G. F. Unger Sonder-Edition Collection 16 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition Collection 16 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

5 spannende Westernromane von G. F. Unger lesen, nur 4 bezahlen!

G. F. Unger wird zu Recht als der beliebteste und erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor gefeiert. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Seine Epoche ist das späte 19. Jahrhundert, seine Schauplätze sind die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens, deren Grenzen von unerschrockenen Frauen und Männern immer weiter nach Westen verschoben werden, bis sie schließlich die Küste des Pazifiks erreichen.

Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 76 bis 80 der G. F. Unger Sonder-Edition:

Folge 76: Todesweg

Folge 77: Rio Grande

Folge 78: Die Revolvermannschaft

Folge 79: Die Waycross-Fehde

Folge 80: Gehe nicht, Jesse!

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Seitenzahl: 1001

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Coverillustration: Prieto/Norma ISBN 978-3-7325-7445-2

G. F. Unger

G. F. Unger Sonder-Edition Collection 16 - Western-Sammelband

Inhalt

G. F. UngerG. F. Unger Sonder-Edition 76 - WesternAuf seiner Pferderanch in einem einsamen Hochtal von Montana sucht der ehemalige Revolvermann Jeremy Smead Ruhe und Vergessen. Aber die Vergangenheit holt ihn ein. Als die Bande, die das Leben seines Vaters auf dem Gewissen hat, ihm die wertvollen Zuchtstuten raubt, um damit einen Goldtransport zu überfallen, verlässt Jeremy sein Tal und nimmt die Verfolgung auf. Er kennt die Gnadenlosigkeit und Gefährlichkeit der Goldwölfe, und er ahnt, dass es ein Todesweg ist, auf den er sich begibt...Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 77 - WesternDie Kugelwunde, die sich Oven Finn im Kampf mit Big John Lonnegans Bluthunden einfing, hat sich schlimm entzündet, und er braucht dringend Hilfe. Er findet sie bei Doña Elvira Alder in der wilden Silberstadt Paraiso. Die Schöne jedoch ist eine eiskalte Geschäftsfrau, und sie verlangt von Oven eine Gegenleistung für ihre Hilfe. Er soll sie vor Marshal McKinney beschützen, dem Mann, der in der Stadt am Rio Grande das Sagen hat. Oven Finn hat sich noch nie etwas schenken lassen, und so gibt er ihr sein Wort. Dass es ein Höllendeal ist, auf den er sich einlässt, merkt er erst später. Aber dann fragt er sich allen Ernstes, ob es nicht besser für ihn gewesen wäre, er hätte Doña Elviras Hilfe niemals angenommen...Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 78 - WesternEin Heer von Feinden bedrohte die Ranch des alten Rinderkönigs, und eine gnadenlose Rustlerbande hatte seine Herden bereits mächtig dezimiert. Um sein Reich vor dem Untergang zu schützen, warb Luke Ballard Revolvermänner an, musste jedoch bald erkennen, dass er nur vom Regen in die Traufe gekommen war. Ballard war drauf und dran aufzugeben, als sich das Schicksal auf seine Seite schlug: in der Gestalt eines Mannes, der dem Anführer der Rinderdiebe noch eine Rechnung zu präsentieren hatte...Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 79 - WesternDie Schüsse waren verhallt. Ich blickte auf Ellen Scott, die unbeweglich neben ihrem toten Bruder kauerte. Das Gesicht der schönen Frau war zu einer Maske der Trauer und des Hasses erstarrt. Endlich blickte sie zu mir auf und sagte mit tonloser Stimme: "Ty Everett, wir hatten ein Recht auf unsere Rache. Jetzt hast du meinen Bruder getötet, weil du mehr an das Gesetz glaubst als an uns. Aber ich werde einen Mann finden, der es dir heimzahlt. Glaub mir, Ty Everett, du bist schon so gut wie tot. So tot wie mein Bruder..."Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 80 - Western"Geh nicht, Jesse!", fleht die schöne Lily. "Sie werden dich töten. Du und der Sheriff, ihr bringt den Gefangenen nie nach Tucson. Kein Bandit des Landes wird zulassen, dass man Jake Roscoe den Strick um den Hals legt. Er allein kennt das Versteck der Lohngelder, hinter denen alle her sind." Jesse Adams schüttelt langsam den Kopf. "O Lily, du verstehst wohl doch nicht so viel von Männern, wie ich glaubte. Sonst wüsstest du, dass ich zu der Sorte gehöre, die ihr Wort niemals bricht." Winkend hebt er die Hand und reitet an. Er weiß, es wird ein Ritt ohne Wiederkehr...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Todesweg

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Vorschau

Todesweg

1

Es ist ein guter Platz, den sich Jeremy Smead für seine Pferderanch ausgesucht hat, hoch über dem mächtigen Tal, in dem jetzt nun schon mehr als tausend Männer nach Gold suchen.

Als er damals mit der Pferdezucht anfing, gab es noch keine Goldsucher – nur einige Rinderranches, die im Schatten von King Marshalls mächtiger Warbow Ranch lebten. Aber als dann Gold gefunden wurde und die hungrigen Goldsucher ins Land strömten, blieb King Marshall auch dann noch der Boss in weiter Runde.

Doch mit all diesen Dingen hatte Jeremy Smead nie etwas zu tun. Sein kleines Reich ist hoch oben über den Niederungen. Und er ist ein Mann, der nach langen Jahren ruhelosen Reitens zur Ruhe kommen wollte. Irgendwann kommt jeder Mann mal zu der Erkenntnis, dass er genug geritten ist und an einem festen Platz bleiben und Wurzeln schlagen muss.

Die Sonne sinkt im Westen, und die Schatten jenseits des Tales, dort zwischen den Canyons, Bergfalten und Schluchten, werden tiefer.

Jeremy Smead steht am Rand der obersten Terrasse und blickt in die Tiefe. Es sind mächtige Bergterrassen, die von seiner Weide zum Tal hinunterführen, Riesenstufen mit grünen Wiesen und Waldstücken.

Er kann das wilde Camp, das aus der kleinen Stadt »Sioux Hole« entstand, gut erkennen. Dort unten, wo einst nur ein halbes Dutzend Holzhäuser standen, gibt es jetzt viele Saloons, Hotels und Amüsierlokale. Es sind auch viele andere Holzhäuser und -hütten entstanden. Dazu gibt es noch viele, viele Zelte und andere private Behausungen.

