G. F. Unger Sonder-Edition Collection 14 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition Collection 14 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

5 spannende Westernromane von G. F. Unger lesen, nur 4 bezahlen!


G. F. Unger wird zu Recht als der beliebteste und erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor gefeiert. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Seine Epoche ist das späte 19. Jahrhundert, seine Schauplätze sind die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens, deren Grenzen von unerschrockenen Frauen und Männern immer weiter nach Westen verschoben werden, bis sie schließlich die Küste des Pazifiks erreichen.

Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.


Dieser Sammelband enthält die Folgen 66 bis 70 der G. F. Unger Sonder-Edition:

Folge 66: Ein Mann gegen alle

Folge 67: Beaver Kelly

Folge 68: Drei Asse

Folge 69: Einsamer Weg

Folge 70: Todespatrouille

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 913

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Coverillustration: Manuel Prieto/Norma ISBN 978-3-7325-7443-8

G. F. Unger

G. F. Unger Sonder-Edition Collection 14 - Western-Sammelband

Inhalt

G. F. UngerG. F. Unger Sonder-Edition 66 - WesternBrod Finnegan war ein schwerkranker Mann, als er aus der Gefangenschaft entlassen wurde, seine Wunden waren noch längst nicht vernarbt. Kein Wunder, dass er mit beiden Händen zugriff, als der alte County Sheriff ihm den Job eines Deputy von Opal City anbot. Denn Opal City war eine ruhige kleine Stadt in den Bergen, wo er sich prächtig auskurieren konnte. Allerdings hatte die Sache einen Haken. Keiner wusste, wie lange Ruhe und Frieden in Opal noch anhalten würden. Denn ein einziger Gold- oder Silberfund konnte die Stadt in ein Irrenhaus verwandeln. Und für diesen Fall brauchte der Sheriff dort einen Mann, der kämpfen konnte. Wenn es sein musste, mit dem Rücken an der Wand und allein gegen ein Heer von Teufeln...Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 67 - WesternSein Name war eigentlich Wade Kelly. Beaver Kelly nannte man ihn, seit er sich einmal zwei Tage und Nächte in einem Biberbau versteckt hatte, um Thunder Bill und dessen Horde zu entkommen. Seine Kollegen, die Trapper und Pelztierjäger, erzählten sich die Geschichte überall schmunzelnd an den Lagerfeuern. Aber Kelly war nicht so ganz glücklich darüber, denn bei dem Abenteuer war Blue Eye, die er dem Häuptling entführt hatte, wieder in dessen Hände gefallen. Und Kelly liebte die schöne Indianersquaw. Außerdem konnte er die Schmach nicht auf sich sitzen lassen. Also machte er sich auf, Blue Eye zurückzuholen. Er tat es, obwohl er wusste, dass seine Suche endlos dauern und er zum Schluss mitten in der Hölle landen konnte...Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 68 - WesternIch weiß nicht, welcher Teufel mich ritt, als ich der unbekannten Schönen meine ganze Goldausbeute anbot, damit sie gegen den löwenhaften Burschen, der ihr gegenüber am Kartentisch saß, im Spiel bleiben konnte! Verdammt, wenn die Frau verlor, konnte ich mir den Traum von der Ranch in Texas an den Hut stecken. Doch sie gewann. Mit drei Assen und zwei Zehnen. Lächelnd gab sie mir mein Gold zurück. Glück gehabt, dachte ich aufatmend. Ich hirnloser Narr ahnte nicht, dass ich mir soeben den mächtigsten Mann auf dem Missouri zum Todfeind gemacht hatte...Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 69 - WesternNach dem Krieg zieht Jake Galloway einen Strich unter sein wildes, gesetzloses Leben. Er reitet nach Haus und fragt das Mädchen, das ihm schon als Junge gefallen hat, ob es seine Frau werden will. Nancy sagt ja, und als die Stadt Pecos Flower ihn auch noch zum Sheriff macht, glaubt Jake, er hätte alle Brücken zur Vergangenheit hinter sich abgebrochen. Er hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Seine alten Sattelgefährten bestrafen ihn für seinen Verrat, sie berauben die Bank von Pecos Flower, lassen zwei Tote zurück und entführen Jakes junge Frau. Jake Galloway steht vor den Trümmern seines neuen Lebens - und am Beginn eines einsamen Rachtetrails ...Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 70 - WesternIch stand bei diesem alten Haudegen tief in der Schuld. Er rettete mir das Leben, nachdem ich längst damit abgeschlossen hatte. Mary, meine Frau, war tot, vergewaltigt und ermordet von Carlos' Apachenbande. Unsere Ranch brannte lichterloh. Ich selbst drohte an meinen Wunden zu verbluten. Captain Benteen kam mit seinen Reitern in letzter Minute, und jetzt verlangte er von mir eine Gegenleistung. Er brauchte einen Scout, und er kannte meine Fähigkeiten. Nur mit mir würde er Carlos fangen können - wenn überhaupt. Es bedurfte keiner Überredungskünste. Ich willigte ein. Der Hass auf den Mörder meiner Frau war zu groß in mir.Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Ein Mann gegen alle

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Vorschau

Ein Mann gegen alle

1

Er rollt sich aus dem Bett, reckt und streckt sich vorsichtig, wandert ein wenig im Zimmer umher und bleibt dann vor dem Spiegel stehen, der hinter dem Waschtisch an der Wand hängt. Aufmerksam betrachtet er sich.

Ja, die Narben an seinem Oberkörper sind jetzt verheilt, aber er wird sie sein ganzes Leben behalten.

Mit diesen Narben – als sie noch böse aussahen und ständig eiterten – war er aus dem Kriegsgefangenenlazarett entlassen worden und hatte einen Job gesucht, der einen noch ziemlich kranken Mann ernähren konnte.

Es war vor genau einem Jahr gewesen.

Der County Sheriff hatte ihn als Deputy nach Opal geschickt und dabei gesagt: »Es ist eine hübsche, kleine, ruhige Stadt. Man findet in der Umgebung Opale und Türkise, auch ein wenig Silber, aber nichts Großartiges. Die Leute leben vom Durchgangsverkehr und vom Handel. Es gibt in den Tälern Ranches und Farmen. Man züchtet Pferde in diesen Blaugrastälern. Weiter höher in den Bergen ziehen Schafherden umher. Es ist alles ruhig und friedlich. Du wirst dich dort in den nächsten Monaten prächtig erholen können, mein Junge. Aber irgendwann – und das weiß ich genau – wird sich dort alles ändern. Das kann noch lange dauern, aber eines Tages wird es kommen – ganz plötzlich wie eine Explosion. Ein einziger großer Silber- oder Goldfund – und die kleine und ruhige Stadt, die abgelegenste in meinem County, wird ein Höllenloch. Dann brauche ich dort einen besonderen Deputy, einen Mann wie keinen zweiten unter zehntausend. Und dann erwarte ich, dass du nicht abhaust, sondern deinen Job tust. Wenn du mir das versprichst, mein Junge, dann gebe ich dir den Stern für den Opal-Distrikt. Du musst dort die Steuern eintreiben und darfst zwei Deputies einstellen. Willst du?«

Er wollte damals. Und es wurde tatsächlich ein ruhiger Job, zunächst jedenfalls.

Als er jetzt an diesem Morgen am Waschtisch vor dem Spiegel steht und die alten Kriegsnarben betrachtet, da denkt er wieder an dieses Gespräch mit dem County Sheriff.

Es kamen in den vergangenen Monaten immer mehr Gold- und Silbersucher in die Täler, Canyons und Schluchten. Sie zogen von den Vorhügeln immer weiter hinauf in die Berge, folgten den Wasserläufen bis zu deren Quellgebieten. Es gab einige kleine Funde – aber noch nichts, was einen Run in Gang gebracht hätte.

Doch er ahnt an diesem Morgen irgendwie, dass etwas in Gang kommen wird. Er spürt es, so wie er an seinen Narben spürt, wenn es anderes Wetter gibt.

Ja, was wird er tun, wenn es soweit ist? Wenn es zu dieser »Explosion« kommen wird, von der der alte Sheriff sprach? Wenn sie alle hier verrückt spielen und viele Gute zu Bösen werden?

Indes er sich einseift und dann rasiert, fühlt er sich wie ein Mensch, der seine Seele dem Teufel verkaufte, um für eine Weile Vorteile zu genießen.

Nun ist der County Sheriff gewiss kein Teufel. Aber er gab ihm sein Wort. Und Opal kann von einem Tag zum anderen zur Hölle werden, in welcher er schmoren muss.

Er rasiert und wäscht sich bedächtig. Diese Vormittagsstunde in seinem Zimmer genießt er täglich. Dass er so spät aufsteht, hängt damit zusammen, dass er erst lange nach Mitternacht ins Bett kommt und die letzte Runde stets erst gegen zwei Uhr morgens geht.

Er hat sich daran gewöhnt.

Es ist dann etwa eine halbe Stunde später, als man ihm auf der Veranda des Hotel-Restaurants das Frühstück serviert, das zugleich auch sein frühes Mittagessen ist. Er sitzt gerne um diese Zeit hier, kann von seinem Platz aus die Hauptstraße in beiden Richtungen übersehen und erfreut sich an der ruhigen Geschäftigkeit dieser Stadt. Ja, es ist eine ruhige und nicht hektische Geschäftigkeit.

