G. F. Unger Sonder-Edition 96 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 96 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Ich Narr hatte geglaubt, die Bugbees würden die Jagd auf mich aufgeben, wenn ich nur weit genug vor ihnen floh. Aber nach tausend Meilen waren sie immer noch hinter mir her. Natürlich hätte ich mich ihnen stellen können. Es gab kaum einen Mann, der gegen meinen Colt eine Chance besaß. Aber ich war das Töten satt. Im Kampf um die schöne Brenda Cannon war genug Blut geflossen. Deswegen war ich geflohen, immerzu nur davongerannt. Doch jetzt war damit Schluss! Jetzt würde ich den Spieß umdrehen, aus den Jägern Gejagte machen! Viel zu lange hatte ich damit gewartet. Und vielleicht war es sogar schon zu spät - mit dieser verdammten Kugel im Leib!

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Inhalt

Cover

Impressum

Jagd auf Quade

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-3671-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Jagd auf Quade

1

Die Sache begann in El Paso an einem Pokertisch. Ich spielte mit hartgesottenen Burschen und bekam gegen Ende der Nacht einen Straight Flush in die Hand.

Nun muss man wissen, dass ein Straight Flush die zweithöchste Gewinnkombination beim Poker ist, die nur noch von einem Royal Flush geschlagen werden kann.

Da aber von schlauen Köpfen ausgerechnet wurde, dass ein Royal Flush normalerweise nur alle sechshundertfünfzigtausend Mal vorkommt, hatte ich mit meinem Straight Flush wenig Sorgen und beschloss im Spiel zu bleiben bis in die Hölle und zurück.

Wir spielten Draw-Poker. Die fünf Karten wurden also verdeckt gegeben. Und man konnte drei davon zurückgeben und neue fordern.

Letzteres hatte ich getan und so den zweithöchsten Flush zusammenbekommen.

Aber die vier anderen Mitspieler hatten offenbar auch gute Karten. Denn die Einsätze wurden ständig erhöht. Als ich schon zu befürchten begann, dass man mich aus dem Spiel bieten würde und bereits überlegte, was mein Pferd und mein Sattel wohl als Einsatz wert sein könnten, da stiegen drei der Hartgesottenen aus, wahrscheinlich, weil sie nicht bereit waren, Pferd und Sattel zu riskieren.

Nur einer blieb im Spiel – aber der war auch schon blank.

Wir grinsten uns an; ich tat es so richtig herausfordernd, er tat es grimmig.

Er glaubte tatsächlich, dass ich bluffte und ihn aus dem Spiel bieten wollte. Und er musste fünfhundert Dollar bringen, um die ich erhöht hatte.

Nachdem er mich grimmig angegrinst hatte, zog er einen Briefumschlag aus der Innentasche seiner Jacke und nahm ein Blatt heraus, das er entfaltete. Er gab es mir, und so konnte ich lesen, dass es sich um eine Option über tausend Rinder handelte, für die bereits tausend Dollar angezahlt wurden. Und bei Zahlung von weiteren tausend Dollar konnte man sich zu einer beliebigen Zeit die Herde abholen.

Das bedeutete also, dass man für insgesamt zweitausend Dollar tausend Langhorns bekommen würde.

Nun, das war zu dieser Zeit so kurz nach dem Krieg kein besonders günstiges Geschäft. In ganz Texas bekam man zu dieser Zeit jede Menge Rinder zwischen zwei und drei Dollar das Stück.

Denn es gab nirgendwo Absatzmärkte für den Rindersegen. Die Rancher waren froh, wenn sie mal ein paar Dutzend Rinder verkaufen konnten, um ein wenig Bargeld in die Finger zu bekommen.

Die Absatzmärkte in Kansas gab es noch nicht.