Ja, aus Sioux Hole wurde ein wildes Goldgräbercamp, mit all den tausend Sünden, Lastern und Leidenschaften eines solchen – aber auch mit tausend verschiedenen Schicksalen, wie es nun einmal so ist, wenn viele Menschen eng beisammenleben und nichts Anderes im Kopf haben als den Wunsch, sehr schnell reich zu werden.

Es gibt keine Gemeinschaft dort unten.

Dort ist ein wildes Camp.

Jeremy Smead nimmt die Pfeife aus dem Mund und spuckt in die Tiefe.

Er ist ein großer Mann. Bis auf die Schultern ist an ihm alles hager und sehnig. Er besitzt unwahrscheinlich schmale Hüften und lange Beine, die leicht gekrümmt sind. Aber seine Schultern sind muskulös. Die Muskeln drohen das knappe, verwaschene Hemd zu sprengen.

Und er trägt einen Colt tief an der Hüfte. Selbst hier oben in der Einsamkeit trägt er seinen alten Colt. Die Zeit ist vorbei, da er jeden Tag mehr als drei Stunden mit der Waffe übte. Er trägt die Waffe vielleicht nur noch aus alter Gewohnheit und weil er sich ohne sie irgendwie nackt fühlen würde.

Jeremy Smead hat ein ruhiges Gesicht. Es sind einige dunkle Linien darin, die von einem harten Leben erzählen. Ja, dieses ruhige Gesicht drückt Härte aus, eine ruhige und selbstbewusste Härte, an der jedoch nichts Böses ist.

Dieses ruhige Gesicht ist nicht hübsch, denn es ist etwas unregelmäßig. Es gibt einige Narben darin, und das Nasenbein wurde einmal geknickt.

Aber wenn man Jeremy Smead so betrachtet, sieht man einen Mann – einen richtigen Mann, auf den man achten muss. Dieses Gefühl bekommt man sofort.

Gestern hat er seinen dreißigsten Geburtstag gefeiert, und doch ist sein braunes Haar an den Schläfen schon leicht angegraut.

Er hat graugrüne Augen, die weit auseinander stehen und sehr ruhig und beharrlich blicken – und immer prüfend und aufmerksam.

Das ist also Jeremy Smead.

Als er tief unter sich den Reiter entdeckt, der sich den alten Büffelpfad heraufarbeitet, da weiß er noch nicht, dass das Schicksal ihn nochmals in einen Wirbel von Ereignissen und Gewalttaten stoßen wird.

Noch bevor die Sonne untergeht, kann er den Reiter erkennen. Es ist Jacob Smead, sein Onkel.

Jeremy stopft sich seine Pfeife neu und wendet sich um. Er schlendert zu seiner Ranch zurück. Manchmal hält er inne und betrachtet im allerletzten Tageslicht seine Pferde in den Corrals.

Reb Fowley, sein Helfer, kommt herbeigeschlurft und brummt: »Ysabel, die rote Stute, wird wohl in dieser Nacht ihr erstes Fohlen bekommen. Ich bin heute Mittag auf dem Plateau gewesen und habe nach den Grullastuten gesehen. Das Gras ist gut, und sie alle haben Fassbäuche. Aber ich fand auch einige Spuren von Reitern. Sie sind von Süden her durch den Long Canyon heraufgekommen und haben sich hier gründlich umgesehen.«

Nach diesen Worten schweigt der kleine Reb Fowley. Ja, er ist ziemlich klein und sehr krummbeinig. Aber er ist auch so zäh wie eine Sumpfkatze und so scharfäugig und schnell wie ein Falke.

In diesem Land muss ein kleiner Mann so sein, wenn er sich gegen die großen und starken Burschen behaupten will. Und Jeremy weiß, dass Reb sich gegen Burschen behaupten kann, die zwei Köpfe größer sind als er.

Er nickt bitter.

»Wir haben ja immer damit gerechnet«, murmelt er, »dass sich einige Gentlemen für unsere Pferde interessieren werden, nicht wahr, Reb? Das wilde Rudel dort unten hat sich gesammelt und formiert. Diese Entwicklung ändert sich nie. Wo Gold gefunden wird, sammeln sich die schlimmsten Burschen. Zuerst versucht es jeder für sich auf eigene Faust. Aber eines Tages ist ein großer Wolf da und bringt die ganze wilde Horde unter seine Kontrolle. Und dann geht es erst richtig los. Das war überall so. Warum sollte es hier anders sein? Nachtreiter, Banditen und Straßenräuber brauchen gute Pferde. Und sie finden sie hier bei uns. Es gibt auf fünfhundert Meilen in der Runde keine andere Pferderanch. Nun gut, Reb. Bleib du heute bei der Stute und hilf ihr. Ich reite zum Plateau hinüber …«

»Das kann ziemlich rau werden, Jerry«, murmelte Reb Fowley sanft. Aber die Sanftheit seiner Stimme täuscht. Seine hellen Augen funkeln kampflustig. Er nimmt seinen Hut ab und fährt sich mit den Fingern durch sein feuerrotes Haar.

Er ist so kampflustig, wie es ein Sohn irischer Eltern nur sein kann.

»Du bleibst bei der Stute«, sagt Jeremy nachdrücklich und wendet sich dem dreiräumigen Blockhaus zu.

»Wir müssen heute ein gutes Abendbrot machen, Reb. Denn wir bekommen Besuch.«

»He, doch nicht etwa Kate? Dann verschwinde ich höllisch schnell. Und du kannst ihr sagen, dass mir ein Grizzly den Kopf abgerissen hätte.«

Reb Fowley sieht mit einem Male sehr besorgt und unglücklich aus. Er will sich zum Corral wenden, wo sein Sattel noch über einer Stange liegt.

»Mein Onkel Jacob kommt«, brummt Jeremy. »Aber warum willst du vor Kate Wells ausreißen, Freund? Hast du ihr etwas getan?«

Reb seufzte und nickt dann. »Gestern war doch Samstag, der 13. Mai 1873, nicht wahr?«, ächzt er.

Jeremy Smead überlegt eine Weile und zählt dann an den Fingern ab.

