G. F. Unger Sonder-Edition Collection 19 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition Collection 19 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

5 spannende Westernromane von G.F. Unger lesen, nur 4 bezahlen!

G.F. Unger wird zu Recht als der beliebteste und erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor gefeiert. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Seine Epoche ist das späte 19. Jahrhundert, seine Schauplätze sind die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens, deren Grenzen von unerschrockenen Frauen und Männern immer weiter nach Westen verschoben werden, bis sie schließlich die Küste des Pazifiks erreichen.

Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 91 bis 95 der G.F. Unger Sonder-Edition:

Folge 91: Apachus
Folge 92: Krieg im Roten Tal
Folge 93: River Lady
Folge 94: Fünf staubige Wagen
Folge 95: Texas-Richter

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Seitenzahl: 917

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln Coverillustration: Manuel Prieto/Norma ISBN 978-3-7325-7448-3

G. F. Unger

G. F. Unger Sonder-Edition Collection 19 - Western-Sammelband

Inhalt

G. F. UngerG. F. Unger Sonder-Edition 91 - WesternAls ich losritt, um die Skalpjäger zu jagen, die meine Adoptivfamilie, die Alvarez', bestialisch ermordet und skalpiert hatten, erlebte ich eine unerwartete Überraschung. Die Apachen, die allen Weißen den Tod geschworen hatten, ließen mich in Ruhe, gewährten mir sogar immer wieder ihren Schutz und ihre Hilfe. Schließlich begriff ich: Ich war ihr Partner geworden, denn ich jagte die Männer, die ihre Todfeinde waren. Doch alles wurde anders, als ich den Überfall einer Apachenhorde auf eine Postkutsche verhinderte, in der sich eine weiße Frau befand. Von da an waren die Apachen meine Feinde und meine Überlebenschancen schmolzen dahin wie die eines Schneeballs in der heißen Bratpfanne ...Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 92 - WesternMit dem Mut der Verzweiflung kämpften die Talbewohner gegen Big John McQueeny und seine Revolvermannschaft. Aber ich wusste: Trotz anfänglicher Erfolge würden wir der Übermacht nicht standhalten. Und ich wusste auch, dass ich es war, der für den blutigen Krieg die Verantwortung trug. Denn auf meiner Fährte war McQueeny ins Red Valley gekommen, und er würde keine Ruhe geben, bis er den letzten Siedler daraus vertrieben und hier sein neues Rinderreich errichtet hatte. Ich durfte nicht länger warten. Allein musste ich dem landgierigen Weidepiraten gegenübertreten. Ich musste McQuereny niederkämpfen - oder untergehen wie ein Mann ...Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 93 - WesternGeorgia Bankrowt war eine Frau, wie sie einem Mann höchstens einmal im Leben begegnet, und Jed Quade hatte nichts dagegen, dass sie unter den vielen Passagieren der "River Lady" ausgerechnet ihn zu ihrem Beschützer erwählte. Nur das Tempo, das die reizvolle und stolze Frau vorlegte, um ihn an sich zu fesseln, kam ihm verdächtig vor. Doch längst war der sonst so skeptische und nüchterne Revolvermann Georgias Anziehungskraft erlegen. Viel zu spät erfuhr er, dass sie ihn brauchte, um Duke Taggert und sein Rudel gefährlicher Riverwölfe das Schiff wieder abzujagen, dessen rechtmäßige Besitzerin sie war ...Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 94 - WesternEs ist ein rauchiger Trail, den die Swarthout-Brüder reiten, und wenn kein Wunder geschieht, wird er geradewegs in die Hölle führen. Aber dann stoßen sie auf den Frachtwagenzug von Bill Eller und seiner Nichte Linda. Plötzlich bekommen sie noch einmal eine Chance. Ja, für die Sattelwölfe Ty, Jim, Joe, Ben und Art Swarthout werden die fünf staubigen Wagen zum Schicksal. Sie bedeuten ihre letzte Chance, dem Verderben zu entrinnen ...Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 95 - WesternZerlumpt und abgerissen kam ich nach Amity, wo Rufus Parker Richter war. Ob der Staat Texas ihn in dieses Amt eingesetzt hatte oder ob er den Richter von eigenen Gnaden spielte, wusste niemand. Es interessierte auch keinen - mich am wenigsten. Deshalb sagte ich zu, als er mir anbot, Sheriff zu werden. Verdammt, ich hatte nur noch ein paar Dollar in der Tasche und war froh, dass meine Pechsträhne zu Ende ging. Außerdem galt Richter Parker als hart, aber gerecht - und er hatte eine Tochter, in die ich mich Hals über Kopf verliebte, als ich sie sah. Na gut, ich hielt mich also für einen ausgemachten Glücksvogel - bis ich feststellen musste, dass ich einen Job beim Teufel persönlich angenommen hatte ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Apachus

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Vorschau

Apachus

Es war wahrscheinlich in grauer Vorzeit, gewiss aber lange vor der Entdeckung Amerikas durch Columbus, als sich im fernen Norden, also in Alaska, ein großer Teil des athapaskischen Volkes – aus welchen Gründen auch immer – auf den Weg nach Süden machte. Jagend und ständig kämpfend, also von der Jagd und vom Raub lebend, durchquerten sie den gewaltigen nordamerikanischen Kontinent und hinterließen eine breite Blutspur.

Im Süden angekommen, mussten sie sich im Laufe vieler Generationen an ein Wüstenland anpassen, in dem sogar Wüstentiere kaum Lebenschancen besaßen. Sie wurden Wüstenwanderer und Jäger und verharrten auf einer steinzeitlichen Kulturstufe.

Ihr Ehrenkodex war denkbar primitiv und ohne soziale Ordnung. Die Ehrbegriffe der Reitervölker der Prärie kannten sie nicht, und edle Häuptlinge wie die Völker der Sioux, Cheyenne, Arapaho und Nez Percés zum Beispiel brachten sie nicht hervor.

Sie lebten von der Jagd, vom Raub und kämpften stets aus dem Hinterhalt.

Dennoch brachten sie es fertig, sich mehr als dreihundert Jahre gegen die Spanier, Mexikaner, Texaner und Amerikaner zu behaupten, diese immer wieder zu besiegen und in Angst und Schrecken zu versetzen.

Sie selbst nannten sich »Enju« oder »Yndyes«, was so viel wie »Volk« bedeutet. Sie gliederten sich in viele Stämme, also in die Chiricahua, Mescalero, Coyotero, Jicarilla, Mimbreño, Tonto, Lipan, um nur die wichtigsten zu nennen.