Deshalb schüttelte ich den Kopf und wollte das Optionspapier zurückgeben. Doch bevor ich etwas sagen konnte, sprach der Mann zu mir: »Halt, sagen Sie noch nichts. Lassen Sie es sich erst mal erklären. Ich bin Viehaufkäufer und komme aus Kansas. Dort entstehen einige neue Bahnlinien, die bei Verladebahnhöfen mitten auf der Prärie enden sollen, Verladebahnhöfe für texanische Rinderherden. Denn im Osten entstanden Fleischfabriken. Man erfand Kühlsysteme. Man wird bald die texanischen Longhorns in die ganze Welt verfrachten. Die Rinder hier in Texas werden sich deshalb in gute Dollars verwandeln. Diese Option ist eine todsichere Spekulation. Und je länger Sie mit der Einlösung warten, um so mehr Gewinn wird sie bringen. Ich würde jede Wette eingehen, dass in spätestens einem Jahr die Rinder hier in Texas schon fünf Dollar wert sind. Verstehen Sie?«

Ich starrte den Mann an. Und er kam mir wirklich nicht wie ein Dummkopf vor. Dieser Bursche war erfahren.

Und so ließ ich mir in den wenigen Sekunden, die mir blieben, die Sache nochmals durch den Kopf gehen.

Ja, es war gewiss eine Spekulation, aber eine ziemlich sichere, wenn man lange genug warten konnte. Die Rinder hier in Texas konnten wahrhaftig bald sehr viel wertvoller sein, wenn es in Kansas Verladebahnhöfe gab, von denen aus man die Herden nach dem Osten verfrachten konnte. Auch ich hatte davon schon gehört. Denn ich kam viel herum.

Mir war auch klar, dass viele große Rancher solche Optionen verkaufen mussten, um etwas Bargeld in die Hände zu bekommen. Denn die Steuereintreiber der Yanks waren überall ausgeschwärmt. Auch mussten die Rancher Löhne zahlen und allerlei Einkäufe tätigen – vom Proviant für ihre Reiter bis zum Hufnagel.

Mir war klar, dass mein Gegenüber gewiss noch Dutzende solcher Optionen in der Tasche hatte. Denn für diese eine war er nicht nach Texas gekommen. Das würde sich nicht gelohnt haben.

Und überdies glaubte er ja auch an sein besseres Blatt und brachte die Option nur als Einsatz, um nicht aus dem Spiel geboten zu werden.

Ich nickte und sagte: »Für fünfhundert Dollar nehme ich diese Option als Einsatz an.

»Und dann lassen Sie sehen?«, fragte er misstrauisch.

Ich nickte. »Ja, dann decken wir auf«, versprach ich ihm, denn ich war der Mann, der das Sehen fordern konnte in dieser Runde.

»Also gut«, nickte er, »Sie sind ein harter Bursche.«

Ich grinste nur.

Wir deckten dann auf.

Er hatte vier Damen, also einen Vierling, die dritthöchste Kartenkombination beim Poker.

Ich hatte fünf nachfolgende Werte in der gleichen Farbe, also einen Straight Flush, und der schlug nun mal jeden Vierling. Da biss keine Maus einen Faden von ab.

Er war ein fairer Verlierer. Als wir uns alle erhoben und ich die vier Gentlemen als der große Gewinner dieser Nacht noch an die Bar zu einem Drink einlud, da sagte er: »Mister, an Ihrer Stelle würde ich zwei Jahre warten. Die Quarter Circle B Ranch ist eine Riesenranch im Pecosland. Die wird in den nächsten Jahren nur noch größer. Deren Rinder sind Ihnen auch noch in zehn Jahren sicher. Und je länger Sie warten, umso mehr werden Sie verdienen. Keine Bank könnte Ihnen so viel Zinsen zahlen, wie sich der Wert dieser Option erhöhen wird.«

Ich glaubte ihm.

Dann tranken wir unsere Drinks und trennten uns.

Als ich in meinem Hotelzimmer im Bett lag, war ich zufrieden mit dieser Nacht in El Paso. Ich hatte eine Menge Geld gewonnen und besaß eine Option über tausend Rinder, ausgestellt von der Quarter Circle B Ranch im Pecosland. Ich hatte überdies auch schon von dieser Ranch gehört, wusste also, dass es sie wirklich gab.