»Richtig«, sagt er dann, »gestern hatte ich Geburtstag.«

Reb Fowley seufzt wieder. »Siehst du, Jerry, daran hatte ich vor zwei Wochen nicht gedacht, als ich Kate versprach, dass wir uns am 13. Mai verloben würden. Mir fiel erst später ein, dass du an diesem Tage Geburtstag hast. Ich musste dir doch einen Apfelkuchen backen und dir Gesellschaft leisten, nicht wahr? Man kann doch einen Freund am Geburtstag nicht allein in der Einsamkeit lassen. Und deshalb bin ich nicht ins Tal geritten, um mit Kate Verlobung zu feiern.«

Die beiden Freunde haben nun das Blockhaus erreicht.

Jeremy Smead setzt sich auf die Bank an der Hauswand. »Oh, mein Junge«, keucht er, »oh, das wird schlimm für dich. Kate und ihre Familie werden alle Verwandten und Nachbarn zum Verlobungsfest eingeladen haben. Und sie werden alle auf den Bräutigam gewartet haben. Es wäre gut für dich, wenn du dir eine bessere Ausrede als meinen Geburtstag ausdenken würdest. Kates drei Brüder werden deine Haut zum Trocknen aufhängen. Du hast Kate schwer beleidigt. Sie wird ihren Brüdern sagen, dass sie ihr deinen Skalp bringen sollen.«

Auch Reb Fowley setzt sich und seufzt bitter, so, als wäre er krank.

»Sie hatten mich überrumpelt«, knurrte er dann. »Der alte Sam Wells hatte mich vorher mit seinem selbstgebrannten Schnaps vergiftet. Und als mich Kate dann hinaus zu meinem Pferd brachte … Oh, ich dachte in jener Nacht, dass es wirklich eine gute Idee wäre, mit Kate Verlobung zu feiern. Aber als ich dann hier oben war und mir Gedanken darüber machte, was ein Ehemann alles tun muss, da gefiel mir diese Idee bald gar nicht mehr so gut. Ich dachte daran, dass ich mich jeden Tag rasieren müsste, keinen Whisky mehr trinken, nicht spucken oder fluchen dürfte und sicherlich jede Woche ein Bad nehmen müsste. Jerry, ich wurde mir plötzlich darüber klar, dass ich meine Freiheit verlieren würde und mir jeden Abend die Füße waschen müsste. Ich hatte Angst, Freund – höllische Angst.«

Er verstummt bekümmert und fragt nach einer Pause schnell und hoffnungsvoll: »Du wirst es doch bezeugen, Jerry, dass ich schwer erkrankt war?«

»Nein«, antwortet der, erhebt sich und geht ins Haus hinein. Er hört Reb bitter fluchen, zündet die Lampe an und beginnt, in der Küchenecke ein Abendbrot zu bereiten.

Als er damit fertig ist, erklingen draußen Hufschläge. Und dann sagt Reb Fowleys Stimme grimmig von irgendwoher: »Sheriff, wenn Sie heraufgekommen sind, um mich zu verhaften und zu Kate Wells zu bringen, dann kehren Sie lieber gleich wieder um.«

Jeremy tritt aus der Tür und hört seinen Onkel grimmig lachen und dann bitter sagen: »Reb Fowley, du bist ein verdammtes Eichhörnchen. Die Wells hatten siebenundfünfzig Gäste eingeladen, und Kate hatte sich so hübsch gemacht wie noch nie. Ihre Brüder und einige andere Jungens werden dich in Stücke reißen, in der Sonne trocknen lassen und zu Pulver zerreiben. Du hast einem guten Mädel ein Versprechen gegeben und das Mädel dann sitzen lassen. Wenn ich nicht andere Sorgen hätte, würde ich dir was auf den Hut geben, dich zu einem Paket zusammenschnüren und mit ins Tal hinunternehmen.«

Nach diesen Worten sitzt Sheriff Jacob Smead ab, lässt sein Pferd am Tränketrog stehen und kommt zu Jeremy.

»Guten Abend, mein Junge«, sagt er trocken. »Es war ein beschwerlicher Ritt für einen alten Mann. Du hast es mächtig gut. Du lebst hier in reiner Luft hoch über all den Sünden und allem Verdruss. Das Tal dort unten wird immer mehr zu einer Hölle. Du hast das große Los gezogen, mein Junge.«

»Gib deinen Stern ab, und komm für immer zu uns«, erwidert Jeremy langsam. »Wir könnten einen dritten Mann noch gebrauchen.«

Aber der alte Sheriff knurrt nur unwillig.

»So kann man das nicht machen«, sagt er bitter. »Man kann nicht einfach alles abschütteln. So geht das nicht. Auch du wirst das mal erkennen, Jeremy.«

Der gibt ihm auf diese Worte keine Antwort, sondern sagt ruhig: »Du kamst zum Abendbrot zurecht, Onkel Jacob.« Er lässt ihn vor sich eintreten.

Dann sieht er sich nach Reb Fowley um und zuckt unwillkürlich zusammen, als Reb in die herausfallende Lichtbahn gehumpelt kommt. Reb hat sich tatsächlich jenen Krückstock aus dem Schuppen herausgeholt, den er vor einem guten Jahr einmal nötig hatte, weil ein Wildpferd ihn so schlimm abwarf, dass er sich ein Bein brach. Diesen Krückstock benutzt Reb also wieder. Er hat sich seinen Stiefel ausgezogen und den Fuß dick mit Leinenstreifen umwickelt. Er muss das alles im Schuppen bereitgehalten haben für den Fall, dass Besucher aus dem Tale heraufkommen würden.

Jeremy lacht leise, als Reb Fowley knurrend an ihm vorbeihumpelt.

Jacob Smead sitzt schon am Tisch, als sie eintreten. Er ist ein hagerer, lederhäutiger und eisgrauer Mann mit einem Spitzbart und kühlen Augen.

Die Smeads waren immer Männer des Gesetzes gewesen. Auch Jeremys Vater trug einen Stern. Bis man ihn eines Tages in einer wilden Stadt begraben musste. Er hatte die Fährte eines berüchtigten Banditen und Revolverhelden bis zu jener wilden Stadt verfolgt. Er hatte dort den Verbrecher auf offener Straße gestellt. Doch der Revolverheld war dann mit dem Colt schneller.

