G. F. Unger Sonder-Edition 9 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 9 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Louise war eine Frau mit Vergangenheit, doch das machte mir nichts. Nach diesem verlorenen Krieg musste jeder sehen, wie er über die Runden kam. Mir, dem Sohn eines reichen Südstaatlers, war auch nicht an der Wiege gesungen worden, dass ich mein Leben einmal als Kartenhai fristen sollte. Ich liebte Louise also, hatte aber bisher noch kein Glück bei ihr gehabt. Doch dann machte sie plötzlich eine reiche Erbschaft und brauchte einen Beschützer. Heiliger Rauch, ich drehte fast durch, als ihre Wahl tatsächlich auf mich fiel. Ich mit meinem schnellen Colt und sie mit ihrer Schönheit und ihrem Geld! Die Welt stand uns offen, glaubte ich. Verdammt, es war der Schlund der Hölle, der sich vor uns auftat...

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Inhalt

Cover

Impressum

Das Paar aus Louisiana

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-8387-4686-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Das Paar aus Louisiana

1

Das Etablissement von Madame Ester Pavot war das nobelste von ganz New Orleans. Die Mädchen darin waren nicht einfach nur außergewöhnlich schön, o nein, sie waren richtige Ladys, die das älteste Gewerbe der Welt derart verfeinert und kultiviert hatten, dass sie ihren Kunden nicht nur ein paar stumpfsinnige animalische Vergnügungen, sondern ästhetische Erlebnisse auf hohem künstlerischem Niveau zu bieten hatten.

Bei Madame Pavot gab es also ästhetische Genüsse der anspruchsvollen Art zu kaufen, wie sie nur von besonders reizvollen Frauen zelebriert werden konnten. Und diese Frauen mussten einen kennen lernen, bevor sie sich entschieden, ob es zu näheren Kontakten kam oder nicht.

Bei Madame Ester Pavot gab es das Besondere. Künstlerinnen, hochgebildete Damen, sogar echte Gräfinnen waren unter ihren Liebesdienerinnen.

Ich war oft zu Gast bei ihr. Denn sie war meine mütterliche Freundin. Und in ihrem kleinen Spielsaloon wurden die höchsten Einsätze gemacht. Genau das Richtige für mich. Seit dem verlorenen Krieg gegen die Yankees hatte ich nämlich notgedrungen die Tätigkeit eines Spielers angenommen. Und bei Madame Pavot hockten die Kapitäne und Reeder der Überseeschiffe, reiche Unternehmer und all jene Burschen, die sich mit gewagten und risikoreichen Geschäften goldene Nasen verdienten – oder über Nacht alles verloren, was sie an Geld und Gut nur verlieren konnten.

Die meisten dieser Burschen hatten während der Kriege irrsinnig viel Geld mit Waffengeschäften verdient. Denn es hatte ja nicht nur den Krieg der Süd- gegen die Nordstaaten gegeben – nein, in Mexiko hatte Juarez gegen Kaiser Maximilian gekämpft.

Es gab reichlich zu verdienen.

Und ich, der Spieler Louis Laroy, versuchte diesen Haien etwas von ihrem vielen Geld wieder abzunehmen.

Natürlich war ich nicht immer ein Spieler gewesen. Meine Eltern besaßen ein prächtiges Herrenhaus, mehr als dreihundert Sklaven und gewaltig viel Land, auf dem nicht nur Baumwolle wuchs, sondern auch Zuckerrohr und Tabak.

Wir waren reich gewesen.

Doch dann brach der Krieg aus. Die Südstaaten wollten sich vom Norden nicht ihren feudalen Lebensstil nehmen lassen, den allein ihre Sklaven ihnen garantierten.

Auch ich zog damals als junger Bursche in den Krieg. Fünf Jahre vergingen.

Als Captain geriet ich dann bei Appomattox in Gefangenschaft.

Und als ich schließlich heimkam, waren meine Eltern tot. Unser schönes Herrenhaus war niedergebrannt. Alles war zerstört und vernichtet.

