G. F. Unger Sonder-Edition 97 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 97 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Mary Scotts kleiner Sohn wurde von einer Indianerhorde verschleppt. Die junge Frau will verzweifeln, denn sie ist Witwe, und die Männer des Siedlercamps, zu dem sie gehört, sind zwar rechtschaffen und fromm, aber keiner von ihnen hat das Format eines Kämpfers, der es wagen würde, sich auf die Fährte der roten Horde zu setzen und Billy zu befreien.

Da erinnert sich Mary an den Armescout Jessup Quade. Ihre Bekanntschaft war nur flüchtig. Jessup kämpfte für die Siedler und wurde dabei verletzt. Mary verband seine Wunde, und in der kurzen Zeit entstand zwischen ihnen eine seltsame Anziehung. Daran klammert sich Mary. Ihr Herz sagt ihr, dass Jessup Quade spüren wird, wie sehr sie in Not ist. Ja, er wird kommen und Billy befreien, denn für sie ist er der Mann, der zum Salz der Erde gehört ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Jessup

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-3863-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Jessup

1

Als er den Wagenzug zu sehen bekommt, da will er es zuerst nicht glauben. Aber er ist weder betrunken noch hat er Fieber. Was er da sieht, ist wahrhaftige Wirklichkeit.

»Heiliger Rauch«, murmelt er, »diese Narren vertrauen ganz einfach auf den guten Vater im Himmel, der über unserer Welt schwebt und sie beschützen wird, wenn sie nur fleißig beten.« Er verharrt noch einige Atemzüge lang im Sattel seines rotbraunen Wallachs und bietet einen kaum weniger wilden und animalischen Anblick wie ein Vollblut-Sioux.

Denn er trägt Mokassins und eine Kette aus Bärenkrallen, wie die Cheyenne-Squaws sie für ihre Krieger anfertigen. Sein ziemlich verrückt geformter Hut ist aus erstklassigem Biberfell.

Er ist in Leder gekleidet. Sein perlenbesetzter Gürtel ist eine künstlerisch außergewöhnlich wertvolle Arbeit und von fast unschätzbarem Wert unter den Kennern der Hochprärie.

In diesem Gürtel stecken ein achtzölliges Green-River-Skalpiermesser und eine Hunkpapa-Kriegsaxt aus allerbestem Stahl.

Sein 73er-Winchestergewehr ist sorgfältig in ein Lederfutteral eingepackt, das mit Federn geschmückt ist.

Aber am auffälligsten ist sein leuchtend blaues Halstuch. Es ist eigentlich verrückt, ein so auffälliges Halstuch zu tragen. Doch vielleicht ist das seine Art, der Welt zu zeigen, dass er sich nicht versteckt und zu den Dingen steht, die er mag.

Und so ist das blaue Tuch für ihn auch so etwas wie die Federhaube für einen Kriegshäuptling.

Er hat lange genug gestaunt und überlegt nun, was er tun soll. Denn eigentlich fühlt er sich nicht als Gutmensch und Hüter der Dummen.

Am liebsten möchte er also seines Weges reiten, einen großen Bogen um den Wagenzug der Siedler schlagen. Sein Ziel ist eigentlich Fort Buford an der Yellowstone-Mündung in den Big Muddy, wie man den Missouri hier nennt.

Dieser Wagenzug aber will nach Westen.

Er zählt siebzehn Wagen, eine kleine Pferdeherde und auch etwa zwei Dutzend Ersatzmaultiere. Denn die Wagen werden sechsspännig von Maultieren gezogen.

Ein paar Reiter begleiten den Wagenzug, sichern ihn nach allen Seiten.

Jessup Quade stößt einen verächtlichen Laut aus.

