G. F. Unger Sonder-Edition 99 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 99 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Seit Jahren ist John Stone auf der Flucht vor den Killern, die ein unbekannter Drahtzieher auf seine Fährte hetzt. Nun aber ist er es satt, sich ständig jagen zu lassen. Und er will endlich Klarheit über den Mann, der nicht ruht und rastet, bis er ihn vernichtet hat. John Stone reitet auf seiner Zickzackfährte zurück. Er sucht all die Stationen auf, wo er sich als Marshal und Städtebändiger einen Namen gemacht hat. Es dauert lange, bis er erkennt, dass er es nicht mit einem unversöhnlichen Rächer zu tun hat, sondern mit jemandem, der verhindert will, dass John ihm bei einem geplanten Verbrechen in die Quere kommt ...

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Seitenzahl: 181

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Schatten folgen seiner Fährte

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4142-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Schatten folgen seiner Fährte

1

Es ist schon fast Mittag, als er erwacht und den Kopf zur Seite dreht im weichen Daunenkissen. Neben ihm liegt Eveline Summer, die Besitzerin des Yellow Bird Saloons von Golden Hill. Und sie ist schön, diese Eveline Summer, reizvoll und voller Lebenslust, ganz und gar eine reife Frau, die es noch einmal wissen will, bevor sie in die Jahre kommt.

Er betrachtet sie, hört sie ruhig atmen und denkt: Ich könnte sie heiraten. Ja, sie würde mich nehmen. Und sie bräuchte einen Mann wie mich. Ich könnte mir meinen Lebensunterhalt mit ihr zusammen ehrlich verdienen. Sie brauchte mich nicht auszuhalten, ich wäre mein Geld wert. In dieser wilden Stadt kann eine Frau auf Dauer keinen Saloon führen. Sie braucht einen Nachfolger für ihren Mann, den vor einem Jahr ein ertappter Falschspieler erschoss. Wir könnten gute Dollars machen und eines Tages als wohlhabende Leute von hier fortgehen …

Er bricht seine Gedanken ab. Denn er verspürt plötzlich wieder jene feinen Warnsignale seines Instinktes. Er kennt diese unheilvollen Ahnungen und weiß sie längst zu deuten.

Irgendwie ergeht es ihm wie einem Wolf, der von seinem Instinkt gewarnt wird, wenn irgendwo Jäger die Grenzen seines Reviers überschreiten, wenn sie sich ihm nähern und bald auf ihn Jagd machen werden.

Solch ein Einzelgängerwolf spürt das genau, auch ein Tiger im Dschungel.

Und so etwa ergeht es ihm. Denn er hat das schon oft genug erlebt. Er hat immer wieder Schatten auf der Fährte, denen er zwar manchmal für eine Weile entkommen kann, von denen er aber bisher stets irgendwann wieder eingeholt werden konnte.

Als er mit seinen Gedanken so weit ist, erhebt er sich sachte aus dem breiten Doppelbett. Es ist ein prunkvolles, sogenanntes Französisches Bett, das Eveline einst aus New Orleans kommen ließ.

Er ist völlig nackt. Sein hagerer Körper besitzt nicht ein einziges Gramm zu viel Fleisch, obwohl er seit einigen Wochen recht bequem und komfortabel lebte. Er mag etwas mehr als einsachtzig groß sein und bei aller Hagerkeit um die achtzig Kilo wiegen. Denn er hat starke Knochen. Seine Handgelenke sind fast so breit wie die Handrücken.

Leicht wie ein Federgewicht tritt er ans Fenster und zieht die Gardine ein wenig zurück. Es ist ein Eckfenster. Er kann die Hauptstraße hinauf nach Süden und über die Straße zur anderen Seite hinüber auf das Restaurant blicken.

Er sieht reges Treiben. Auch Lärm tönt herauf durch das geschlossene Fenster. Dieser Lärm ist wie das ständige Summen eines gewaltigen Bienenhauses, und in den Nächten klingt es anders als bei Tag.

Denn rings um Golden Hill wird Silber und Gold gefunden.

Und als der Run losbrach, da kamen sie alle – die Guten und die Bösen, die Reinen und die Sündigen, die Redlichen und die Betrüger – und all die vielen, vielen Schattierungen dazwischen.

Und alle wollten auf ihre Weise zu Erfolgen kommen. Auch er gehörte dazu.

Und er ging in den Yellow Bord Saloon und sah Eveline Summer.