Jeremy Smead muss jetzt an diese Sache denken, als er seinen Onkel betrachtet. Auch Jacob Smead ist jetzt alt geworden und seine beste Zeit ist längst vorbei. Eines Tages könnte es auch Jacob so ergehen wie Jeremys Vater. Ja, auch Jacob Smead könnte eines Tages nicht mehr schnell genug sein für einen berüchtigten Burschen.

Jeremy verspürt Bitterkeit, und er wendet sich dem Herd zu, um das Abendbrot auf den Tisch zu bringen.

Jacob Smead beobachtet indes Reb Fowley, der mit seiner Krücke mühsam zu einem Stuhl hinkt und sich schnaufend hinsetzt.

»Das ist es, Sheriff«, sagt Reb dann bitter und trübe. »Ein Gaul hat mir den Fuß fast zu Brei getreten. Wenn Sie wieder ins Tal hinunterkommen, dann bestellen Sie den Wells und Miss Kate einen schönen Gruß von mir und sagen ihnen, dass ich ein armer Junge bin, der …«

»Schon gut, Reb, schon gut«, grinst Jacob Smead grimmig. »Ich werde deine Lüge weitergeben, weil Kates Brüder sie vielleicht doch glauben und ich sie verhaften müsste, wenn sie dir die Haut abziehen. Ich werde ihnen erzählen, dass ein Bergwolf dir das halbe Bein abgebissen hätte.«

»Nein, es war ein Pferd – es trat mir auf die Zehen und machte Knochensalat daraus«, grollt Reb Fowley.

»Jemand wird dich für diese Lüge schon noch bestrafen«, brummelt der Sheriff und betrachtet dann das Abendbrot, das Jeremy auf den Tisch bringt.

Ohne weitere Worte beginnen alle drei Männer zu essen.

Es gibt Rehrücken, Bohnen und Kartoffeln und zum Nachtisch Kaffee mit Apfelkuchen vom Vortag.

Als die Männer dann fertig sind und rauchen, lässt Jacob Smead die Katze aus dem Sack und sagt trocken: »Ich brauche deine Hilfe, Jeremy. Ich bin heraufgekommen, um deine Hilfe zu erbitten. Und du weißt, dass ich in meinem Leben nicht sehr oft jemanden um Hilfe gebeten habe.«

Jeremy lehnt sich weit zurück. Er sieht den Onkel an und schüttelt dann den Kopf.

»Brauchst du Hilfe als Sheriff oder als mein Onkel – als Jacob Smead?«

»Als Sheriff«, erwidert Jacob Smead fest.

Und da schüttelt Jeremy entschieden und abweisend den Kopf.

»Leg den Stern ab, Jacob, und bleib hier oben bei uns. Kümmere dich nicht um diese Narren dort unten. Was hast du davon? Du kommst zu mir und bittest um Hilfe – also bist du allein. Also hilft dir niemand. Sie verlangen von dir, dass du das Gesetz vertrittst und Ordnung aufrechterhältst. Du sollst sie beschützen – diese Feiglinge. Aber wenn es rau wird, stehst du allein. Meinem Vater, der dein Bruder war, ging es genauso. Kevin Streeter und dessen Bande hatten die Bank in Crazy Horse überfallen.

Mein Vater ritt mit einem Aufgebot los. Nach drei Tagen waren die tapferen Burschen sattelmüde und hatten genug. Sie kehrten um. Mein Vater ritt allein weiter. In Laramie stellte er Kevin Streeter und wurde getötet. Er wurde getötet, weil er allein war. Und er war ein alter Mann, der sein ganzes Leben lang das Gesetz vertrat. Sein ganzes Leben lang beschützte er die menschliche Gemeinschaft. Er sorgte dafür, dass die Schafsböcke und Mäuseriche ruhig schlafen konnten, dass man sie nicht bestahl, betrog und sie sich im Schutze des Gesetzes sicher fühlen konnten. Solange er im vollen Besitz seiner Fähigkeiten war, ging das gut. Aber als er ein alter Mann war, konnte ihn ein Bandit fast mühelos töten, weil die feige Gesellschaft, für die er den Stern trug, ihm keine Hilfe gab.

Jacob, ich verachte das ganze Gallatin Valley bis hinauf zur Last Chance Gulch. Ich verachte sie alle und werde niemals auch nur einen Finger für diese Narren krümmen. Als mein Vater tot war, besaß er auf seinem Bankkonto zweihundertsiebzig Dollar. Er war immer sparsam und genügsam. Er hat nie getrunken oder gespielt. Er trug immer nur den Stern und trat für Recht und Gesetz ein. Deshalb blieb er ein armer Teufel. Sieh dir King Marshall an, Jacob. Der hat nie für Recht und Ordnung gekämpft, sondern immer nur für sich gesorgt Und deshalb gehört ihm jetzt halb Montana. Er wird auch niemals ohne Hilfe sein. Denn er besitzt Macht, Reichtum und Geld. Er wird nie in die Situation geraten, eines Tages als alter Mann einem gefährlichen Mörder gegenüberstehen zu müssen. Mein Vater war ein guter Mann und dennoch war er ein Narr. Auch du bist ein Narr, Jacob. Auch du bist jetzt alt geworden. Und vielleicht ergeht es dir eines Tages genauso wie deinem Bruder.«

Nach dieser langen Rede schweigt Jeremy Smead bitter.

»Richtig«, knurrt Reb Fowley. »Das ist es! Sorge für dich selbst und achte darauf, dass niemand dich betrügt. Habe keinen Glauben an die Welt, und sei kein Narr, der sich für andere die Haut abziehen lässt. Das ist es!«

Jacob Smead betrachtet die beiden jungen Männer lange.

»Ich kann dich schon verstehen, Jerry«, murmelt er. »Aber die Sache liegt etwas anders. Kevin Streeter ist im Lande. Junge, der Mörder deines Vaters ist wieder in Montana. Ich weiß es.«

Er starrt Jeremy scharf an.