Eine Guerillabande der Nordstaatenanhänger hatte dort gewütet.

Unsere Sklaven waren nun frei. Und sie hatten sich überall auf unserem Land festgesetzt. Es sollte nun Gleichberechtigung für alle Menschen herrschen. Der industrialisierte Norden hatte dem feudalen Süden jede Grundlage zum weiteren Feudalismus genommen.

Ich hatte keine Lust, wieder alles aufzubauen und Steuerschulden für unseren zerstörten und ruinierten Besitz zu zahlen. Und so ging ich meiner Wege, landete in New Orleans und wurde ein Spieler.

Denn mit den Karten war ich so gut wie mit dem Revolver.

Das hatte ich während des Krieges fünf Jahre lang immer wieder bis zur Vervollkommnung üben können. Unter meinen Kameraden und späteren Untergebenen hatte ich nämlich die allerbesten Lehrmeister.

Auf diese Weise war ich also bei Madame Pavot gelandet.

Ich hatte in jener Nacht, in der meine Geschichte beginnt, allerdings kein Glück im Spiel. Es gab solche Tiefs, und wenn man ein kluger Spieler ist, der auf seinen Instinkt hört, versucht man in solchen Perioden das Glück nicht mit der Brechstange oder mit Hilfe von Kartentricks zu erzwingen. Nein, in solchen Situationen hält man sich besser zurück und wartet, bis die Sterne wieder besser stehen, bis das Schicksal einem wieder gewogen ist – oder wer auch immer für unser Glück oder Pech die Verantwortung trägt.

Ich stand an der noblen Bar und lauschte auf Sarahs Klavierspiel. Sarah war eine wirkliche Künstlerin, und ich fragte mich manchmal, warum sie hier gelandet war, anstatt in den Konzertsälen der Welt ihre Kunst darzubringen. Aber sie war eben sehr lebenslustig und mochte die Männer.

Wahrscheinlich liebte sie dieses Leben mehr. Und ihr Einkommen war gewiss nicht schlechter. So mancher ihrer speziellen Gäste machte ihr noble Geschenke.

Ich lauschte also den Klängen der Musik und erinnerte mich an meine Mutter, die zu Hause oft auf dem Klavier gespielt und dazu gesungen hatte.

Aber dann war sie von den Guerillas vergewaltigt und erschlagen worden.

So war diese Welt, o verdammt!

Als ich den Kopf wandte und die geschwungene Treppe hinauf nach oben blickte, sah ich Louise.

Ja, wir hatten eigentlich die gleichen Vornamen nur ihrer war durch das angehängte E weiblich.

Irgendwie hatte ich instinktiv gespürt, dass Louise etwas von mir wollte. Es war, als würde sie mir von der Treppe ein unhörbares Signal gesandt haben. Denn warum sonst hätte ich den Kopf gewandt und die Treppe emporgeblickt?

Sie winkte mir zu. Ich sollte kommen.

Oha, was wollte sie von mir? Gewiss, sie war mir das liebste Mädchen hier. Wir verstanden uns gut. Einmal hatte sie sogar gesagt: »Hey, Louis, wenn du einmal von New Orleans fortgehen solltest, dann nimm mich mit – als Partnerin und Geliebte. Aus uns würde gewiss ein erfolgreiches Paar für große Geschäfte. Glaub nur nicht, dass ich ewig hier in diesem prächtigen Paradiesvogelkäfig bleiben will. Ich muss mir nur das Startgeld für den Weg nach oben verdienen. Und ich weiß längst, dass du auch so denkst. Denn du bist kein richtiger Spieler. Du würdest gerne etwas aufbauen, dich bewähren als ein Boss unter Bossen. Ich kenne dich.«

Diese Worte fielen mir binnen einer einzigen Sekunde wieder ein, als ich sie dort oben auf der Treppe winken sah.

Warum sollte ich hinaufkommen?