Etwa im Jahr 1830 betrug die Kopfzahl aller Stämme rund achteinhalbtausend Seelen. Und dennoch waren sie eine große Macht. Die Puebloindianer hatten unter diesen raubenden und mordenden Eindringlingen aus dem hohen Norden fruchtbar zu leiden. Und sie nannten diese Eindringlinge »Apachus«, denn das war ihr Wort für »Feinde«.

Als damals dann jener Francisco Vasquez de Coronado mit seinen gepanzerten und berittenen Soldaten ins Land kam und nach den sieben goldenen Städten von Cibola suchte, wobei er eine breite Blutspur und Not und Elend zurückließ, da bekam er es eines Tages auch mit den Apachus zu tun, wie die Puebloindianer, also die Zuni, Hopi und Moqui, sie nannten.

Diese Apachus jagten die ganze goldgierige Bande der Spanier nach Mexiko zurück und fügten ihnen große Verluste zu.

Als Coronado dann wieder in den sicheren Bereich des Aztekenlands entkommen war, da berichtete er dort von den schrecklichen Apachus, wie er sie nannte.

Und so kamen die Enjus oder Yndyes zu ihrem heutigen noch gültigen Namen.

Doch auch unter den Weißen dieses Landes gebraucht man das Wort Apachus manchmal, wenn man Männer meint, welche Todfeinde sind.

Und so nennt man unter dem spanisch sprechenden Teil der Bevölkerung Todfeinde auch einfach Apachus.

G.F. Unger

1

Es war an einem späten Nachmittag, als ich auf der anderen Seite des Creeks, dessen Wasser meinem Pferd nur bis zu den Fesseln reichte und nur wenig spritzte, während ich hindurchritt, das Anwesen der Alvarez in Sicht bekam.

Auf der kleinen Ranch war keine Bewegung. Alles dort wirkte wie ausgestorben. Und das war ungewöhnlich. Deshalb ritt ich mit zunehmender Sorge weiter. Ich musste etwas hangaufwärts. Denn die Hütten, Scheunen und Corrals lagen hoch genug, um nicht vom Hochwasser bedroht zu sein, welches den Creek nach einem Unwetter stets für einige Stunden in einen reißenden Fluss verwandelte.

In diesem Land konnte der Boden die gewaltigen Wassermassen eines Wolkenbruchs nicht so schnell aufsaugen.

Dann füllten sich alle Arroyos und wurden zu brüllenden Ungeheuern, die ihre Wassermassen in die sonst so harmlosen Creeks brausen und diese für kurze Zeit zu gewaltigen Flüssen anschwellen ließen.

Nun, ich ritt also durch den jetzt zahmen Concho Creek und trieb mein müdes Pferd noch einmal an.

Denn nun war ich nahe genug, um zu sehen, dass etwas nicht stimmte.

Es waren keine Tiere in den Corrals. Von der ganzen Sippe der Alvarez’ war nichts zu sehen, keine Kinder, die sonst zumeist am Creek spielten. Und auch die Frauen der Sippe arbeiteten nicht auf den Feldern oder rings um die Hütten in den Gärten.

Es war alles dort ohne Leben. Nicht mal die Hühner sah ich.

Aber dann ritt ich am ersten Corral vorbei und sah dort Paco Alvarez liegen.

Er war tot und skalpiert.

Doch er war schon lange tot, länger schon als einen ganzen Tag. Das sah ich im Vorbeireiten. Nun wusste ich Bescheid, und mein schwerer Colt lag wie von selbst in meiner Hand.

Doch ich wusste, ich kam zu spät, sehr viel zu spät. Ich konnte nichts mehr retten. Alles war schon vor vielen Stunden geschehen, wahrscheinlich im Morgengrauen. Und nun war es fast schon Abend. Ich wusste, dass sie alle tot waren. Es konnte gar nicht anders sein.

Dennoch war Hoffnung in mir. Mit dem Colt in der Hand warf ich mich vom Pferd und war für alles bereit. Doch es lauerte niemand in einem Hinterhalt. Aus den Hütten und all den Nebengebäuden fiel kein Schuss.

Ich fand sie dann in den Hütten. Sie lagen fast alle noch in den Betten. Also war der Überfall gegen Ende der Nacht, wahrscheinlich im Morgengrauen, über sie hereingebrochen. Nur Paco war schon draußen gewesen. Ihn hatten sie gewiss lautlos erledigt.

Apachen!

Dieses Wort war wie ein Schrei in mir.

Aber es stimmte etwas nicht.

Wer diesen Überfall verübt hatte, er hatte nichts angezündet. Und Apachen hätten hier alles niedergebrannt, es sei denn, sie hätten am Morgen keine Rauchsäule aufsteigen lassen wollen, um Verfolgern nicht zu verraten, wo man sie zu suchen hatte.

In diesem Land konnte man ein brennendes Anwesen viele Meilen weit sehen. Und eine schwarze Rauchsäule war Dutzende von Meilen weit zu erkennen.

Hatten mexikanische Bandoleros, welche über die Grenze kamen und weit nach Norden eingedrungen waren, hier gehaust?

Aber auch das konnte nicht sein. Denn man hatte Paco Alvarez skalpiert.

Und nicht nur ihn, auch alle anderen Menschen der Sippe hatte man auf diese bestialische Weise verstümmelt, ihnen also die Kopfhäute abgezogen. Ich begriff endlich, dass man es nach der Art der Skalpjäger gemacht hatte, nicht nach Apachenart.

Ich fand sie alle ohne Skalp und nicht nach Apachenart skalpiert, auch die Frauen und Kinder. Und einige der Frauen – es waren Maria, Conchita und Rosita – waren vergewaltigt worden. Denn sie waren jung und mehr als hübsch gewesen. Nur die alte Juana hatten sie erschlagen. Ihr Haar war schon weiß und deshalb nicht als Apachenskalp zu verkaufen.

So stand also für mich fest: Hier waren Skalpjäger gewesen.

Und die ganze Alvarez-Sippe war schwarzhaarig. Sie alle – auch die Männer Manuel, Roberto und Francisco, trugen ihr Haar lang. Als Skalp war es nicht von einem Apachenskalp zu unterscheiden.

Ja, das war es, verdammt! Auch die Kinder waren skalpiert worden.