Aber der schüttelt abermals den Kopf. »Wenn du annimmst, Jacob, dass ich jetzt auf den Kriegspfad gehe, dann irrst du dich. Selbst wenn ich Kevin Streeter finden und töten könnte, würde mein Vater davon nicht wieder lebendig. Ich habe hier eine kleine Ranch. In einigen Jahren wird meine Pferdezucht bis über die Grenzen des Landes berühmt sein. Ich habe hier nach langen Jahren ruhelosen Reitens Ruhe gefunden. Und was habe ich von meiner Jugend gehabt? Meine Mutter starb bei meiner Geburt. Ich war zehn Jahre alt, als ich meinen Vater zum ersten Male bewusst sah. Ich sagte ›Sir‹ zu ihm. Ich war immer bei fremden Leuten – bis ich eines Tages ausriss. In meinem ganzen Leben habe ich meinen Vater nur ein halbes Dutzend Male gesehen. Er sorgte immer dafür, dass ich tausend Meilen weit fort von ihm war. Er hatte viele Feinde und musste immer befürchten, dass die sich bei seinem Kinde an ihm rächen würden. Er war ein Banditenjäger. Das war sein ganzer Lebensinhalt. Und du bist genauso. Aber zum Glück machtest du nie ein Mädchen zu deiner Frau und setztest kein Kind in die Welt Muss ich dir noch mehr sagen, Onkel Jacob?«

Der erwidert eine Weile nichts und starrt nur ins Leere.

»So wenig bedeutet dir dein Vater?«, murmelt er.

»Er hatte seinen Weg gewählt, Jacob. Früher oder später musste er auf diese Art das Ende seines Weges erreichen. Aber ich gehe deshalb nicht auf den Kriegspfad. Ich werde nicht nach diesem Kevin Streeter suchen. Ich lebe mein eigenes Leben.«

»Dann wird Kevin Streeter dich suchen, mein Junge.«

»Das ist unwahrscheinlich, Jacob.«

»Nein, Jeremy! Gewiss, du hast dich hier in die Einsamkeit verkrochen. Und du meinst, die Menschen hätten dich vergessen. Aber dein Name hat immer noch einen besonderen Klang. Es gibt genug Legenden über dich, mein Junge. Du hast als Treibherdenführer und Armeescout zu viele Taten vollbracht. Und du warst viel zu schnell mit dem Colt, als dass man dich vergessen könnte. Ich erinnere dich nur an eines der Lieder. Soll ich es dir in Erinnerung rufen? Vor Jahren sangen es einige wilde Texasjungens im Saloon zu Laramie.

»Fünftausend Rinder und fünftausend Meilen!

Das war Jeremy Smeads großes Treiben!

Oh, tausend Berge und hundert Ströme!

Mit Jeremy Smead ritten Texassöhne!

In Kansas, da sperrten Stampeders den Weg!

Und in Nebraska, da …«

»Genug, genug, Jacob«, unterbricht ihn Jeremy scharf. »Die rauchige Zeit ist vorbei. Ich treibe keine texanischen Longhorn-Herden mehr nach Norden. Ich bin hier geblieben und habe mir eine Pferderanch aufgebaut. Und ich will Frieden haben.«

»Damit ist es vorbei«, sagt Jacob Smead trocken. »Kevin Streeter hat von dir genug gehört. Er weiß, dass du Hiob Smeads Sohn bist. Und er ist in dieses Land zurückgekommen, um zu rauben und zu morden. Für ihn steht es fest, dass Hiob Smeads Sohn nach ihm zu suchen beginnen wird, sobald überall bekannt ist, dass sich Kevin Streeter wieder im Lande befindet. Er wird nicht darauf warten, bis du ihn gefunden hast. Sondern er wird zu dir kommen. Männer von seiner Sorte haben nicht gerne Schatten auf der Fährte. Sie warten nicht.«

»Wenn er zu mir kommt, wird er bekommen, was er wünscht«, erwidert Jeremy ruhig.

Jocob Smead schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch, sodass die leeren Tassen und Teller zu springen beginnen.

»Zum Teufel, warum willst du auf ihn warten? Höre, ich habe eine Gelegenheit. Morgen verlässt die Extrapost mit zwanzig Zentnern Gold das Camp. Die Goldladung ist nicht versichert, weil keine Versicherung nach all den vielen Überfällen mehr einen Vertrag abschließt. Auch die Agenten von der Versicherung haben schon gehört, dass Kevin Streeter wieder im Lande ist. Das Gold soll zum Missouri gebracht werden, wo es von einem Dampfboot übernommen wird. Aber der Weg ist fünfhundert Meilen weit. Und Kevin Streeter wird sich das Gold holen.«

»Es ist nicht mein Gold, Onkel. Sollen es die beschützen, denen es gehört.«

»Das Gold gehört mehr als dreihundert Männern«, murmelt Jacob Smead trocken. »Und es sind zumeist gute Männer, die harte Arbeit geleistet haben. Sie sind von überallher ins Goldland gekommen, und viele von ihnen sind schon viele Monate von ihren Familien weg. Sie wollen das Gold auf dem Flussweg nach Saint Louis hinunterschicken, von wo aus es dann in alle Himmelsrichtungen auf den sicheren Wagenwegen zu den Empfängern gebracht wird. Jeremy, einige hundert Familien warten überall in unseren Staaten auf den Ertrag der Arbeit ihrer Väter, Söhne, Brüder und Männer.«

»Es geht mich nichts an«, murmelt Jeremy. »Ich lebe hier in Frieden und suche keinen Verdruss. Ich sorge für mich und falle niemandem zur Last. Wer hier in dieses Land gekommen ist, um Gold zu finden, der muss sich schon selbst darum kümmern, dass es bis zu seinen Angehörigen gelangt.«

Da gibt es der alte Sheriff auf. Er geht langsam zur Tür. Seine Sporen klirren. Er rückt seinen Waffengurt mit den beiden Colts zurecht und setzt seinen Hut fester auf.

»Danke für das Abendessen, mein Junge«, murmelt er. »Ich werde nämlich mit einigen Jungens den Goldtransport begleiten. Schade, ich hätte dich gern dabeigehabt, weil ich sicher bin, dass Kevin Streeter uns den Weg verlegen wird. Zwanzig Zentner Gold lässt sich ein Mann wie Kevin Streeter nicht entgehen.«

Jacob Smead wendet sich noch einmal halb zurück und lehnt sich gegen den Türpfosten.