»Oh, ihr Dummköpfe, wer hat euch wie ein Rattenfänger in dieses Land geführt? Ihr seid ja so dumm wie Büffelshit. Und es ist ein Wunder, dass ihr überhaupt noch am Leben seid.«

Nachdem er seiner bitteren Verachtung Luft gemacht hat, reitet er wieder an und geradewegs auf den Wagenzug zu, der offensichtlich Mittagsrast machen will. Denn die Wagen halten am Prärie Creek an, der sich seinen Weg nach Norden zum Big Muddy sucht, im Moment jedoch nur etwas Wasser führt, weil es länger nicht mehr geregnet hat.

Als er dem haltenden Wagenzug nahe genug ist, wird er von den Leuten gesichtet.

Sie erwarten ihn neugierig, und je näher er ihnen kommt, umso mehr staunen sie.

Eine Gruppe von Männern erwartet ihn vor den Wagen, die zu einem Viereck aufgefahren sind, nicht zu einer runden Wagenburg.

Zwischen den Wagen sieht er Frauen und Kinder. Und so weiß er endgültig Bescheid, dass es sich um einen Siedlertreck handelt, um Landsucher also, die auch Pflüge und Saatgut bei sich haben.

Er sieht dann noch einen Mann, der aus dem Quadrat der haltenden Wagen hervorkommt und etwas abseits der Männergruppe verhält.

Und diesen Mann kennt er.

Und weil er ihn kennt, weiß er nun ganz und gar Bescheid.

Aber dieser Mann kennt ihn auch und er hebt jäh sein Gewehr, um auf ihn zu schießen. Es gibt für Jessup Quade keinen Zweifel.

Und so wirft er sich von seinem trabenden Wallach, behält seine noch eingehüllte Winchester in der Rechten und rollt mit ihr am Boden über das Büffelgras.

Es geht dann alles unwahrscheinlich schnell.

Die Kugeln des Mannes verfehlen ihn dreimal, nur eine streift ihn leicht.

Doch dann bekommt Jessup seine Winchester frei, richtet sich auf und schießt endlich seinerseits. Er gibt nur einen einzigen Schuss ab, aber die Kugel trifft voll ins Leben seines Gegners.

Und dann erstarrt alles.

Die Leute des Wagenzuges sehen entsetzt, wie der Getroffene umfällt. Dann blicken sie auf Jessup und halten ihre Waffen auf ihn gerichtet.

Einer der Männer ruft scharf: »He, das müssen Sie uns aber genau erklären! Wer sind Sie denn? Sind Sie ein Weißer?«

Die letzte Frage klingt zweifelnd.

Jessup geht langsam auf die Männergruppe zu, die ihre Waffen auf ihn gerichtet hält, und je näher er kommt, umso mehr erkennen sie, dass er ein bärtiger und blauäugiger Weißer ist.

Er verhält dann vor ihnen und spricht bitter: »Ihr müsst alle verrückt sein, einfältig oder gar dumm! Dies hier ist Indianerland, Büffelweide. Hier herrschen die Sioux und Cheyennes. Und die töten jeden Weißen. Es ist ein Wunder, dass ihr noch am Leben seid. Hat der da euch vielleicht eingeredet, dass ihr auf Büffelweide Äcker und Felder anlegen könnt?«

Er deutet bei seinen Worten mit dem Gewehrlauf auf den Toten. Und weil sie immer noch nichts sagen, ihn nur staunend und wachsam ansehen, fügt er hinzu: »Dies ist Bad Louis Sharkey. Der hat schon mehr als einen Wagenzug ins Verderben geführt. Wenn die Armee ihn erwischt hätte, würde man ihn am Hals aufgehängt haben. Er gehört zu einer Bande von Deserteuren, Renegaten, Banditen und Geächteten, die von den Roten als Verbündete angesehen werden. Hat man euch denn nicht gesagt, dass immer noch Krieg ist längs des Bozeman Trails?«

Er verstummt hart, eigentlich sogar wütend.

Sie starren ihn zweifelnd an.