Denn die Städte zu beiden Seiten der Grenze zahlten Prämien für Apachenskalpe. Selbst Tucson tat dies noch bis 1880 – und jetzt schrieben wir 1867.

Man zahlte für Krieger-, Frauen- und Kinderskalpe Prämien.

Und weil so mancher Mexikaner- oder Halbblutskalp einem Apachenskalp zum Verwechseln ähnlich sah, töteten die Skalpjäger nicht nur Apachen. Sie waren Mörder, menschliche Bestien, brutal in ihrer Geldgier.

Und das Schlimme war, dass die Städte, in denen ja Christen wohnten, die zur Kirche gingen und zu Gott beteten, sich dieser Praktiken durchaus bewusst waren. Doch die Furcht und der Hass waren stärker als ihre Schuldgefühle. Man zahlte und machte also mit Mördern Geschäfte.

Doch machten die Menschen nicht immer schon üble Geschäfte? Mordeten sie nicht immer schon unter dem Deckmantel angeblicher Notwendigkeiten?

Ich stöhnte vor Schmerz. Und dann brüllte ich meinen wilden Zorn in die hereinfallende Nacht. Dabei wusste ich, dass dies hier nur eine der vielen Ungerechtigkeiten dieser Welt war.

Die ganze Alvarez-Sippe war vernichtet worden. Denn sie alle hatten schwarzes Haar wie die Apachen und trugen es auch lang bis zu den Schultern.

Auch ich war ein Alvarez, wenn auch nicht mit ihnen verwandt. Denn sie hatten mich damals als kleinen Burschen halbtot am Wagenwege nach Tucson aufgelesen. Ich war noch so klein gewesen, dass ich nur meinen Vornamen sagen konnte, als sie mich nach Wochen wieder gesund gepflegt hatten.

Jake war der Name.

Als ich jetzt durch die Hütten der Sippe ging und überall die skalpierten Toten fand, da fiel mir wieder alles ein.

Sie fanden mich also damals am Wagenweg nach Tucson, halbtot schon. Ich mochte noch keine drei Jahre alt gewesen sein. Die Apachen hatten mich geraubt. Das war nicht außergewöhnlich. Sie taten es stets bei kleinen Jungen, wenn sich die Gelegenheit bot. Denn sie machten aus den kleinen Kindern Apachen. Sie hatten ja ständig Verluste an Kriegern, weil sie von Raub und Überfällen lebten und immerzu Krieg führten. Ihre Frauen konnten ihnen gar nicht so viele Kinder gebären, wie es nötig gewesen wäre. Und so war es bei ihnen üblich, Kinder der Weißen und der Mexikaner zu entführen, um sie zu Apachen zu machen.

Dies war auch mein Schicksal gewesen. Doch dann waren sie von einer Armeepatrouille verfolgt worden und hatten sich des kranken Kindes entledigt. Sie hatten mich in einen Dornenbusch geworfen.

So erzählten es mir die Alvarez’, die mir dann ihren Namen gaben. Sie wurden meine Familie. Bei ihnen wuchs ich auf. Aber ich war nicht mexikanischer Abstammung. Das sah man auf den ersten Blick. Dennoch wurden Manuel, Roberto und Francisco meine Brüder. Jetzt waren sie tot. Und der alte Paco, der zu mir wie ein Vater gewesen war, lag da drüben beim Corral.

Ich wollte heimkehren zu meiner Sippe. Aber die gab es nun nicht mehr.

Ich musste sie alle beerdigen. Viele Gräber würde ich schaufeln müssen.

Langsam wurde es Nacht.

Ich würde im Mond- und Sternenschein meine traurige Pflicht erfüllen.

Was für eine Heimkehr nach einigen Jahren des ständigen Reitens und Suchens!

Ja, ich war damals als junger Bursche fortgeritten. Sie hatten das verstanden und mir Glück gewünscht. Denn sie wussten, ich wollte suchen, um vielleicht herausfinden zu können, zu welchem Wagenzug ich gehörte, der damals überfallen wurde.

Aber ich fand nichts, gar nichts. Und so würde ich bis an mein Lebensende ein Alvarez bleiben und meinen richtigen Namen niemals erfahren.

Ich ging im letzten Licht des sterbenden Tages noch einmal durch die Hütten und all die Nebengebäude, die Schuppen, Werkstätten, Scheunen.

Denn Juan fehlte.

Damals vor etwa drei Jahren, als ich fortritt, da war Juan so um die acht Jahre alt gewesen. Nun musste er elf sein.

Wo war er? Oder gab es ihn gar nicht mehr, weil er gestorben war?

Ich hatte plötzlich das instinktive Gefühl, dass ich nach Juan suchen musste.

Aber wo konnte er sein, falls es ihn überhaupt noch gab?

Ich rief nun laut: »Juan! Ich bin Jake, dein großer Bruder! Ich bin Jake, der wieder heimgekommen ist! Juan, wenn du mich hören kannst, dann komm heraus aus deinem Loch! Ich bin hier, ich, Jake, der wieder heimgekehrt ist! Juan, kannst du mich hören?«

Ich hörte eine Weile nichts.

Dann aber glaubte ich etwas zu vernehmen. Es klang leise und kläglich, aber auch irgendwie dumpf wie aus einem Keller.

Und plötzlich begriff ich und eilte zum Brunnen.

Ich beugte mich über den gemauerten Rand und fragte hinunter: »Juan, bist du dort unten?«

»Ich kann nicht allein heraus, Jake«, erwiderte er. »Sie hielten mich für tot und warfen mich in den Brunnen. Auch Lobo warfen sie hier herunter. Sie schlugen ihm den Schädel ein.«

Lobo, das war der große Wolfshund, an den ich mich noch gut erinnern konnte.

Die verdammten Mörder, die hier ihre Untaten begingen, hatten den Brunnen vergiften und unbenutzbar machen wollen. Deshalb warfen sie Juan und den Hund hinein.

O Vater im Himmel, warum durften solche Ungeheuer auf unserer Erde leben? Warum waren sie noch nicht alle in der Hölle?

Ich rief hinunter: »Sei ganz ruhig, Juan, mein Kleiner. Ich hole dich und Lobo heraus. Jetzt wird alles gut für dich.«

»Nichts wird gut, Jake«, hörte ich ihn heiser sagen, »nichts wird gut. Denn ich weiß längst, dass sie alle dort oben tot sind.«

Er begann zu schluchzen. Und es war verständlich, denn er war ja noch ein kleiner Junge von etwa elf Jahren. Und er hatte seine ganze Familie und Sippe verloren, so wie damals ich.