»Es ist doch ganz klar«, murmelt er. »Es ist doch alles ganz klar. Immer wieder wurden die kleineren Goldtransporte überfallen und das Gold geraubt. Das waren Vorarbeiten. Nichts Anderes als Vorarbeiten für den großen Coup. Die Versicherungen übernahmen keine Garantien mehr für die Goldtransporte. Also blieb das Gold in Sioux Hole und sammelte sich an. Es sind jetzt tausend Kilo geworden. Und es kam der Tag, da man ganz einfach den Versuch machen muss, es fortzubringen. Die Goldgräber können ihre Familien und Angehörigen in Wyoming, Dakota, Nebraska, Iowa, Kansas, Missouri – und wo sie auch wohnen mögen, nicht länger ohne Einkommen und Unterstützung lassen. Darauf hat Kevin Streeter gewartet. Er wird sich mächtig anstrengen, das Gold bekommen zu können. Nun, vielleicht kann ich ihm einige Tricks zeigen und ihn auch vor meine Colts bekommen. Er hat Hiob Smead getötet. Hiob aber war nicht nur dein Vater, Jeremy. Er war auch mein Bruder und als Sheriff in diesem Land hier mein Vorgänger.«

Nach diesen Worten wendet er sich um und tritt in die Nacht hinaus. Er steigt auf sein Pferd und reitet ohne jedes weitere Wort davon.

Jeremy Smead lauscht auf den verklingenden Hufschlag, und er verspürt immer noch etwas von der Bitterkeit, die sein Onkel hier zurückließ. Ja, es war eine tiefe Bitterkeit.

Er seufzt und hört dann Reb Fowley sanft hinter sich sagen: »Ich habe deinen Vater nicht gekannt, Freund, denn wir lernten uns vor drei Jahren in Texas kennen und kamen mit einer Longhornherde nach Norden. Wir wurden Freunde, und ich blieb bei dir, als du hier diese Ranch aufzubauen begannst. Nun gut, ich kannte deinen Vater also nicht. Aber er wird wohl nicht viel anders als dein Onkel gewesen sein.«

Jeremy nickt. »Jacob ist sechs Jahre jünger – aber sie waren beide in ihren Ansichten und Auffassungen immer wie Zwillingsbrüder. Ja, mein Vater war so, wie Jacob jetzt ist. Auch Jacob würde alles hergeben, um seinem Stern zu dienen. Er würde Frau und Kinder verlassen und vergessen, um für das Gesetz zu reiten. Er kennt nichts Anderes als die Treue zu seinem Stern. Eines Tages wird ihn ein Verbrecher abknallen, und man wird ihn als armen Mann unter die Erde legen, wenn er das Glück hat, dass man seinen Leichnam findet, denn so mancher Sheriff, der eine lange Fährte verfolgen muss, bleibt verschollen.«

Jeremy sagt diese Worte bitter, sehr bitter.

Reb Fowley räuspert sich hinter ihm und sagt dann unbeholfen: »Wenn dir an meiner Meinung etwas liegt, Jerry … Nun, ich denke, dass dein Vater in seiner letzten Stunde einige Dinge bereut haben wird. Es ist sehr achtenswert, wenn ein Mann aus innerer Überzeugung dem Gesetz dient und auf diese Art für eine bessere Zeit kämpft. Aber irgendwann sollte auch solch ein Mann damit aufhören und etwas schaffen, was noch vorhanden ist, wenn er diese Erde verlassen hat. Dein Vater hinterließ nicht mehr als einige Legenden. Und das ist sehr wenig. Hiob Smead wird das gefühlt haben bei seinem Tode. Deshalb würde er bestimmt nicht wollen, dass du auf den Kriegspfad gehst. Rache oder Vergeltung können manchmal sehr unwichtig sein. Wenn du Kevin Streeter tötest, wird dein Vater davon nicht lebendig. Aber wenn du deine ganze Kraft dafür einsetzt, eine große Ranch zu schaffen, mit mehr als tausend edlen Pferden – nun, dann ist das schon etwas. Dann wird der Staat Montana vielleicht eines Tages durch seine Pferdezucht berühmt, so wie Texas durch seine Longhorn-Rinder. Und eines Tages wirst du eine Familie gründen und Söhne haben. Es wird eine Menge Smeads geben, die größer werden und wiederum jeder für sich etwas aufbauen und erschaffen. Das ist der richtige Weg. Deinem Vater würde dies sicherlich gefallen. Ich glaube nicht, dass er sich darüber freuen würde, wenn du Jagd auf Kevin Streeter machst, um Rache zu nehmen. Dieser Streeter wird seinem Schicksal nicht entgehen. Du aber könntest getötet werden. Es gäbe dann bald keine Smeads mehr. Nein, das würde Hiob Smead wirklich nicht gefallen.«

Reb Fowley verstummt irgendwie feierlich.

»Danke, Freund, danke«, murmelt Jeremy. Er späht dann in die Nacht hinaus.

Irgendwo auf dem Weg dort unten reitet sein Onkel zu Tal.

Aber dann macht Jeremy eine Schulterbewegung, als schüttelte er etwas ab.

»Allright, Reb«, brummt er. »Ich reite zum Plateau hinüber und bewache unsere Pferde dort. Sieh du nur zu, dass Ysabel ihr erstes Fohlen gut zur Welt bringt. Aber nimm dir eine Schrotflinte mit in den Stall. Denn vielleicht hat es die Bande nicht auf unsere Grullas, sondern auf unsere langbeinigen Stuten hier in den Corrals abgesehen.«

»Das glaube ich nicht, Jerry«, erwidert Reb überzeugt. »Diese Grullas aus Mexico haben zwar Fassbäuche, Rattenschwänze und Schafsköpfe, aber auf lange Distanz schlagen sie jeden unserer langbeinigen Renner. Langreiter wissen das. Jerry, vielleicht schafft es Ysabel auch ohne meine Hilfe. Ich möchte dich begleiten.«

»Nein«, sagt Jeremy fest. Er nimmt sich sein Gewehr aus dem Ständer neben der Tür und geht davon.

Reb löscht die Lampe und tritt ebenfalls hinaus. Dann hört er, wie Jeremy aus dem Corral reitet. Der Hufschlag verstummt bald.