Ich wusste doch, dass sie einen Gast bei sich hatte in ihrem luxuriös eingerichteten Zimmer. Der Mann war ein prächtig aussehender Bursche mit grauen Schläfen, ein Boss, der stets mit zwei Leibwächtern kam, die ihre Revolver in Schulterholstern unter ihren Maßanzugjacken trugen.

Der Bursche war schon bei Jahren, doch körperlich offenbar noch gut beisammen. Er musste noch oben bei Louise sein. Warum also wollte sie mich auch bei sich haben?

Ich sah mich nach seinen beiden Leibwächtern um.

Einer stand am anderen Ende der Bar und würfelte mit einem Kapitän, der mit seinem Schiff die hundertundsieben Meilen vom Golf den Mississippi heraufgekommen war, um wertvolle Frachten auszuladen und Baumwolle, Tabak und Zucker nach Europa zu bringen.

Der andere Leibwächter unterhielt sich mit der schwarzen Perle Maria, die von sich behauptete, einst in Afrika die Tochter eines Königs gewesen zu sein. Beide Leibwächter konnten Louise oben auf der Treppe nicht sehen. Ihre Blickwinkel ließen dies nicht zu.

Ich löste mich von der Bar, hörte nicht länger mehr dem Klavierspiel zu und ging hinauf.

Als ich oben war, stand Louise schon bei der Tür ihres Zimmers und winkte mir, dass ich mich beeilen sollte. Der Gang war gut beleuchtet. Man ging auf wertvollen Teppichen. Es gab wertvolle Bilder, die nackte Frauen darstellten, auch teure Möbel aus Frankreich.

Ich beeilte mich und trat ein. Louise schloss die Tür hinter mir und flüsterte: »Er ist tot.«

Ich glaubte zuerst, ich hätte mich verhört.

Aber dann sah ich, dass er bewegungslos wie ein Toter auf dem wunderschönen Prachtbett lag, angezogen, doch mit geöffnetem Hemd, so als hätte Louise ihm wie einem Erstickenden alles Hemmende vom Halse wegnehmen wollen.

»Er ist mausetot«, sagte sie. »Hatte wohl was mit dem Herzen. Ich wusste es schon lange. Er wollte von mir nichts anderes, als mich ansehen. Ich musste mich ihm nackt in allen möglichen Stellungen zeigen, so etwa wie ein Modell einem Maler. Und er sagte immer wieder bewundernd, dass mir Paris im Schönheitswettstreit mit den Göttinnen den Preis zuerkannt haben würde. Ja, das sagte er immer wieder sehr ernst. Und wenn er könnte, würde er mich gerne malen. Dann würde mein Bild einmal bestimmt in irgendeinem der berühmten Museen der Welt hängen und ich würde berühmter werden als die Mona Lisa. Und jetzt ist er tot. Es ging ganz schnell. Er begriff wohl in der letzten Minute, dass es aus war mit ihm. Denn er flüsterte mir zu, indes ich ihm seinen Kragen öffnete, dass ich seine Erbin wäre und mir der Inhalt des kleinen Lederbeutels gehören würde, den er in der Hosentasche trüge.«

Louise verstummte, und ihre großen Augen waren jetzt noch größer, ganz so als würde sie immer noch über etwas staunen und mir jetzt ein großes Geheimnis anvertrauen.

Ich trat an das Bett und untersuchte diesen Mann, dessen Name Fitsgerald war, James B. Fitsgerald. Aber was waren schon Namen? Jetzt nach dem Krieg nannten sich viele Leute anders, besonders einstige Kriegsgewinnler, Spione, Anführer von Guerillas, die oft nichts als Banditenbanden waren und Beute machten wie einst die Piraten mit Kaperbriefen von Königen.

Fitsgerald war wirklich tot. Da gab es keinen Zweifel. Sein Puls schlug nicht mehr.

»Und was befindet sich in dem Beutel?« Ich wandte mich bei diesen Worten wieder an Louise.

Sie streckte mir die rechte Hand entgegen und öffnete sie.

Oho, ich sah es nun!

Es waren geschliffene Edelsteine, also Brillanten. Sie funkelten im Lampenlicht, glitzerten und strahlten verlockend.