Nur mich hatte er noch wie einen großen Bruder.

Wenigstens ihm konnte ich zurückgeben, was die Alvarez’ mir damals gaben.

***

Ich versorgte ihn wenig später in einer der Hütten. Im Lampenschein sah ich, dass er eine Streifwunde am Kopf hatte, welche heftig blutete, sodass es wie ein Kopfschuss aussah.

Auch einen Arm hatte er sich gebrochen, als sie ihn in den Brunnen warfen.

Deshalb vermochte er nicht hochzuklettern. Auch Lobo, den Wolfshund, hatte ich herausgeholt.

Im Lampenschein sahen Juan und ich uns an.

»Wer waren die Kerle?«, fragte ich endlich, nachdem ich ihn, so gut es möglich war, versorgt hatte.

»Skalpjäger«, flüsterte er heiser. »Weiße Skalpjäger. Und einen nannten sie Red Slater. Er war ihr Anführer. Und er war es auch, der mich in den Brunnen warf. Ich stellte mich tot, aber ich hörte alles. Sie triumphierten, weil sie so viele Skalpe erbeutet hatten, die sie mit echten Apachenskalpen vermischen konnten. Ja, sie hatten auch echte Apachenskalpe. Und sie rechneten sich schon aus, was alles sie in Tucson dafür bekommen würden. Ein Fest würden sie feiern in der Puta Casa. Wenn ich wieder gesund bin, werde ich nach ihnen suchen. Diesen Red Slater töte ich zuerst.«

Juan verstummte ernst, und ich wusste, er würde es tatsächlich versuchen, so jung er auch war. Denn er war ein echter Alvarez, und die Sippe war stolz gewesen, so stolz wie damals die spanischen Hidalgos, als deren Nachkommen sie sich fühlten.

Ihr Pech war es gewesen, dass sie alle schwarz- und langhaarig waren wie echte Apachen.

Irgendwer von den Skalpjägern musste das gewusst und die böse Horde hergeführt haben auf dem Weg nach Tucson. So hatten sie ihre Ausbeute an Skalpen noch vergrößern können.

Und dies war wieder einmal mehr der Beweis, dass Menschen für Geld zu den schlimmsten Taten fähig sind.

Ich verspürte das bittere Gefühl von Verachtung. Vor allem während der letzten drei Jahre meines stetigen Reitens hatte ich eine Menge über die Menschen gelernt, kaum dass ich die heile Welt der Alvarez-Sippe verlassen hatte.

Und so hatte ich schnell begriffen, dass man keinen zu nahe an sich herankommen lassen und keinem vertrauen durfte, wollte man nicht irgendwann enttäuscht werden.

Ich sah Juan fest in die schwarzen Augen. Meine waren blau. Und auch mein Haar war hell. Dennoch fühlte ich mich als sein großer Bruder.

Und so sagte ich: »Juan, du wirst nicht nach ihnen suchen, um sie zu töten. Das ist meine Aufgabe, weil ich dein großer Bruder bin. Ich werde dich zu den Padres in die Mission Santa Rosa in Pedrillo bringen. Dort wirst du in die Schule gehen. Ich werde dir berichten von meiner Jagd auf die Mörder unserer Sippe, der Alvarez. Und manchmal werde ich dich besuchen und sehen, ob du fleißig gelernt hast, sodass die Padres mit dir zufrieden sind. Und wenn meine Jagd beendet ist, dann kehren wir hierher zurück. So wird es sein. Hast du verstanden, kleiner Bruder?«

Er starrte mich lange an und erkannte in meinen Augen wohl alles. Zumindest instinktiv spürte er es.

Etwas zögernd nickte er und murmelte: »Si, so soll es sein. Ich muss meinem großen Bruder wohl gehorchen. Das ist bei den Alvarez’ so.«

»Richtig.« Ich nickte und erhob mich vom Rand seines Lagers.

»Und jetzt gehe ich hinaus und hebe die Gräber aus. Morgen bei Sonnenaufgang werden wir alle bestatten. Schlafe jetzt. Ich bin ja in Rufnähe.«

2

Es gab schon einen kleinen Friedhof der Alvarez-Sippe. Dort hob ich die vielen neuen Gräber aus. Der Boden war weich. Ich musste keine Spitzhacke verwenden. Die Schaufel genügte.

Es war eine helle Arizonanacht mit einem vollen Mond und all den Sternen, die so kalt und unirdisch-unerreichbar waren. Sie haben keinen Trost, nicht mal Hoffnung, denn man fühlte sich so winzig und einem Schicksal unterworfen, gegen welches es wohl kaum ein Ankämpfen gab.

Ich schaufelte die ganze Nacht und versuchte meine sich jagenden Gedanken zu ordnen und zu einem ruhigeren Fluss zu zwingen.

Und immer wieder fiel mir der Name Red Slater ein. Roter Slater oder der rote Slater. Er musste also ein Rotkopf sein. O ja, ich würde ihn finden!

Und dann …

Ich verspürte einen Schauder bei diesen Gedanken. Denn ich wusste, ich würde keine Gnade kennen dürfen, wollte ich etwas aus ihm herausbekommen. Ja, ich würde ihn mit den Füßen nach Apachenart sogar in ein Feuer legen, um ihn zum Reden zu bringen.

Konnte ich das? Würde ich solch ein barbarisches Handeln auf mein Gewissen nehmen können? Machte mich das nicht ebenfalls zu einer menschlichen Bestie? Konnte man das Böse nur durch Böses bekämpfen? Oder gab es andere Möglichkeiten und Wege?

Ich wusste, ich stand nicht nur vor einer Menschenjagd, sondern auch vor der größten Bewährungsprobe meines Lebens. Doch siegten die Edlen und Guten überhaupt? Gingen sie nicht immer wieder unter im Kampf gegen die Schmutzigen und Bösen? Wie war das auf dieser Erde und unter den Menschen?

Ich ahnte, dass ich wahrscheinlich tausend Jahre älter werden würde an Lebenserfahrung und dem Wissen über die Menschen und mich selbst.

Ich arbeitete die ganze Nacht. Am Morgen war ich von der ungewohnten Tätigkeit ziemlich erschöpft. Und dennoch jagten sich immer noch meine Gedanken und Gefühle.

Denn die Alvarez’ waren meine Familie gewesen. Nun hatte ich nur noch Juan – und dieser mich.