Sie schien nur auf ihn gewartet zu haben, obwohl jeden Tag und jede Nacht mehr als tausend Männer in der Stadt waren. Aber sie schien nur auf ihn gewartet zu haben. Und sie schien sich seinetwegen ganz sicher zu sein, nachdem sie in seine hellgrauen Augen geblickt hatte.

Und jetzt verbringt er die Stunden zwischen dem Morgengrauen – wenn sie den Saloon geschlossen haben – und dem frühen Mittag mit Eveline Summer in dem Luxusbett aus New Orleans.

Wieder denkt er: Ja, wir könnten heiraten, wenn nicht meine Vergangenheit wäre, deren Schatten mir nachkriechen.

Er verspürt das warnende Gefühl seines Instinkts plötzlich sehr stark. Und weil das so ist, blickt er noch einmal auf die Straße hinauf nach Süden.

Und da sieht er sie kommen.

Ja, es sind die drei Cassedys, Bud, Ben und Bac Cassedy, Menschenjäger.

Schon zweimal entkam er ihnen.

Und jetzt?

Er spürt in sich einen bösen, heißen Zorn aufsteigen, einen Zorn, der zerstören und vernichten will. Er möchte nicht wieder flüchten müssen, um dann schließlich doch wieder eingeholt zu werden, obwohl er seine Fährte verwirrte und alles tat, sie unverfolgbar zu machen.

Er möchte diesmal besonders gerne bleiben.

Denn da ist Eveline Summer. Sie und er würden ein Paar sein, das sich gesucht und gefunden hat. Und er weiß, dass auch Eveline sich nach einem anderen Leben in einem anderen Land sehnt, nach einem neuen Anfang.

Wenn sie diesen Saloon nur noch ein Jahr lang zusammen hätten führen und dann gut verkaufen können …

Er unterbricht abermals seine Gedanken, denn er weiß, sie führen nur zu Wünschen, die unerreichbar sind.

Denn dort unten kommen die drei Cassedys.

Und er hat die Wahl.

Entweder stellt er sich ihnen, kämpft es aus mit ihnen und bleibt vielleicht Sieger und am Leben.

Oder aber er ergreift abermals die Flucht und verzichtet auf alles, was Eveline und er sich gegenseitig geben könnten bis ans Lebensende.

Dann würde er wieder einsam seine Zickzackfährte reiten, und die kalte Einsamkeit würde ihn bitter und hart machen, unduldsam und feindlich gegen die ganze Welt.

Was soll er tun?

Diese Frage stellt er sich, indes er durch den schmalen Gardinenspalt beobachtet, wie die drei Cassedys ihre Pferde an die Haltestange vor dem Restaurant gegenüber lenken, absitzen, sich witternd umsehen und dann im Restaurant verschwinden. Sie müssen hungrig wie die Wölfe nach einem Blizzard sein, denkt er.

Was soll er tun? Kämpfen und bleiben wollen? Oder abhauen, kneifen und auf alles verzichten.

Wieder blickt er auf das Bett und auf die reizvolle Frau.

Nach langer Zickzackfährte fand er hier dieses Glück. Ja, es ist ein Glück für ihn, ein Geschenk des Schicksals.

Er kam aus einer kalten und unheilen Welt, die erbarmungslos ist zu Männern seiner Sorte. Und er fand Wärme und Zärtlichkeit, einen Menschen, der ihn brauchte, sodass er nicht nur nahm, sondern auch geben konnte.

Aber jetzt …

Oh, er weiß, dass er sich entscheiden muss. Sofort.

Die drei Cassedys werden nur ihren Hunger stillen und dann nach ihm zu suchen beginnen. Wahrscheinlich wissen sie sogar, wo sie ihn finden können, weil sie für gutes Geld ihre Spürhunde in alle Städte schickten, die in Frage kommen.

Er muss sich sofort entscheiden.

Aber wenn er bleiben will, wird er kämpfen und töten müssen.

Und weil sie zu dritt auf ihn losgehen werden, darf er keine stolzen Regeln einzuhalten versuchen. Er wird kämpfen müssen ohne Fairness, einzig und allein ums Überleben.

Wenn er gewinnt, kann er bei Eveline bleiben.

Wenn er verliert, wird er tot sein.

Und wenn er flüchtet, wird er nicht töten müssen und kann auch selbst nicht getötet werden.

In dieser Minute muss er sich entscheiden.