Ich schlief zufrieden ein.

***

Als ich erwachte, war es Mittag. Ich wohnte im nobelsten Hotel von El Paso, in dessen Innenhof eine Quelle sprudelte und die Vögel zwitscherten.

Ich hatte Wildpferde gejagt, sie zugeritten und an die Post- und Frachtlinie verkauft. Draußen in dem wilden Wildpferdland hatte ich viele Wochen nicht baden können – es sei denn, im eigenen Schweiß. Deshalb hatte ich am Tag zuvor gebadet. Und nun wollte ich es wieder tun.

In diesem noblen Hotel bekam man für gute Dollars jeden Wunsch erfüllt.

Und so erhob ich mich, öffnete die Tür und rief draußen laut genug den Gang entlang, sodass man es unten in der Empfangshalle gewiss hören konnte: »Hoiii, schafft mir noch mal die Badewanne ins Zimmer! Und ein erstklassiges Frühstück ebenfalls! Habt ihr das verstanden?«

Von unten tönte es sofort die geschwungene Treppe hinauf: »Ja, verstanden, Mister Quade! Wird alles prompt erledigt!

Ich schnaufte zufrieden und zog mich wieder in mein Zimmer zurück, trat vor den Spiegel und betrachtete mich kritisch.

Oh, du verdammter Indianer, dachte ich, du wirst jedes Jahr hässlicher. Eigentlich solltest du einen Vollbart tragen, der all die Narben verdeckt.

Als ich an den Bart dachte, erinnerte ich mich wieder an einen Spruch, den ich irgendwann jemanden sagen hörte. Da hatte ein glatt rasierter Bursche zu einem vollbärtigen verächtlich gesagt: »He, wer sonst nichts stehen hat, der lässt sich einen Vollbart stehen.«

Und danach hatte es eine Schlägerei gegeben.

Ich grinste und trat in meinem Unterzeug ans Fenster, sah hinunter in den grünen und blühenden Innenhof, den so genannten Patio. Dabei überlegte ich, was ich in Zukunft tun sollte. Denn ich besaß jetzt eine Menge Geld. Zu dem Erlös für meine Wildpferde kam nun noch der Spielgewinn der vergangenen Nacht.

Eigentlich war ich geradezu wohlhabend geworden.

Was also sollte ich tun?

Sollte ich, nachdem ich nun über ein ziemlich großes Spielkapital verfügte, weiterhin mein Glück als Spieler versuchen?

Sollte ich mir eine Ranch kaufen und Pferde züchten, vielleicht auch Maultiere?

Oder sollte ich nach Norden gehen und dort mit offenen Augen nach irgendwelchen Chancen suchen?

Ich war mehr als vier Jahre im Krieg gewesen, hatte in der Texas-Brigade unter General Jackson gedient und war sogar vom General selbst wegen außergewöhnlicher Tapferkeit befördert und belobigt worden.

Aber das galt jetzt alles nicht mehr.

Der Süden hatte verloren und wurde nun ausgeplündert.

Es war sicherlich besser, in den Norden zu gehen.

Es klopfte an der Tür. Als ich sie öffnete, trugen die beiden schwarze Hausdiener die schon halb gefüllte Badewanne herein. Es war ein himmelblau emailliertes Ding mit rosa Blümchen.

Die beiden Schwarzen grinsten mich an, brachten dann noch einige Eimer mit heißem Wasser. Einer fragte: »Mister, wollen Sie Seife mit Flieder- oder Rosenduft?«

»Rosenduft«, verlangte ich.

Ich stellte einen Stuhl dicht neben die Wanne und legte griffbereit meinen Colt darauf, dann stieg ich in die Wanne, nachdem ich mich meines Unterzeugs entledigt hatte.