Ich war heimgekehrt nach langem Reiten, Suchen und Forschen. Ich war älter geworden und hatte einige Kämpfe bestritten. Auch Frauen hatte es gegeben auf meinen Wegen, doch nie war ich geblieben.

Ich war fertig, als die Sonne aufging, und so ging ich zum Creek hinunter, um mich zu waschen.

Als ich zurück in die Hütte kam, wo Juan lag, da wurde er wach und richtete sich auf dem Lager auf, sah mich mit großen Augen fragend an.

Ich schüttelte den Kopf.

»Es ist noch nicht so weit«, erklärte ich ihm. »Ich muss die Toten erst noch in Decken einhüllen. Für Särge ist nicht genug Holz vorhanden. Ich muss sie alle gut einhüllen und erst noch bereitmachen. Ruh dich noch aus, Juan, mein kleiner Bruder. Was macht dein geschienter Arm? Hast du noch Schmerzen im Kopf?«

»Mir geht es gut, Jake«, erwiderte er, doch ich wusste, dass er log.

Er hatte gewiss noch hämmernde Schmerzen. Und sein Arm war zwar von mir geschient worden, doch gewiss ebenfalls noch nicht schmerzfrei.

Er war tapfer mit seinen elf Jahren.

Ich verließ ihn wieder und machte mich an die Arbeit in den Hütten, wo die Toten lagen. Obwohl ich die ganze Nacht gearbeitet hatte, erschöpft war und von meiner Substanz eine Menge verbrauchte, sodass sich mein Körper nach neuen Säften sehnen musste, verspürte ich noch keinen Hunger.

Es war dann fast schon früher Mittag, als ich Juan holte und wir zu den noch offenen Gräbern gingen.

Der Junge weinte lautlos. Ich sprach ein Gebet, welches ich noch kannte.

Die vergangenen Jahre hatte ich nicht mehr gebetet, weil ich glaubte, dass Gebete diese Welt nicht besser machen konnten.

Doch jetzt war wieder alles anders. Wir mussten den Toten der Alvarez’ ja wohl etwas mit in die Gräber geben.

Juan sprach dann plötzlich: »Ihr seid nun alle im Himmel! Dort geht es euch gut. Denn ihr wart keine Bösen, so wie jene, die euch töteten. Die Guten kommen immer in den Himmel. Das sagte mir unsere alte Juana. Und ich glaube daran.«

Wir gingen zu den Hütten zurück.

Es gab ja noch mehr zu tun. Denn dies hier würde für lange Zeit eine verlassene Ranch sein, ein verlassener Rancho, wie die Alvarez’ sagen würden.

Und so machte ich alles so dicht wie möglich.

Dann fand ich ein Stück Pappe von einem großen Karten. Mit der Bleispitze einer Patrone schrieb ich darauf:

Dies ist kein verlassener Rancho. Er gehört immer noch den Alvarez’. Wir kommen zurück und werden jeden Narren zur Rechenschaft ziehen, der sich an unserem Besitz vergreift!

Jake und Juan Alvarez

Ich las es Juan noch einmal Wort für Wort vor.

Dann sagte ich noch: »Wenn wir etwas gegessen haben, lege ich mich für ein paar Stunden aufs Ohr. Und dann reiten wir zur Mission. Basta.«

Er nickte nur stumm.

Ja, er tat mir leid. Aber er musste damit fertig werden. In diesem Land musste man mit vielen Problemen zurechtkommen. Es war ein hartes Land.

Die Apachen hatten es damals in grauer Vorzeit erobert.

Doch obwohl ihr Name so viel wie »Feind« bedeutete, waren sie für mich keine Apachus, wie Coronado sie nannte.

Apachus – also Todfeinde – waren für mich die Skalpjäger.

Ich würde sie erwischen – alle! Und ich wusste nicht mal, wie viele sie waren.

Juan hatte ich gefragt, doch der kannte ihre genaue Zahl auch nicht. Es waren zumindest sechs, vielleicht aber auch sieben oder gar acht gewesen.

Doch wenn ich diesen Red Slater fand, dann würde ich das von ihm erfahren. Da war ich sicher. Denn ich würde ihn tatsächlich mit den Füßen in ein Feuer legen, sollte es notwendig sein. Dieses Verbrechen an der Alvarez-Sippe durfte nicht ungesühnt bleiben.

Vielleicht würde ich an meinem Tun zerbrechen. Ja, das konnte sein. Aber ich würde es tun.

Ich hatte meine Sippe beerdigen müssen, jene guten Menschen, die mich aufzogen und mir all ihre Liebe gaben, so als wäre ich eines ihrer Kinder gewesen. Die Alten waren verstorben, indes ich heranwuchs. Doch ihre Kinder, die wie ich heranwuchsen, waren meine Brüder und Schwestern.

Es wurde wieder eine helle Nacht.

Ich nahm Juan vor mir auf mein Pferd.

Und dann ritten wir los und ließen den traurigen Ort – den Alvarez-Rancho – hinter uns, waren unterwegs zur Mission Santa Rosa in Pedrillo.

Es war ein Weg von etwa dreißig Meilen durch Apachenland.

***

Der kleine Juan hatte gewiss böse Schmerzen in seinem gebrochenen Arm. Ich hatte ihm den Bruch zwar gut geschient, und er trug seinen Arm angewinkelt in einer Tuchschlinge vor der Brust, musste also den gebrochenen Unterarm nicht bewegen. Doch dafür bewegte uns ja das Pferd bei jedem Schritt.

Juan hatte also Schmerzen. Aber er klagte nicht. Er biss die Zähne zusammen und litt stumm. Natürlich ritt ich sehr vorsichtig mit ihm, hielt ihn vor mir in meinen Armen, lenkte das Pferd nur mit den Schenkeln. Auch die Streifwunde an seinem Kopf verursachte ihm gewiss Schmerzen. Die Kugel hatte wie eine Keule gewirkt oder wie ein Hieb mit einem Gewehrlauf.

Ich dachte darüber nach, was die Kerle mit den Tieren der Ranch machen würden, die sie aus den Corrals gestohlen hatten. Es waren einige Dutzend Pferde und Maultiere. Letztere gehörten zur Maultierzucht der Alvarez’.

Die verdammte Mörderbande von Skalpjägern würde die Tiere bestimmt irgendwo verkaufen wollen. Wozu sonst hätten sie die Tiere mitgenommen?

