G. F. Unger Sonder-Edition Collection 1 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition Collection 1 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

5 spannende Westernromane von G. F. Unger lesen, nur 4 bezahlen!


G. F. Unger wird zu Recht als der beliebteste und erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor gefeiert. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Seine Epoche ist das späte 19. Jahrhundert, seine Schauplätze sind die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens, deren Grenzen von unerschrockenen Frauen und Männern immer weiter nach Westen verschoben werden, bis sie schließlich die Küste des Pazifiks erreichen.

Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.


Dieser Sammelband enthält die Folgen 1 bis 5 der G. F. Unger Sonder-Edition:

Folge 1: Verlorene Stadt

Folge 2: Jamie und Clyde

Folge 3: Texas-Marshal

Folge 4: Flucht durch den Blizzard

Folge 5: Pferdejäger

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 909

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Coverillustration: Manuel Prieto/Norma ISBN 978-3-7325-6723-2

G. F. Unger

G. F. Unger Sonder-Edition Collection 1 - Western-Sammelband

Inhalt

G. F. UngerG. F. Unger Sonder-Edition 1 - WesternDie Geschichte der Menschheit bestätigt immer wieder die Worte Vilfredo Paretos: "Solange die Sonne leuchtet über dem Unglück der Menschen, wird das Schaf vom Wolf gefressen werden." Das genau sind die Worte des großen Soziologen. Und wer kann sich darüber wundern, dass es schon immer Menschen gab, die diese Worte zwar nicht kannten, aber dennoch zur gleichen Erkenntnis kamen und danach lebten? Vielleicht ist dies auch eine Erklärung dafür, dass der Wilde Westen damals so erbarmungslos gegen die Schwachen war.Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 2 - WesternSeit ich die schöne Jamie Boston zum ersten Mal sah, war ich verrückt nach ihr. Aber die Frau spielte die Unnahbare. Männer duldete sie nur am Kartentisch um sich. Deshalb hatte ich an diesem Abend mit ihr gepokert - was mich fast ein Vermögen kostete. Allerdings hatte ich damit gerechnet. Beim Pokern konnte ich ihr nicht das Wasser reichen. Außerdem spielte die schöne Jamie falsch, und nicht jeder ließ sich ungestraft von ihr die Haut abziehen. Mit dem jungen Donovan würde sie jedenfalls Ärger kriegen. Er hatte den Erlös einer Treibherde an sie verloren, und das durfte sein Vater nie erfahren. Jamie Boston saß höllisch in der Klemme. Sie brauchte Hilfe - Revolverhilfe. Ich Narr hielt den Moment für gekommen, mich bei ihr einzukaufen...Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 3 - WesternMit letzter Kraft schafft US Marshal Lin Adams den Weg zur Ranch der schönen Fee Allison. Wieder hat er im Namen des Gesetzes getötet und blieb selbst nicht unverletzt. Es ist ein harter Job, den er macht, und oft verflucht er sich deswegen. Besonders, wenn er bei Fee ist, fragt er sich nach dem Sinn seines Tuns, wünscht er sich einen festen Platz auf der Welt. Bei Fee könnte er ihn finden, dennoch treibt es ihn immer wieder fort von ihr auf Verbrecherjagd. Er weiß, die schöne Frau möchte ihn festhalten, und sie fragt sich, warum ihre Liebe nicht stärker ist als sein Hass auf die Bösen. Aber kann er ihr sagen, was die Triebfeder seines Handelns ist, welch düsteres Geheimnis sein Leben überschattet?Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 4 - WesternBen Crown ist Hunderte von Meilen geritten, um die schöne Lucy Galloway zu ihrem Vater zurückzuholen, doch dann hat er sie dennoch weiterziehen lassen. Mit einem Spieler und Halunken. Gegen den ausdrücklichen Befehl seines Ranchers und obwohl er Lucy liebt. Aber Lucy erklärte ihm, dass sie mit Jim Cogburn freiwillig von zu Hause fortlief, dass sie dessen Frau wurde und ein Kind von ihm erwartet. Und Ben akzeptierte ihre Entscheidung, versprach Lucy sogar seine Hilfe. Ja, Ben wird die die geliebte Frau niemals im Stich lassen. Ein Zeichen von ihr, und er wird zur Stelle sein. Selbst wenn er sie dem Schlund der Hölle entreißen müsste!Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 5 - WesternDie Fährte der Banditenhorde, die unsere Ranch niedergebrannt und Rosalyn, meine Schwester, geraubt hatte, war leicht zu verfolgen. Sie führte in eine kleine Stadt am Rande des Mesalandes. Hier aber brach sie ab, und die Chance, die Mordbrenner und Frauenräuber jemals aufzuspüren, war gleich null. Im Mesaland hausten die Gesetzlosen. Ein Fremder, der sich hier Zutritt verschaffte, hatte sein Leben verwirkt. Was also sollte ich tun? Aufgeben? Rosalyn ihrem grausamen Schicksal überlassen? Fieberhaft suchte ich nach einer Möglichkeit. Ich glaubte sie gefunden zu haben, als mir die Idee kam, die Verfolgung der Bande als Pferdejäger getarnt fortzusetzen...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Verlorene Stadt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Vorschau

Verlorene Stadt

Die Geschichte der Menschheit bestätigt immer wieder die Worte Vilfredo Paretos:

»Solange die Sonne leuchtet über dem Unglück der Menschen, wird das Schaf vom Wolf gefressen werden.«

Das genau sind die Worte des großen Soziologen. Und wer kann sich darüber wundern, dass es schon immer Menschen gab, die diese Worte zwar nicht kannten, aber dennoch zur gleichen Erkenntnis kamen und danach lebten?

Vielleicht ist dies auch eine Erklärung dafür, dass der Wilde Westen damals so erbarmungslos gegen die Schwachen war.

G. F. Unger

1

Als der Sheriff aus dem Office tritt, kann er das Unheil wittern. Es liegt in der Luft wie ein Gestank.

Hank Jennings – so heißt der alte Sheriff – ist erfahren genug. Sein Instinkt ist wie der eines alten, narbigen Wolfes, der die Nachteile seines Alters durch reiche Erfahrung ausgleicht.

Er setzt sich langsam in Bewegung und geht die einzige Straße von Rio Bend hinunter in Richtung Fluss. Diese Hauptstraße wird nur von einigen Gassen durchschnitten.

Es ist früher Morgen.

Die kleine Stadt an der Flussbiegung ist noch nicht richtig wach. Die alte Elvira Pickerton schüttet wieder den Inhalt ihres Nachtgeschirrs aus dem Eckfenster in die schmale Gasse aus. Der alte Sheriff sieht es aus den Augenwinkeln. Er hat die Alte schon mehrmals verwarnt, und heute wäre sie endlich mit einer Geldstrafe an der Reihe, doch er tut so, als hätte er nichts bemerkt, und geht leicht hinkend weiter. Er ist wegen seines linken Beins, das einmal ziemlich schlimm von einer Schrotladung zerschossen wurde, nicht mehr besonders gut zu Fuß. Nur im Sattel wirkt er zehn Jahre jünger.

Als er die Einfahrt zum Hof der Schmiede erreicht, hält er inne und blickt in die halboffene Werkstatt. Ja, dort ist Chet Cannon schon tätig. Aus dem Kamin der Schmiedeesse quillt der erste Rauch. Im Schein des Schmiedefeuers bewegt sich Chet Cannons hagere, zäh wirkende Gestalt. Er betätigt den Blasebalg, um die nötige Hitze in das Feuer zu bekommen.

Bald werden Hammerschläge aus der Schmiede in den Morgen klingen und die Stadt vollends zum Leben erwecken.

Der alte Sheriff denkt in diesen Sekunden, indes er verhält und in die Schmiede blickt, darüber nach, ob Chet Cannon, der sein ehrenamtlicher Deputy und Stellvertreter ist, zu ihm halten wird, wenn die Wilde Horde durch die Furt kommt.

Und wenn Chet Cannon zu ihm halten sollte, was würde dann sein?

Hätten sie eine Chance?

Und könnte er von Chet Cannon verlangen, an seiner Seite zu sterben?

Denn sie wären ja verdammt allein.

Die Stadt würde ihnen nicht beistehen. Das wurde gestern schon in der Bürgerschaftsversammlung geklärt, obwohl er den Leuten klarzumachen versuchte, dass River Bend verloren sei, wenn sie sich nicht hinter ihn stellen würden.

Hank Jennings entschließt sich plötzlich.

Er geht hinein in den Hof der Schmiede und nähert sich langsam dem Mann am Blasebalg. Chet Cannon sieht ihm entgegen und hält dann in seiner Bewegung inne. Der alte Sheriff tritt zu ihm. Einige Sekunden lang blicken sie sich an.

Und plötzlich weiß Hank Jennings, dass dieser Mann da zu ihm halten wird bis in die Hölle und zurück; er spürt es, obwohl sie schweigen und sich nur ansehen. Aber er spürt es.

Aber weil das so ist, fragt er sich, ob er das Opfer dieses Mannes annehmen darf. Denn sie würden verlieren.

Allein hätten sie keine Chance. Trotzdem würde Chet Cannon nicht kneifen.

Warum nicht?