Der Schwarze brachte mir die Rosenduftseife und grinste dabei wieder.

Aus der Wanne heraus sagte ich: »Pass auf, dein Grinsen gefällt mir nicht. Ich sollte dich mal einige Monate lang auf Wildpferdjagd ins Apachenland mitnehmen, bis du wie ein Pferd oder ein Apache stinkst. Dann möchtest du auch nach Rosen riechen. Hast du das kapiert, Bursche?«

Nun grinste er böse.

»Ich heiße George Washington«, sagte er. »Aber wahrscheinlich haben Sie recht, Mister.«

»Das habe ich, Mister George Washington«, erwiderte ich.

Als er ging, war ich nicht lange allein. Die Tür ging auf, und Nancy Bodin kam herein. Obwohl sie Nancy Bodin hieß, war sie zur Hälfte eine Mexikanerin. Sie trug das Tablett mit meinem Frühstück wie eine echte Bedienung, die mal in den vornehmsten Restaurants serviert hatte.

Aber sie war keine Hotelbedienung, nein, sie war etwas ganz anderes.

Und gestern um diese Zeit lagen wir zusammen im Bett bis zum Abendessen, wonach ich zum Pokern ging.

Jetzt brachte sie mir das Frühstück. Wahrscheinlich hatte sie George Washington einen Dollar gegeben, um ihm die Arbeit abnehmen zu dürfen.

Nancy war ein erfreulicher Anblick. Gewiss, sie war ein Edelflittchen und verkaufte Liebe – aber das tat auch so manche ehrenwerte Ehefrau, die ihren Mann nicht aus Liebe, sondern wegen seines Geldes geheiratet hatte.

Eigentlich waren dann Frauen wie Nancy ehrlicher – oder?

Sie begann den Tisch zu decken, indes ich in der Badewanne saß und mit der Rosenduftseife Schaum erzeugte, der hoffentlich in all meine Poren eindringen und auch noch den letzten Rest von Pferdeschweiß, Feuerrauchgestank und allen anderen Gerüchen heraustreiben würde.

Nancy wandte sich mir zu.

»Ich dachte mir«, sagte sie, »dass du nochmals gerne mit mir zusammen sein würdest. Denn es war doch recht schön gestern mit uns, nicht wahr? Oder soll ich wieder gehen?«

»Nein«, sagte ich. »Du bist mir sehr recht. Denn du bist ein köstliches Geschenk für jeden Mann, der sich dich leisten kann. Und ich kann das.«

***

Es war dann schon später Nachmittag, als sie sich erhob.

»Eigentlich hätte ich mir hundert Dollar verdienen können«, sagte sie, »wenn ich dir diese Option gestohlen haben würde. Aber das konnte ich nicht. Der Mann, der sie an dich verlor, wollte sie gern zurückhaben. Wenn ich sie ihm nicht bringe, wird er vielleicht jemand anders damit beauftragen – für hundert Dollar. Pass nur gut auf dich auf hier in El Paso, Kelso Quade.«

»Das tue ich immer«, erwiderte ich. »Und die hundert Dollar kannst du auch von mir haben. Viel Glück, Nancy.«

Sie nahm sich hundert Dollar von meinem Geldhaufen auf dem Tisch, der noch so dalag, wie ich ihn nach dem Leeren all meiner Taschen dort hingeworfen hatte.

Sie warf sich den Morgenmantel über und ging.

An der Tür wandte sie sich noch einmal und warf mir eine Kusshand zu.

»Du bist nobel.« Sie lächelte. »Es hat mir viel Spaß gemacht mit dir.«

Dann ging sie, und ich wünschte ihr, dass sie eines Tages genug Geld für einen kleinen Laden in San Francisco gespart haben würde.

Denn das war ihr Ziel. Einen Schokoladenladen wollte sie haben.

Ich war also wieder allein.

Und ich wusste, ich würde nicht friedlich aus der Stadt kommen.

Der Bursche von der letzten Nacht war doch kein nobler Verlierer.