Dann deutet einer von ihnen auf den Toten und sagt: »Er nannte sich Tom Harper, nicht Louis Sharkey. Und wer sagt uns, dass wir Ihnen trauen sollten? Sie können uns viel erzählen, Mister. Wer sind Sie überhaupt?«

»Mein Name ist Quade, Jessup Quade, und ich bin Armeescout. He, hat der da mit dem Schießen begonnen oder ich?«

Er spürt nun ihre Unsicherheit. Dann spricht einer der Männer: »Harper sagte uns, dass er mit den großen Häuptlingen der Roten befreundet wäre und dafür sorgen würde, dass wir uns auf der Büffelweide niederlassen könnten, wenn wir den Roten jedes Jahr eine Pacht bezahlen würden. Denn die Büffelweide wäre wertlos geworden, weil es kaum noch Büffel gäbe. Die wären ja in den vergangenen Jahren fast völlig ausgerottet worden. Wir schreiben schließlich das Jahr 1875 – oder?«

Der Sprecher verstummt so richtig störrisch wie ein unbelehrbarer Mensch.

Jessup Quade aber schüttelt fassungslos den Kopf und denkt: Das gibt es doch nicht. Das kann es doch nicht geben. Wie dumm sind die eigentlich?

Aber dann wird ihm klar, dass diese Menschen aus dem Osten kommen und wahrscheinlich Einwanderer sind, die Land suchen.

Er spürt nun auch die zunehmenden Schmerzen einer Streifwunde. Bisher hat er nicht darauf geachtet, denn er war auf die Leute konzentriert, die ihn ja immer noch mit ihren Schusswaffen bedrohen.

Er hört sich sagen: »Kehrt um und verlasst das Indianerland. Woher kommt ihr überhaupt?«

Sie zögern mit der Antwort. Dann aber erwidert ihr Sprecher – ein großer, bulliger Mann, der jedoch die englische Sprache wie ein gebildeter Mann beherrscht, wie ein Lehrer zum Beispiel oder ein Prediger: »Wir kamen bei Fort Lincoln über den Missouri und haben die Bad Lands hinter uns gebracht. Und dies hier ist gutes Ackerland, Farmland, Siedlerland. Hier ist auch ein Creek. Ich denke, wir sollten hier bleiben und nicht länger suchen.«

Er macht eine Pause und spricht dann hart: »Mister, wo wir uns festsetzen, da kann uns niemand mehr vertreiben. Und wir bleiben. Aber ich sehe, dass Sie verwundet wurden. Sie bluten. Da an Ihrer Hüfte färbt sich das Lederhemd. Wir sind Christenmenschen und werden Ihre Wunde versorgen. Auch den Toten werden wir beerdigen. Und dann können Sie reiten, wohin Sie wollen. Wir sind keine Sheriffs und keine Richter.«

Jessup Quade sagt nichts mehr. Denn er hält das für zwecklos.

Aber er lässt sich zu einem der Wagen führen, bei dem eine junge Frau und ein Junge stehen und ihm aufmerksam entgegensehen.

Und als er die junge Frau ansieht, da stockt ihm der Atem und klopft sein Herz ganz plötzlich schneller.

Eine einzige Sekunde verändert etwas in Jessup Quade.

Es ist, wie wenn ein Blitz bei ihm einschlägt.

Denn diese junge Frau …

Oh, er weiß plötzlich, dass er von ihr manchmal träumt. Ja, so wie sie da steht, erschien ihm ihr Bild oft in seinen Träumen.

Doch gibt es solche Wunder?

Es muss wohl so sein, denn er träumt nicht, ist hellwach, hat einen Mann getötet und verspürt die Schmerzen seiner Wunde, als würde ihn eine Maultiertreiberpeitsche getroffen haben. Er sieht dann ihr Lächeln. Es ist ernst und mitfühlend. Doch in ihren schwarzen Augen ist ein Forschen.

Himmel, denkt er. Sie hat goldene Haare und schwarze Augen. Es gibt sie wirklich. Dieses Wunder gibt es wirklich.