Reb seufzt. Er holt sich die Schrotflinte aus dem Ständer und geht zum Stall hinüber. Dort zündet er eine Laterne an und betrachtet die edle Stute in der Box. Ja, sie wird bald ein Fohlen bekommen. Ihre Augen sind feucht, und sie schnaubt dankbar, als Reb zu ihr spricht. Der Vater dieses Fohlens heißt »Cochise«. Er ist zwar nach dem alten Apachenhäuptling Cochise benannt, aber ein echter Vollbluthengst und Abkömmling der spanischen Conquistadores. Jeremy reitet ihn schon viele Jahre und brachte ihn von Texas mit herauf nach Montana. Er ist der Stammvater dieser hier entstehenden Pferdezucht. Reb Fowley hört ihn jetzt einige Male draußen von den Corrals her schmetternd wiehern, so, als wüsste Cochise genau, dass er bald einen neuen Sohn bekommen wird.

3

Nancy Gentry ist für ein Mädchen ziemlich groß, aber es ist alles richtig an ihr. Sie ist blond, blauäugig und wirkt stets so frisch wie ein junger Morgen.

Sie ist mehr als nur hübsch. Auf jeden Fall aber bietet sie für einen, Mann einen sehr erfreulichen Anblick.

Ihre Wege waren nicht leicht, denn sie musste schon sehr früh für sich sorgen. Sie ist fünfundzwanzig Jahre alt, und in ihrem Alter sind die meisten Frauen in diesem Land schon einige Jahre verheiratet und besitzen einige Kinder.

Als man in diesem Land Gold fand und der Ansturm der Goldsucher losbrach, da kam auch Nancy Gentry nach Sioux Hole und eröffnete eine Kuchenbäckerei.

Sporenklirrend geht Jeremy Smead durch den Laden und betritt die kleine Backstube. Nancy kniet vor dem Ofen und nimmt gerade einen Apfelkuchen heraus. Sie erhebt sich damit und stellt das Blech ab.

Dann wendet sie sich Jeremy zu, betrachtet ihn auf ihre offene und gerade Art prüfend – und erkennt sofort, dass etwas geschehen sein muss. Oh, sie kennt diesen großen Mann nun schon sehr gut. Sie kennen sich jetzt länger als ein Jahr, und ein Mädchen wie Nancy ist durchaus in der Lage, tiefer in einen Mann wie Jeremy Sinead blicken zu können.

Ruhig sagt sie: »Cowboy, du siehst heute nicht so aus, als ob du einen Kuchen essen möchtest. Ich erkenne einen kalten Zorn in dir, und ich glaube nicht, dass mir das gefällt. Es bereitet mir Sorge. Ich hatte einen Vater und drei Brüder. Eines Tages hatten sie denselben Ausdruck in ihren Augen. Jemand hatte ihnen etwas angetan, was sie nicht hinnehmen wollten. Sie ritten los – und keiner kehrte zurück. Jerry, was ist dir zugestoßen?«

Er steht groß und unbeweglich vor ihr. Nur seine Finger bewegen sich, denn die halten den Hut und drehen diesen ständig. Diese unmerkliche Bewegung aber drückt sehr viel aus. Sie lässt etwas von Jeremys Ungeduld erraten.

»Nancy«, murmelt er, »ich möchte mich von dir verabschieden.«

Er kann erkennen, wie in ihren Augen der Schatten einer Bestürzung erscheint. Sie muss tief in ihrem Herzen jetzt sehr erschrocken sein. Sie richtet sich noch gerader auf und hebt ihr Kinn. Das ist ihre stolze Art.

Aber sie sagt nichts. Sie betrachtet ihn nur fest. Ihre blauen Augen stehen ziemlich weit auseinander. Ihre Brauen haben einen besonderen Schwung. Ihre Nase ist klein und gerade, doch die hohen Wangenknochen geben ihr einen rassigen und eigenwilligen Ausdruck. Vielleicht ist ihr Mund etwas zu breit, aber er ist voll, und die Lippen besitzen jenen Schwung, den ein Mann gern hat.

Er sieht und betrachtet dies alles. Ihr weizenblondes Haar ist glatt zurückgekämmt und hinten im Nacken zusammengesteckt. Sie trägt ein einfaches Kleid mit einer Schürze darüber. An ihrer Wange ist etwas Mehlstaub. Sie ist prächtig gewachsen.

Ja, Jeremy sieht und erkennt dies alles.

»Vielleicht komme ich wieder«, sagt er unbeholfen. »Und du hast an mir alles richtig erkannt, Nancy. Yeah, man hat mir etwas angetan. Man hat mir meinen Hengst ›Cochise‹ und mehr als ein Dutzend meiner besten Zuchtstuten gestohlen. Deshalb muss ich reiten. Wenn ich in vier Wochen nicht zurück bin, solltest du nicht mehr an mich denken.«

Ihre vollen Lippen pressen sich fester aufeinander, und ihre Nasenflügel vibrieren. Dann schluckt sie etwas mühsam und sagt sanft: »Danke, Jerry, dass du so offen und klar bist. Wir haben bisher nie drüber gesprochen, dass ich auf den Tag warte, an dem du mich zu deiner Frau machst. Wir haben nie darüber gesprochen – und dennoch war alles klar. Ich fühlte es, und ich denke, dass auch du schon einige Zeit über mich Bescheid weißt. Stimmt das?«

»Yeah, Nancy«, sagt er schwer und nickt.

Nun tritt sie zu ihm und legt ihre Hände flach gegen seine Brust. Obwohl sie für ein Mädchen groß ist, muss sie zu ihm aufblicken, denn er misst in den Stiefeln mehr als einsneunzig und wiegt auch so viele Pfunde.

»Nun gut«, sagt sie. »Dann weißt du also, dass ich dich liebe. Und weil das so ist, werde ich dich nicht einfach vergessen können. Du musst dir schon Mühe geben, zu mir zurückzukommen.«

Sie stellt sich auf die Zehenspitzen und küsst ihn schnell. Es ist der erste Kuss, den sie ihm gibt.

Als seine Arme sie umfassen wollen, tritt sie schnell zurück.