In seinen Blick, den er auf Eveline gerichtet hält, tritt der Ausdruck von Bedauern.

Dann beginnt er sich anzukleiden. Aber er zieht sich nicht seinen Stadtanzug an, sondern kleidet sich so wie für einen Ausritt. Bevor er seine Jacke anzieht, legt er das Schulterholster an mit dem kurzläufigen Colt, den man am Spieltisch sitzend sehr viel schneller ziehen kann als eine langläufige Waffe aus dem Hüftholster.

Doch auch einen Waffengurt mit einem Linksholster legt er sich um die Hüften.

Nun ist er fertig bis auf ein paar Kleinigkeiten, die er auf den Tisch legte, eine Uhr, ein Taschenmesser, die Geldbörse und die Brieftasche, ein Taschentuch und einen Ring besonderer Art. Es ist der Ring, den alle Absolventen der Militärakademie West Point erhalten, wenn sie von dort als Offiziere abgehen.

Aber er trägt ihn schon lange nicht mehr an der Hand, sondern nur noch in der Westentasche.

Als er fertig ist, blickt er noch einmal auf Eveline Summer.

Sie schläft immer noch tief und fest, aber das ist kein Wunder, denn sie kamen erst im Morgengrauen ins Bett.

Das bittere Bedauern in seinem Blick wird noch stärker erkennbar.

Und einen Moment lang zögert er, fragt sich, ob er das, was er jetzt tun will, wirklich tun soll.

Doch dann entschließt er sich endgültig.

Als er sich zur Tür bewegt, ist er leise wie ein Schatten.

Und dann gleitet er hinaus.

Die Tür hinter ihm schließt dann einen Lebensabschnitt ab, und so kurz dieser Abschnitt auch gewesen sein mag – er hätte nicht bedeutsamer sein können für ihn.

I

Er hat keinerlei Gepäck bei sich. Deshalb sieht alles nach einem kurzen Ausritt aus, den er fast jeden Tag unternimmt, um sein gutes Pferd zu bewegen und auch selbst frische Luft zu bekommen und körperlich nicht einzurosten.

Im Sattelholster aber steckt ein Gewehr, das der Stallmann für ihn aufbewahrt hat, weil er es nie durch die Straßen tragen wollte zwischen Saloon und Mietstall hin und her.

Er reitet ruhig aus der Stadt – aber dann verlässt er schon bald den Hauptweg und schlägt durch den Red Valley Canyon den Weg nach Westen ein.

Der Canyon ist etwa zwanzig Meilen lang, und überall sind die Claims und Minen. Überall wird nach Silber und Gold geschürft. Erzwagen sind unterwegs, auch Reiter und Maultierkarawanen, hochbepackt mit allerlei Lasten, die man in Wagen nicht in die Berge schaffen kann.

Als es Abend wird, reitet er aus dem Canyon in das weite Tal und sieht vor sich die Lichter von Best Chance.

Es ist eine Campstadt.

Und er möchte dort wenigstens seinen Hunger stillen und ein paar Vorräte und etwas Ausrüstung kaufen.

Ja, er glaubt, dass sein Vorsprung vor den Cassedy-Brüdern groß genug ist. Er reitet auf die Lichter zu.

Sein Magen knurrt.

Er denkt an Eveline Summer – und das Bedauern in ihm wird zu einer tiefen Bitterkeit, aus der schnell ein böser und wilder Zorn entstehen könnte.

Denn er ist ja kein Heiliger, sondern ein vitaler Mann.

Er denkt an ein Wort, das hieß: Jeder Augenblick des Daseins wird vom Vergangenen geprägt – aber jeder Augenblick wird auch die Zukunft bestimmen.

Oder ist das nicht so?

Er weiß es nicht.

Als er dann die wilde Minen- und Goldgräberstadt erreicht, hält er wirklich nur so lange an, bis er gegessen und die notwendigen Dinge eingekauft hat.

Dann reitet er weiter.

Erst gegen Mitternacht sucht er sich einen guten Platz für sein Camp.

Bald schläft er tief und fest.

Nicht einmal mehr an Eveline und an die Cassedys denkt er.

Es war ein langer Tag. Er ist mehr als dreißig Meilen geritten.

Und diese langen Ritte ist er schon nicht mehr gewöhnt.