Er sieht drüben Kate Langtry aus ihrem Schneiderladen treten und winkt ihr zu. Sie geht mit einem Korb am Arm zum Store, erwidert dabei sein Winken und lässt ihn ihr blinkendes Lächeln erkennen. Oh, er kennt dieses blinkende, herausfordernde Lächeln, und er weiß auch, wie es dabei in ihren Augen funkelt. Ja, er könnte sie haben, wenn er es wollte.

Aber warum will er eigentlich nicht? Kate Langtry ist eine prächtige Frau. Nein sie ist kein Mädchen mehr, obwohl noch jung. Aber manches Mädchen wird niemals eine erfahrene Frau und bleibt immer ein dummes Huhn.

Diese Kate Langtry gehört zu der anderen Sorte, denn ihre Wege waren gewiss oft sehr beschwerlich und rau. Ihr blieb nichts mehr fremd auf dieser Erde. Und so zählten ihre Jahre doppelt und dreifach. Wahrscheinlich kam sie in diese Stadt, um endlich Ruhe zu finden.

Sie verschwindet im Store.

Broderick Finnegan aber – denn dies ist sein Name – erhebt sich und macht sich auf den Weg zu seinem Office.

Er weiß, dort wird er seinen Deputy Windy Garret vorfinden, der zugleich auch der Stadtschreiber und Gefängniswärter ist. Windy hat nur noch eineinhalb Beine und bewegt sich mit Hilfe eines Unterschenkels aus Holz.

Einige Bürger der Stadt grüßen ihren Sheriff, so auch der Sattler und der Besitzer der Saatgut- und Futtermittelhandlung. Reiter sind auf der Straße da und dort zu sehen. Vor dem Store hält ein Wagen, von dessen Sitz der Koch der Topfhenkel-Ranch springt, um im Store die Monatseinkäufe zu machen.

Broderick Finnegan hat sein Office schon fast erreicht, als er Jube Scott auf seinem Maultier kommen sieht. Jube Scott schwankt im Sattel wie ein Betrunkener und kommt aus einer der Quergassen auf die Hauptstraße geritten. Er reitet geradewegs zum Office und rutscht dort vor der Haltestange aus dem Sattel. Einige Sekunden verharrt er beim Tier, hält sich daran fest, so als müsste er Kraft sammeln oder einen Schwindelanfall vorübergehen lassen.

Da er Broderick Finnegan den Rücken zukehrt, sieht dieser beim Näherkommen den blutigen Fleck auf Jube Scotts ausgebleichtem Hemd – und auch das Loch.

Es ist ein Einschussloch.

Jemand schoss Jube Scott eine Kugel in den Rücken.

Als Broderick Finnegan neben den Mann tritt und ihm die Hand sachte auf die Schulter legt, da hustet Scott erst noch einige Male mühsam. Und es kommt Blut über seine Lippen, das er mit dem Handrücken abzuwischen versucht.

Dann aber wendet Jube Scott seinen Kopf und zeigt dem Sheriff ein triumphierendes Grinsen. Und in seinen Augen, die ein verwaschen wirkendes Blau haben, ist ein wildes Funkeln.

»Ich habe es gefunden«, ächzt er. »Oh, du lieber Vater im Himmel, ich habe es gefunden, Sheriff! Und sie wollten mich abschießen und somit verhindern, dass ich meinen Fund registrieren lassen kann. Dann wären sie an meiner Stelle gekommen. Gehen wir hinein, Sheriff, damit ich meine Fundstelle als Claim registriert bekomme, bevor ich aus den Latschen kippe. Denn ich habe Blut verloren, viel Blut. Gehen wir!«

Er stößt die beiden letzten Worte wie ein Mann hervor, der sich selbst einen Befehl gibt, um noch einmal einen letzten Funken Lebenskraft aus seinem innersten Kern heraufzuholen.

Sie gehen hinein. Finnegan stützt ihn.

Drinnen hockt Windy Garret hinter dem Schreibtisch in der Ecke und sagt: »Mrs. Ellison hat von ihrem Mann die Geburt von Zwillingen anmelden lassen. Zwillinge, oha!«

Nachdem er dies gesagt hat, nimmt er die Brille ab, die er beim Schreiben tragen muss. Und da er jetzt wieder normal sehen kann, entdeckt er, in welch einem Zustand sich Jube Scott befindet.

»Oha, Jube«, sagte er, »was haben sie denn mit dir gemacht? Du siehst diesmal nicht so aus, als könntest du für eine Nacht die dicke Dolly besuchen?«

»Nein«, ächzt Jube Scott und lässt sich in einem Holzsessel nieder, streckt die krummen Beine in den alten Stiefeln von sich. »Diesmal kann ich nicht zur molligen Dolly. Aber wenn ich wieder einigermaßen auf den Beinen bin, dann kann ich mir das ganze Freudenhaus mit allen Süßen darin für eine ganze Woche mieten, ich ganz allein. Und ich werde den Preis aus der Westentasche zahlen, oho!«

Nun wissen es Broderick Finnegan und Windy Garret ganz genau.

»Eine Goldader?« So fragt Windy ahnungsvoll.

Jube Scott nickt. »Und was für eine«, sagt er und grinst. »In der alten Spanier-Mine im Spanish Springs Canyon, keine sieben Meilen von hier. Ich habe in der alten Mine mit meinem Hammer nur mal so gegen die Stollenwand geschlagen. Und als ein paar Steinplatten abfielen, da sah ich es. Ich brach mir einige Kilo heraus und machte mich heute Morgen auf den Weg nach hier. Am Pikes Creek traf ich die Laffitter-Brüder. Und denen fiel auf, dass ich in so guter Stimmung war, denn sie hatten mich schon singen gehört, bevor sie mich zu sehen bekamen. Ich hatte das alte Lied von den großen Goldfunden am Sacramento in California gesungen. Und sie sahen dann auch den Leinenbeutel an meinem Sattelhorn hängen, der so schwer zu sein schien wie ein Doppelzentnersack. Sie fragten mich, ob ich Gold gefunden hätte. Ich grinste sie nur an und ritt weiter. Sie brüllten hinter mir her, und weil ich mein Maultier antrieb, um möglichst schnell von ihnen wegzukommen, da riss der alte Leinenbeutel. Das losgebrochene Adergold fiel heraus. Ich musste anhalten und es einsammeln. Sie kamen herangeritten und sahen nun erst richtig, was es war, nämlich Adergold. Oha, ich sah ihnen an, dass sie von einer Sekunde zur anderen verrückt wurden, gierig wie hungrige Wölfe nach einem langen Blizzard beim Anblick einer fetten Beute. Ich schnappte meinen Colt heraus und hielt sie in Schach. Sie boten sich an, meine Partner zu werden. Denn sie könnten mich beschützen. Aber ich ritt davon. Da schoss einer hinter mir her. Sie versuchten mich einzuholen, doch mein Maultier kann es mit jedem Pferd aufnehmen. Oh, was bin ich müde und erledigt. Tragt die alte Mine als meinen Claim ein. Und dann bringt mich in ein Bett und holt den Barbier. Er muss mir die Kugel herausholen, bevor sie mich umbringen kann.«

Nachdem er dies noch gekrächzt hat, wird Jube Scott im Holzsessel ohnmächtig.

Und Finnegan denkt in diesen Sekunden bitter: Jetzt ist es geschehen? Eine Goldader – und die Laffitter-Brüder, die ihn in den Rücken schossen. Jetzt wird die Hölle aufbrechen. O verdammt, warum bin ich hier nicht weg, solange es noch ruhig und friedlich hier war? Jetzt würde ich gewissermaßen Fahnenflucht begehen wie ein feiger Deserteur, würde ich abhauen. Denn der Alte hat mein Wort, dass ich auch bleibe, wenn die Hölle aufbricht.

***

Es ist noch am gleichen Tage und erst früher Mittag, als er aufbricht, um sich nach den Laffitter-Brüdern umzusehen.

Er kennt sie einigermaßen, denn sie kamen manchmal in die Stadt, um sich auszurüsten oder sich bei Mollys Mädchen zu amüsieren.

Die Laffitter-Brüder gelten als Wildpferdjäger, doch man munkelt, dass sie in anderen Distrikten auch Pferde und Rinder stehlen und in andere üble Dinge verwickelt seien.

Irgendwo in den Bergen sollen sie eine Hütte haben.

Doch dort wird er sie nicht suchen müssen. Sie hatten Jube Scott zwar nicht von dessen Maultier schießen können, doch aber gesehen, wie böse sie ihn trafen. Zuerst verfolgten sie ihn, konnten sich dann aber ausrechnen, dass sie ihn erst kurz vor der Stadt einholen würden, weil er sich länger im Sattel hielt, als sie zuerst glaubten, und weil sein Maultier es mit ihren Pferden ohne Weiteres aufnehmen konnte.

Also hielten sie an und kehrten um.