Diese Frage stellt sich der alte Sheriff. Und er glaubt, ziemlich sicher die Antwort zu wissen. Eigentlich hat er es immer schon geahnt, dass dieser Schmied nicht immer Schmied war, sondern eine ganz andere Vergangenheit besitzt. Und wahrscheinlich ist seine junge und so reizvolle Frau der Grund, dass Chet Cannon hier in River Bend als Schmied ein neues Leben begann.

Und er ist ein guter Schmied.

Hank Jennings entschließt sich plötzlich.

»Ich werde aufgeben«, sagt er heiser. »Denn wir beide haben keine Chance ohne die Hilfe der Bürgerschaft. Deine Frau würde zwar auch noch als Witwe schön sein, aber sie wäre eben nur noch eine schöne Witwe. Und ich würde zwar stolz sterben, aber tot sein. Mein Aufgeben wird keine Feigheit sein, und deshalb werde ich damit leben können. Gib mir also den Stern zurück.«

Er streckt die Hand aus.

Chet Cannon blickt immer noch in die alten Falkenaugen.

Und wieder verstehen sie sich gut.

Schließlich greift Chet Cannon in seine Hemdtasche, holt dort den Blechstern eines Deputies heraus und legt ihn in die Hand des Sheriffs.

Dieser sagt: »Geh fort aus dieser Stadt, mein Junge, geh fort mit deiner reizvollen Frau. Denn diese Stadt ist nun verloren, so verloren wie ein Mann, der sich aufgibt.«

Nach diesen Worten wendet er sich ab, geht aus dem Hof der Schmiede und setzt seinen Weg fort, der ihn zur River-Furt führt.

Als er die letzten Häuser hinter sich lässt, bekommt er freien Blick auf den Rio Grande, den die Mexikaner auf der anderen Seite nicht Rio Grande, sondern Rio Bravo nennen.

Hank Jennings blickt hinüber. Dort drüben ist Mexiko. Und hinter den grünen Hügeln lebt eine wilde Horde von Banditen. Einen davon hat der alte Sheriff in seinem Gefängnis, das nur aus zwei Gitterzellen besteht.

Und wenn er ihn bis heute Mittag nicht freilässt, dann wird die Wilde Horde über den Fluss kommen und die Stadt kleinmachen.

So lautet die Drohung.

In Hank Jennings Blick ist ein bitteres Bedauern.

Dies, hier sollte sein letzter Job sein. Hier wollte er eines Tages bleiben und von seinen recht kargen Ersparnissen leben. Zur nächsten Sheriffswahl wollte er sich nicht mehr stellen.

Doch jetzt wird er fortgehen.

Allein kann er die Stadt nicht mehr schützen. Ohne die Hilfe der Gemeinschaft ist dies nicht mehr möglich.

Diese Stadt ist verloren, denkt er bitter. Dabei hätten wir es schaffen können, wären sie hier nur mutig genug. Dann wäre Rio Bend binnen weniger Jahre aufgeblüht und gewachsen. Das Land hier besitzt grüne Hügel und fruchtbare Täler, viele Creeks und Wasserstellen, kleine und größere Seen.

Gewiss, es ist ein unübersichtliches Land mit tausend verborgenen Winkeln, in denen Geächtete und Gejagte leben, die auf geheimen Pfaden reiten.

Deshalb hätte von dieser Stadt Recht und Gesetz ausgehen müssen, so wie die Ringe auf einer Wasseroberfläche, wenn man einen Stein hineinwirft.

Aber nun …

Der alte Sheriff setzt sich am Ufer auf einen Stein und blickt hinüber. Aus der Westentasche holt er einen Zigarrenstummel, betrachtet ihn prüfend und entschließt sich, ihn anzuzünden, obwohl er fast glaubt, dass es sich nicht mehr lohnt, weil er zerblättern wird.

Auch ich bin eigentlich nur noch so ein alter Stummel, denkt er und pafft dann grimmig den blauen Rauch in die Luft.

***

Als er in die Stadt zurückkommt, vom Fluss herauf, ist es schon fast Mittag. Nun ist die Stadt lebendig.

Die Postkutsche kam von Norden her durch den Spaniol Canyon und lud einige Fahrgäste und Pakete aus, auch zwei Postsäcke.

Man hört das Hämmern des Schmieds und des Sattlers. Aus der Schreinerei tönt das Geräusch einer Säge. Der Saloon hat geöffnet, im Restaurant wird es bald Mittagessen geben.

Der Sattler, der Storehalter, Elvira Pickerton, die einen Schneiderladen betreibt, Ben Miller von der Saat- und Futtermittelhandlung und auch Arch Parker, der Barbier, der mal bei der Armee Sanitätssergeant war und eine Menge von Schusswunden und Knochenbrüchen versteht, sind aus ihren Läden getreten und beobachten den alten Sheriff gespannt. Sie sehen ihn im Hof des Wagenhofes verschwinden, wo sich auch der Mietstall befindet und wenig später mit seinem gesattelten Wallach wieder herauskommen.

Langsam geht der Sheriff schräg über die Fahrbahn zu seinem Office hinüber, bindet den Wallach an und verschwindet im Office.

Was drinnen geschieht, wissen sie nicht.

Aber sie warten. Überall verharren die Menschen schweigend und warten.

Selbst auf den umliegenden Feldern und in den Gärten verharrt alles wie auf ein stillschweigendes Einverständnis – oder wie auf ein lautloses Signal.

Drinnen packt Hank Jennings schweigend seine wenigen Siebensachen, schnürt eine Sattelrolle und füllt zwei Packtaschen.

Dann trägt er alles hinaus, schnallt es am Pferd fest und holt dann sein Gewehr, das er ins Sattelhalfter schiebt.

Als er in die Runde blickt, wirkt er keineswegs verbittert, nein nun sieht er aus wie ein Mann voller Spott und Verachtung.

Nochmals verschwindet er im Office, betritt den Zellenraum und nimmt den Schlüssel von der Wand.

Er wirft ihn durch die Öffnung zwischen den Gitterstäben und sagt:

»Lefty Taggert, niemand wird dich aufhalten. Denn ich gebe auf und verschwinde von hier. Dein großer Bruder und deine Vettern haben gewonnen. Diese Stadt wird in Zukunft euch gehören. Und Burschen wie du werden hier in Zukunft ungestraft die schlimmsten Verbrechen begehen können.«

Der Gefangene erhebt sich von der harten Pritsche. Er ist noch jung, pickelgesichtig und strömt ständig eine wilde Bosheit aus.

»Ja, ich werde zuerst noch mal zum Storehalter gehen und ihn um die schöne Uhr bitten. Ich wette, diesmal muss ich ihm nicht den Revolver gegen den dicken Bauch drücken, damit er sie mir schenkt – diesmal nicht, hahaha!«

Der alte Sheriff hört nicht mehr auf das, was der junge Bandit sagt. Er geht hinaus, sitzt draußen auf und reitet nach Norden in Richtung Spaniol Canyon aus der Stadt, ohne sich einmal umzusehen.

Und die Stadt verharrt immer noch atemlos. Auch von den Feldern und aus den Gärten sehen die verharrenden Menschen den wegreitenden Sheriff. Denn das Land steigt an bis zum großen Maul des Spaniol Canyons. Man kann ihn in der trockenen und deshalb so klaren Luft deutlich erkennen.

Aber dann fahren die Köpfe der Leute plötzlich herum, richten sich auf den Eingang zum Office.

Dort kommt nun Lefty Taggert heraus – grinsend, großspurig und herausfordernd wirkend. Er hält am Rand des Plankengehsteigs an und wippt auf den Fußsohlen. Seine Daumen hat er in die Westentaschen gehakt und genießt seinen Triumph.

Denn er weiß jetzt: Rio Bend ist feige. Die kleine Stadt hat sich unterworfen. Und was er, Lefty Taggert, hier auch tun wird, er kann es ungestraft tun. Man wird es hinnehmen, ertragen.

Und das gefällt ihm.

Es ist ein wundervolles Erfolgserlebnis für ihn. Er kommt sich riesengroß und gewaltig vor.

Und das wollte er im Schatten seines großen Bruders Reb Taggert und seiner beiden Vettern Juan und Pasco schon immer sein.

Er trägt wieder seine beiden Revolver, die er sich drinnen im Office aus dem Regal nahm. Er trägt die beiden Waffen auf herausfordernde Art, nicht nur sehr tief geschnallt, sondern mit den Kolben nach außen.

Nachdem er das für ihn so wunderbare Gefühl ausgekostet hat auf wippenden Sohlen am Rand des Plankengehsteigs, setzt er sich in Bewegung.

Eigentlich ist er ein schmächtiger Bursche, mit einem krummen Rücken und X-Beinen. Ein Leichtgewicht. Dennoch ist er gefährlich wie eine Ratte.

Sein Weg führt ihn geradewegs zum Store hinüber.

Dort stand soeben noch der Storehalter James Baker vor der Tür.

Doch als Lefty Taggert sich in Bewegung setzte, verschwand der Storehalter.

Sie alle verschwinden nun in den Häusern und Läden. Und es ist irgendwie so; als wollten sie nichts mehr sehen und hören, als steckten sie jetzt alle hier in Rio Bend ihre Köpfe – symbolisch gesehen – unter die Kopfkissen, obwohl sie im Hause Banditen hören.