O Moses, dachte ich, das ist ja ein Vermögen, ein riesiges Vermögen. Und es ist dennoch so leicht zu transportieren wie ein Beutel voll Tabak. Oha!

»Diamanten«, murmelte ich, »geschliffene Diamanten. O Moses!«

Mir fiel wieder ein, was ich über das Wort Diamanten wusste. Es stammte aus dem griechischen Wort »adamas«, was so viel wie »unbezwingbar« bedeutet, unbezwingbar, weil es sich um den härtesten Edelstein handelt, den es auf der Erde gibt, bestehend aus reinstem, kristallisiertem Kohlenstoff.

Und die so schöne und begehrenswerte Louise hielt eine Anzahl davon in ihrer Handmuschel.

»Er hat es mir mit seinen letzten Worten vererbt«, flüsterte sie. »Es gehört mir. Hast du gehört, mein Freund, er vererbte es mir? Ich bin reich.«

Ich nickte und murmelte: »Wie schön für dich, Louise. Herzlichen Glückwunsch.«

Sie sah mich nun staunend an, so als wunderte sie sich, dass ich sie nicht begriffen hatte.

Und da sagte sie auch schon, um es mir klarzumachen: »Ja, ich bin jetzt reich, doch gewiss nicht dumm. O Louis, James B. Fitsgerald war gewiss ein mächtiger Mann. Unten sind zwei Leibwächter von ihm. Die wurden von ihm nicht nur zu seinem Schutz, sondern auch als Bewacher seines Vermögens engagiert. Wenn sie nun erfahren, dass er hier in meinem Zimmer starb, dann …«

Sie sprach nicht weiter, überließ es mir, die entsprechenden Folgerungen zu ziehen.

Und das war wirklich ganz einfach.

Fitsgerald hatte alles, was in dem Beutel war, Louise vererbt als sterbender Bewunderer ihrer Schönheit und Anmut.

Doch sie konnte es nicht beweisen.

Die beiden Leibwächter würden es ganz gewiss anzweifeln. Denn sie waren harte Burschen. Sie würden selbst die Erben sein wollen. Vielleicht aber hatte dieser Fitsgerald auch Partner, die sich nun als seine Erben betrachteten.

Oho, es konnte eine Menge Verdruss geben.

Von dem Moment an, da der Tod von James B. Fitsgerald bekannt wurde, waren Leute hinter den Diamanten her. Es konnte auch sein, dass sie ihm gar nicht gehörten, dass er sie nur verkaufen sollte. Oh, es gab da noch viele Möglichkeiten.

Was mich betraf, ich glaubte Louise. Ja, er hatte sie gewiss zu einer Erbin gemacht mit seinen allerletzten Worten als Lebender. Ich glaubte der wunderschönen Louise, weil ich ihr glauben wollte.

Denn für mich eröffneten sich unwahrscheinliche Möglichkeiten.

Louise brauchte einen Beschützer, einen Partner. Nur mit meiner Hilfe würde sie ihr Erbe in Sicherheit bringen können. Und sollte man uns verfolgen, um uns Louises Erbe wieder abzujagen – aus welchen Gründen auch immer –, so würde ich sie beschützen können.

Wir sahen uns über das Bett hinweg, in dem der Tote lag, einige Atemzüge lang schweigend all. Dann sprach Louise: »Mit dir wollte ich schon immer zusammen in die weite Welt ziehen. Mir fehlte nur ein gutes Startkapital. Das haben wir nun und können dort anfangen, wo andere aufhören, weil sie glauben, genug zu haben. Aber wir wollen viel mehr. Wir wollen einen hohen Einsatz bringen und groß werden, riesengroß. Wirst du mir dabei als mein Partner helfen? Wollen wir den gleichen Weg gehen? Louis, ich spürte schon immer, dass du und ich …«

Sie sprach nicht weiter, sondern drängte sich in meine Arme.

Verdammt, ich war auf eine Goldmine gestoßen. Diese wunderschöne und so reizvolle und begehrenswerte Frau – und dazu noch eine Handvoll Diamanten.