Nun würden sie Jube Scotts Fährte zurückverfolgt haben. Die Hufspuren seines Maultieres waren leicht genug zu verfolgen. Broderick Finnegan ist sicher, dass er sie im Spanish Spring’s Canyon und in der alten Spanier-Mine finden wird. Sie sind als Wildpferdjäger und Pferdediebe gute Fährtenleser. Also würden sie den Ort gefunden haben, von dem Jubal Scott, den man in diesem Lande einfach nur Jube nannte, hergekommen war mit einem Leinenbeutel voll losgebrochenem Adergold.

Als Finnegan die Stelle erreicht hat, bis zu der sie Jube verfolgten und dann umkehrten, da erkennt er auch sofort die Hufspuren zweier Pferde in entgegengesetzter Richtung.

Und er denkt: Die müssen verrückt geworden sein. O Himmel, bald wird das ganze Land voller Verrückter sein. Sie werden in den Spanish Spring’s Canyon kommen und überall zu suchen beginnen – in allen Wasserläufen, in den Bergfalten und überall dort, wohin einst das flüssige Gold in grauer Vorzeit hingelaufen sein könnte, als unsere Mutter Erde noch ganz anders war. O Himmel, diese Welt wird sich verändern wie ein unschuldiges Mädchen, das plötzlich zur Hure wird. Und ich bin der Sheriff hier. Verdammt!

2

Als er die alte Mine erreicht, in welcher einst die alten Spanier schon Gold fanden, dann aber glaubten, alles herausgeholt zu haben und sie aufgaben, da erwarten ihn die beiden Laffitter-Brüder vor dem großen Maul des alten Stolleneinganges.

Es sind Zwillingsbrüder, dunkel und langhaarig wie Indianer, verwegen wirkend und zumeist herausfordernd grinsend, als wollten sie sich mit der ganzen Welt anlegen.

Sie sind sich so ähnlich, dass Finnegan nicht weiß, welcher von ihnen Jock und welcher Jack ist.

Aber einer sagt: »Wir dachten uns, dass du kommen würdest, Finnegan. Also hat es Jube bis zu dir geschafft und konnte dir auch noch verraten, wo er das Gold fand. Ist er jetzt tot? Ja? Denn dann würde uns die Goldader gehören, uns drei Glückspilzen. Oder siehst du das anders, Finnegan?«

Es ist eine hinterhältig drohende Frage.

Aber sie macht Finnegan in diesem Moment erst so richtig bewusst, dass er nun die Wahl hat, ein reicher Mann zu werden oder ein vergleichsweise armer Sheriff zu bleiben mit sechzig Dollar Gehalt im Monat.

Er denkt: Deshalb haben sie so ruhig auf mich gewartet und darauf gesetzt, dass ich allein kommen würde, um erst einmal herauszufinden, was es mit der Goldader auf sich hat. Oha, sie waren sich ziemlich sicher, dass ich genauso goldverrückt sein würde wie sie.

Indes er dies denkt, lauscht er tief in sich hinein. Und er fragt sich tatsächlich in diesen Sekunden, ob er diese Chance, reich zu werden, nicht nutzen soll.

Er würde sich gewiss nicht anders verhalten als Tausende von Menschen, die plötzlich die Verwirklichung ihrer Träume vom großen Geld greifbar vor sich sehen.

Gold – das war schon immer das große Zauberwort, welches die Guten zu Bösen machen konnte überall auf dieser Erde.

Er könnte als Sheriff mit den Laffitter-Brüdern gemeinsame Sache machen und alles in ihrem Sinne und zu ihrem Vorteil beeinflussen. Selbst wenn Jubal Scott wieder gesund werden sollte, könnte er ihn leicht um alles betrügen.

Denn er ist der Sheriff. Er führt die Registrierliste. Er macht alle Eintragungen. Und Jubal Scott wird noch viele Wochen krank sein und nichts gegen ihn unternehmen können.

Sie könnten die Goldader in diesen Wochen leicht bis auf den letzten Krümel ausbeuten.

Ja, es wäre alles ein Kinderspiel.

Die große Verlockung und Versuchung wird mächtig in ihm und will Besitz von ihm ergreifen wie das Verlangen nach einer betörenden Frau, die ihm den Verstand raubt.

Die Laffitter-Brüder stehen neben ihren Pferden vor dem Stolleneingang und betrachten ihn mit blinkendem Grinsen, so als wären sie die Verkörperung der Versuchung oder zwei Teufel, die sich sicher sind, dass sie sich seine Seele für Gold gekauft haben.

Plötzlich hört er sich sagen: »O ja, ich sehe es anders, ihr Mistkerle. Vielleicht wird Jubal Scott sterben. Dann ist es Mord und ihr werdet hängen. Auf keinen Fall aber werdet ihr an seiner Stelle die Goldader in dieser Mine herausholen, auf keinen Fall.«

Seine Stimme ist nicht besonders laut, eher leise. Doch sie klingt sehr präzise und unversöhnlich.

Sie hören seiner Stimme an und sehen es auch in seinen Augen, dass sie ihn nicht in Versuchung führen und auf ihre Seite holen können.

Er steht da als Sheriff mit dem Stern an der Weste. Und so faucht einer der Brüder nur scharf.

Dieses scharfe Fauchen ist ihr Zeichen. Wahrscheinlich war das schon mehrmals in dieser Weise der Fall. Vielleicht hatten sie es sogar so eingeübt für solche Situationen.

Denn sie ziehen nun gleichzeitig.

Und sie sind schnell, verdammt schnell. Sicherlich waren sie bisher unüberwindlich. Doch jetzt ist es anders.

Noch bevor sie ihre Läufe hochschwingen können, um die Mündungen der Waffen auf den Sheriff zu richten, sehen sie in Finnegans Mündungsfeuer. Und die Kugeln stoßen sie wie Huftritte, so dass sie zwar ihre Waffen noch abdrücken können, aber nicht mehr treffen.

Er trifft sie dann abermals, nein, er gibt ihnen keine Chance mehr, richtig auf ihn zielen zu können. Seine Kugeln stoßen sie, lassen sie taumeln, schwanken. Sie aber brauchten festen Stand, um gut zu zielen.

Und dann gehen sie fast zu gleicher Zeit in die Knie, schießen vor sich in den Erdboden, weil ihnen die Revolver zu schwer werden und sie die Läufe nicht mehr hochbekommen.

Dann fallen sie nach vorn auf ihre Gesichter, strecken sich und atmen nicht mehr. Es ist vorbei. Der Hall der Schüsse füllt den Canyon noch einige Sekunden, weil die Hänge ihn nicht herauslassen wollen.

Aber endlich ist es dann still.

Brod Finnegan steht bewegungslos da mit der rauchenden Waffe in der Faust.

Und er denkt voller Bitterkeit: Das ist der Anfang. O Hölle, das ist erst der verdammte Anfang!

Er verspürt das bittere Gefühl einer lähmenden Hilflosigkeit.

Und er fühlt sich so verdammt ohnmächtig allem gegenüber, was mit absoluter Sicherheit kommen wird. Vielleicht habe ich soeben wie ein Narr gehandelt, denkt er. Denn ich werde nun allein gegen alle stehen jawohl, gegen alle, die das Gold verrückt machen wird, so wie das schon immer war, seit die Menschen nach Reichtum gieren.

***

Er hat die kleine Stadt noch nicht erreicht, als ihm die ersten Menschen entgegenkommen. Manche sitzen auf Pferden, aber auch auf Fahrzeugen jeder Art. Und sie haben Hacken, Schaufeln und Spaten bei sich, sind also ausgerüstet, um die Erde umzuwühlen.

Als sie ihn erreichen und er anhält, da halten auch sie an, umgeben ihn und die beiden Toten, die er quer über deren Pferde legte, um sie nach Opal zu schaffen.

Er blickte in die Runde und erkennt die Ungeduld und die Gier in den Gesichtern. Die meisten Leute kennt er, denn sie sind Bürger seiner Stadt.

Auch der Barbier ist unter ihnen. Dieser Barbier ist zugleich auch der »Doc« von Opal, denn als einstiger Sanitätssergeant bei der Armee während des Krieges versteht er sich besonders auf Schusswunden und Knochenbrüche, denn er musste oftmals die Arbeit eines Feldarztes verrichten.

Der Barbier nickt Finnegan grinsend zu und sagt: »Nachdem ich Jube die Kugel herausgeholt hatte, wurde er wieder wach und erzählte mir alles. Ich hatte ihm zur Stärkung ein wenig Feuerwasser eingetrichtert. Ich wollte ihn so betäuben, so dass er die Schmerzen nicht so spürte, als ich mit der Kugelzange in seiner Wunde umherstocherte. Er war wohl so betrunken, dass er mich für seinen Bruder hielt. Gold im Spanish Springs Canyon. Und diese Laffitter-Brüder wollten es wohl für sich, nicht wahr?«

Er lacht laut. Auch alle anderen Leute, die den Sheriff und die beiden Toten im Halbkreis umgeben, lachen durcheinander.

Er sieht in diese Gesichter und denkt: Ja, sie haben es gewittert. Sie wissen Bescheid. Und sie wollen sich holen, was sie bekommen können.