In diesem Moment gibt die kleine Stadt ihre Gemeinschaft auf, und plötzlich ist jeder hier allein.

Lefty Taggert stößt dicht vor dem Store ein heiseres Lachen aus.

Dann tritt er ein.

James Baker und dessen Frau Martha stehen hinter dem Verkaufstisch. Sie verharren stumm und bewegungslos.

Doch auf dem Tisch liegt die schöne Uhr, die Lefty vor einigen Tagen schon ohne Bezahlung haben wollte, wobei er seinen Wunsch mit schussbereitem Colt unterstützte.

Doch hinter ihm war damals der alte Sheriff in den Store gekommen und hatte ebenfalls einen schussbereiten Colt in der Faust gehalten. Lefty hätte sich erst umdrehen müssen, um seinerseits zum Schuss kommen zu können. Dieses Risiko war ihm zu groß. Also ergab er sich und wartete auf die Hilfe seines großen Bruders.

Nun also tritt er wieder in den Store.

Diesmal muss er nicht einmal einen seiner beiden Colts zur Hand nehmen.

Die Uhr liegt für ihn bereit als ein Opfer der Unterwerfung, ein Geschenk an den Mächtigen. Und dieser Mächtige ist der magere, krumme, x-beinige Lefty Taggert.

Er tritt langsam an den Ladentisch, nimmt die Uhr, hält sie ans Ohr und sagt enttäuscht: »Die tickt ja nicht. Verdammt, hast du sie nicht aufgezogen und richtig eingestellt? Was ist das für eine Bedienung hier!«

Er wirft sie dem Storehalter zu. Dieser kann sie nur mit Glück auffangen.

Aber er beginnt sie aufzuziehen, wortlos. Auch stellt er sie nach seiner Ladenuhr ein und reicht sie Lefty Taggert zurück.

Wieder hält der sie ans Ohr und lauscht auf das Ticken. »Und wann klingelt es da drinnen?« So fragt er nach einer Weile.

»Bei jeder vollen Stunde läutet es ein bis zwölfmal«, erwidert der Storehalter heiser. »Es ist eine kostbare goldene Uhr. Der Präsident unserer Nation trägt gewiss keine bessere. Ich bestellte sie einst für Don Miguel Pizarro. Aber den habt ihr ja …«

Er verstummt, denn er wollte sagen: »… bei eurem Überfall auf die Hazienda Rosa Bianca getötet.«

Doch er lässt es bleiben.

Der Storehalter verspürt eine heiße Furcht. In den Augen des pickelgesichtigen Burschen erkennt er die böse Freude, gemein sein zu können, ohne etwas riskieren zu müssen.

»Ja, wir haben ihn zu den Engeln geschickt.« Lefty grinst. »Wir haben Revolution gemacht gegen einen verdammten Sklavenhalter. Der beutet niemanden mehr aus und bestellt sich kostbare Uhren – nein, der nicht! Und seine schöne Señora, diese wunderschöne Hidalka – oh, was hat die uns doch für Freude bereitet!«

Er verdreht vor Entzücken die Augen.

Und dann gibt er dem Storehalter über den Ladentisch hinweg eine schallende Ohrfeige.

»Weil du mit Behagen zugesehen hast, wie der alte Hund von einem Sheriff mich verhaftet und weggeführt hat. Weil dir das riesig gefallen hat.«

Er sieht nun die Frau des Storehalters an. Die hält seinem Blick stand. Aber sie muss ihre zitternde Unterlippe zwischen die Zähne nehmen.

»Du bist schon zu schrumpelig, Tante«, sagte Lefty. »Mit dir … Ach was halte ich mich überhaupt noch mit euch auf. Ich werde mir jetzt drüben beim Sattler den wunderschönen, silberbeschlagenen Sattel holen. Das ist besser, als hier mit euch die Zeit zu verschwenden. He, Storehalter, lauf zum Mietstall und hol dort mein Pferd! Bringe es ohne Sattel vor den Sattlerladen. Und beeile dich!«

Er steckt die Uhr in die Westentasche, dreht sich auf dem Absatz um und geht hinaus. Sein Sinn ist nun voll und ungeduldig auf den prächtigen Sattel gerichtet, den genauso ein Prunkstück ist wie die goldene Uhr.

Die Frau des Storehalters stößt ihren noch wie erstarrt verharrenden Mann an.

»Los, James, schnell! Beeile dich! Sonst müssen wir das büßen. Schnell, James, bring ihm sein Pferd, bevor er ungeduldig wird.«

Durch den Körper des Storehalters läuft ein Zittern, so als würde er frierend in einem eisigen Wind stehen. Dann kommt ein wimmerndes Stöhnen aus seiner Kehle.

»O Martha«, stößt er dann heiser hervor. »Jetzt erst wird mir klar, wie sehr wir uns und unsere Stadt aufgegeben haben. Wir unterwerfen uns einem Burschen wie diesem, solch einer Ratte! Nur … Nur weil wir die Wilde Horde fürchten, zu der er gehört. Martha, wir sind verloren. Wir können ebenso gut alles hier aufgeben und fortgehen. Denn das Bleiben wird die Hölle sein.«

»Geh und bring ihm sein Pferd vor die Sattlerei«, erwidert seine Frau. »Geh schnell, lauf! Denn es könnte sein, dass er dich sonst erschießen wird. Und dann bin ich allein. Geh, James, beeil dich!«

Wieder lässt der Storehalter ein gequältes, bitteres Stöhnen hören.

Denn wenn er bisher auch kein stolzer Mann war, so besaß er doch ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein. Jetzt aber begreift er, dass er sich erniedrigt hat und dies sein ganzes Leben lang.

Er wird in Zukunft mit Verachtung in den Spiegel sehen.

Doch er macht sich auf den Weg.

Was bleibt ihm anderes übrig?

Die Stadt hatte sich von dem Moment an aufgegeben, da sie dem alten Sheriff jede Hilfe verweigerte.

Und so wird sie nun den Weg gehen müssen, den alle auf sich nehmen, die in einer rauen Welt nicht kämpfen wollen – den untersten Weg.

2

Chet Cannon in seiner Schmiede hat längst unter der Esse genug Wärme in seinem Schmiedefeuer, um ein Stück Flacheisen darin mit Hilfe des Blasebalgs zum kirschroten Glühen zu bringen.

Denn eigentlich müsste er die Gehänge für zwei Scheunentore schmieden. Diesen Auftrag bekam er von der Poststation beim Wagenhof. Er hatte auch die ersten Schläge schon gemacht.

Doch da kam Stella aus dem kleinen Wohnhaus zu ihm in die Schmiede herüber.

Er sah sie kommen, und wie immer freute er sich über ihren Gang, ihre Bewegungen und den wundervollen Anblick, den sie bot.

Als sie nun bei ihm ist, sieht er sie ruhig und fest an.

Sie ist zur Hälfte mexikanischer Abstammung. Und das sieht man ihr an. Mann kann ohne Übertreibung sagen, dass sie schön ist. Von einer sehr lebendigen Schönheit, die warm und herzlich ist, nicht steril und unnahbar und maskenhaft.

Immer wieder fragt Chet Cannon sich bei Stellas Anblick, warum gerade er das Glück hatte, dieses Mädchen zur Frau zu bekommen.

Zwei Jahre sind sie nun schon verheiratet.

Und sein Leben änderte sich völlig.

Er ist jetzt ein Schmied. Seine lange Zickzackfährte endete hier in der kleinen Stadt.

Stellas Stimme klingt dunkel, sehr melodisch, etwas kehlig. Es ist eine Stimme, die ihm von Anfang an unter die Haut ging, irgendwie ein Prickeln in ihm erzeugte.

Und er wünschte sich von diesem Augenblick an, diese Stimme immer wieder hören zu können.

Sie fragt ruhig:

»Was wird sein, Chet?«

Er sieht sie fest an und erwidert: »Es sind deine Vettern, Stella. Eure Mütter waren Schwestern. Du kennst sie besser als ich. Reb und Lefty Taggert sind die Söhne eines Mannes, der eine deiner Tanten heiratete, die zwei Söhne – nämlich Juan und Pasco Perez – mit in die Ehe brachte. So entstand ein gemischter Clan, der zu einer bösen Horde wurde. Du bist eine Verwandte von ihnen und kennst sie besser als ich. Willst du, dass wir von hier fortgehen, Stella?«

Sie sieht ihn einige Atemzüge lang schweigend an.

Dann schüttelt sie den Kopf.

»Sie werden dir nichts tun«, murmelt sie schließlich. »Meinetwegen werden sie dir nichts tun, weil ich ihre Base bin. Aber wirst du zusehen können, wie sie diese Stadt zu ihrer Stadt machen?«

»Das werde ich wohl müssen«, erwiderte er heiser.

»Diese Stadt hat sich aufgegeben, als sie Hank Jennings die Hilfe verweigerte, nachdem die Bande ihm ein Ultimatum stellte. Nun ist sie verloren. Es ist eine hübsche, alte, kleine Stadt, deren erste Häuser schon von den Spaniern errichtet wurden. Doch das zählt nicht. Es zählen stets die Bürger. Warten wir ab.«

Sie tritt nun dicht zu ihm, so dass sich ihre Körper berühren und sie einander die Wärme dieser Körper spüren können. Er beugt sich nieder zu ihr und küsst sie.