Es gingen mir also immer wieder neue Gedanken durch den Kopf. Und dabei erinnerte ich mich an einen Ausspruch, den ich im vergangenen Jahr einmal gelesen hatte. Ich war in einer kleinen Stadt eine Weile bei einer mehr als nur hübschen Lehrerin hängengeblieben, die den Ehrgeiz hatte, mich zu bilden, und die mir immer wieder schlaue Bücher zu lesen gab.

In diesen Büchern – ich wusste es nicht mehr so genau, ob es sich darin um den Philosophen Hobbes oder den Lustspieldichter Plautus, der vor Christus in Rom lebte, handelte. Aber einer von ihnen hatte mal gesagt, so glaubte ich mich erinnern zu können: »Der Mensch ist des Menschen Wolf.«

Und so war es wohl auch immer wieder überall auf unserer Erde.

Aber noch ein Spruch fiel mir ein, indes wir durch die helle Nacht ritten, und dieser Spruch stammte von Seneca, dem Erzieher des Kaisers Nero. Und der hatte gesagt: »Jede Rohheit hat ihren Ursprung in einer Schwäche.«

Und das war es wohl, was man vermeiden musste. Man durfte auf dieser Erde niemals Schwäche zeigen, wollte man nicht untergehen.

Verdammt, warum kamen mir immer wieder solche Gedanken?

Waren es mein Instinkt und mein Ahnungsvermögen, welche mich vorbereiten wollten auf all die Dinge, die in der Zukunft auf mich warteten?

Irgendwann schlief Juan in meinen Armen ein. Vielleicht aber war es auch eine Ohnmacht. Ich ritt mit ihm weiter und weiter. Die Arizonanacht war fast so hell wie der Tag. Alle aufragenden Dinge warfen Schatten. In der Ferne heulten Wölfe und Coyoten.

Es war dann schon lange nach Mitternacht, als wir die Tinaja bei den Red Cliffs erreichten. Die Wasserstelle war rund und glich einem Bottich.

Ich hielt an und hob Juan mit vom Pferd, indes ich absaß. Er wachte auf und fragte heiser: »Sind wir schon da?«

»Nein«, erwiderte ich. »Aber wir machen eine Rast. Du kannst wieder ein wenig schlafen. Hast du Durst? Hier ist gutes Wasser aus einer tiefen Quelle aus dem Bauch unserer Erde.«

»Si, das will ich trinken«, erwiderte er. »Es geht mir auch schon besser, Hermano. Mein Kopf schmerzt nicht mehr.«

Er nannte mich Hermano, also Bruder. Und wir waren auch Brüder.

Wenig später tranken wir. Und als ich mich aufrichtete, da sah ich, dass wir nicht mehr allein waren. Ich blickte in die Runde.

Ja, es waren Apachen – Apachus, wie der alte Coronado sie damals genannt hatte –, die uns umgaben. Sie waren da und dort zwischen den roten Felsen zum Vorschein gekommen. Mehr als ein Dutzend waren es.

Es herrschte Schweigen.

In der fast taghellen Nacht betrachteten wir uns.

Dann sagte einer in spanischer Sprache: »Ich bin Antone. Seid ihr die Überlebenden der Alvarez-Rancho? Bist du nicht der blonde Gringo, den die Alvarez’ aufzogen wie einen Sohn?«

»Der bin ich, Antone«, erwiderte ich. »Und auch ich kann mich an dich erinnern. Auch dich pflegten die Alvarez’ damals gesund. Sie lebten immer in Frieden mit euch.«

»Und jetzt sind sie tot bis auf euch«, erwiderte er. »Was hast du vor, Jake? Sie nannten dich Jake damals, als ich krank bei euch lag. Du hast mich manchmal gefüttert und mir den Teesud eurer alten Juana eingeflößt wie ein Bruder, obwohl ich ein Apache bin. Was hast du vor, Jake?«

In mir wurde es nun ruhiger, denn ich begriff, dass sie uns wahrscheinlich nicht töten würden. Sie wussten, dass wir die letzten Alvarez’ waren, denen Antone etwas schuldig war. Die Apachen waren immer wieder einmal bei uns vorbeigekommen, hatten bei uns ihre Pferde getränkt. Manchmal hatten sie ein Rind von unserer Weide geschlachtet. Sie hatten die Alvarez-Sippe in ihrem Gebiet geduldet, seit wir damals den angeschossenen und noch sehr jungen Antone gesund pflegten.

Seine Frage stand immer noch in der hellen Nacht unter den strahlenden Gestirnen.

Und so erwiderte ich: »Für mich sind diese Skalpjäger die wahren Apachus, also Feinde, nicht ihr. Ich bringe den kleinen Juan zu den Padres nach Pedrillo. Dann nehme ich die Fährte der Skalpjäger auf. Sie wird nach Tucson führen, denke ich. Ich will sie bestrafen.«

Antone nickte. Dann kam er näher zu mir.

»Setzen wir uns«, verlangte er. »Reden wir miteinander. Manchmal ist es besser zu reden als zu kämpfen.«

Ich setzte mich wie er. Eine Weile sahen wir uns schweigend an.

Seine schwarzen Augen funkelten im Sternenschein. Die Krieger umgaben uns nun in einem dichten Kreis.

Er sprach dann: »Wir haben die Skalpjäger bis nach Tucson verfolgt. Dann mussten wir umkehren. Sie haben auch mein Dorf überfallen. Wir Krieger waren unterwegs drüben in Sonora. Im Dorf waren nur wenige alte oder sehr junge Krieger bei unseren Frauen und Kindern. Sie alle wurden getötet. Die Skalpjäger machten viele Skalpe. Wir kamen zu spät aus Mexiko vom Handel zurück. Aber fast hätten wir die Mörder eingeholt. Wir können nicht nach Tucson hinein. Doch du kannst es. Für die Bürger in Tucson bist du ein Weißer, einer von ihnen. Und du wirst Rache nehmen?«

»Das schwöre ich«, erwiderte ich. »Die Skalpjäger brachten meine Familie um, meine Brüder und Schwestern – und den alten Paco, der mir wie ein Vater war. Die Skalpjäger sind für mich die wahren Apachus, nicht ihr!«

Er nickte langsam.