Der Mann neben ihm, der ihn zu ihr führte, sagt nun mit einem Klang von Verehrung in der Stimme: »Mary, er blutet aus einer Wunde. Und wir sind nun mal Christenmenschen. Sie waren unterwegs schon manchmal unser Doc.« Sie nickt leicht und sieht Jessup Quade fest an. Ihre Blicke können sich offensichtlich nicht voneinander lösen.

Der Junge neben ihr spricht spröde: »Mom, er hat unseren Scout und Wagenzugführer erschossen.«

Doch sie schüttelt leicht den Kopf.

»Billy, er hat erst geschossen, nachdem Mr. Harper viermal auf ihn feuerte. Er hatte ein Recht darauf, zurückzuschießen. Ich werde Ihre Wunde versorgen, Mister. Ziehen Sie Ihr Lederhemd aus. Billy, hol den Verbandskasten aus dem Wagen.«

Ihre Stimme hat einen melodischen Klang. Es ist eine wunderschöne Stimme, die zu ihr passt. Es ist eine Stimme, die sanft, klar, lebendig und zugleich auch sehr selbstbewusst klingt, beherrscht und stolz.

Heiliger Rauch, denkt er wieder, was für eine Frau! Die müsste ja eigentlich zu den Weltwundern gehören. Aber wo ist ihr Mann? Sie hat einen Jungen, den sie Billy nennt – wer von diesen Narren hier ist ihr Mann?

Billy verschwindet im Wagen, indes er sich das Lederhemd auszieht.

Als er an sich nieder auf die Wunde blickt, da blutet diese immer noch stark. Es ist eine Wunde an der Seite wie von einem Säbelhieb. Die Kugel riss dort eine Furche, in die er seinen Zeigefinger legen könnte.

Auch sie betrachtet seine Wunde und spricht dann: »Die muss ich nähen. Mister Lederstrumpf, Sie werden Ihre Zähne zusammenbeißen müssen – vielleicht auf einem Stück Leder, damit sie nicht abbrechen.«

Er starrt sie an und versucht sich immer noch über ihre Schönheit klarzuwerden. Dabei hört er sich sagen: »Lady, mein Name ist Quade, Jessup Quade.«

»Ich bin Mary Scott«, erwidert sie. »Und ich hielt sie zuerst für einen Indianer. Doch Sie tragen einen Bart.«

Indes sie warten, bis Billy den Verbandskasten aus dem Wagen holt, betrachten sie sich immer noch aufmerksam, und es ist, als würden sie gegenseitig mit ihrem Instinkt einander zu erforschen versuchen.

Er sieht das schöne Gesicht einer Frau, die das Leben kennt. Es ist nicht nur von einer Schönheit, die nur schön, aber sonst ohne Ausstrahlung ist.

Nein, diese Mary Scott hat eine besondere Ausstrahlung, jedenfalls auf ihn.

Und so ahnt er, dass diese Frau das Leben kennt und schon einige Höhen und Tiefen erlebte. Er erkennt um ihre Mundwinkeln und Augen einige feine Linien, die ihm verraten, dass ihr die Liebe und die Enttäuschungen nicht fremd blieben.

Es ist das wache, herbe und manchmal gewiss auch leidenschaftliche Gesicht einer Vollblutfrau.

Zu diesem abschließenden Urteil kommt er schon bald.

Und er weiß, dass er diese Frau niemals wieder in seinem ganzen Leben vergessen wird. Denn nun weiß er, dass es sie nicht nur in seinen Träumen gibt, sondern auch in Wirklichkeit.