Und als sie sich nach einer Weile voneinander lösen, da murmelt er:

»Wenn sie uns in Frieden lassen, werde ich auch friedlich sein. Ich kämpfe nicht für eine feige Stadt. Bevor Hank Jennings fortritt, verlangte er von mir den Deputystern zurück. Er entband mich von jeder Pflicht.«

»Und das ist gut«, erwidert sie. »Ja, das ist gut.«

Sie tritt nun zu dem langen, wagendeichselähnlichen Hebel, mit dessen Hilfe man ohne große Kraftanstrengung den Blasebalg bedienen kann.

Mit einer Hand beginnt sie den langen Hebel auf und nieder zu bewegen. Und sofort fängt das Schmiedefeuer wieder stärker zu glühen an.

Er legt noch etwas Holzkohle nach und schiebt dann das Eisen in die Glut.

Und bald hallen seine klingenden Hammerschläge über die kleine Stadt. Über der Kante des Ambosses rollt er das Flacheisen ein, bis er den Rundeisenbolzen hineinschlagen und so das Unterteil des Scheunentorgehänges fertigschmieden kann.

Als er es fertig hat und in den Sand wirft, sieht er Stella wieder an.

»Du bist ein guter Schmied«, sagt sie. »Du musstest das Eisen nicht zweimal warm machen. Und ein guter Schmied ist besser als jeder Revolvermann. Ich gehe und mache das Mittagessen.«

Sie geht dicht an ihm vorbei, verhält einen kurzen Moment und legt sekundenlang die Hand auf seinen Arm, dessen Faust den Hammer noch hält, der mit der Bahn auf dem Amboss ruht.

Chet Cannon sieht ihr nach.

Was kann sie dafür, dass sie aus einem bösen Clan kommt, denkt er.

Er schiebt ein zweites Eisen in die Glut und bedient dann selbst den Blasebalg.

Und bald hallen wieder die klingenden Schläge seines Hammers aus der Schmiede fast wie Glockenklang über die kleine Stadt.

Vor dem Sattlerladen steht nun Lefty Taggerts geschecktes Pferd.

Und Lefty Taggert sieht zu, wie der Sattler den prächtigen, silberbeschlagenen Sattel herausbringt und das Pferd wie ein Stallbursche sattelt.

Auf der Straße ist nun niemand mehr zu sehen. Alle Leute, die nicht auf den Feldern oder in den Gärten arbeiten, haben sich in die Häuser zurückgezogen. Aber sie beobachten dennoch alles durch offene Fenster und Türen.

Sie fragen sich bange: Wer kommt nun an die Reihe?

Und sie brauchen nicht lange zu warten.

Lefty Taggert sitzt auf und lässt sich vom Sattler die Steigbügel auf die richtige Länge verkürzen. Dann rutscht er im Sattel hin und her und grinst dabei von einem Ohr zum anderen. Er reitet schräg über die Fahrbahn zum Saloon hinüber und sitzt ab, verschwindet im Saloon.

Es ist mm Mittag.

Und eigentlich müsste jetzt die Wilde Horde durch die Furt kommen, um ihrem Ultimatum Geltung zu verschaffen.

Denn Lefty Taggert befindet sich ja noch in der Stadt.

Also müssen sie ihn noch im Gefängnis vermuten.

Lefty ist dies völlig gleichgültig. Er betritt den Saloon und schreit:

»Hoiii, jetzt kommt ein hungriger und durstiger Wolf! Wo sind die Süßen? Her mit den Süßen! Ich will sie alle haben, alle! Her mit ihnen, damit ich sie vernaschen kann! Hast du verstanden, Dicker?«

Seine Frage zuletzt gilt Sam Burke, dem Wirt, der massig hinter der Bar steht, den Oberkörper vorgeneigt und die Ellbogen auf die Tresenplatte stützend.

Sam Burke war einmal Preiskämpfer. Er ist ein Mann mit vielen Narben im Gesicht und plattgeschlagenen Ohren. Auch seiner Nase sieht man an, wie sehr sie von harten Fäusten immer wieder gebrochen wurde.

Sam Burke, den man einst den »Bullen vom Mississippi« nannte, ist mehr als doppelt so schwer wie Lefty. In seinen Augen funkelt es.

Und einen Moment lang sieht es so aus, als wollte er Lefty die Faust von oben herunter mit einer einzigen wilden Bewegung über den Schanktisch hinweg auf den Kopf hämmern. Vielleicht hätte er Lefty den dummen und verrückten Schädel eingeschlagen oder ihn ungespitzt durch die Dielen gerammt.

Aber er lässt es bleiben. Er füllt ein großes Glas aus einer besonderen Flasche randvoll und sagt dabei:

»Das ist bester Bourbon aus Kentucky. Und die Ladies warten schon oben auf dich, mein lieber Freund. Die werden dich dort oben verwöhnen. Sogar eine Badewanne ist vorhanden. Bimbo bringt eine Menge heißes Wasser. Du wirst es gut haben, Amigo Lefty Taggert!«

»Sag Sir zu mir«, verlangt Lefty. »Ich bin nicht dein Amigo. Für euch bin ich Mister Lefty Taggert. Und ihr sagt Sir zu mir. Ihr alle in dieser Stadt werdet noch bedauern, dass ich hier eingesperrt war.«

Er nimmt sein Glas und leert es durstig und gierig mit langen Zügen, so als würde er nur Ingwerbier trinken.

Der Saloon ist leer. Kein einziger Gast ist anwesend.

Lefty stellt das Glas hart auf die Theke und wendet sich zur Treppe nach oben.

Als er die ersten Stufen erklimmt, verspürt er schon die erste Wirkung des Alkohols. Seine Stimme klingt nun noch wilder und gieriger: »Hoiii, ihr Süßen, ich komme! Ich bin der wilde Wolf, der euch vernaschen wird, hahaha!«

Sam Burke, der massige Wirt, blickt ihm bewegungslos nach. Und in dieser Minute beginnt er endlich zu ahnen, was sein wird.

Aber es ist zu spät, etwas dagegen zu unternehmen.

Als die Stadt den Sheriff fortreiten ließ, hat sie sich aufgegeben und unterworfen.

Von der Furt her tönen nun wilde und heisere Schreie. Dann hört man den jagenden Hufschlag.

Ja, sie kommen.

Die Taggerts kommen, um Lefty zu holen.

Sie hätten gar nicht zu kommen brauchen, wenn Lefty ihnen entgegengeritten wäre. Er hätte leicht drüben sein können, bevor sie überhaupt die Furt erreichten.

Aber Lefty Taggert wollte eine goldene Uhr, einen silberbeschlagenen Sattel und nun will er drei Mädchen.

Es ist Lefty Taggerts Art, seine Wünsche stets an die Spitze aller anderen Dinge zu stellen.

Indes er oben bei den Mädchen ist, die ihn ihrem Gewerbe entsprechend empfangen, reitet Reb Taggert, sein großer Bruder, mit drei Dutzend Reitern von der Furt herauf in die Stadt ein.

Sie alle halten ihre Waffen schussbereit, lassen ihre Pferde dann vor dem Sheriff’s Office tanzen und sind bereit für alles.

Zwei Mann dringen ins Office ein, kommen jedoch schnell wieder heraus und melden Reb Taggert, dass Lefty nicht mehr in einer der beiden Zellen sitzt.

Da stellt Reb Taggert sich in den Steigbügel auf und brüllt:

»Wo ist mein kleiner Bruder? Müssen wir jedes Haus durchsuchen?! Hoiii, wo ist Lefty Taggert?«

Aus einem Fenster antwortet die schrille Stimme einer Frau:

»Im Saloon! Er ist im Saloon. Und es ist ihm nichts geschehen. Der Sheriff ist für immer fort. Mister Taggert, nehmen Sie Ihren kleinen Bruder mit und lassen Sie uns in Frieden«!

Als die Stimme der Frau verklingt, hört man Reb Taggerts heiseren Fluch.

Er ist ein großer, sehnig zäh wirkender Bursche, einer von jener Sorte, die stets hungrig nach großer Beute ist.

Vielleicht wäre dieser Reb Taggert früher ein Eroberer geworden, einer wie Coronado etwa, der einst dieses Land hier für die Krone Spaniens in Besitz nahm.

Doch er wurde zu spät geboren. Und so wurde nur ein Bandit aus ihm, ein Guerillaführer während des Bürgerkriegs und später ein Revolutionsgeneral in Mexiko.

Aber er ist kein Mexikaner, obwohl man ihn vom Äußeren her für einen solchen halten könnte.

Er treibt nun sein Pferd zum Saloon hinüber, sitzt ab und geht mit geschmeidigen Schritten hinein.

Sam Burke, der massige Wirt, liegt wieder halb über seiner Bar. Er sieht den eintretenden Reb Taggert an und deutet dann mit dem Daumen wortlos nach oben.

Und dort oben kreischen die Mädchen und tönt Lefty Taggerts wildes Gelächter.

Taggert nimmt die Treppenstufen mit wenigen Sätzen und stößt die Tür auf, hinter der die schrillen Schreie der Mädchen und das wilde Lachen von Lefty zu hören sind.