Dann erhob er sich mit einer geschmeidigen Bewegung. Auch ich tat es. Einige Atemzüge lang standen wir uns gegenüber. Er war einen Kopf kleiner als ich, aber für einen Apachen prächtig proportioniert. Sein ganzer Körper drückte eine geschmeidige Spannkraft aus. Und er war offenbar in den vergangenen drei Jahren ein Häuptling geworden. Denn die Apachen lebten demokratisch, und so genügten allein die Fähigkeiten, um einen Führungsanspruch zu erheben, verbunden mit der Pflicht, diesen auch auszuüben. Apachen vererbten keine Häuptlingswürde. Ihre Häuptlinge waren eigentlich nur die Anführer ihrer Horden.

»Uns Apachen entgeht nichts in diesem Land«, murmelte er. »Wir können zwar nicht in die Städte der Weißen hinein, aber wir erfahren alles. Kennst du die Mörder deiner Sippe?«

Ich nickte. »Einer hat rote Haare. Sie nennen ihn Red Slater. Und sie werden die gestohlenen Pferde und Maultiere der Alvarez’ in Tucson verkaufen. Ich finde sie alle, Mann für Mann.«

Er nickte, dann wandte er sich ab.

Und dann verschwanden sie alle zwischen den Felsen. Ich war mit Juan wieder allein bei der Wasserstelle.

Er sagte mit leicht bebender Stimme: »Jake, ich wünschte, ich wäre groß genug, um an deiner Seite bleiben zu können. Ich würde dir dann helfen können, sie alle zu töten, Mann für Mann.«

»Sei froh, dass du noch ein kleiner Junge bist«, erwiderte ich. »Denn wer tötet, der sieht die Toten in seinen Träumen und lebt in der Hölle, bis er vielleicht alles vergisst nach langer Zeit wie böse Träume. Es ist nicht leicht, mit solchen Erinnerungen zu leben. Sie verändern einen Mann bis tief in seinen innersten Kern. Wenn du ein Mann bist, Juan, wird man in diesem Land vielleicht nicht mehr so viele Gewalttaten begehen und hoffentlich etwas friedlicher leben. Deine Jugend kannst du als Gnade des Schicksals betrachten. Töten ist das böse Erbe der Menschheit, welches von Generation zu Generation weitergegeben wird wie eine Krankheit, die nicht auszurotten ist.«

»Und dennoch wirst du sie alle töten?« Er fragte es ernst.

»Was bleibt mir sonst übrig?«, fragte ich zurück. »Sie sind Skalpjäger. Töte ich sie nicht, morden sie weiter, solange Städte wie Tucson sie dafür noch mit Prämien belohnen.«

Ich verstummte knirschend, denn ich fühlte mich wie in einer ausweglosen Falle.

3

Am nächsten Morgen erreichten wir die Santa-Rosa-Mission in Pedrillo. Ich erzählte den Padres Juans Schicksal und endete mit den Worten: »Er soll so viel lernen wie nur möglich. Das beschäftigt ihn und lenkt ihn ab. Irgendwann werde ich kommen, um ihn wieder abzuholen. Dann will ich mit ihm zurück auf den Rancho der Alvarez’. Ich kann der Mission leider nur hundert Dollar spenden, denn viel mehr besitze ich nicht. Das Geldversteck der Alvarez’ wurde ausgeräumt. Die Skalpjäger nahmen alles mit, was sie an wertvollen Dingen finden konnten. Aber ich werde später gewiss mehr …«

»Das ist nicht nötig, Señor«, unterbrach mich der Prior. »Wir nehmen diesen kleinen Jungen auch ohne Spende von Ihnen bei uns auf. Und vielleicht wird er eines Tages sogar einer von uns.«

Er lächelte bei seinen Worten weise. Dann fügte er hinzu: »Bei uns herrscht Frieden. Wir alle sind gute Handwerker. In unseren Werkstätten gibt es viele Berufe. Besonders unser Kunstschmied ist ein begnadeter Künstler, berühmt bis hinüber nach Sonora. Wir werden Juan eine Menge beibringen können, wenn er nur lange genug bei uns bleiben kann.«

Ich nickte und murmelte: »Ja, es könnte sehr lange sein. Wir werden sehen.«

Etwas später war ich unterwegs nach Tucson, so müde mein Pferd und ich auch waren. Ich hatte eine Menge Zeit verloren, weil ich erst Juan auf einem Umweg zu der Mission bringen musste. Niemals hätte ich ihn nach Tucson mitgenommen. Ich verachtete die Stadt, welche einst eine spanische Garnison gewesen war, später unter mexikanischer Herrschaft ein armseliges Nest blieb und erst seit einigen Jahren wieder einen Aufschwung erlebte, weil man in ihrer Umgebung eine Menge Silber und Gold fand.

Tucson wurde ständig von den Apachen bedroht, war manchmal abgeschnitten, weil die Apachen alle Wege blockierten. Und so verhinderte die ständige Apachengefahr eine Ansiedlung der Landsucher.

Und deshalb zahlte man Prämien für Apachenskalpe.

Das war bei aller Not barbarisch.

Weil diese Prämien auch für Frauen- und Kinderskalpe gezahlt wurden, war es noch barbarischer als ohnehin schon.

Und die Alvarez-Sippe war deshalb ermordet worden.

Ja, ich verachtete Tucson.

Niemals hätte ich Juan dorthin bringen können. Doch nun war ich nach Tucson unterwegs. Es waren nur noch wenig mehr als ein Dutzend Meilen bis dahin. Mein Pferd würde dieses Stück auch noch schaffen. Denn der einstige Mustang war ein echter Criollo, ein Abkömmling spanischer Vollblüter. Und diese hatten sich wie die Apachen an das Land angepasst, um überleben zu können. Sie waren allen anderen Pferden an Ausdauer und Zähigkeit weit überlegen.

Einmal, als ich anhielt, um meinen graublauen Mustang verschnaufen zu lassen, da erblickte ich hinter mir in der Ferne auf einem Hügelrücken eine flüchtige Bewegung. Auch ein Blinken war für einen Sekundenbruchteil zu erkennen.

Und so wusste ich, dass Antone mich beobachten ließ.

Nur wenn ich in Tucson war, konnte er das nicht mehr tun. Aber sobald ich Tucson verließ, entging ihm nichts. Ich wusste längst, dass die Apachen ein unerklärbares Nachrichtensystem besaßen, welches vielleicht sogar bis nach Tucson hineinreichte, weil in dieser Stadt auch Halbbluts lebten, die zu den Apachen hielten und sogar Handel mit ihnen trieben, zum Beispiel mit Waffen und Munition.