»Nein, ich bin gewiss kein Indianer, Ma’am«, hört er sich sagen. »Doch ich wurde als kleines Kind von Indianern geraubt und lebte einige Jahre bei ihnen. Die Roten rauben manchmal Kinder, wenn sie noch klein genug sind, um als Indianer aufzuwachsen und eines Tages Krieger zu werden. Sie wollen dadurch die Übermacht der Weißen schwächen und ihre eigenen ständigen Verluste ausgleichen.«

Als er verstummt, tritt Billy mit dem Verbandskasten zu ihnen. Er hörte die letzten Worte und fragt nun: »Mister, da bin ich wohl schon zu alt, um geraubt zu werden – oder?«

»Wahrscheinlich.« Jessup Quade grinst ernst. »Doch bei den Roten weiß man nie so genau, was sie dieses oder jenes tun lässt. Für mich steht jedenfalls fest, dass es mir nicht schlecht bei ihnen ging. Indianer lieben Kinder. Und niemals werden Kinder von ihnen geschlagen.«

Als er verstummt, spricht Mary Scott: »Sie werden sich nun auf eine Decke legen, die verwundete Seite nach oben. Und dann müssen Sie sich entspannen, damit ich die Wunde nähen kann. Wollen Sie zuvor einen Schluck Brandy?«

»Nein, Ma’am. Doch ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Hilfe. Ich hätte mir die Wunde nicht selbst nähen können. Sie ist zu sehr an der Seite.«

Sie betrachtet seinen nackten Oberkörper und entdeckt einige Narben, die ihr sagen, dass dieser Mann gewiss kein friedliches Leben führt.

Er legt sich auf die Decke, sodass sie sich an die Arbeit machen kann.

Einige Leute des Wagenzuges haben sich eingefunden und bilden einen Kreis um sie und sehen zu. Eine andere Frau bringt einen Holzeimer voll Wasser.

Und alle wirken neugierig. Denn sie sehen, dass dieser Scout und Trapper die Schmerzen des Wundnähens erträgt, ohne zu zucken oder auch nur mit den Zähnen zu knirschen.

Jemand flüstert: »Wie ein Indianer. Denn Indianer zeigen keinen Schmerz. Vielleicht ist er ein bärtiger Indianer oder zumindest ein Halbblut.«

Es dauert nicht lange, dann ist Jessups Wunde versorgt. Mary Scott klebt noch ein breites Pflaster auf die Wunde, nachdem sie eine Wundsalbe darauf strich.

Dabei sagt sie: »Diese Salbe hilft gegen alles, auch bei Wunden an Pferden, Maultieren und Hunden.«

»Dann wird sie auch bei mir helfen.« Jessup grinst und erhebt sich.

»Ma’am, Ihr Mann kann sehr stolz auf Sie sein – und natürlich auch Billy. He, Billy, wie alt bist du?«

»Ich werde bald acht Jahre, Sir«, erwidert Billy. »Und mein Vater war wirklich sehr stolz auf meine Mom.«

»War?«, fragt Jessup.

Doch da spricht sie etwas borstig: »Mr. Quade, wenn Sie etwas über mich wissen wollen, dann fragen Sie mich selbst, nicht meinen Sohn.«

Die Versammlung der neugierigen Zuschauer hat sich aufgelöst. Sie sind nun allein mit Billy zwischen den haltenden Wagen.

Und abermals sehen sie sich an. Der Blick ihrer schwarzen Augen ist funkelnd. Doch auch in seinen rauchgrauen Augen ist ein Funkeln.

»Ma’am«, spricht er, »Sie sind für mich die schönste Frau auf dieser Erde. Ich müsste ja geradezu stupide sein, wenn ich nicht eine Menge von Ihnen wissen wollte. Sind Sie Witwe?«

Nun lächelt sie mit deutlich erkennbarer Nachsicht.

»Mein Mann ertrank unterwegs in einem Fluss. Er konnte nicht schwimmen. Ich wusste gar nicht, dass er nicht schwimmen konnte. Es war ein stark angeschwollener Fluss nach einem Unwetter. Und wir mussten hinüber, bevor er noch mehr Hochwasser führte. Haben Sie sonst noch Fragen?«

Sie fragte es mit abermals etwas borstig klingender Stimme.

Er aber erwidert: »Bitte vergeben Sie mir. Es war nicht meine Absicht, eine junge Witwe zu belästigen. Ich kann mich nur noch bedanken.«

Er nimmt sein Lederhemd und entfernt sich damit zum Creek, um dort das Blut abzuwaschen.