Lefty und die drei Mädchen sind bereits halbnackt. Lefty ist dabei, sie um die mitten im Zimmer stehende Badewanne zu jagen. Und immer dann, wenn er eine erwischt, zieht er ihr etwas aus. Er hüpft manchmal über die Badewanne, in der sich schon etwas dampfendes Wasser befindet. Doch sie ist längst noch nicht voll genug.

Bimbo, der Hausneger, ist wieder nach unten in die Küche gegangen, um dort zwei weitere Eimer zu füllen und hochzubringen.

Lefty und die Mädchen halten bei Reb Taggerts Eintreten inne. Ihr kreischendes Gelächter verstummt. Und auch Lefty erstarrt beim Anblick des großen Bruders.

Aber dann lacht er voll Freude.

»Hoiii, Großer, das ist ein Spaß! Den gönnst du mir doch, nachdem ich in der Zelle schmoren musste? Den gönnst du mir doch, Großer, ja?«

Reb Taggert betrachtet den zehn Jahre jüngeren Bruder einige Atemzüge lang wortlos. Und wie immer – wenn Lefty etwas tat, was im missfiel – wandelte sich sein Zorn bei jedem Atemzug mehr und mehr in Nachsicht und ein Gefühl des Mitleids.

Ja, es ist irgendwie ein Gefühl des Mitleids.

Denn Lefty ist gegen ihn, Reb Taggert, nur ein Wurm.

Und Lefty leidet darunter. Reb Taggert weiß es.

Hinter ihm kommt der Neger mit zwei dampfenden Eimern die Treppe herauf und auf dem Gang heran, bleibt in der offenen Tür stehen.

Reb Taggerts Zorn ist plötzlich weg.

Als er in den Saloon kam, wollte er Lefty einige Maulschellen geben, weil dieser nicht über den Fluss geritten kam und damit erkennen ließ, dass der Sheriff und die Stadt sich dem Ultimatum beugten.

Er, Reb Taggert, hätte nicht mit drei Dutzend wilden Reitern herkommen müssen. Es wäre nicht notwendig gewesen.

Doch Reb Taggerts Zorn ist verraucht.

Er beginnt zu grinsen, zeigt dabei zwei blinkende Zahnreihen.

Dann nickt er dem kleinen Bruder zu.

»Ja, ich gönne dir den Spaß, Kleiner«, sagt er.

Dann gibt er dem Neger den Weg frei, so dass der den Eimer in die Badewanne schütten kann.

Lefty will sich wieder den Mädchen zuwenden und die Hatz fortsetzen, bis sie alle splitternackt sind.

Doch da fällt ihm noch etwas ein.

Er hebt die Faust, so als hielte er darin einen kostbaren Gegenstand.

»Der Sheriff ist fort«, sagt er rau. »Die Bürger verweigern ihm jede Hilfe. Er war allein. Diese Stadt gehört uns. Wir besitzen eine ganze Stadt.«

Nachdem er dies gesagt hat, beginnt er wieder nach den nun erneut aufkreischenden Mädchen zu haschen.

Bimbo, der Hausneger geht mit den leeren Eimern an Reb Taggert vorbei zur Tür. Dabei sagt er kehlig:

»Yes, Sir, diese Stadt gehört Ihnen. Und ich hoffe, es wird nun auch einem alten Nigger etwas bessergehen.«

3

Bald gleicht Rio Bend einer von Eroberern besetzten Stadt. Reb Taggerts Reiter verteilen sich und sitzen dann ab. Sogar in Elvira Pickertons Schneiderladen dringen sie ein und holen sich die beiden Damenhüte aus dem kleinen Schaufenster. Es sind mit Blumen geschmückte Hüte, die Elvira Pickerton von einem Versandhaus aus dem Osten kommen ließ und hier mit Gewinn zu verkaufen hoffte.

Nun laufen zwei grinsende Burschen damit herum und lassen ihre eigenen Hüte an den Windschnüren auf dem Rücken hängen.

Reb Taggerts Reiter bedienen sich überall in den Geschäften nach Lust und Laune. Diese Stadt gehört ihnen. Es ist nicht so, dass sie sich alles wie Diebe nehmen. Nein, sie treten ganz höflich als Kunden auf und lassen anschreiben. Dabei fragen sie sehr freundlich, ob sie kreditwürdig wären. Zugleich aber lassen sie erkennen, dass sie sich beleidigt fühlen würden, wenn man sie für kreditunwürdig halten sollte.

Besonders im Store, im Sattlergeschäft, beim Büchsenmacher in seinem Waffenlager bedienen sie sich. Im Saloon, im Hotel-Restaurant und beim Barbier lassen sie sich bedienen.

Von der Posthalterei beim Wagenhof aber erhält Reb Taggert eine Warnung, die im klarmacht, dass er eine Menge tun muss, will er diese Stadt auch weiterhin behalten wie ein erobertes Gebiet.

Denn der Postagent kommt zu ihm ins Restaurant, wo Taggert beim Mittagessen sitzt und es sich schmecken lässt.

Der Postagent ist ein schon eisgrauer Bursche, der sich vom Frachtwagen- und Postkutschenfahrer zum Boss heraufgearbeitet hat und für alle Stationen bis zum Pecos zuständig ist.

Brady Locklear ist ein furchtloser Mann. Er setzt sich zu Reb Taggert an den Tisch, und es sieht einen Moment so aus, als wollte er in Taggerts noch halbgefüllten Teller spucken.

Aber dann spricht er nur trocken:

»Taggert, Ihre Banditen suchen sich in den Corrals der Post- und Frachtlinie die besten Tiere aus. Sie öffnen alle postlagernden Sendungen und entnehmen ihnen, was auch nur einigermaßen wertvoll ist. Sogar das bestellte Korsett der dicken Fay Maryland, die zwanzig Meilen von hier eine Ranch hat, nahmen sie. Der Kerl heißt Hermandes, und er sagt, er hätte drüben in Mexiko eine fette Puta, die das Ding nötig hätte. Taggert, so geht das nicht. Das nimmt die Post- und Frachtlinie nicht hin. Sie wird eine Bürgermiliz schicken, die euch auch noch drüben in Mexiko jagen wird. Haben Sie sich nicht schon drüben auf der anderen Seite genug Feinde gemacht?«

»Jede Menge.« Reb Taggert grinst. Er schiebt sich eine Gabel voll Speise in den Mund, beugt sich dann kauend vor und fragt mit vollem Munde:

»Amigo, wollen Sie mir drohen?«

»Ich versuche Sie auf die Konsequenzen Ihres Handelns aufmerksam zu machen«, grollt der Postagent. »Und dafür sollten Sie mir eigentlich dankbar sein.«

»Aaah, ich lasse mir da schon noch was einfallen.« Wieder grinst Taggert. »Wissen Sie, wir leben dort drüben auf der anderen Seite des Rio Bravo in einem verfallenen Dorf, das fast nur noch aus Ruinen besteht, verlassen von den meisten Bewohnern. Es tut uns gut, hier in einer hübschen Stadt verwöhnt zu werden. Hier ist alles bestens, ganz so, wie wir es immer haben wollten.«

»Wenn ihr diese Stadt zu sehr ausplündert, wird auch sie bald eine verlassene Stadt sein, eine Geisterstadt. Die Leute hier werden aufgeben und fortziehen. Schon deshalb wird ein Aufgebot von Bürgermiliz aus San Angelo kommen. Haut ab hier.«

Der Postagent grollt es furchtlos.

Doch bevor Reb Taggert etwas erwidern kann, kommt einer seiner Reiter herein und ruft ziemlich wild:

»He, Boss, die schöne Frau des Schmieds behauptet, dass sie deine Base oder Kusine sei. Ein paar von unseren Burschen, die ihre Pferde vom Schmied beschlagen lassen, sind scharf auf sie und bedrängen sie. Ist sie wirklich mit dir verwandt?«

Da knirscht Reb Taggert einen Fluch, schiebt den Teller von sich und erhebt sich so schnell, dass der Stuhl hinter ihm gegen die Wand kippt und umgefallen wäre, würde die Wand es nicht verhindert haben.

Mit seinen geschmeidigen, gleitenden Schritten eilt er hinaus.

Da es zur Schmiede mehr als zweihundert Schritte sind, wirft er sich mit einem wilden Comanchesprung aufs Pferd und lässt das Tier aus dem Stand anspringen.

Als er in den Hof der Schmiede gefegt kommt, da sieht er es. Und er sieht auch, dass er zu spät kommt und nicht mehr verhindern kann, was er befürchtet hat.

Denn einer seiner Männer – es ist der schon ziemlich stark angetrunkene Clive Robson, ein Revolverheld vom Brazos, der den Texas-Rangern nur knapp entkam – jagt die schöne Stella soeben aus dem Wohnhaus. Sie läuft zu ihrem Mann hin, der in der halboffenen Schmiede am Amboss steht und ein Hufeisen passend schmiedet. In der Nähe steht ein Pferd, das von zwei Kerlen gehalten wird, weil es sich nur widerwillig beschlagen lässt.

Als Stella fast schon bei Chet Cannon am Amboss ist, wirft dieser seinen Handhammer, mit dem er soeben noch das rotglühende Hufeisen bearbeitete, dem Verfolger seiner Frau entgegen.