Am nächsten Tag kommt er nach dem Frühstück, das er sich an einem kleinen Feuer bereitet, noch etwa eine Stunde weiter. Als er die Hügellücke erreicht, durch die der schmale Weg nach Westen führt, taucht vor ihm ein Reiter auf. Der Reiter reitet von links auf den Weg und wartet.

Es ist Bud Cassedy, der Älteste der Brüder.

Ganz ruhig erwartet er ihn, hat die Hände auf dem Sattelhorn und grinst.

»Hallo, John Stone«, sagt Bud Cassedy schließlich.

»Da sitzt du aber übel in der Falle. Ist dir das auch richtig klar?«

John blickt nach links und rechts zu den Hügeln hinauf, und er weiß, dass dort die beiden anderen Cassedy-Brüder lauern und ihn sicherlich über Kimme und Korn ihrer Gewehre anvisieren.

Wenn er eine Bewegung macht, die ihnen nicht gefällt, werden sie abdrücken.

Dass sie es noch nicht taten, liegt allein daran, dass Bud mit ihm reden möchte.

Bud Cassedy sagt immer noch grinsend: »Nachdem wir deine Richtung kannten, mussten wir nur lange und weit genug reiten. Dann konnten wir dich erwarten. Du bist nicht lange genug im Sattel geblieben, hast zu früh dein Nickerchen gemacht. Na, wie gefällt dir unsere Tüchtigkeit?«

»Gar nicht«, erwidert John Stone. »Ihr seid schon verdammt lange hinter mir her. Wer wird euch die Kopfprämie bezahlen? Kannst du mir das noch sagen, damit ich im Jenseits auf diesen Burschen niederspucken kann? Was also hat mich eingeholt?«

Aber Bud Cassedy lacht nur als Antwort auf diese Frage.

Erst dann erwidert er: »Es ist unser Prinzip, unseren Auftraggeber niemals zu verraten. Und dabei bleibt es. Du aber hast wohl viele Schatten auf der Fährte, nicht wahr? Du hast dir überall Feinde gemacht, die sich an dir rächen möchten. Dir folgen die Brüder oder Freunde von Toten – oder auch angeworbene Kopfjäger wie wir. Du bist uns in drei Städten haarscharf entkommen. Das hat unseren Ehrgeiz nur angestachelt. Aber jetzt …«

Er will die Hand heben, um das Zeichen zu geben.

Doch John Stone ist jetzt so schnell wie ein Wildkater. Als er sich seitwärts vom Pferd wirft, brennt ihm eine Kugel wie ein Peitschenhieb über den Rücken, aber er landet auf Händen und Füßen im kniehohen Dornenbuschwerk. Es gibt ihm keine Deckung, und er rollt auf den Rücken, hat den Colt heraus und schießt liegend aus der Rückenlage schräg nach oben.

Seine Kugel stößt Bud Cassedy aus dem Sattel.

Nun springt er auf.

Und die »Hasenjagd« auf ihn beginnt.

Denn er kann nichts anderes tun als springen, Haken schlagen, laufen, hetzen. Er muss schneller sein als die beiden Gewehrschützen mit dem Zielen.

Was er tut, hat er von den Apachen gelernt.

Noch zweimal spürt er Streifschüsse wie Bullpeitschenschläge. Doch dann gelangt er in die Deckung einiger großer Steine am Fuß des Hügels zu seiner Rechten.

Keuchend verharrt er, den Colt in der Faust. Und er weiß, dass er bis jetzt ein unwahrscheinliches Glück hatte.

Aber er war auch unheimlich schnell, zu schnell selbst für sichere Gewehrschützen. Doch er ist noch längst nicht aus der Patsche. Sobald er sich aus dem Schutz der Deckung wagt, wird zumindest das Gewehr von der gegenüberliegenden Seite der Hügellücke zu feuern beginnen.

Nur der Mann über ihm auf dem Hügel bedeutet vorerst keine große Gefahr mehr. Denn dieser Mann müsste sich weit aus seinem Versteck beugen, um schräg nach unten auf ihn schießen zu können.

Was soll er tun?

Er kann hier nicht ewig warten und auf ein Wunder hoffen.

Die beiden Cassedys werden sich etwas einfallen lassen. Sie sehen beide ihren Bruder bewegungslos auf dem Boden liegen, und dies wird sie zur Rache antreiben bis zur Selbstopferung.

Er muss also weiter hinauf und es mit dem Burschen über ihm austragen.