Er deutet auf die beiden Toten und sagt: »Jubal Scott hat seinen Claim ordnungsgemäß registrieren lassen. Es ist die alte verlassene Spanier-Mine. Diese beiden Narren wollten sie für sich in Besitz nehmen. Nun sind sie tot. Ich werde morgen wieder zur Mine kommen, um nachzusehen, wer sich da widerrechtlich aufhält. Dann könnte es wieder Tote geben. Sucht nur nicht in Jubal Scotts Mine nach seinem Gold. Sucht meinetwegen im ganzen Canyon. Der ist freies Land. Denkt immer daran, wer einem Claimbesitzer das Gold stiehlt, ist ein Goldwolf und wird wie ein Pferdedieb behandelt. Und jetzt Platz da!«

Er reitet wieder an, zieht die beiden Pferde mit den Toten an den Leinen hinter sich her.

Sie öffnen den Halbkreis, lassen ihn durch.

Hinter sich hört er dann eine Stimme rufen: »Aaah, Jungens, wo eine Goldader ist, da gibt es noch mehr Gold! – Der ganze Canyon ist vielleicht voll davon! Wir müssen nur in der Nähe von Jubal Scotts Mine zu suchen beginnen!«

Sie alle johlen und brüllen nun.

Und dann reiten oder fahren sie weiter.

Finnegan sieht sich nicht einmal um nach ihnen.

***

Die Stadt ist wie leer, wirkt verlassen und ausgestorben.

Als er vor dem Haus des Schreiners und Leichenbestatters hält, tritt dessen Frau heraus.

»Sie sind alle fort«, sagt sie. »Auch unser Gehilfe. Wenn wir die beiden da bestatten wollen, Sheriff, dann müssen Sie mir helfen. Alle Männer sind fort. Auch der Totengräber.«

Er nickt grimmig und sitzt ab, hilft der Frau, die Toten hineinzutragen und in zwei Särge zu legen.

»Ich lasse euch die beiden Pferde als Bestattungsentgelt«, sagt er und geht wieder hinaus.

Vor seinem Office erwartet ihn ein Mann, der wie ein Frachtwagenboss aussieht. Ja, er erinnert sich jetzt wieder an ihn. Dieser Mann kommt zumindest zwei Mal jedes Jahr mit seinem Frachtwagenzug hier durch und rastet dann stets in der Nähe der Stadt am Creek.

Der Mann sagt böse: »Sheriff, ich brauche Ihre Hilfe. Mir liefen einige Frachtfahrer weg, obwohl sie Verträge mit mir haben. Sie sind fort, um nach Gold zu suchen. Aber ich verlange, dass sie ihre Verträge erfüllen. Also reiten Sie mit mir hinaus, um sie zurückzuholen. Ich kann nicht meinen halben Wagenzug mit Fracht hier stehen lassen, nur weil sie verrückt nach Gold wurden.«

Finnegan sieht den Mann achselzuckend an.

»Ich glaube nicht, dass ich Ihnen helfen kann, Mister«, sagt er. »In diesem Distrikt ist jetzt die Hölle los, und alles läuft nun anders. Ich müsste eine starke Bürgerwehr hinter mir haben, um …«

Er bricht ab und macht eine resignierende Bewegung.

»Mann«, sagt er, »binnen einer einzigen Woche haben wir einige tausend goldgierige Verrückte in diesem Lande. Sie kommen von überall herbei, um ihr Glück zu finden. Ich habe nur einen einbeinigen Gehilfen und bin sonst völlig allein. Zwei Männer musste ich schon erschießen. Und das ist nur der Anfang. Mister, Sie müssen Ihre Probleme allein lösen. Ich habe zu viel am Hals.«

Er geht an dem Mann vorbei ins Office, und der Frachtzugboss flucht bitter hinter ihm her.

Windy Garret, der drinnen am Schreibtisch hockt und durch die offene Tür alles hören konnte, sieht ihm ernst entgegen. Dann aber spricht er böse: »He, Boss, es gefällt mir nicht, dass du soeben sagtest, dass du nur einen einbeinigen Gehilfen hättest. Dieses ›Nur‹ gefällt mir nicht. He, ich bin immerhin nicht weggelaufen, um nach Gold zu suchen. Und ich kann meinen Mann stehen wie jeder zweibeinige Bursche. Du solltest mich nicht abwerten, Mister Sheriff.«

Dieser kann erkennen, wie beleidigt und böse Windy Garret ist.

Und er begreift, dass er ihm Unrecht tat.

»Schon gut, Windy«, murmelt er. »Es war dumm von mir, so zu reden. Ich weiß genau, was ich an dir habe. Aber dass du nicht weglaufen würdest aus Goldgier, dies wusste ich genau.«

»So wusstest du das? Na gut, dann behandle mich nicht wie einen Krüppel.«

»Das werde ich, Windy. Aber nun sag mir, was ist mit Jube Scott?«

»Der lebt noch«, grinst Windy. »Und er ist betrunken. Der singt sogar manchmal auf seinem Lager. Und stets ist es das Lied von den goldenen Bänken am Sacramento. Immer singt er in seinem Rausch – und Fieber hat er auch schon – das alte Lied der Goldgräber von California.«

Windy macht eine kleine Pause. Aber dann beginnt er mit krächzender Stimme zu singen:

Blow, boys, blow!

There is plenty of gold,

so I am told,

in the banks auf Sacramento!

Er verstummt mit einem wilden Lachen und sagt abschließend: »Wer weiß, Boss, vielleicht packt auch uns bald das Goldfieber, und dann suchen auch wir nach Gold im Spanish Springs Canyon. Wer weiß, hahaha!«

3

Als Windy Garrets Lachen verstummt, tritt der Boss des Frachtwagenzuges ein, mit dem Finnegan draußen vor dem Eingang sprach.

Der bullige und hartgesichtige Mann sieht nun noch böser aus als vorhin vor der Tür. Er sagt: »Sheriff, mein Name ist Younger, Stacy Younger. Und ich bin keine Pfeife, die sich alles gefallen lässt. Ich habe einen gewissen Ruf auf den Wagenwegen. Sie sind verpflichtet, mir Hilfe zu geben. Ich habe achtundvierzig überschwere Murphy-Frachtwagen mit Anhängern da vor der Stadt stehen. Und fast die Hälfte meiner Fahrer lief mir fort nein, nicht lief, sondern ritt. Denn sie stahlen mir die Maultiere. Sie nahmen sich ganz einfach Tiere aus ihren Gespannen. Ist Maultierdiebstahl weniger schlimm als Pferdediebstahl? Also, Sheriff, ich will Ihren Stern auf meiner Seite haben. Sie brauchen nichts Anderes zu tun, als dabei zu sein. Denn ich habe selbst einige Revolvermänner dabei, die sonst meinen Wagenzug beschützen. Kommen Sie, Sheriff. Ich will mir meine Fahrer und meine Tiere zurückholen. Wenn ich das nämlich nicht schaffe, laufen mir auch die anderen Fahrer noch weg. Das Gold macht sie alle verrückt. Kommen Sie!«

Seine Stimme klingt hart, fordernd, böse vor Wut.

Finnegan setzte sich indes hinter seinen Schreibtisch und blickt schräg zu dem ungeduldigen Mann empor. Er wird sich erst jetzt so richtig darüber klar, dass dieser Stacy Younger ein wirklich harter Bursche ist, der so leicht nicht aufgibt, sondern stets beharrlich seine Ziele verfolgt.

Und wenn seine desertierten Fahrer wirklich mit Tieren aus den Gespannen fort sind, dann muss er ihm als Sheriff Hilfe geben.

Oh, er weiß, dass alle Frachtzüge stets eine Begleitmannschaft bei sich haben, die sie vor Überfällen schützen soll. Diese Reiter sind zumeist Revolverschwinger, die man wie Söldner anwerben kann.

Also würde es Blutvergießen geben, vielleicht sogar Tote. Und deshalb will Younger das Gesetz hinter sich wissen. Youngers Absicht ist es, ein Exempel zu statuieren zur Warnung für seine anderen Frachtfahrer, die noch zögern.

Aber Finnegan schüttelt den Kopf.

»Mister Younger«, sagt er langsam, »was haben Sie für eine Fracht in Ihren Wagen? Und wohin wollen Sie damit?«

Der bullige Mann tritt langsam näher und stützt dann – sich vorbeugend – beide Arme mit riesigen und narbigen Händen auf die Schreibtischplatte.

»Was für Fracht ich in den Wagen habe? Oha, alles, was man sich nur denken kann, vom Klavier bis zur Nähnadel. Eisenwaren, Werkzeuge, Holz für Möbel, Textilien, Geschirr, Öfen, eine komplette Schmiedeesse mit Blasebalg. Aaah, es sind tausend verschiedene Dinge für Santa Fé. Ich kann sie gar nicht alle aufzählen. Es ist Fracht, die mir in Santa Fé aus den Händen gerissen wird, weil dieses Land dort im Süden alles braucht, einfach alles.«

Finnegan nickt.