Clive Robson bekommt das tausend Gramm schwere Ding mitten auf die Stirn. Es hält ihn nicht nur auf wie der Huftritt eines Pferdes – nein, es zertrümmert seinen Schädel wie einen Kürbis.

Er stirbt, indes er auf die Knie und dann zur Seite fällt.

Die beiden Mexikaner, die das Pferd halten, lassen das unruhige Tier los und schnappen nach den Revolvern. Ja, sie wollen den Schmied zusammenschießen, hat er doch einen ihrer Mannschaft mit dem Hammer getötet.

Doch Reb Taggert fegt zwischen den beiden Kerlen hindurch. Sein Pferd rammt sie nach rechts und links auseinander. Taggert reißt das Tier auf der Hinterhand herum und bringt es zur Ruhe.

Dabei blickt er böse auf seine beiden Reiter.

»Ihr Dummköpfe«, faucht er, »warum habt ihr Robson nicht davon abgehalten, meiner schönen Kusine nachzustellen? Hätte ihn der Hammer nicht getroffen, so würde ich ihn erschossen haben, diesen geilen Hund. Habt ihr das verstanden? Räumt ihn weg! Los, tragt ihn fort! Vorwärts bringt ihn zum Barbier! Der ist auch Leichenbestatter. Robson soll ein schönes Begräbnis haben. Bewegt euch!«

Sie gehorchen schnell, denn sie wissen jetzt, wie zornig er ist. Sie wissen auch, wie gnadenlos er in seinem Zorn sein kann.

Und so laufen sie zu Robsons Leiche hin, heben sie auf und tragen sie aus dem Hof der Schmiede.

Reb Taggert aber wendet sich im Sattel an Stella, die jetzt neben Chet beim Amboss steht. Und Chet hält inzwischen einen zweiten Hammer in der Faust.

Reb Taggert zieht seinen Hut und schwingt ihn vor Stella wie ein Hidalgo.

»Hey, schöne Kusine«, sagt er. »Es tut mir leid, dass einer meiner Strolche dich belästigt hat. Aber er erhielt ja bereits seine Strafe. Kannst du mir verzeihen, du Wunderschöne?«

Er treibt sein Pferd noch einige tänzelnde Schritte näher heran, bleibt jedoch im Sattel. Er fühlt sich wahrscheinlich wohler in seiner stolzen Pose hoch oben auf dem Pferd. So kann er auf das Paar niedersehen.

»Hallo, Vetter«, erwidert Stella ruhig, »deine zwei anderen Strolche hatten mächtig Glück, dass du rechtzeitig gekommen bist. Sonst wären auch sie jetzt tot. Wie wäre es denn, wenn du mit deiner Bande jetzt wieder auf die andere Seite des Flusses reiten und unsere kleine und wehrlose Stadt in Frieden lassen würdest? Ihr habt uns jetzt genug bestraft.«

Er grinst blinkend.

Dann blickt er auf Chet Cannon.

»Sie hat Feuer, nicht war, Chet, du angeheirateter Vetter? Ist sie nicht wunderschön in ihrem Zorn? Manchmal frage ich mich, ob du dir bewusst bist, wie groß dein Glück ist, sie bekommen zu haben. Ich hätte sie gern selbst gehabt. Wir sind ja nicht mal blutsverwandt. Sie ist ja nur die Tochter der Schwester meiner Stiefmutter. He, Stella, warum hast du mich nie gewollt?«

Aber sie gibt ihm keine Antwort auf seine Frage.

Da sieht er wieder Chet Cannon an.

»Ich weiß«, grinste er, »dass du mal ein anderes Leben geführt hast und wahrscheinlich der einzige Mann in dieser Stadt bist, auf den ich achten muss. Halte dich nur aus allem heraus, dann werde ich dich in Frieden lassen, meiner schönen Kusine zuliebe. Doch wenn Du hier in dieser Stadt gegen mich Partei ergreifen solltest, dann …«

Er verstummt und macht mit dem Zeigefinger eine Bewegung, als wollte er eine Waffe abfeuern, also einen Abzugshahn durchziehen.

Abermals grinst er blinkend und schwingt den Hut.

Seine langen, schwarzen Haare hängen ihm fast bis auf die Schultern.

Er zieht das Pferd herum und reitet wieder aus dem Hof.

Chet Cannon sprach bisher kein Wort.

Erst als Stella neben ihm wie stöhnend sagt: »O Chet …«, spricht er ruhig: »Keine Angst, Stella – nur keine Furcht. Auch das geht vorbei. Und du hast ja gehört, dass er uns in Frieden lassen will, wenn ich mich ruhig verhalte und nicht gegen ihn Partei ergreife.«

»Aber das ist es ja, Chet. Denn ich glaube nicht, dass du lange zusehen kannst, wie diese Stadt zertreten wird.«

»Doch«, erwidert er. »Diese Stadt hätte kämpfen können. Sie war zu feige. Nun muss sie den Preis der Feigen zahlen. Das ist immer so und wird sich nie ändern auf dieser Erde. Die Schwachen und Furchtsamen gehen unter!«

***

Reb Taggert reitet sehr nachdenklich die zweihundert Schritte bis zum Hotel zurück. In ihm sind viele Gefühle und Gedanken.

Da war zum Beispiel Stellas Anblick. Er hat ihr Bild auch jetzt noch vor Augen. Und wieder wird er sich darüber klar, dass er sie die ganze Zeit nicht vergessen konnte. Schon damals, als sie noch ein Mädchen war, hat ihn ihre Schönheit verzaubert und Gefühle in ihm erweckt, zu denen er sich gar nicht fähig glaubte. Die Oates-Sippe, zu der auch Stella gehörte, lebte damals in einem kleinen Dorf mit der Perez-Sippe zusammen, zu der seine Stiefmutter und seine Stiefbrüder Juan und Pasco gehörten. Stellas Mutter und seine Stiefmutter waren Schwestern. Aber mit Stella verbindet ihn keine Blutsverwandtschaft.

Er hat sich immer gewünscht, Stella eines Tages bekommen zu können.

Doch dann ist dieser Wildpferdjäger Chet Cannon in das kleine Dorf gekommen. Ihn und Stella musste es wie ein Blitz getroffen haben. Denn sie ging mit ihm, und sie brachte ihn dazu, sich hier in Rio Bend als Schmied niederzulassen, also sesshaft zu werden.

Ja, er hatte sie vergessen wollen. Doch jetzt …

Er spürt seine Wünsche wieder stark und fordernd. Und weil er ja ein Sattelpirat ist, der sich bisher stets nahm, was er besitzen wollte, beginnt er zu ahnen, dass er von nun an immerzu einen innerlichen Kampf ausfechten muss.

Doch sein Verstand wird letztlich die Oberhand behalten, denn dieser Verstand muss ihm immer wieder sagen, dass er Stella nicht dadurch bekommen kann, dass er ihren Mann zum Teufel jagt oder gar tötet.

All diese Gedanken und Empfindungen sind also in Reb Taggert, indes er den Weg zum Hotel zurückreitet.

Zweihundert Schritte können zweihundert Meilen weit sein, wenn die Gedanken sich jagen.

Und so wird er sich auch noch über etwas anderes klar.

Wenn er diese Stadt zu seinem Hauptquartier macht, muss er mit seinen Reitern nicht in einem armseligen Dorf leben. Er kann ihnen etwas bieten. Hier in Rio Bend wird es sich gut leben lassen. Sie dürfen die Bürger hier allerdings nicht zu sehr um den Lohn ihres Fleißes bringen, nicht zu sehr ausbeuten und berauben. Und vor allen Dingen dürfen sie niemanden von hier fortlassen. Das Leben in Rio Bend muss weitergehen. Nur dann können sie davon profitieren. Dann wird diese Stadt ein warmes Nest sein für ihn und seine Bande, in dem es sich gut leben lässt.

Doch da ist die Drohung des Postagenten.

Ja, es könnte tatsächlich einmal ein Aufgebot der Bürgermiliz von San Angelo her durch den Spaniol Canyon kommen.

Was kann er – Reb Taggert – dagegen tun?

Als er sich diese Frage stellt, hat er die zweihundert Schritte bis zum Hotel hinter sich gebracht.

Er hält das Pferd an, bleibt jedoch im Sattel.

Auf dem Plankengehsteig, der hier vor dem Hotel zur Veranda ausgebaut ist, denn das Hotel ist ja mehr eine Mischung von Fonda und Bodega, stehen zwei seiner Reiter und sehen fragend zu ihm empor.

Und plötzlich weiß er, was zu tun ist. Er sitzt ab und betritt die Veranda. Zu einem der beiden Reiter sagt er:

»Hey, Miguel, hol mir Pete Scott. Los, hol ihn mir, bevor er sich im Saloon dort drüben zu sehr betrinkt.«

Nach diesen Worten geht er in den Speiseraum des Hotels zurück und setzt sich wieder auf seinen Platz. Er klatscht mit der flachen Hand auf den Tisch und ruft durch die offene Tür in die Küche hinein:

»He, jetzt den Nachtisch! Und danach mit dem Kaffee eine gute Zigarre!«

Die Stimmen der Wirtsleute klingen eifrig und unterwürfig aus der Küche.