Und so springt er wieder aus der Deckung, und schon schlägt eine Kugel dicht neben seinem Kopf gegen einen Stein und trifft ihn fast als Abpraller. Steinsplitter verletzen sein Gesicht, aber er achtet nicht darauf.

Wieder bewegt er sich schnell, doch jetzt ist das schwieriger, denn er muss ja den Hügel hinauf. Dann und wann findet er Deckung, weil der steile Hang da und dort mit großen Steinen oder Felsen bestückt ist und es auch einige große Mesquitebüsche gibt.

Aber immer wieder muss er zwei, drei, vier Sprünge ohne Deckung wagen und bietet den Schützen gegenüber ein zwar sich schnell bewegendes, doch gut erkennbares Ziel.

Doch er wird nicht getroffen.

Und so gelangt er nach oben und wirft sich über einen felsigen Rand, rollt über den Boden und versucht den Gegner, der ihn hier oben erwarten wird, dabei zu erkennen.

Ja, er sieht ihn.

Ben Cassedy steht breitbeinig mit dem schussbereiten Colt da und wartet nur darauf, dass er nicht mehr über den Boden rollt, sondern einen Moment verharrt.

Aber das tut er nicht. Er schießt aus der rollenden Bewegung heraus. Zwar trifft er Ben Cassedy nicht voll, aber er verwundet ihn. Cassedy brüllt böse und schmerzvoll, zuckt zusammen, schießt dabei, fehlt ihn – und dann schießt John Stone noch einmal und trifft ihn besser.

Er bleibt keuchend am Boden liegen. Denn er hat sich in rasender Bewegung befunden, wie es nur ein Mensch zu Stande bringt, der verzweifelt um sein Leben kämpft.

Erst nach einer Weile erhebt er sich und bewegt sich geduckt zu Ben Cassedy hinüber.

Vom gegenüberliegenden Hügel brüllt Bac Cassedys Stimme wild herüber: »Hoiiii, Ben, hast du ihn erwischt? Gib Antwort, Ben! Ben, verdammt, gib Antwort!«

Aber Ben Cassedy kann keine Antwort mehr geben. Als John Stone bei ihm ist und auf ein Knie fällt, öffnet Ben Cassedy zwar noch einmal die Augen und auch seine Lippen bewegen sich – aber es ist nur ein Fluch, den er heiser und mit letzter Kraft flüstert.

Dann stirbt er.

Und John Stone stöhnt bitter.

Zwei der Cassedys hat er schon töten müssen und blieb dabei wie durch ein Wunder am Leben, und er weiß, es ist immer noch nicht beendet. Er wird es auch mit Bac Cassedy austragen müssen. Denn dieser will den Tod seiner Brüder rächen. Es geht ihm jetzt nicht mehr um das Kopfgeld, um die sogenannte Abschussprämie, die irgendein Auftraggeber ihm zahlen wird.

Ginge es nur darum, so würde Bac Cassedy vielleicht aufgeben.

Doch er will jetzt den Tod seiner Brüder rächen.

Und wieder erhebt sich für John Stone die Frage: Was soll ich tun?

Aber eigentlich hat er gar keine Wahl mehr.

Denn sein Pferd steht dort unten. Dicht daneben verharrt Bud Cassedys Tier.

Und auch die Pferde von Ben und Bac sind irgendwo dort unten.

Er aber kann in diesem Land nur zu Pferd am Leben bleiben.

Bac Cassedy braucht ihn nach Anbruch der Dunkelheit nur bei den Pferden zu erwarten. Und genau das wird er tun.

2

Als die Nacht schon fast mit dem Sterben beginnt, um dem heraufkommenden Tag zu weichen, da erfüllt sich auch das Schicksal des dritten Cassedys.

John Stone hat lange gewartet, gezögert und sogar gehofft, dass Bac Cassedy aufgeben und verschwinden würde.

Doch Bad Cassedy wartet.

Als John Stone dann leise wie ein Schatten kommt, gibt Bac Cassedy den ersten Schuss ab. Aber er trifft John Stone nicht gut genug.

Noch bevor er den zweiten Schuss abgeben kann, bekommt er Stones Kugel ins Herz.

Und damit ist es vorbei und aus mit den Cassedy-Brüdern, die sich im Südwesten zu beiden Seiten der Grenze einen traurigen Ruhm als Menschenjäger erwarben und sogar für Prämien Apachenskalpe beibrachten.

Als es dann Tag wird, pflegt John Stone seine Wunden.