Unser weiterer Weg musste uns nach oben führen.

2

Es war noch tiefste Nacht, doch schon sehr viel ruhiger in New Orleans, als wir das noble Haus durch das Fenster verließen und an zusammengeknoteten Bettlaken abwärtsrutschten.

Louise war nun sehr zweckmäßig gekleidet. Sie trug ein sehr seriös wirkendes Reisekostüm.

Wir hatten nur wenig Gepäck, ich eigentlich gar keines, sie nur eine kleine Reisetasche.

Unterwegs fanden wir eine Droschke, die uns zum Hafen brachte.

Und hier wollte eines der großen Salondampfboote gerade losmachen, um bei Mond- und Sternenschein in den Strom zu gehen – und zwar stromaufwärts.

Wir sprangen an Bord.

Der Zahlmeister empfing uns und fragte: »So eilig?«

»Aaah«, sagte ich, »es gibt immer Spieler, die können nicht verlieren. Ist noch eine Kabine für Mister und Mrs. Laroy frei?«

»Weil Sie Glück haben, ja«, erwiderte er. »Es kamen einige Passagiere nicht nach dem dritten Signal an Bord, obwohl sie eingehend informiert wurden, dass wir dann ablegen. Bis wohin wollen Sie mit?«

»Saint Louis«, erwiderte ich. »Und wir hätten gerne eine Luxuskabine. Denn wir sind noch auf der Hochzeitsreise.«

Als ich es sagte, da drückte sich Louise eng an mich, und ich wusste, es war ein Versprechen. Wir waren nun ein Paar. Und von nun an war ich der einzige Mann in ihrem Leben.

Gewiss, sie war eine Frau mit Vergangenheit, die ihre Schönheit verkauft hatte.

Jetzt aber würde alles anders sein.

Nun, es folgten wunderschöne Tage und Nächte an Bord der Cleopatra. So hieß das prächtige Mississippi-Dampfboot, das uns Tag und Nacht stromaufwärts schaufelte. Wir fühlten uns wirklich wie ein Paar auf der Hochzeitsreise. Louise war eine wundervolle Liebhaberin, und wäre ich nicht schon ein erfahrener Mann gewesen, der sich auskannte – nun, dann hätte ich wahrscheinlich den Verstand verloren wie ein Hirsch in der Brunftzeit und diese herrliche Louise wie in einem Rausch immerzu neu erlebt.

Aber zum Glück war ich schon das, was man einen »gestandenen Mann« nannte. Und so behielt ich einigermaßen den Verstand.

Die Cleopatra war ein Luxussalondampfer, kein Frachtboot. Wir hatten an Bord einen prächtigen Spielsalon, der auch manchmal zum Theatersaal umfunktioniert wurde. Es kamen dann und wann, wenn wir bei größeren Städten anlegten, erstrangige Künstler an Bord.

Einer dieser Künstler las uns aus den großen Werken der Weltliteratur und Dichtung vor. Und aus Shakespeares »Julius Cäsar« zitierte er eine Stelle, die mir fortan nicht mehr aus dem Kopfe ging, nämlich:

Es gibt Gezeiten auch für unser Tun.

Nimmt man die Flut wahr, führet sie zum Glück.

Versäumt man sie, so muss die ganze Reise

des Lebens sich durch Not und Klippen winden.

Wir sind nur flott auf hoher See

und müssen, wenn der Strom uns hebt, ihn nutzen

Wo nicht, so geht uns Schiff und Gut verloren.

 

Louise und mich hatte die Flut hochgehoben. Wir besaßen eine Handvoll Diamanten, deren Wert gewiss mehr als hunderttausend Dollar betrug. Wir konnten diesen Wert vervielfachen oder alles verlieren.

Nun, wir würden sehen.

Natürlich spielten auch wir an Bord mit vielen anderen Reisenden. Fast alle waren wohlhabende und erfolgreiche Leute, die es sich leisten konnten, auch mal tausend Dollar zu verlieren.