»Sofort, Mister Taggert! Wir beeilen uns, Sir!«

Er wartet und trommelt mit den Fingern ungeduldig auf die Tischplatte, so als wollte er den Hufschlag galoppierender Pferde imitieren.

Dann endlich kommt Miguel mit Pete Scott.

»Er ist noch nicht ganz betrunken«, sagt Miguel grinsend. »Aber er hatte schon eine große Flasche am Hals.«

Reb Taggert grinst und nickt Pete Scott zu.

»Setz dich Pete«, sagt er immer noch grinsend. »Setz dich. Du warst doch im Bürgerkrieg Sprengmeister bei den Pionieren, nicht wahr?«

»Und ich bin Mineningenieur«, erwidert Pete Scott stolz. »Wenn ich nicht so ein verdammter Saufkopf wäre, hätte ich es weit gebracht. Dann hätte ich damals auf dem Mississippi auch nicht das falsche Dampfboot in die Luft gejagt. Was willst du von mir, Taggert?«

Rob Taggert tunkt den Finger ins Weinglas und beginnt mit Rotwein auf der gescheuerten Tischplatte Linien zu ziehen.

»Dies ist der Spaniol Canyon«, sagt er dabei. »Er durchbricht als einziger Einschnitt das Hochplateau, das wie ein Riegel vor Rio Bend und dem Fluss liegt. Es gibt keinen Weg durch die Davis Mountains hierher – auch nicht am Fluss entlang. Der Rio Bravo hat überall Treibsand – nur hier nicht an dieser Furt. Wir können uns leicht aus dieser Stadt auf die andere Seite zurückziehen, wenn wir Zeit genug dazu haben, also nicht so schnell überrascht werden. Verstehst du das, Pete?«

»Ich bin doch nicht behämmert«, murrt dieser. »Und du erklärst mir das ja alles nicht in chinesischer Sprache, Boss. Was willst du?«

Wieder taucht Reb Taggert seinen Finger in den Rotwein und zeichnet dann neue Linien auf die helle Tischplatte, die stets mit feinem Sand gescheuert wird.

»Hier«, sagt er, »verengt sich der Spaniol Canyon zu einer engen Schlucht mit überhängenden Felsen. Ich möchte, dass du hier alles durch einige Sprengungen einstürzen lässt, so dass für Reiter kein Durchkommen mehr ist. Wer dann zu uns will, muss zu Fuß kommen. Alles klar?«

»O ja«, nickt Pete Scott. »Und das gefällt mir. Aber haben wir genug Sprengstoff zur Verfügung?«

»Sieh im Lager des Storehalters nach! Sieh nach, Pete! Und besauf dich erst nach vollbrachter Arbeit.«

Als er die letzten Worte spricht, klingt in seiner Stimme seine ganze Härte. Und Pete Scott weiß genau, dass er es mit seinem Leben bezahlen müsste, würde er sich nicht an Reb Taggerts Anweisungen halten.

»Du kannst dich auf mich verlassen«, knurrt er. »Wenn ich genügend Sprengstoff im Lager des Stores finde, sprenge ich dir die Engstelle zusammen. Dann können nur noch Menschen und Gämsen darüber hinwegklettern. Oha, dann würden wir ja sehr viel sicherer in dieser hübschen Stadt sein!«

Er ruft die letzten Worte begeistert.

Dann springt er auf und eilt hinaus.

Taggert nickt Miguel zu.

»Nimm dir ein halbes Dutzend Hombres und hilf ihm! Ihr könnt nachher feiern.«

»Si«, erwidert Miguel und folgt Pete Scott.

Taggert bekommt nun seinen Nachtisch. Es ist Apfelkuchen mit geschlagener Sahne, dazu Kaffee und eine noch halbvolle Kiste Zigarren. Die Wirtsleute – sie sind beide mexikanischer Abstammung – bedienen ihn eifrig.

Er grinst sie an.

»Ihr macht euch wohl fast in die Hosen?«

So fragt er dabei.

Sie nicken beide heftig.

»Aber weil Sie uns ein lieber Gast sind, Señor, stehen wir doch sicherlich unter Ihrem Schutz«, spricht die Frau schließlich.

Da nickt er.

»Wenn ihr mich weiter so verwöhnt, dann könnt ihr damit rechnen.«

Er scheucht sie mit einer Handbewegung fort.

Von draußen kommen zwei Männer herein, die man sofort als Brüder erkennen kann. Es sind seine Stiefbrüder Juan und Pasco, die die zweite Frau seines und Leftys Vater mit in die Ehe brachte. Und sie sind seine Unterführer. Als er damals eine kleine Revolutionsarmee führte und sich stolz General nannte, waren sie seine Capitanos.

Doch diese Zeit ist vorbei.

Jetzt sind sie wieder eine Bande von Banditen.

Sie setzten sich zu ihm.

»Habt ihr schon was gegessen?« So fragt er. »Ihr müsst was essen und könnt nicht immerzu saufen. Ich möchte nämlich, dass ihr die Leute hier nicht zu schlecht behandelt. Wir bleiben vielleicht noch sehr lange in der Stadt. Also müssen wir mit ihnen auskommen.«

Sie staunen ihn an.

»Was, wir wollen länger hierbleiben? Aber …« Pasco bricht nach seiner staunenden Frage ab. Denn Reb Taggert hebt achtungsheischend den Zeigefinger.

Und dann erklärt er seinen beiden Stiefbrüdern alles.

4

Die Nacht vergeht in Rio Bend ziemlich turbulent. Denn Taggerts Bande feiert. Sie säuft und frisst, so wie es Primitive stets tun, wenn sie das Leben genießen und auskosten wollen.

Auch die drei Mädchen im Saloon finden keine Ruhe.

Die Bürger aber verbarrikadieren sich mit ihren Frauen und Töchtern in ihren Häusern, denn nur ihre Söhne haben nichts zu befürchten. Rio Bend befindet sich in den Händen von Sattelpiraten.

Chet Cannon und Stella können diese Nacht in ihrem kleinen Haus neben der Schmiede nicht schlafen. Immer wieder erhebt Chet sich, tritt ans Fenster und lauscht hinaus.

Überall klingt Lärm, tönen johlende und grölende Stimmen und hört man Flüche. Ab und zu krachen auch Schüsse, die aber als Feuerwerk gemeint sind.

Nach Mitternacht veranstalten einige betrunkene Reiter ein Pferderennen die Straße hinauf und hinunter.

Manchmal kreischen die Saloonmädchen aus den Fenstern des oberen Stockwerks. Es ist eine heiße, schwüle Nacht, die auch gegen Morgen nicht kälter wird.

Es scheint ein Unwetter in der Luft zu liegen. In der Ferne zucken Blitze und grollt der Donner.

Bei einigen Häusern versuchen die betrunkenen Kerle einzudringen, Türen oder Fenster einzuschlagen.

Erst gegen Morgen beruhigte sich alles, weil die meisten von Taggerts Reitern zu betrunken sind und sich bis zur Erschöpfung ausgetobt haben.

Als sie noch Guerillas waren und später, als sie in Mexiko an der Revolution gegen Maximilian teilnahmen, zu einer gemischten Armee gehörten, die aus Gringos und Mexikanern bestand und in der sich sogar einige Idealisten befanden, feierten sie in eroberten Ortschaften oft solche Feste.

Als Chet Cannon wieder einmal den Platz am Fenster verlässt und sich neben Stella ausstreckt, rollt sie sich halb über ihn und drängt sich so in seine Arme. Und als wüsste sie genau Bescheid über seine Gedanken, sagt sie flüsternd:

»Aber was könntest du schon tun? Du wärst allein. Nicht mal der alte Sheriff ist noch da. Diese Stadt wollte nicht kämpfen und muss nun alles ertragen wie eine Plage.«

Sie macht eine kleine Pause und bettet ihre Wange genau dort, wo sein Herz schlägt.

»Dein Herz schlägt ganz ruhig«, flüstert sie. »Du kennst keine Furcht. Und ich muss mich nicht fürchten, weil Reb Taggert in mir noch seine Kusine sieht.«

»Das ist es ja«, erwidert er. »Wir genießen hier unverdiente Vorteile den anderen Bürgern dieser Stadt gegenüber. Taggert und seine Bande schonen uns deinetwegen. Aber ich sah in seinen Augen, dass er dich haben möchte. Der ist verrückt nach dir. Es ist ihm gleich, ob du seine Kusine bist oder nicht. Er will erst einmal deine Dankbarkeit. Stella, wahrscheinlich verdient es diese verlorene Stadt nicht, dass jemand für sie eintritt. Aber meine Ahnung sagt mir, dass sie dennoch gerettet werden muss. Deinetwegen. Ich sehe kommen, dass ich Taggert werde töten müssen. Ja, das sehe ich kommen. Denn er ist wie ein gieriger Wolf.«

»Aber du hättest nicht die geringste Chance«, flüstert sie.

Er erwidert nichts. Doch er streichelt sachte über ihr rabenschwarzes Haar, das ein wenig in der Nase kitzelt.

***

Als am nächsten Morgen die Sonne eine Handbreit über den Bergen im Osten steht, wirkt die Stadt noch immer wie gelähmt.