Er wollte die Option zurückhaben, für die er schon tausend Dollar zahlte.

Hier in El Paso gab es zu beiden Seiten der Grenze genug böse Pilger, die ihm gerne halfen, wenn er ihnen das Bargeld ließ, das ich gewonnen hatte, bevor die Option zum Einsatz kam.

Ja, ich musste mir einige Sorgen machen.

2

Am besten wäre es natürlich gewesen, wenn ich mich durch die Hintertür aus dem Hotel und dann irgendwie aus der Stadt geschlichen hätte.

Doch ich liebte mein Pferd zu sehr, um es einfach im Mietstall zurückzulassen.

Nein, das vermochte ich nicht.

Also machte ich mich nach Anbruch der Dunkelheit mit meinen wenigen Siebensachen auf dem Weg zum Mietstall.

In El Paso war jetzt schon mächtig Betrieb.

Hierher kamen sie von beiden Seiten der Grenze, und hier kam auch in beiden Richtungen der Durchgangsverkehr auf dem wichtigsten Wagenweg durch, den die spanischen Eroberer damals nach Santa Fé entstehen ließen.

El Paso war voller Satteltramps, Glücksjäger, Frachtfahrer und Chancensucher jeder Sorte – vom einfachen Siedler über Gold- und Silbersucher bis zum Pferdedieb und Banditen.

Und alles hier wartete auf den Aufschwung, der doch sicherlich mal irgendwann beginnen würde, da es ja nicht ewig so weitergehen konnte nach einem Krieg, den der Süden verlor.

Ich bewegte mich langsam durch die Straßen und Gassen.

Nancy Bodin, der ich hundert Dollar schenkte – wofür ein Cowboy ein halbes Jahr arbeiten musste, so viel Geld war das jetzt –, war ich sehr dankbar. Sie hatte mich gewarnt. Diese Warnung war mehr als hundert Dollar wert.

Und überhaupt Nancy … Oha! Mir fiel plötzlich ein Wort Jesu ein, das ich in einer Predigt gehört hatte. »Amen, ich sage euch: Die Zöllner und Huren kommen eher in das Reich Gottes als ihr …« Und mit »ihr« meinte er gewiss die vor Gott so eloquenten, aalglatten und fromm tuenden Bürger jedweder Art und auch jene, die Moral und Ethik aus erhabener Position verkünden und dem popeligen Volk vormachen, sie wären edel und rein. Oha!

Nun, ich wünschte Nancy nochmals alle guten Dinge.

Dann endlich erreichte ich durch eine schmale Gasse die Rückseite des Mietstalls.

Und nun wurde es Zeit, sie zu verlassen und mich auf die Falle zu konzentrieren, die man mir hier möglicherweise gestellt hatte, um mich nicht aus der Stadt herauskommen zu lassen.

Denn logischerweise musste ich dazu mein Pferd holen.

Der Mann, der an mich die Option über tausend Rinder verlor, hatte sich inzwischen gewiss alles genau ausgerechnet und auch die notwendigen Erkundigungen über mich eingezogen. Ja, er hatte sogar in Erfahrung gebracht, dass Nancy bei mir war, und sie noch einmal zu mir geschickt.

Doch Nancy hatte mir nicht die Option gestohlen, sondern ihn an mich verraten. Ich erinnerte mich auch wieder an den Namen des Mannes.

Jenkins hieß er – nein, Jennison. Ja, Al Jennison war sein Name. Jetzt wusste ich es wieder genau.

Nun, ich verharrte also hinter dem Mietstall und überlegte, ob es nicht doch klüger sei, das Pferd aufzugeben. Ich konnte mir in einer Gasse gewiss ein Tier stehlen oder in einen Wagen klettern, der die Stadt verließ.

Aber da war wieder meine Sturheit.

Nein, meinen narbigen Grauen, den gab ich nicht auf!