Aber es waren auch ein paar gut getarnte Kartenhaie und zweibeinige Raubwölfe darunter. Ich kannte sie bald alle genau.

Und so bekam ich auch den ersten Streit an Bord, obwohl ich mir vorgenommen hatte, jedem Streit aus dem Wege zu gehen und mit Louise möglichst durchschnittlich und normal zu wirken.

Wir galten als Ehepaar, das große Baumwollpflanzungen besaß und auch Tabak anbaute. Da ich genügend Sachverstand besaß, konnte ich mich glaubhaft mit Leuten darüber unterhalten, die ebenfalls Baumwoll- und Tabakpflanzer waren. Ja, ich konnte ihnen sogar den Namen meines Besitzes nennen. Denn den gab es ja wirklich, obwohl er gewiss wegen Steuerschulden längst zur Versteigerung kam und wahrscheinlich von einem reichen Yankee für einen Apfel und ein Ei ersteigert wurde.

So war das nun mal.

Als sich einmal einer dieser getarnten Kartenhaie in unsere Pokerrunde einkaufen wollte, die aus Louise, mir und drei reichen und erfolgreichen Geschäftsleuten bestand, da lehnte ich es ab und wandte mich an die anderen Spieler mit den Worten.

»Aber wenn Sie, Gentlemen, ihn mitspielen lassen möchten, dann hören meine Frau und ich gerne auf.«

Doch unsere drei Mitspieler schüttelten die Köpfe.

»Nein«, sagte einer, »wir haben eine nette Runde beisammen. Und es macht uns Vergnügen, eine so schöne Frau am Tisch zu haben.«

Der hartgesichtige Kartenhai stand indes bei uns am Tisch und hörte sich das an. Bevor er sich abwandte, traf mich sein Blick. Und ich wusste, dass ich nun einen unversöhnlichen Feind hatte.

Doch das war nichts Ungewohntes für mich. Ich hatte mir schon oft Feinde gemacht. Ich vergaß ihn dann im Verlaufe der Nacht. Es war schon fast grauer Morgen, als wir alle unsere Spielrunde beendeten. Wir nahmen nur noch einen letzten Drink und plauderten ein paar Worte.

Wir alle waren zufrieden mit dieser Nacht am Spieltisch. Denn wir hatten mit wechselndem Glück gespielt. Zum Schluss hatte keiner besonders viel verloren oder gewonnen. Doch das Spiel hatte Spaß gemacht. Die Stunden waren angenehm vergangen. Louise und ich gingen hinaus und schlenderten noch einmal um das Kabinendeck, drehten also eine Runde, um uns gewissermaßen auszulüften, die frische Luft des Stromes einzuatmen und wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Es war schon fast Tag. Die samtblaue Mond- und Sternennacht begann zu verblassen und grau zu werden. Aus dem Strom stiegen leichte Nebel. Doch die Cleopatra fuhr unentwegt mit sechs Meilen die Stunde stromauf.

Wir hielten dann vor unserer Kabine an. Louise gähnte.

»Ich werde schlafen wie ein Murmeltier«, sagte sie.

»Und wie eine Katze schnurren«, erwiderte ich, grinste und schloss ihr die Tür auf und ließ sie eintreten. In der noblen Luxuskabine brannte ein Lämpchen. Ich sagte: »Lass mich noch ein paar Minuten hier draußen Luft schnappen, Süße. Ich komme gleich.«

Nach diesen Worten schloss ich wieder die Tür und lehnte mich auf die Reling. Das Schiff arbeitete und vibrierte in der Strömung. Der Wind behagte mir sehr. Es war die Stunde zwischen Nacht und Morgen.

Oha, ich fühlte mich als Glückspilz. Ich besaß eine schöne Frau. Es würde zwar nicht einfach sein, all die Diamanten zu guten Preisen zu verkaufen. Doch auch das würden wir schaffen.

Dann waren wir reich.

Himmel, was war das Leben schön!

So dachte ich.

