schicksal mit Fee Lorne zusammengeführt hat.

Ja, sein Lebensweg …

Er wuchs in einer primitiven Hütte am Brazos in Texas auf. Und er war der jüngste von fünf Brüdern.

Und als sie alt genug waren, da nahm ihr Vater sie mit nach Mexiko. Sie stahlen dort den reichen Hazienderos edle Pferde aus hervorragenden Gestüten.

Doch dann kam der Krieg zwischen Nord- und Südstaaten.

Er meldete sich zur Texasbrigade und wurde Offizier. Das verdankte er nicht zuletzt seiner Mutter, denn die brachte ihren Söhnen – bevor der Vater deren Erziehung übernahm und sie mit ihm reiten mussten – eine ganze Menge an Schulbildung bei. Sie konnte das, weil sie Lehrerin gewesen war, bis sie dem Vater ihrer Söhne ins Brazos-Land folgte.

Nun, Bac Lonnegan tat sich in der Texasbrigade immer wieder durch besondere Tapferkeit und kluge Entschlossenheit hervor. Zuletzt war er Captain. Und er lernte an jedem Tag noch hinzu von seinen gebildeten Offizierskameraden.

Seine ganze Lebensart wurde mehr und mehr die eines Gentlemans aus dem Süden.

Doch nach dem Krieg war er wie die meisten Gentlemen des Südens nichts Anderes mehr als ein Satteltramp, ein Verlierer des Krieges, weil er auf der falschen Seite gekämpft hatte.

Und so wurde er ein Spieler und Revolvermann, ein Glücksjäger und Abenteurer.

Und dann trat die schöne Fee Lorne in sein Leben.

Heiliger Rauch, er liebte sie vom ersten Moment an, da er ihr in die dunkelblauen Augen sah. Ja, es ging ein Zauber von ihr aus. Aber ihr erging es ebenso, was ihn betraf.

Und schon bald wurde ihnen klar, dass sie füreinander bestimmt waren. Es konnte gar nicht anders sein. Und so wurden sie ein Paar auf der Jagd nach Beute.

Sie zogen von Stadt zu Stadt, und weil der Süden arm und ausgebeutet worden war von den Siegern, strebten sie nach Norden. Er wurde mehr und mehr ein erfolgreicher Spieler, doch er spielte stets ehrlich, wandte keine Tricks an. Dieser Ehrenkodex gehörte zu seiner Selbstachtung. Dennoch musste er immer wieder seinen Colt ziehen und auch benutzen. Denn es gab ständig Männer, die nicht verlieren konnten.

Fee Lorne trat in den Amüsierhallen als Sängerin auf. Sie hatte große Erfolge. Man nannte sie bald überall Golden Fee.

Und so zogen sie den Mississippi hinauf bis Saint Louis und dann weiter auf dem Missouri bis nach Kansas City, immer auf der Suche nach einer ganz besonderen Chance.

Inzwischen besaßen sie ein kleines Vermögen, denn er war ja ein stets erfolgreicher Spieler. Und sie trat auch nicht gerade für ein paar Dollars auf.

Aber immer noch suchten sie nach einer viel versprechenden Anlagemöglichkeit für ihr Geld. Sie hätten sich längst schon eine große Spiel- und Amüsierhalle kaufen können, ja sogar einen Missouri-Steamer, ein nobles Dampfboot also.

Doch das war nicht so einfach. Denn sie hatten Schatten auf ihrer Fährte. Bac Lonnegan hatte sich Feinde gemacht. Die machte sich fast jeder erfolgreiche Spieler, der sich den Weg freischießen musste gegen die Verlierer und dessen Freunde oder Verwandte.

Und so kamen sie nach Laramie und glaubten, ihre Fährte für eine Weile verwischt zu haben.

Es war ein Irrtum.

Es dauerte nicht lange, und die Verfolger hatten sie eingeholt, und so waren die beiden schon wieder gezwungen gewesen, verdammt schnell zu flüchten und in eine abfahrende Kutsche zu springen.

Er sieht zur Seite auf Fee. Sie hat ihren Kopf auf seine Schulter gelegt und ist eingeschlafen. Das Rütteln und Schütteln der Kutsche stört sie nicht. Daran ist sie gewöhnt.

Ja, sie schläft in den Morgen hinein.

Auch einige andere Passagiere versuchen dies zu tun.

Doch Bac Lonnegan bleibt wach. In ihm sind zu viele Gedanken.