Sie alle beobachten ihn vom Wagenzug aus.

Einer der Männer sagt: »Der kennt sich gewiss aus. Der könnte uns gewiss Ratschläge geben.«

Er wendet sich an den Mann, der offenbar der Anführer ihrer Gemeinschaft ist und wie ein Prediger reden kann.

»He, Reverend, fragen Sie ihn doch mal.«

Sie warten nun auf ihn. Als er vom Creek zurückkommt, trägt er wieder sein Lederhemd. Es ist an der Seite etwas von der Kugel zerfetzt worden und nun nass. Doch mit kaltem Wasser kann man ja bekanntlich Blut herauswaschen.

Als er zu seinem Pferd tritt, da umringen sie ihn.

Ihr Anführer sagt: »Mr. Quade, ich bin Sam Hancock, der Reverend unserer kleinen Gemeinde von genau einundfünfzig Seelen. Wir suchten gutes Land für Weizenfelder, die eines Tages dieses Land bedecken sollen wie jetzt das Büffelgras – von einem Horizont zum anderen in weiter Runde. Ein Meer von Weizen ist unser Ziel. Und dieser Boden hier ist gut für Weizen, Hafer und jedes andere Getreide. Wir glauben, dass wir den gesuchten Boden gefunden haben und wollen bleiben. Was raten Sie uns als Mann dieses Landes?«

Er verstummt wie ein Mann, der sich nicht viele Hoffnungen macht und nur eine Bitte seiner Leute erfüllt. Jessup Quade betrachtet die Versammlung. Ja, da sind Männer jedes Alters, Frauen und Mädchen und einige Kinder. In einem der Wagen plärrt ein Säugling, will offenbar gesäugt werden. Das kleine Wesen hat eine kräftige Stimme.

Jessup verspürt Mitleid mit allen.

Doch er hat die Zeit, die jetzt anbrechen wird, kommen sehen.

Die Büffel sind fast völlig ausgerottet. Und die Indianer werden bald besiegt sein und ihr Leben in Reservaten fristen. Und so werden Siedler und Landsucher in das freie Land kommen.

Ja, die Weizenfelder werden von einem Horizont zum anderen reichen. Die Leute vor ihm gehören zu den ersten Landsuchern. In den nächsten Jahren werden Tausende kommen.

Er spürt, wie sehr sie auf seine Antwort warten.

Und so seufzt er leise und spricht: »Etwa fünf Meilen weiter südlich von hier hatten Büffeljäger mal ihr befestigtes Camp. Es war ein kleines Fort. Es nannte sich Buffalo Walls. Sie stachen damals die Grasnarbe aus und gewannen sogenannte Prärieziegel. Damit errichteten sie Mauern. Es ist dort noch alles ziemlich gut erhalten. Dieses befestigte Camp hat schon einige Indianerangriffe ausgehalten. Ihr solltet dort euer Hauptquartier haben, in das ihr euch zurückziehen könnt, wenn man eure Skalpe haben möchte, als Fluchtburg sozusagen, versteht ihr? Die Sicht auf der Büffelprärie reicht meilenweit in die Runde. Im Süden habt ihr den Yellowstone, der bei Fort Buford in den Missouri fließt. Und im Norden kommt dieser Missouri von West nach Ost. Die beiden Ströme umfassen wie eine Riesenzange euer zukünftiges Weizenland. Doch die Indianer werden euch umbringen. Und die Armee ist zu weit weg, um euch ständig beschützen zu können. Ihr habt wohl kaum eine Chance, hier dieses Jahr noch Weizenfelder anlegen zu können.«

Er hat nun alles gesagt und sitzt auf.

Sein Falkenblick geht noch einmal über die Versammlung und bleibt einen Moment auf Mary Scott haften, neben der Billy steht.