»Mister Younger«, sagt er dann wieder sehr langsam und nachdrücklich, »was, glauben Sie, wird man hier alles brauchen, wenn all diese goldverrückten Narren, die Reinen und die Bösen, herkommen, um ihr Glück zu machen oder nach Beute zu jagen? Was, Mister, glauben Sie, wird hier in wenigen Tagen los sein? Mann, Sie müssen mit Ihrem Wagenzug gar nicht bis Santa Fé, um Ihre Fracht mit Gewinn verkaufen zu können. Diese Stadt wird größer werden, so wie eine Warze, die zu einer Eiterbeule wird. Verstehen Sie?«

Stacy Younger richtet sich langsam wieder auf, stemmt seine riesigen Hände dabei gegen seine Hüften.

»Ohooo«, macht er, denkt noch einmal nach und nickt schließlich langsam. »Aber dazu gehört mehr als nur ein einziger Goldfund«, fügt er hinzu.

Nun nickt Finnegan.

»Man wird noch mehr Gold und vielleicht auch Silber finden«, spricht er. »Darauf wette ich. Bis jetzt haben ja hier noch nicht viele Leute danach gesucht. Doch nun wird das anders. Tausende werden im Spanish Springs Canyon die Erde aufbrechen und alles umwühlen. Hier kommen jeden Tag zwei Postkutschen in beide Richtungen durch. Die Nachricht von Jubal Scotts großem Goldfund ist jetzt schon nach Süden in Richtung Santa Fé und nach Nordosten in Richtung Kansas City unterwegs. Denken Sie mal richtig nach, Mister Younger. Sie könnten hier bald bessere Geschäfte machen als in Santa Fé.«

***

Zur gleichen Zeit, da im Sheriff’s Office dieses Gespräch stattfindet, fährt die alte Sarah Padune – sie ist die Kräuterfrau von Opal und verkauft Teesorten gegen alle Krankheiten – mit ihrem alten, klapprigen Wagen durch das an dieser Stelle trockene Bett des Opal-Creeks.

Als ihr rechtes Vorderrad gegen einen kindskopfgroßen Stein fährt, bricht es.

Und damit ist Sarah Padunes Fahrt beendet. Zum Glück ist sie kaum mehr als eine Viertelmeile von der Stadt weg, so dass sie sich zu Fuß auf den Rückweg machen könnte, um Hilfe zu holen.

Aber das tut sie noch nicht.

Denn die alte Sarah Padune ist ein seltsames Weiblein.

Sie klettert brummelnd von dem schief geneigten Wagen und betrachtet das zerbrochene Vorderrad. Dann hebt sie ihren blauäugigen Blick gen Himmel, so als wollte sie eine stumme Frage nach oben senden und auf Antwort warten. Dabei hält sie ihre Hände wie betend gefaltet vor sich in Brusthöhe.

Eine Weile verharrt sie so.

Dann aber bewegt sie sich plötzlich mit einer wieselhaften Hurtigkeit. Sie holt aus dem Wagenkasten eine Spitzhacke heraus. Das Ding ist fast zu schwer für sie. Denn es ist ja ein Männerwerkzeug. Die alte Sarah Padune aber wiegt kaum mehr als vierzig Kilo.

Dennoch hebt sie die Spitzhacke hoch über den Kopf und schlägt sie dann mit aller Kraft mit dem spitzen Ende in das trockene Creekbett, dicht neben dem zerbrochenen Wagenrad.

Als sie dann den Hackenstiel als Hebel benutzt, um die Heckenspitze wieder freizubekommen, schafft sie das erst nach mehrmaliger Anstrengung. Denn die Spitze sitzt unter dem kiesigen Sand des Creekbettes offenbar in einem festen Grund.

Aber schließlich schafft sie es doch. Ein Loch bricht auf. Sie sieht einige graue Steine zwischen dem kiesigen Sand, und so kniet sie nieder und greift sich diese grauen Dinger heraus.

Aber es sind keine Steine.

Es ist Silber. Die alte Sarah Padune ist erfahren. Sie weiß, wie eine Silberader aussieht – oder wie aus einer Silberader herausgebrochene Stücke aussehen.

Denn die ganze Sache ist wahrhaftig sehr einfach zu verstehen. Schon der vermeintliche kindskopfgroße Stein, gegen den das Vorderrad des Wagens prallte, war ein Silbererzbrocken.

Sie schlug dann die Hackenspitze in eine Silberader und brach sie auf.

Nun kniet sie eine Weile im Sand des trockenen Creeks, hält die herausgeholten Silberbrocken in ihren hornigen Händen und blickt mit ihren blauen Augen zum Himmel auf.

Es ist ein Leuchten in ihren Augen.

Und ihre Lippen bewegen sich betend. Aber es ist ein lautloses Gebet.

Wenig später macht sie sich auf den Weg zurück in die Stadt.

Als sie ins Sheriff’s Office tritt, grinst Windy Garret ihr entgegen und fragt: »Nun, Tante Sarah, willst du nachsehen kommen, ob mir nach der Kur mit deinem Wundertee schon die ersten Haare nachwachsen auf meiner Glatze? Oh, ich sage dir, dass sie mir jetzt schneller aus der Nase wachsen – und aus den Ohren, aber nicht auf dem Kopfe.«

Sie schüttelt den Kopf und wirft ihm die Silbererzbrocken auf den Schreibtisch.

»Ich will meinen Claim anmelden«, spricht sie. »Genau in der Furt des Creeks, ich meine an der Stelle, wo sonst die Furt ist, wenn der Creek Wasser führt. Los, mein Junge, trage es ein. Ich habe eine Silberader gefunden. Der Himmel ließ mein Wagenrad genau dort brechen, wo das Silber unter der Erde liegt. Der Himmel meinte es gut mit einer alten Frau.«

Windy Garret staunt mit offenem Mund.

Und aus dem Nebenraum tritt Finnegan, wo er sich gewaschen hat. Es ist schon fast Abend geworden. Er wird jetzt zum Abendessen gehen.

Aber er hat jedes Wort gehört, das im Office gesprochen wurde.

»Herzlichen Glückwunsch, Sarah«, sagte er. »Nun wirst du eine reiche Frau. Was tust du dann?«

Sie lächelt blauäugig zu ihm empor. In ihrem Mund ist nur ein einziger Zahn zu erkennen.

Finnegan fragt sich in diesem Moment, wie alt sie wohl sein mag.

Er hört sie sagen: »Oh, mein Junge, wenn ich eine reiche Frau werden sollte, dann werde ich irgendwo ein schönes Haus bauen mit vielen Zimmern und einem schönen Garten – oder ich werde ein schönes Schloss kaufen. Und dann sammle ich alle alten und einsamen Weiber von ganz Colorado ein und sorge dafür, dass man sie wie richtige Ladys bedient und versorgt. Ja, das werde ich tun, mein Junge.«

Finnegan nickt schweigend und geht hinaus.

Seine Sorgen sind nun noch größer geworden.

Denn der Silberfund so dicht neben der Stadt wird die Veränderungen im Lande noch mehr beschleunigen.

Und er weiß, dass es noch mehr solcher Funde geben wird, je zahlreicher die Glücksjäger sind, die vom Lockruf des Silbers und Goldes herbeigerufen und das ganze Land umwühlen werden bis in die unmöglichsten Winkel.

Er weiß, dass binnen einer einzigen Woche alle Sorten von Menschen hier in seinem Distrikt beisammen sein werden – die Guten und die Reinen, aber auch die Bösen und der ganze Abschaum. Und das zweibeinige Raubwild wird von der großen Hammelherde leben.

Er wird es kaum verhindern können – nicht er allein als Sheriff.

Ihm fallen die Worte eines berühmten Mannes ein, dessen Namen er vergessen hat. Doch seine Worte, die er einmal in einer Zeitung las, die blieben in seiner Erinnerung. Nun sagt er sie sich in Gedanken: Solange die Sonne über dem Glück oder Unglück der Menschen leuchten wird, wird das Schaf vom Wolf gefressen werden, und dem, der das weiß, bleibt, so er kann, nur die Möglichkeit, kein Schaf zu sein.

So etwa hat er diese Worte dem Sinn nach in seiner Erinnerung. Und er weiß eines: Er wird verdammt allein gegen alle stehen müssen, weil alles außer Kontrolle geraten wird – alles. Es kann gar nicht anders kommen.

Draußen hat sich nun die Dämmerung auf die Stadt gelegt. In einigen Häusern werden die ersten Lichter und Lampen angezündet.

Die Stadt ist sehr viel stiller als sonst. Nur die Frauen mit Kindern und die alten Männer sind noch hier außer Windy, dem Postagenten und ihm, dem Sheriff.

Aus einem der offenen Fenster klingt die Stimme einer Frau, die ihr kleines Kind offenbar zu Bett bringt.

Er hört die Worte: »… kauft uns dein Daddy alles Schöne auf dieser Welt mit all dem vielen Geld.«

Er ist nun außer Hörweite, doch er weiß, dass diese Frau schon jetzt an das Glück ihres Mannes glaubt, der mit den anderen zum Spanish Springs Canyon ritt, um dort nach Gold zu suchen.

Er denkt: Und die alte Sarah fand ihr Glück ganz in der Nähe. Die brauchte nicht so weit von hier weg. Das Leben ist verrückt, und das Schicksal spielt mit uns Menschen immer wieder die verrücktesten Spiele.