»Ich musste dir das mit auf den Weg geben«, sagt sie herb. »Und ich weiß, dass es keinen Zweck hätte, dich von diesem Ritt abhalten zu wollen.«

»Nein«, sagt er, »das wäre nicht möglich, Nancy. Ein Mann muss seinen Besitz schützen. Er darf sich nichts fortnehmen lassen.«

Nach diesen Worten wendet er sich jäh und plötzlich ab und geht hinaus. Die Tür des Ladens schließt sich hart. Nancy ist allein.

Und nun werden ihre Augen feucht.

Als Jeremy Smead draußen auf den Plankengehsteig und zu seinem Pferd tritt, sieht er drei Reiter an der Haltestange, die noch wartend in den Sätteln sitzen.

Er kennt diese drei Reiter, erwidert ihre scharfen Blicke kurz und bückt sich unter dem Gehsteiggeländer hindurch. Als er sich in den Sattel schwingt, sagt einer der Reiter ruhig: »Das wird ein ziemlich rauer Ritt, Jeremy Smead, nicht wahr? Ich habe gerade von deinem Pech erfahren. Aber bist du wirklich so groß und tüchtig, dass du allein losreiten kannst?«

»Das sind nicht deine Sorgen, King Marshall, nicht wahr?«, erwidert Jeremy hart, zieht sein Pferd herum und reitet davon.

Die drei Reiter blicken ihm nach.

King Marshall, der wahrscheinlich zurzeit der größte Rancher von ganz Montana ist, hat einen sehr nachdenklichen Ausdruck in den Augen. Er ist ein großer und schwerer Mann von etwas über vierzig Jahren. Und er hat die Smeads noch nie geliebt. Hiob Smead hat er sogar gehasst. Denn Hiob Smead hatte ihn immer wieder gezwungen, Recht und Gesetz zu respektieren.

Seine beiden Begleiter grinsen hinter Jeremy Smead her. Es sind zwei hartgesottene und gefährliche Männer. Sie sind King Marshalls ständige Begleiter und Leibwächter. Duce Webbs wirkt auf den ersten Blick gar nicht so gefährlich. Er besitzt sogar einen ziemlichen Bauch und sieht fast wie ein Handlungsreisender und gemütlicher Biertrinker aus. Sein rundes Gesicht ist immer rot und weist kaum nennenswerten Bartwuchs auf.

Aber er ist ein harter und gefährlicher Mann, eiskalt, schnell und mitleidlos.

Sein Gefährte wirkt noch unscheinbarer. Riley Hibby ist farblos und so mager wie ein Wüstenwolf. Sein Gesicht ist ständig ausdruckslos, und sein blasser Schnurrbart hängt ihm müde über die Mundwinkel. Er trägt einen alten und zerknitterten Sergeanzug und wirkt fast wie ein Buchhalter, der sich zu einem Spazierritt im Mietstall ein Pferd ausgeliehen hat.

Aber er ist ein Killer.

Und er sagt jetzt sanft und fast gleichgültig: »Da reitet ein Narr. Wenn Jeremy Smead wirklich seine Pferde noch einmal zu sehen bekommt, dann wird er bald …«

»Still«, murmelt King Marshall und rutscht dann aus dem Sattel. »Nehmt mein Pferd mit. Wir sehen uns zu Mittag im Restaurant. Ich habe noch eine Menge Geschäfte zu erledigen.«

Duce Webbs beugt sich vom Sattel aus zu ihm nieder und fragt: »Was ist, wenn Jeremy Smead ein wenig Glück hat und es ihm gelingt, Kevin Streeter einige Steine in den Weg zu rollen? Was ist dann, Boss? Hören Sie, King, ich erkenne einen Mann, auf den man achten muss. Und jetzt eben habe ich einen gesehen.«

King Marshall blickt einige Sekunden lang zu Duce Webbs auf, und er weiß, dass er jetzt einen Mann sieht, der sich einige Sorgen macht. Duce Webbs’ Verstand ist überdies ungewöhnlich scharf. Wenn ein Mann wie Duce Webbs sich Sorgen macht, dann sollte man dies nicht missachten.

Deshalb überlegt der große Rancher einige Sekunden. Doch dann bewegt er seine massigen Schultern und sagt: »Ich habe euch, nicht wahr? Und ich bezahle euch gut. Ihr werdet darauf achten, dass Jeremy Smead, wenn er zurück ins Tal kommen sollte, am Pass von uns empfangen wird.«

»Sicher, Boss«, nickt Duce Webbs. Dann reiten die beiden Revolvermänner weiter die Straße hinunter. Sie nehmen King Marshalls Pferd mit.

King Marshall aber betritt den Laden.

Nancy Gentry steht hinter dem Ladentisch und schneidet den Kuchen in Stücke.

»Hallo, Miss Nancy, Sie sollten wirklich nicht länger für ein Rudel unrasierter Burschen Kuchen backen«, sagt er ruhig und nimmt den Hut ab. Sein Haar ist rabenschwarz und leicht ergraut. Er hat ein dunkles, markantes und breites Gesicht, mit einer kurzen Nase, grauen Augen und buschigen Augenbrauen. Sein Mund ist breit. Und sein Kinn ist von einer tiefen Kerbe geteilt. Dieser Kopf sitzt auf einem kurzen Hals. Seine Schultern sind breit, und seine Brust ist mächtig. Er gleicht einer Bulldogge, die beharrlich und stur auf ein bestimmtes Ziel immer wieder losgeht und nicht aufzuhalten ist. Sein starkes Selbstvertrauen ist unerschütterlich.

Sie betrachtet ihn fest über den Ladentisch hinweg. »Machen Sie mir nicht wieder einen Antrag«, sagt sie herb.

Er brummt unwillig.

»Ich bin ein einsamer Mann«, murmelt er dann. »Ich habe mir halb Montana in die Hosentasche gesteckt. Eines Tages wird es hier keine Goldgräber mehr geben. Dieses Land wird wieder leer und einsam werden. Nur Rinder werden hier weiden, mehr als hunderttausend Rinder. Ich werde ein einsamer König sein. Und im Grunde genommen habe ich mein Reich doch nur geschaffen und erobert, um es eines Tages einer Frau zu Füßen legen zu können. Nancy, Sie sind diese Frau. Ich habe mich entschieden. Und ich möchte gerne wissen, was Ihnen an mir nicht gefällt?«

Sie betrachtet ihn fast nachdenklich, so als versuche sie ihn tiefer zu ergründen. Dann zuckt sie mit den Schultern.