»Ich werde in Fort Buford melden, dass ihr euch bei Buffalo Walls niedergelassen habt, und irgendwann mal nachsehen kommen, ob ihr noch am Leben seid.«

Nach diesen Worten reitet er an.

Die Stimme des Reverend ruft ihm nach: »Mr. Quade, wir glauben an Gott, der uns beschützen wird! Und wenn er das nicht tut, dann können wir auch kämpfen!«

Aber er sieht sich nicht mal mehr um.

Vor seinen Augen hat er jetzt das Bild von Mary Scott.

Und es ist ein starkes Bedauern in ihm.

Aber was könnte er denn tun?

2

Es ist nun später Mittag. Die Sonne wanderte inzwischen ein wenig nach Westen, und ein trockener Wind streicht über die wellige Prärie, die wie ein erstarrtes Meer von grünbrauner Farbe anmutet.

Die träge dahinziehenden Wolken werfen wandernde Schatten über das Grasmeer, auf dem vor zwei oder drei Jahren noch Hunderttausende von Büffeln weideten.

Jetzt liegen überall die bleichen Knochen dieser Tiere, bezeugen noch das große Verbrechen an den friedlichen Tieren.

Und es wird in den nächsten Jahren der Tag kommen, da die Siedler all diese Knochen sammeln für die Düngemittelfabriken, weil sie die paar Dollars, die es dafür gibt, so dringend brauchen.

Doch davon weiß Jessup natürlich noch nichts. Er könnte sich das auch gar nicht vorstellen.

Immer dann, wenn er aus einer der flachen Senken über die nächste Bodenwelle muss, treibt er seinen rotbraunen Wallach an, um möglichst schnell wieder abtauchen zu können in die Deckung, so etwa wie ein kleines Boot über einen Wellenkamm in die Tiefe einer Dünung.

Denn das Reiten über solch eine Prärie ist gefährlich. Man hat meilenweite Sicht, und alles, was sich in irgendeine Richtung bewegt, muss immer wieder über den Bodenwellen auftauchen.

Jessup weiß zu gut, dass die scheinbar so menschenleere Prärie gar nicht so menschenleer ist. Hier gibt es Jäger und Gejagte – und alle halten oder bewegen sich in möglichst guter Deckung.

Es könnte durchaus sein, dass Jessup über die nächste Bodenwelle hinweg in sein Verderben reitet oder eine andere Überraschung erlebt.

Was er den Leuten des kleinen Wagenzuges nicht sagte, beschäftigt ihn jetzt wieder. Denn er reitet ja mit einem besonderen Auftrag durchs Land, ist auf der Suche nach einem gewissen Vance Garreter und dessen kleiner Mannschaft, die mit drei Wagen voll Schnapsfässern unterwegs sind.

Es ist eine üble Bande von Halbbluts, denen ihre roten Halbvettern nichts tun, weil sie von ihnen mit Feuerwasser, Munition und Waffen versorgt werden.

So einfach ist das.

Denn die Roten zahlen mit Gold. Gold! Dafür taten die Menschen schon immer alles.

Jessup Quade bekam von der Armee den eindeutigen Auftrag, diese Bande aufzuspüren und alles zu tun, um zumindest die Ladung zu vernichten. Denn immer wieder werden die Roten im Vollrausch zu wilden Teufeln. Sie wissen und haben längst begriffen, dass sie zum Untergang bestimmt sind – entweder in den Reservaten oder in Freiheit, gejagt von der Armee und den Milizen der weißen Siedler und Landsucher.

Also betäuben sie sich mit Feuerwasser, wenn sie welches bekommen, und geben alles dafür her. Denn dann können sie sich wieder als gewaltige und stolze Krieger fühlen und an den großen Sieg über die »Wasicuns« und deren »Mila Hanskas« glauben.

Doch dieser Vance Garreter ist auf der Prärie nicht leichter zu finden als ein kleines Boot auf dem weiten Meer.

Als Jessup wieder einmal über eine der Bodenwellen reitet, da sieht er in der flachen Senke drei Pferde stehen.