***

Am anderen Morgen besucht er Jube Scott, aber er kann nicht mit ihm reden, da der alte Goldsucher zu starkes Wundfieber hat. Die Frau des Barbiers kümmert sich um ihn. Sie half ja auch ihrem Mann, als dieser Jube die Kugel herausholte.

Nun sagt sie: »Der wird wieder. Eigentlich müsste er meinen Mann an seiner Goldader beteiligen. Denn wenn Linc ihm nicht die Kugel herausgeholt hätte, wäre er jetzt wahrscheinlich schon tot und seine Goldader herrenlos. Dass Linc ihn rettete, beweist doch mal wieder, wie gut mein Mann ist, nicht wahr? Also sollte Jube ihm dankbar sein.«

Finnegan erwidert nichts, geht hinauf, sitzt draußen auf und reitet aus der Stadt. Er schlägt die Richtung zum Spanish Springs Canyon ein.

Schon unterwegs kommt er aus dem Staunen nicht heraus.

Am Creek trifft er die alte Sarah Padune.

Sie hockt auf ihrem alten Wagen, den man aus dem Creekbett zog, und beaufsichtigt drei Männer, die mit Spitzhacken und Schaufeln arbeiten und aus der Silberader immer wieder Brocken herausbrechen.

Es sind drei sehr unterschiedliche Männer.

Einer ist der Trunkenbold von Opal, den man nur »Bottle« nennt. Der zweite Mann ist Pedro, ein Halbblut, der aber wahrscheinlich zu dreiviertel ein Apache oder ein Navajo ist. Und der dritte Mann ist ein Fremder, der wahrscheinlich erst in der Nacht nach Opal kam und sich seine Stiefelsohlen mit Riemchen an den Stiefeln festbinden musste und auch sonst sehr abgerissen ist, ganz und gar ein heruntergekommener Tramp.

Aber die drei sonst gewiss sehr arbeitsscheuen Männer arbeiten jetzt fleißig wie die Ameisen.

Sarah Padune lacht den Sheriff meckernd an und sagt dann listig: »Wenn auch du für mich arbeiten willst, mein Söhnchen, dann bekommst du doppeltes Sheriffgehalt von mir. Willst du?«

Er gibt ihr keine Antwort, reitet lachend durch das trockene Creekbett und setzt seinen Weg zum Canyon fort.

Unterwegs überholt er einige Wagen, gefüllt mit Menschen, zumeist Männern, aber auch einigen Frauen. Auch Fußgänger sind unterwegs, welche Hacken und Schaufeln schleppen. Reiter auf schlechten Tieren werden von ihm überholt.

Und er weiß, dass dies erst der Beginn des Runs nach dem Reichtum ist. Diese Leute sind im Laufe der Nacht aufgebrochen, sobald die Nachricht des Goldfundes sie erreicht hatte.

Aber es werden in den nächsten Stunden, Tagen und Nächten immer mehr kommen.

Der Weg zum Spanish Springs Canyon ist nicht mehr weit.

Und dort, wo sich der Eingang der alten Mine befindet, da wühlen sie überall dicht beieinander. Sie hacken und schaufeln überall den Boden auf, hämmern in den Bergfalten. Manche haben schon ziemlich tiefe Löcher gegraben, tiefe Furchen gezogen, überall versucht, auf etwas zu stoßen.

Sie kümmern sich nicht um die Dinge in ihrer Umgebung. Und so wird er kaum beachtet. Für all diese Menschen ist er nur irgendein Reiter, den sie erst wahrnehmen würden, wenn er ihnen auf ihren abgesteckten Claims zu nahe kommen sollte.

Vor dem Stolleneingang stehen einige Sattelpferde. Und bei ihnen steht ein Mann, der zwei Revolver im Kreuzgurt trägt. Er sieht dem Sheriff bewegungslos entgegen, wartet mit kühler Ruhe. Seine Füße stehen einen halben Yard auseinander, so als hätte er die Absicht, dort Wurzeln zu schlagen.

Finnegan kennt sich aus. Er weiß, dass er einen Revolvermann vor sich hat, der sich für ein Duell bereit macht.

Er hält an und sitzt ab.

»Hallo, sind Sie der Sheriff?« So fragt der Mann mit einem spöttischen Klang in der Stimme.

Finnegan zeigt ihm wortlos die blinkenden Zahnreihen, denn die Frage ist überflüssig, da er seinen Stern an der Weste trägt. Sie ist vielmehr eine spöttische Herausforderung. Er erkennt es in den dreieckig wirkenden Augen des Mannes.

Er deutet auf den Stolleneingang: »Wer ist dort drinnen?«

»Aaah, nur ein paar Freunde von mir. Und ich achte hier draußen darauf, dass man sie nicht stört. Was dagegen, Sheriff?«

Wieder klingt die Frage beim Wort »Sheriff« spöttisch.

»Holen Sie Ihre Freunde heraus«, spricht Finnegan. »Dies ist keine verlassene Mine. Ihre Freunde dort drinnen begehen Goldraub. Rufen Sie sie heraus. Dann könnt ihr verschwinden.«

Der Revolvermann grinst nur spöttisch und verächtlich.

»Ich bin Jeremy O’Quinn aus Laredo«, sagt er. »Schon gehört von mir? Wenn Sie klug sind, Sheriff, dann verschwinden Sie – nicht wir. Also, hauen Sie schon ab, bevor ich Ihnen Beine mache.«

Finnegan nickt langsam.

Nun weiß er Bescheid. In seinem Office liegen einige Steckbriefe. Und der von Jeremy O’Quinn ist auch dabei. Das Bild wurde von einem Zeichner gemacht. Er hätte O’Quinn jedoch nach diesem Bild nicht erkannt.

Er sagt: »Wenn Sie O’Quinn aus Laredo sind, dann muss ich Sie festnehmen.«

Da lacht der Revolverheld.

Aber dieses Lachen soll eine Täuschung sein, denn obwohl er seinen Kopf zurücklegt und sozusagen gen Himmel lacht, schnappen seine Hände nach den Revolvern.

Aber als er sie heraus hat, bekommt er Finnegans Kugel mitten ins Herz.

Er lässt die Revolver fallen und stirbt stehend. Ja, er ist tot, bevor er zusammenbricht.

Aus der Mine kommen nun einige Männer gelaufen. Finnegan sieht sofort, dass sie nicht O’Quinns Format haben. Diese da sind von der Sorte, die stets einen Anführer nötig hat, weil sie selbst nur drittklassig ist.

Es sind vier Burschen, die staunend und unschlüssig verharren.

Was sie sehen, können sie nicht glauben. Denn für sie schien dieser O’Quinn unüberwindlich zu sein.

Finnegan ist klar, dass O’Quinn diese Burschen irgendwie und irgendwo zu sich nahm, damit er in ihnen willige Handlanger hat, folgsame Kerle, die genau das tun, was er von ihnen verlangt, solange sie unter seiner Führung gut leben. Und gut leben, dies heißt für sie: Mädchen, Feuerwasser, Spiel und alle damit verbundenen Ausschweifungen, schnelles Geld für wenig Arbeit.

Er ruft ihnen zu: »Haut ab! Los, auf die Pferde und fort mit euch! Und wenn ich euch noch mal in meinem Distrikt sehen sollte, dann kommt ihr nicht so glimpflich davon. Dann niete ich euch genauso um wie den da!«

Er hätte es auch anders sagen können. Doch er weiß, sie verstehen nur diese brutale Sprache und akzeptieren nur diese Rücksichtslosigkeit. Ja, er macht ihnen den rücksichtslosen Revolver-Sheriff vor.

Denn er will sie vertreiben, nicht vernichten müssen. Es ist schon bitter genug für ihn, dass er O’Quinn erschießen musste.

Sie gehorchen plötzlich.

Obwohl sie vier Mann, also in der Überzahl sind, haben sie nicht den Mut, sich gegen seinen Befehl aufzulehnen. Ihr Anführer liegt bewegungslos am Boden. Er hatte also keine Chance gegen diesen Sheriff.

Und so laufen sie zu den Pferden, sitzen auf und reiten davon. Finnegan sieht ihnen nach.

Dann blickt er sich um.

Man hat alles gewiss beobachtet in seiner Umgebung. Doch sie arbeiten schon alle wieder, wühlen den Boden um und hoffen, dass sie beim nächsten Hackenschlag in den Boden auf Gold oder Silber treffen.

4

Es ist er später Mittag, als er nach Opal zurückgeritten kommt.

Am nördlichen Ende der Stadt stehen nun die Wagen des Frachtwagenzuges in Doppelreihe wie Häuser und Hütten an den Rändern einer Straße.

Finnegan begreift, dass der Wagenboss Stacy Younger bleiben will. Und er hat mit seinen schweren Frachtwagen die Hauptstraße gewissermaßen verlängert, so als wäre sie von neuen Hütten und Häusern gesäumt.

Also ist die Stadt um achtundvierzig Wagen und Anhänger gewachsen. Und vielleicht werden bald aus den Wagen tatsächlich richtige Häuser. Ja, das kann leicht so kommen, wenn noch weitere Gold- und Silberfunde gemacht werden und die Kunde davon sich verbreitet.