Aber dann sah ich sie kommen. Ich wusste sofort Bescheid. Dort kam jener Kartenhai, den ich beleidigt hatte, weil ich es ablehnte, ihn in unsere Pokerrunde aufzunehmen. Er kam von achtern her das Kabinendeck auf der Steuerbordseite entlang. Von vorne kam ein zweiter Mann, und ich wusste längst, dass dieser Bursche zu dem Kartenhai gehörte und sozusagen sein Ass im Ärmel war. Denn sie taten stets so, als kennten sie sich nicht. Doch ich hatte sie Blicke und verstohlene Zeichen austauschen sehen.

So ein Kartenhai brauchte immer einen Partner, der ihm aus der Klemme helfen konnte, sollte er einmal erwischt werden bei einem Kartentrick.

Ich seufzte leise, aber dieses Seufzen ging im Wind und in den Geräuschen des Schiffes unter. Denn das gewaltige Heckschaufelrad drehte sich klatschend. Und die Ventile der Dampfmaschinen zischten und bliesen.

Der Kartenhai hielt dicht bei mir an.

»Pass auf«, sagte er, »denn ich erkläre dir was! Durch dein Verhalten hast du mich hier an Bord in Misskredit gebracht. So etwas spricht sich rum. Ich werde nun Schwierigkeiten haben, mich in andere Spielrunden einzukaufen. Du hast mir großen Schaden zugefügt. Deshalb werde ich mich jetzt revanchieren. Du wirst über Bord springen und deine schöne Frau allein lassen. Denn wenn du nicht freiwillig springst, machen wir dich mit unseren Messern alle und werfen dich tot über Bord. Wie willst du es haben?«

Oha, er war wirklich einer von der ganz schlimmen Sorte. Dabei sah er eigentlich recht seriös und imposant aus. Gewiss, er hatte mich nicht täuschen können. Doch auf andere Menschen wirkte er wie ein wohlhabender Geschäftsmann.

Ich sollte also über Bord springen und meine schöne Frau verlassen – wenn ich nicht tat, was sie wollten, würden sie mich abstechen.

Die Sache war klar: Es konnte keine Gnade geben. Und so zeigte ich ihnen, wie schnell ich sein konnte.

Ich hatte dem Mann, der von vorn gekommen war, den Rücken zugewandt und sah den Kartenhai an. Nun wirbelte ich herum wie ein Wildkater, der das metallische Klicken einer zuschnappenden Stahlfalle hört.

Die beiden Kerle fühlten sich zu sicher. Sie rechneten wahrscheinlich damit, dass ich zuerst mit ihnen reden, verhandeln oder gar sie bitten würde, mir nichts zu tun. Vielleicht hätte ich mich auch freikaufen können. Deshalb waren ihre Reflexe um Sekundenbruchteile zu langsam.

Ich wirbelte also herum und trat dem Kerl hinter mir mit aller Kraft gegen das Knie, warf mich dann zur Seite, so dass ich gegen die Kabinenwand prallte. Der Kartenhai stach mit seinem Messer in die Luft und taumelte an mir vorbei, streifte mich noch mit seiner Schulter.

Ich hämmerte ihm meine Rechte auf die Nieren. Dann erst holte ich meinen Colt aus dem Schulterholster.

Sie stöhnten, hingen über der Reling. Sie mussten erst noch ihre Not verdauen. Denn dem Knie des einen ging es denkbar schlecht. Und der Kartenhai ächzte vor Schmerzen in der Nierengegend.

Aber sie waren dennoch ziemlich hart, überwanden verhältnismäßig schnell ihre Not und wandten sich zu mir.

Der Kartenhai knirschte: »Na gut, du hast gewonnen. Wir unterschätzten dich. Na gut, wir geben auf.«

Er wollte sich umwenden, um davonzugehen. Der andere Mann stand ihm im Weg. Er zischte diesem Mann zu: »Weg hier, Joker!«

Ich grinste wegen des Namens »Joker«. Nun, dieser Bursche war jetzt gewiss kein Joker, kein Ersatztrumpf.

Ich sagte: »Nicht diesen Weg!«