Wir waren zusammen durch den verdammten Krieg geritten. Auf meinen grauen Wallach hatte ich mich immer verlassen können. Einmal hatte ich mich verwundet auf ihm festgebunden und dann die Besinnung verloren. Er hatte mich zu meiner Truppe gebracht.

So einer war das.

Ich ließ mein weniges Gepäck an der Hinterseite des Stalls am Boden zurück und kletterte auf einen kleinen Schuppenbau. Von diesem gelangte ich durch eine Lüftungsöffnung auf den Heuboden des Stalles. Es war hier nicht mehr viel Heu vorhanden. Dennoch musste ich mich sehr vorsichtig bewegen, damit das Rascheln und Knistern nicht zu laut wurde.

Zu meinem Glück machten die Pferde unten in den Boxen ziemlich viele Geräusche. Sie stampften, schnaubten – und zerrten das Stroh aus der Futterkrippe.

Ich arbeitete mich vorsichtig bis zum Rand des Heubodens vor. Nun vermochte ich hinunterzublicken auf den Vorraum, in dem sich auch das Stallbüro mit dem Schlafverschlag des Stallmannes befand. Es gab auch einige Futterkisten, und Sättel lagen auf den Sattelstangen.

Um eine der Futterkisten, die sie von der ersten Boxenwand abgerückt hatten, hockten vier Männer beim Poker.

Nun, es war nicht ungewöhnlich, dass im Vorraum eines Stalles Poker gespielt oder gewürfelt wurde, zumal der eine Spieler der Stallmann selbst war, der ja nicht wegkonnte. Was schien einleuchtender, als dass Freunde ihm Gesellschaft leisteten.

Das war oft so in Mietställen. Hier herrschte stets ein Kommen und Gehen. Neuigkeiten erfuhr man manchmal im Mietstall früher noch als im Saloon.

Es war also nichts Verdächtiges an dieser Pokerrunde da unten rings tun die Futterkiste.

Doch drei der Spieler – das wurde mir schnell klar – gehörten nicht zu der Sorte, die ein Stallmann normalerweise zu Freunden hat. Diese drei Männer waren hartgesottene Pilger von der Art, die man am besten mied, weil sie mit zweibeinigen, stets nach Beute suchenden Wölfen zu vergleichen waren.

Und ich sah auch, dass sich der Stallmann nicht sehr wohl in ihrer Gesellschaft fühlte.

Sie spielten nicht um Geld, sondern um Revolverkugeln – nein, nicht um Patronen, lieber Leser meiner Geschichte. Denn zu dieser Zeit musste man die Trommeln unserer Revolver noch gesondert mit Pulver und Kugeln laden und hinten auf die Pistons Zündhütchen aufsetzen. Schneller ging es, wenn man fertig geladene Trommeln gegen die geleerten austauschte.

Die Kerle spielten also um Rundkugeln aus Blei.

Als wieder mal gemischt wurde, hörte ich den Stallmann sagen: »Also, ich möchte jetzt aufhören und mich ein wenig hinlegen. Die Nacht ist noch lang für mich. Lasst mich raus aus dem Spiel.«

»Nein«, erwiderte einer der Kerle.

Vom Hof kam ein kleiner Bursche herein, den man für einen halbwüchsigen Jungen halten konnte. Doch seine Stimme war tief und heiser.

Er sagte: »He, ihr solltet aufpassen. Er ist nicht mehr im Hotel. Der hat sich aus dem Hotel geschlichen und wird vielleicht bald sein Pferd holen kommen. Passt also auf.«

Nach diesen Worten verschwand der Bursche wieder.

Ich wusste nun Bescheid. Al Jennison hatte eine ganze Bande auf mich gehetzt. Er wollte die Option – und sie wollten mir abnehmen, was ich an Bargeld gewonnen hatte.

Sie lauerten teils draußen und teils warteten sie hier im Stall bei meinem Pferd.

Verdammt, warum geriet man immer wieder in einen Verdruss!

Alles hätte für mich so gut sein können.