Die Stadt wurde nun wieder lebendiger. Es kamen viele Fremde auf Sattelpferden und in Wagen jeder Sorte. Als er in die Hauptstraße reitet, kommt ihm vom anderen Ende die Postkutsche von Kansas entgegen, und sie ist voller Menschen. Selbst oben auf dem Dach zwischen den Gepäckstücken hocken noch zwei Männer.

Finnegan weiß, so wird es jetzt weitergehen, Tag und Nacht. Der Zustrom wird täglich, ja stündlich stärker werden.

Einige Wagen von Stacy Youngers Frachtzug haben die Seitenwände heruntergeklappt und wurden so zu Verkaufsständen. Es wird vor allen Dingen Werkzeug verkauft, also Spitzhacken, Schaufeln, Spaten, Hämmer, aber auch jene flachen Schüsseln, mit denen Goldsucher den Sand auswaschen, bis nur noch Goldstaub bleibt, der ja schwerer ist.

Viele Leute, die ohne Ausrüstung ankamen, rüsten sich aus für die Goldsuche. Sie kaufen auch Proviant, vor allen Dingen Rauchfleisch, Speck, Mehl, Zucker, Hülsenfrüchte. Und Youngers Wagenzug hat ja alles vorrätig.

Younger tritt zwischen zwei Wagen hervor auf die staubige Fahrbahn und hebt die Hand, damit Finnegan anhält.

»Sie sehen, Sheriff«, spricht er zu Finnegan empor, »dass ich Ihren Rat befolgt habe. Ich lasse mich in dieser Stadt nieder.«

»Gut«, nickt Finnegan.

Der bullige Mann mit dem harten Gesicht und den flintsteinharten Augen grinst nun fast böse.

»Aber ich vergesse nicht, Sheriff«, sagt er, »dass ich von Ihnen keine Hilfe erhielt, als ich Sie darum bat. Es wird in dieser Stadt noch ziemlich wild werden, denke ich. Deshalb sage ich Ihnen schon jetzt, kommen Sie nur nicht irgendwann mal auf die Idee, mich um Hilfe zu bitten. Und kommen Sie auch nicht meinen Interessen hier in die Quere. Ich …«

»Wollen Sie mir drohen, Younger?« Finnegan fragt es fast sanft.

Aber Younger schüttelt den Kopf. »Nur die Grenzen abstecken«, spricht er. »Sie sind verdammt allein, Sheriff. Und es wird hier bald mehrere Interessengruppen geben, gegen die Sie so wenig ausrichten können wie ein Schneeball in einer heißen Bratpfanne gegen die Hitze. Meine Absichten beschränken sich auf das Monopol der Versorgung. Wenn es sein muss, werbe ich noch ein ganzes Dutzend Revolverschwinger an. Verstanden?«

Finnegan erwidert nichts. Er betrachtet den Mann nur noch einmal fest und reitet wortlos weiter.

Einen Moment lang verspürt er den Wunsch, aufzugeben.

Es wäre so einfach. Er müsste nur einen Moment sein Pferd vor dem Hotel anhalten, auf sein Zimmer gehen, die wenigen Sachen zusammenpacken und sie in den Satteltaschen und in einer Sattelrolle verstauen.

Dann könnte er sich wieder auf sein Pferd setzen und davonreiten.

Ja, so einfach wäre es.

Denn wenn er bleibt, dann …

Nein, er denkt nicht weiter. Und es kommt zugleich auch ein Gefühl des Trotzes in ihm hoch.

Verdammt, er wird nicht davonlaufen.

Als er an Kate Langtrys Schneiderladen vorbei will, tritt Kate heraus. Sie lächelt zu ihm empor – und wieder einmal mehr wird er sich bewusst, wie sehr sie ihm gefällt. Abermals fragt er sich, warum so eine schöne und reizvolle Frau sich mit einem Schneiderladen begnügt und für Frauen und Kinder Kleidung näht.

Sie trägt ein einfaches Kleid, aber in einem Ballkleid könnte sie auf jedem Ball die Königin sein. Er kann es sich vorstellen.

Er hält sein Pferd an und greift an die Hutkrempe. »Diese Welt hier«, sagt er, »verändert sich jetzt schnell.«

Sie nickt. Dann macht sie eine einladende Bewegung.

»Ich habe das Mittagessen fertig, Brod«, sagt sie lächelnd. »Es reicht für uns beide. Wollen Sie herausfinden, ob ich gut kochen kann?«

Er zögert.

Aber dann sitzt er ab und bindet sein Pferd an die Haltestange. Er folgt ihr durch den Laden und die Werkstatt in die Wohnküche des kleinen Hauses, und als er sich an den Tisch gesetzt hat, muss er nicht lange warten. Sie hantiert geschickt am Herd und bringt Hammelbraten auf den Tisch, dazu grüne Bohnen und Klöße. Als sie den roten Wein eingegossen hat, trinken sie sich zu.

»Und warum, Kate, luden Sie mich ein?« So fragt er.

Sie lächelt und erwidert: »Brod, ich weiß, dass ich Ihnen gefalle. Das spürt eine Frau wie ich, die einige Erfahrung besitzt. Und so frage ich mich immer wieder, warum Sie es bei mir noch nie versuchten. Fast alle Männer von Format versuchen es bei mir. Nur die kleinen Burschen nicht. Für die bin ich gewissermaßen die Taube auf dem Dach. Die begnügen sich mit dem Spatz in der Hand. Warum also, Brod Finnegan, versuchten Sie es noch nicht?«

Es ist eine klare Frage.

Er hebt seine Schultern, lässt sie wieder sinken.

»Ich war lange ein kranker Mann, den der County Sheriff in diesen ruhigen Distrikt schickte, damit er wieder gesund werden konnte. Und dann habe ich immer gespürt, Kate, dass Sie ein paar Nummern größer sind, als Sie hier erscheinen. Ich denke mir, dass Sie vor etwas weggelaufen sind, Ihr ganzes Leben veränderten und sich hier versteckt halten. Ich habe immer darauf gewartet, dass sich dies alles mal klären würde. Und überdies bin ich nur ein kleiner Deputy Sheriff in einem kleinen Distrikt. Mein Instinkt riet mir stets ab, es bei Ihnen zu versuchen.«

Sie nickt ziemlich heftig zu seinen Worten.

Dann beginnen sie endlich zu essen. Der Hammelbraten ist köstlich.

Erst nach einer Weile spricht sie: »Ja, ich bin weggelaufen. Ich lief einem sehr mächtigen und rücksichtslosen Mann weg, der mich als seinen Besitz betrachtete und mich zwang, Dinge zu tun, die ich nicht länger mehr tun wollte. Ja, ich änderte mein Leben und versteckte mich hier in dieser abgelegenen einsamen und friedlichen Stadt als Schneiderin. Solche Städte interessierten diesen Mann nie. Hier hoffte ich unentdeckt zu bleiben. Doch nun wird diese Stadt bald gewiss zu einem neuen Babylon werden, vielleicht auch zu einem Sodom und Gomorrha. Und in solchen Städten wird dieser Mann schnell der Boss. Er nimmt sie sich wie ein zweibeiniges Raubtier eine fette Beute. Also wird er wahrscheinlich auch hier herkommen, wenn noch mehr Gold- und Silberfunde gemacht werden und der Run erst richtig losbricht. Brod Finnegan, ich möchte nicht wieder fortlaufen. Bekomme ich deine Hilfe?«

Und wieder ist es eine einfache und klare Frage.

Er sieht in ihre grünen Augen und wird sich der Lebendigkeit ihres Mundes bewusst. Diese zuckenden Lippen verraten ihm viel. Und er begreift, diese Frau fürchtet sich und will zugleich auch Mut beweisen. Sie will nicht wieder die Flucht ergreifen und sucht nach einem Beschützer oder Verbündeten.

Ihm traut sie diese Rolle zu.

Er grinst und erwidert: »Oh, ich weiß, dass wir bald in dieser Stadt Machtkämpfe haben werden. Town- und Goldwölfe werden kommen. Und die Gilde der Schmutzigen wird diese Stadt zu übernehmen versuchen. Der Mann, den du fürchtest, ist also solch ein Bursche. Wenn er kommen sollte, werde ich ohnehin mit ihm zu tun bekommen. Denn ich habe nicht die Absicht, mir diese Stadt wegnehmen zu lassen. In dieser Stadt und in meinem Distrikt bin ich der Sheriff und sonst niemand. Kate, ich habe wegen Jubal Scotts Goldader schon drei Männer töten müssen, und ich fürchte, ich werde es auch wegen dieser Stadt auf mich zu nehmen haben. Ich habe vor einem Jahr einen scheinbar ruhigen Job angetreten, der sich nun zu einem Höllenjob verändern wird. Kate, ich weiß nicht, ob ich dich beschützen kann, wenn dieser Bursche kommt, um hier alles zu übernehmen, auch dich. Aber ich will es versuchen. Gut so?«

Sie nickt.

Und dann essen sie weiter. Manchmal sehen sie sich an oder trinken sich zu.

Aber ihre Zweisamkeit in der kleinen Wohnküche wird schon bald gestört. Denn draußen auf der Straße wird es laut: Hufschlag, Gebrüll, dann auch die Geräusche von Wagen mit galoppierenden Gespannen.