Doch in einigen Höfen werden Wagen beladen und angespannt. Einige Bürger in Rio Bend wollen fort.

Schon jetzt geben die Ersten auf. Denn weil sie furchtsam sind und nicht kämpfen wollen, haben sie begriffen, dass die Stadt verloren ist und immer wieder wehrlos sein wird, wenn ein paar Hartgesottene kommen und sich nehmen, was sie haben wollen. Ja, es könnte sich sogar herumsprechen unter den Banditen zu beiden Seiten der Grenze, dass Rio Bend eine wehrlose Stadt ist.

Sie wollen also fort. Und sie beladen ihre mehr oder weniger großen oder kleinen Wagen mit Dingen, die sie gerne retten und mitnehmen wollen, irgendwohin zu einem neuen Anfang. Aus ihren Verstecken holen sie auch bisher verborgene Wertsachen, Notpfennige, Schmuck und dergleichen.

Ja, sie sind geradezu kopflos und so dumm wie Schafe, die die Herde verlassen, und deshalb für jedes Raubwild noch leichtere Beute sein werden.

Vielleicht wäre ihnen die Flucht sogar geglückt, würden sie noch etwas früher aufgebrochen sein. Denn es gab eine Stunde im Morgengrauen, da waren Reb Taggerts Sattelpiraten völlig down und gleichsam am Boden zerstört.

Doch jetzt erwachen einige der Betrunkenen wieder zum Leben. Und so bleibt der Bande nicht verborgen, dass einige Bürger mit ihren Familien die Stadt verlassen wollen.

Es ist ein schöner und stiller Vormittag. Das Unwetter, das in der Nacht drohte und sich dann aber schon in weiter Ferne austobte, kam nicht hierher. Nur der Rio Bravo stieg etwas an, ein Zeichen dafür, dass irgendwo starke Wolkenbrüche niedergingen. Doch die Furt nach Mexiko hinüber bleibt passierbar. Der Fluss wird mit ansteigendem Wasser jedoch noch schlammiger.

Das Wasser wird also ziemlich dick, so sehr wurden weiter oberhalb Schlammmassen hineingespült.

Aber das interessiert die Menschen hier in Rio Bend nicht. Sie haben andere Sorgen. Reb Taggert liegt im besten Zimmer des Hotels in einem guten Bett, als Pasco ihn weckt und ihm Meldung macht. Er endet mit den Worten:

»Diese Dummköpfe haben jetzt alles bei sich, was wertvoll ist und unsere Hombres bisher nicht finden konnten. Wir sind dabei, es ihnen abzunehmen. Fast immer haben die Frauen Geld und Schmuck unter ihren Röcken verborgen. Aaah, was sind die blöd! Sollen wir sie abhauen lassen, nachdem wir sie gefilzt und ihnen alles abgenommen haben, was wertvoll ist?«

Reb Taggert setzt sich auf und wischt sich über das stoppelbärtige Gesicht.

Dann starrt er auf seine Füße, die in durchlöcherten Socken stecken. Er denkt dabei: Verdammt, ich habe mir noch nicht mal neue Socken aus dem Store bringen lassen.

Er gähnt lange und grinst dann seinen Stiefbruder Pasco an. »Lasst sie doch abhauen«, sagt er. »Bis die im Spaniol Canyon sind, hat Pete Scott längst die Engstelle zugesprengt. Die kommen mit ihren Pferden und Wagen sowieso nicht mehr durch und müssen umkehren. Wir werden sie freundlich empfangen bei ihrer Rückkehr. Lasst sie also ruhig abhauen. Die kommen wieder!«

Nach diesen Worten legt er sich grinsend in die Kissen zurück und setzt seinen Schlaf fort.

Pasco starrt auf ihn nieder, kratzt sich hinter dem Ohr und beginnt ebenfalls zu grinsen.

»Oh, das ist gut«, kichert er dann. »Die kommen zerbrochen zurück. Das ist gut! Die fressen uns noch mehr aus der Hand.«

***

Als es Mittag ist, bekommt Chet Cannon zu tun.

Denn einige von Reb Taggerts Reitern sind jetzt nüchtern genug, um sich um ihre Pferde zu kümmern. Und da die Bande schon lange nicht mehr in die Nähe einer Schmiede kam, haben fast alle Pferde neue Eisen nötig.

Chet Cannon bekommt also zu tun. Es wäre dumm von ihm, wollte er sich weigern. Nur eines ist anders als am Vortag. Indes er arbeitet, wird Stella nicht von irgendwelchen Kerlen bedrängt und gejagt werden, wie am Vortag, als er einen von ihnen mit einem Hammerwurf töten musste.

Stella hält sich zurzeit beim Brunnen auf und wäscht eine Menge Zeug, hängt es im Garten neben dem Haus auf die Leinen. Er kann sie ständig sehen, und er weiß, dass sie dies beabsichtigt. Denn so kann er sich immer wieder mit einem schnellen Blick überzeugen, dass die Kerle sie wirklich zufriedenlassen und sich an Reb Taggerts Anordnungen halten.

Inzwischen haben die ersten Menschen die Stadt verlassen. Es sind zumeist solche, die keinen besonderen Besitz zurücklassen müssen, also keine Geschäftsleute, sondern Lohnarbeiter.

Solche Menschen finden überall eine Beschäftigung.

Als Chet Cannon das dritte Pferd beschlagen hat, ist Stella mit der Wäsche fertig. All die Hemden, Bettlaken und vieles andere Zeug hängen nun an den Leinen. Stella setzt sich vor dem Haus in den Schatten und beginnt Bohnen zu entschoten. Auch jetzt kann er sie sehen, wenn er nur leicht den Kopf wendet und zum Haus blickt.

Reb Taggert kommt in den Hof der Schmiede. Er wirkt wie ein Boss, der einen Inspektionsgang macht.

Als Chet Cannon dem Pferd den letzten Huf anschlägt, steht Taggert in der Nähe und sieht zu. Und als seine beiden Reiter das beschlagene Tier wegführen, tritt er näher und nickt Chet Cannon zu.

»Du bist ein guter Schmied, Wildpferdjäger«, murmelt er. »Möchtest auch du von hier verschwinden, wie all die anderen Narren, die noch vor Sonnenuntergang zurückkommen werden?«

Chet Cannon sieht ihn an. Er tritt hinter den Amboss, nimmt einen abgenutzten Handfeger und säubert den Amboss und den Holzklotz darunter vom Hammerschlag der vielen Hufeisen. Denn beim Schmieden der Hufeisen blättert Eisenoxyd ab, das man leicht zu blaugrauem Pulver zerstoßen kann.

Immer wieder sieht Chet Cannon den Banditenführer an. Und als er Amboss und Holzklotz sauber hat, behält er den Blick auf Taggert gerichtet.

»So, sie kommen also zurück? Hast du Wächter im Spaniol Canyon?«

»Mehr als das.« Taggert grinst. »Viel mehr als das.«

Er hat kaum ausgesprochen, als es in der Ferne donnert. Zuerst sind es die Detonationen von Sprengungen, mehr als ein halbes Dutzend in dichter Folge.

Dann aber hallt langanhaltender Donner herüber, der mit einem wuchtigen Schlag endet.

»Das war es«, sagt Reb Taggert. »Begreifst du nun, Wildpferdjäger?«

»Das war ich mal«, erwidert Chet Cannon. »Jetzt bin ich Schmied in einer friedlichen Stadt, die von euch vergewaltigt wird. Du hast die Engstelle im Spaniol Canyon zusprengen lassen. Deshalb habt ihr sämtlichen Sprengstoff, alles Pulver und die ganze Munition aus dem Pulvermagazin des Stores geholt. Und wir dachten, ihr wolltet euch nur ausrüsten. Nun gut, du hast uns alle in der Falle.«

»Und mit den Pferden kommt kein Aufgebot schnell genug zu uns nach Rio Bend, um uns überraschen zu können. So einfach ist das, Schmied.«

Chet Cannon nickt.

»Ja, so einfach ist das, Bandit.«

Sie betrachteten sich einige Atemzüge lang schweigend.

Dann wendet Reb Taggert den Kopf und blickt zum Haus hinüber, wo Stella im Schatten sitzt und immer noch Bohnen entschotet und in einen Korb wirft.

Sie sieht zu den Männern herüber.

Taggert richtet seinen funkelnden Blick wieder auf Chet Cannon.

»Sie würde gewiss um dich weinen«, murmelte er. »Deshalb schone ich dich. Denn ich will nicht ihren Hass. Aber ich neide sie dir. Verdammt, was ist an dir, was sie so begeistert hat?«

Er wartet auf keine Antwort. Er wendet sich ab und geht zu Stella hinüber. Chet Cannon ist versucht, ihm zu folgen. Doch Taggerts Männer bringen ein neues Pferd herbei, das beschlagen werden soll.

Taggerts Sporen klingeln melodisch. Er hat sich im Store inzwischen neu eingekleidet, halb nach mexikanischer und halb nach angloamerikanischer Art. Selbstgefällig schwingt er den flachkronigen Hut.

»Hey, schöne Kusine«, sagt er mit blinkendem Lächeln. »Immer noch böse mit mir, weil wir diese Stadt erobert haben?«