Ich entschloss mich nun zu handeln, denn es hatte keinen Sinn, noch länger zu warten. Mit einem Wunder konnte ich sowieso nicht rechnen.

Ich nahm meinen Colt in die Hand und sprang.

Als ich zwischen ihnen auf dem Deckel der Futterkiste landete, hatte ich großes Glück, dass er die Wucht meiner neunzig Kilo aushielt. Doch ich konnte deswegen kein Dankgebet gen Himmel senden. Dazu war keine Zeit.

Ich trat einem der Kerle meine Stiefelspitze unters Kinn und traf einen zweiten mit dem Revolverlauf quer über Stirn und Nase.

Sie brüllten natürlich erschreckt auf, als ich so plötzlich ihre Pokerpartie störte. Der dritte Mann ließ sich von seinem Sitz – es war eine alte Kiste – nach hinten auf den Rücken fallen und versuchte liegend seinen Colt freizubekommen.

Aber als er ihn hochnahm, da war ich schon mit einem Sprung von der Futterkiste herunter und bei ihm. Ich trat gegen sein Handgelenk und spürte, wie es brach. Der Colt entfiel ihm.

Dann war es zunächst einmal vorbei.

Ich war wie ein böser Teufel über sie gekommen.

Der Stallmann war zurückgewichen und starrte mich staunend an. »O du Heilige«, sagte er heiser, »o du liebe Heilige Jungfrau!«

Ich grinste ihn an und wusste genau, wie hart ich jetzt aussah, so richtig böse und gemein.

»Sattle mein Pferd – du weißt ja, den narbigen Grauen! Und dann machst du das Hintertor auf. Verstanden?«

»Yes, Sir«, krächzte er und sah noch einmal mit schnellen Blicken auf die drei Geschlagenen.

»Sie sind ein verdammt harter Mann, Sir«, ächzte er. »Diese Gentlemen werden mir keinen Vorwurf machen können, dass ich Ihnen gehorchte.«

Er beeilte sich dann mächtig.

Ich trat zu dem Kerl, dem ich das Handgelenk brach, um ihn am Abfeuern des Colts zu hindern.

Er hielt sich den Unterarm wie ein Wickelkind vor der Brust, hatte ihn auf den anderen Unterarm gebettet. Schmerzvoll starrte er zu mir empor und zeigte mir seine langen, gelben Zähne.

»Schönen Gruß an Al Jennison«, sagte ich. »Sag ihm, dass er mir nur nicht in den Weg kommen soll irgendwann und irgendwo.«

Ich folgte dem Stallmann, der inzwischen mein Pferd gesattelt hatte und es durch den Stallgang zum Hintertor brachte. Er öffnete. Ich führte mein Pferd hinaus in die Nacht. Schwacher Lichtschein fiel aus dem Stall, sodass ich meine Siebensachen sofort finden und meinem Pferd aufbürden konnte. Es waren mein Gewehr, zwei Satteltaschen und die Sattelrolle, die ich am Hinterzwiesel festschnallte.

Dann ritt ich in die Nacht.

Ich war verdammt froh, so gut davongekommen zu sein. Und ich hoffte, dass ich diesem Al Jennison, der zuerst so tat, als sei er ein nobler Verlierer, und sich dann als das Gegenteil entpuppte, nie wieder begegnen würde.

***

Ich ritt die ganze Nacht nach Norden, blieb auf dem Wagenweg, der am Rio Grande entlang nach Mesila führte. Mit einer Fähre setzte ich bei Mesila über und folgte einem anderen Wagenweg, der aus den Sacramento Mountains kam. Ich sah sie in der Ferne, als der Tag hell genug wurde. Ich ritt jetzt genau der aufgehenden Sonne entgegen.

Es waren etwa achtzig Meilen bis zu den Vorbergen der Sacramentos. Dahinter fiel das Land zum Pecos ab.

Und dort im Pecosland sollte es die Quarter Circle B Ranch geben.