Finnegan erhebt sich, geht nach vorn in den Laden und tritt von dort auf die Straße.

Und da sieht er es.

Es kamen einige Dutzend Menschen auf Pferden oder in Wagen. Und sie alle drängen sich nun vor dem Sheriff’s Office.

Eine Stimme gellt durch die Straße von einem Stadtende zum anderen, offenbar als Erwiderung auf eine Frage, die jemand den Reitern zurief: »Gold! Gold und Silber im trockenen Opal Creek bis hinauf zum Spanish Springs Canyon! Gold und Silber überall!«

»Das ist es nun endgültig«, sagt Finnegan über die Schulter zurück zu Kate, welche ihm gefolgt ist und halbrechts hinter ihm verhielt.

»Der Opal Creek bekommt sein Wasser bei der Schneeschmelze aus dem Spanish Springs Canyon und dessen Creek. Nun werden sie überall zwischen unserer Stadt und dem Canyon im ganzen Land Gold und Silber finden. Jetzt wird alles explodieren. Ja, man muss es wohl mit einer Explosion vergleichen. Denn die goldgierige Meute der Glücksjäger wird sogar aus tausend Meilen in der Runde kommen. Die Kunde wird sich binnen weniger Tage zwischen Nord und Süd und Ost und West verbreiten wie der Wind. Jetzt könnte es wohl sein, dass jener Mann kommt, vor dem du dich fürchtest, Kate, und vor dem du dennoch nicht mehr weglaufen willst. Wie ist sein Name?«

»James Carradine«, flüstert sie.

Finnegan tritt zu seinem Pferd.

»Ich muss zu meinem Office«, sagt er dabei zu Kate. »Die wollen sich alle ihre Claims registrieren lassen. Ich muss Windy Garret helfen.«

Sie sieht ihm nach.

Und es ist ein Ausdruck von Hoffnung und zugleich auch von Zweifel in ihrem grünäugigen Blick.

***

Eine Woche später kann man nicht mehr glauben, dass Opal mal eine kleine, ruhige und friedliche Stadt inmitten eines Distrikts war, in dem nur einige Ranches und Farmen lagen, nur wenige Menschen von unbestimmbaren Einkünften lebten und es ein paar Wildpferdjäger, Opalsucher und Schafzüchter gab.

Broderick Finnegan ist nach dieser Woche mit einem Fels in einer starken Brandung oder einem wirbelnden Sturm zu vergleichen – ein Mann allein in einem wilden, rücksichtslosen und kaum zu übersehenden Durcheinander, in dem die Schwachen kaum eine Chance haben und die Starken gegenseitig keine Gnade kennen.

Manchmal kommt Finnegan sich machtlos vor.

Und immer wieder staunt er, was die Hoffnung auf Reichtum im Menschen für Kräfte erzeugt und ihn zu Leistungen anspornt, die er sonst niemals vollbringen könnte.

Aber bei der einen Sorte geht es ums nackte Überleben – und bei der anderen Sorte um Vorteile beim Kampf um Gewinn, Beute und Geschäft.

Die kleine Stadt Opal geht auf wie ein Hefeteig. Sie wächst unaufhörlich. Es gibt genug billige Arbeitskräfte, denn Hunderte von Menschen kommen mit ihren letzten Dollars und suchen Arbeit. Sie müssen erst wieder neue Dollars verdienen, um dann erneut hinausziehen zu können, um nach Gold und Silber zu suchen.

Häuser, Hütten und Zelte schießen wie Pilze aus dem Boden. Man schafft aus den Bergen Bruchsteine herbei, stellt am See Adobeziegel her. Baumaterial jeder Art wird teuer bezahlt. Jeden Tag kommen Wagenzüge.

Und in das Gewimmel, in dieses babylonische Durcheinander, stoßen die Nachrichten von neuen Gold- und Silberfunden hinein wie Fanfarensignale, die zu noch größeren Anstrengungen anfeuern.

Fast jeden Tag wird ein neuer Saloon oder Tingeltangelbetrieb aufgemacht. Die »Gilde der Schmutzigen« macht sich breit in Opal City, wie sich die einst so kleine Stadt Opal jetzt nennt.

Es sind die Freudenhäuser, die Spielhallen und Saloons mit ihren Beschäftigten, die zu dieser Gilde gehören – mit all den Zuhältern, Rauswerfern, Spielern und Barmännern.

Denn sie kamen her, um die Hammelherde zu scheren, ihnen alle Sünden der Erde zu verkaufen.

Spitzbuben und Banditen lungern überall herum. Revolverschwinger vermieten ihre Revolver an Leute, die sich diesen Schutz kaufen können vom Erlös ihrer Gold- und Silberausbeute.

Die alte Sarah Padune zum Beispiel hat eine ganze Mannschaft dieser Sorte zur Verfügung. Denn ihre Silbermine wird immer ergiebiger. Zwar fand sie kein Gold, aber die große Menge des Silbers bringt es ja auch.

Jubal Scott, der die Goldader im Spanish Springs Canyon fand und fast gestorben wäre an der Kugel, kam inzwischen wieder auf die Beine. Er warb eine Mannschaft an und ließ sich mit einem Wagen zu seiner Mine fahren. Er ist noch zu schwach, um selbst zu arbeiten. Aber er beaufsichtigt alles wie ein wachsamer Geier.

So ist oder kommt also alles überall in wirbelnde Bewegung und verändert sich von Tag zu Tag und Nacht zu Nacht.

Broderick Finnegan kommt sich manchmal total hilflos vor.

Er kann nichts aufhalten. Die Flut würde ihn wegreißen wie einen entwurzelten Baum.

Und von der Bürgerschaft der Stadt bekommt er keine Hilfe.

Denn diese Bürger, die einst hier ein stilles, ruhiges Leben führten und dann hinauszogen, um nach Gold zu suchen, kamen längst wieder zurück. Ihre Geschäfte und Werkstätten wurden inzwischen nämlich ebenfalls zu Goldgruben.

Die Bürgerschaft hatte sich dann sehr rasch formiert, hatte eine Vertretung mit Bürgermeister und drei Stadträten gewählt.

Und der Bürgermeister heißt Stacy Younger. Es ist der Mann, der mit seinem Wagenzug voller Waren hier geblieben war und es leicht hatte, an Einfluss und Macht zu gewinnen. Er hat ja immer noch mehr als drei Dutzend Männer auf seiner Lohnliste, dazu einige Revolvermänner als Beschützer – und er hat Waren zu verkaufen, die sie alle hier nötig brauchen.

Als Finnegan am dritten Tag nach der Wahl an der Bar des Opal Saloons auf Stacy Younger trifft, zeigt Younger ihm ein hartes Lächeln und sagt: »Das hätten Sie wohl nicht gedacht, Sheriff?«

»Nein«, erwidert Finnegan. »Aber hier geschehen ja fortwährend Dinge, die normalerweise nicht möglich sind. Sie sind ein mächtiger Mann geworden, Younger. Kaum zu glauben, dass Sie mich mal um Hilfe baten, als Ihnen einige Frachtfahrer wegliefen, um …«

»… zu desertieren«, unterbricht ihn Younger. »Sie wurden vertragsbrüchig. Und es ist gut, dass ich Sie jetzt treffe, Sheriff. Denn nun kann ich Ihnen sagen, was sein wird.«

Er macht eine Pause und starrt Finnegan feindselig an.

Aber Finnegan fragt nicht, was er ihm sagen will, erwidert nur seinen Blick und wartet.

Und so spricht Younger langsam und gewichtig Wort für Wort: »Diese Stadt ist jetzt groß genug, um einen eigenen Marshal zu ernennen, der innerhalb unserer Stadtgrenzen unsere Stadtgesetze vertritt. Aus diesem Grunde gelten Ihre Befugnisse nur noch außerhalb der Stadtgrenzen. Innerhalb der Stadt müssen Sie den Town Marshal um Amtshilfe bitten. So sind die Gesetze des Staates Colorado. Verstanden, Sheriff?«

»Genau«, nickt Finnegan. »Und wer wird hier Town Marshal sein?«

»Jesse Quaid«, erwidert Stacy Younger knapp. »Vielleicht hörten Sie schon von ihm, ja? Ich ließ ihn aus Santa Fé kommen.«

»O gewiss, Younger. Über Jesse Quaid weiß man gut Bescheid. Da haben Sie einen zweibeinigen Tiger hergeholt. Er war auch schon Kopfgeld- und Skalpjäger. Der wird hier seinem Namen Ehre machen. Denn den nennt man auch ›Bloody Quaid‹. Aber es ist jetzt Ihre Stadt, Younger, nicht mehr meine.«

Finnegan geht nach diesen Worten, und er fragt sich, wie es weitergehen wird in Opal City.

Wieder denkt er an den Mann, vor dem Kate Langtry sich so sehr fürchtet und vor dem sie dennoch nicht mehr fortlaufen will.

James Carradine ist sein Name.

Wird er kommen? Und wenn, wann? Und wie mächtig wird er sein?

Finnegan geht zum Mietstall und holt sich dort sein Pferd. Er reitet bald darauf aus der Stadt – und er verspürt eine gewisse Erleichterung und ein Gefühl der Befreiung.