Zum Glück hat er jetzt reichlich Proviant und Wasser, weil er ja alles erbeutete, was die Cassedy-Brüder mit sich führten.

Er verlegt seinen Campplatz mühsam um eine halbe Meile, um nicht in der Nähe der Toten sein zu müssen. Denn um die drei Toten zu bestatten, dazu fehlt ihm die Kraft. Er erhielt mehrere Streifschüsse und eine gefährlich blutende und heftig schmerzende Wunde über der Hüfte. Alles zusammengenommen kann man sagen, dass er ziemlich böse angeschossen wurde.

Aber er blieb am Leben.

Und indes er zwei Tage und drei Nächte so liegt, seine Wunden pflegt und sich langsam erholt, weil er das Glück hat, dass die Wunden sich nicht entzünden, denkt er fortwährend darüber nach, werihm die drei Killer auf die Fährte setzte und für seinen Tod zahlen wollte.

Fortwährend denkt er darüber nach und verfolgt in seinen Gedanken alle Stationen seines Lebens – und seiner Zickzackfährte während der letzten Jahre.

Ja, er hat sich Feinde gemacht, viele Feinde.

Aber wer von diesen Feinden sendet so beharrlich immer wieder gedungene Killer hinter ihm her? Diesmal waren es die drei Cassedys.

Wer wird es demnächst sein?

Denn er weiß jetzt, dass er nicht sehr lange wird Ruhe haben. Selbst wenn er wieder eine Stadt finden sollte, wo er bleiben könnte, wenn er wieder einen Platz finden würde, wo man ihn gern behielte, so wie bei Eveline Summer im Yellow Bird Saloon zu Golden Hill – er würde sich nicht sehr lange sicher fühlen können. Irgendwann – das weiß er jetzt endgültig mit Sicherheit – wird er abermals Schatten auf der Fährte haben.

Er müsste nicht nur seinen Namen, sondern auch sein ganzes Aussehen ändern, und er müsste wahrscheinlich auf einen ganz anderen Kontinent fliehen, um Ruhe zu haben.

Soll er das tun?

Immer dann, wenn er sich diese Frage stellt, kommt ein grimmiger Trotz in ihm hoch. Verdammt, er ist nie ein Killer gewesen, hat stets nur als Marshal, Sheriff oder als Beschützer von Geschäftsleuten, die mit viel Bargeld reisten, oder als Begleiter von Gold- und Silbertransporten seine Pflicht getan.

Soll er deshalb bis ans Ende der Welt flüchten müssen vor einem Feind im Hintergrund, dessen Macht allein wahrscheinlich nur auf Grund großer Geldmittel besteht, die es ihm ermöglichen, immer wieder Killer und Menschenjäger zu kaufen und auf ihn anzusetzen.

Als der dritte Tag anbricht, kommt er endlich zu einem Entschluss.

Nein, er wird nicht abermals flüchten, nicht versuchen, seine Fährte zu verwischen. Und er wird nicht noch einmal an irgendeinem Ort, an dem er gerne bleiben würde, mit zunehmender Unruhe und Sorge darauf warten, dass ihn die Schatten auf seiner Fährte nachgekrochen kommen und einholen.

Nein, jetzt wird er es anders machen.

Er wird auf seiner Zickzackfährte zurückreiten.

Und irgendwann und irgendwo wird er dann auf die Quelle oder den Ausgangspunkt all des Unheils stoßen, das ihn verfolgt.

Ja, er ist jetzt davon überzeugt, dass es nur ein einziger Feind ist, der ihn so beharrlich verfolgen lässt.

Nur einer!

Aber er muss ihn finden.

Und so entschließt er sich an diesem Morgen.

Gesund ist er noch längst nicht wieder. Doch sein Wasservorrat ist bald aufgebraucht. Er muss zurück zu Menschen.

Die Pferde der Cassedys ließ er längst schon laufen. Sie hätten seinen Wasservorrat zu schnell verbraucht.

Er macht sich an diesem dritten Tag nach der dritten Nacht auf den Weg zurück. Doch um Golden Hill, wo er Eveline Summer ohne Abschied weggelaufen ist, wird er einen Bogen machen.

Er kann ja auch sicher sein, dass sein Feind nicht dort wohnhaft ist.

Die Cassedy-Brüder waren schon lange hinter ihm her, und zweimal entkam er ihnen.

Der Feind, der seinen Tod will, muss weiter in seiner Vergangenheit leben.

I