Nun, es war dann später Mittag, als ich in die Stadt der Adobe- und Steinhäuser ritt, an den alten Befestigungen der Spanier vorbei, die einmal den Wagenweg nach Santa Fé hatten sichern sollen.

Ich brachte mein Pferd zum Mietstall beim Wagenhof und der Poststation.

In einem der Corrals sah ich dann einige Tiere mit dem Brandzeichen der Alvarez’.

Den Stallmann fragte ich, kaum dass ich abgesessen war, wobei ich auf die Tiere im Corral zeigte: »Das sind Tiere mit dem Alvarez-Brand, eine spanische Kandare, ein Spanish Bit, wie man sagt. Wer hat euch diese Tiere verkauft?«

Der Mann betrachtete mich mit einem vorsichtigen Blick aus seinen schrägen Augen und erwiderte schließlich: »Aaah, da kam eine Skalpjägermannschaft. Sie hat die Tiere Apachen abgejagt und als Beute betrachtet. Sie wollte die Tiere zum Rancho der Alvarez’ bringen, aber die ganze Alvarez-Sippe war tot. Warum fragen Sie, Mister?«

Ich schüttelte den Kopf. »Ach, nur so …«, murmelte ich. Dann fragte ich: »War Red Slater der Anführer der Mannschaft?«

Der Stallmann nickte. »Aber die sind schon wieder fort«, sprach er dann. »Die kassierten nur die Prämien, verbrachten einige Stunden im Hurenhaus und verschwanden in der vergangenen Nacht. Ich weiß das so genau, weil sie ja hier bei mir ihre Pferde holten.«

»Und wohin wollten sie?« Ich fragte es scheinbar beiläufig, indes ich meinem Pferd die Satteltaschen und die Sattelrolle abnahm.

Der Stallmann zuckte mit den Achseln. »Was weiß ich«, erwiderte er. »Vielleicht haben sie es einem der Mädchen in Molly Dunns Etablissement verraten, mir jedenfalls nicht.«

Ich nickte nur, gab ihm einen Dollar und ging.

Ich war zu spät nach Tucson gekommen. Doch damit hatte ich gerechnet. Die Bande hatte sich nicht lange hier aufgehalten. Sie war zu vorsichtig.

Ich war müde und brauchte einige Stunden Schlaf. Auch mein Mustang musste sich erholen. Ich ging ins erste beste Hotel.

***

Als es Nacht geworden war, erwachte ich in der kleinen Kammer und fühlte mich besser. Die paar Stunden Schlaf hatten mir gutgetan. Nun spürte ich einen gewaltigen Hunger. Überdies wurde es Zeit, dass ich ein Bad nahm und mir auch die Haare schneiden ließ.

Und so ging ich trotz meines Hungers erst in die Badestube des Barbiers. Und als er mir nach dem Bad die Haare stutzte, da fragte ich ihn: »Haben sich die Skalpjäger hier auch ihren Dreck abgewaschen und die Haare schneiden lassen, bevor sie zu den Mädchen im Hurenhaus gingen?«

Der Barbier grinste. »O ja.« Er nickte heftig, wie ich im Spiegel sah. »O ja, die rochen dann zehn Meilen gegen den Wind nach Fliederwasser. Bei Molly Dunns Mädchen kommt nur jemand in die Betten, der nicht stinkt wie ein Apache. Wollen Sie auch hin, Mister?«

Ich grinste in den Spiegel, sodass auch er mich darin grinsen sah.

Dann sagte ich: »Aaah, eigentlich habe ich dazu keine Zeit mehr. Ich wollte mich hier mit Red Slater treffen. Wir waren hier verabredet. Doch im Mietstall erfuhr ich, dass er mit seiner Mannschaft schon wieder weg ist. Nun muss ich sie suchen, aber ich weiß nicht, in welche Himmelsrichtung sie von hier aus ritten.«

Der Barbier schnippelte erst noch eine Weile an meinen Haaren herum. Aber er grinste dabei und sprach endlich: »Sie wollten in alle Himmelsrichtungen. Darüber unterhielten sie sich hier in der Badestube, als sie in den Badefässern hockten und schon Tequila tranken wie Wasser. Ja, sie wollten sich trennen, weil sie sich nicht mehr sehen konnten. Wissen Sie, Mister, dies ist bei Skalpjägern oft so. Sie können sich irgendwann nicht mehr sehen, weil ihr gegenseitiger Anblick sie die Vergangenheit nicht vergessen lässt. Und vergessen wollen sie. Sind Sie auch ein Skalpjäger, Mister?«

Er fragte es geradezu, fast brutal.

»Nein«, erwiderte ich. »Zwischen mir und diesem rothaarigen Slater gibt es eine andere Beziehung.«

»Aha«, nickte er und stellte keine Fragen mehr.

Ich aber wusste nun, dass meine Suche dauern würde. Eine lange Fährte würde ich reiten müssen. Und ich kannte nur diesen rothaarigen Slater nach der Beschreibung des kleinen Juan. Und selbst dieser hatte ihn kaum gesehen, nur immer wieder seinen Namen gehört.

Verdammt, ich hatte nicht viele Chancen.

In welche Richtung sollte ich reiten, um Red Slater zu finden?

Nur ein mir gewogenes Spiel des Schicksals würde mir helfen können. Ich würde einem Spieler gleichen, der all seine Chips auf eine Zahl setzt. In meinem Falle war die Zahl Red Slater. Wenn ich ihn nicht fand, würde er mir nicht seine Kumpane benennen oder beschreiben können.

***

Nach einem guten Abendessen ging ich in Molly Dunns Hurenhaus. Ich sah in diesem Versuch eine letzte Möglichkeit.

Mrs. Molly Dunn war früher gewiss einmal eine Schönheit gewesen. Jetzt wog sie um die dreihundert Pfund und hatte einen Schnurrbart wie ein Jüngling, dem die erste Rasur bevorsteht.

Sie hockte hinter der Bar und goss mir einen Drink ein. Dabei fragte sie: »Mein Freund, haben Sie besondere Wünsche? In meinem Haus werden fast alle Wünsche erfüllt. Sie müssen es mir nur sagen.«

Ich grinste, so als wäre ich schon ein wenig angetrunken. Und dann sprach ich mit schwerfälliger Zunge: »Ay, Ma’am, ich hätte da schon einen besonderen Wunsch. Ein gewisser Red Slater war vor einigen Tagen oder Nächten hier und schwärmte von einem Mädchen, dessen Namen ich vergessen habe. Aber als wir vorgestern an der Bar standen, hat er mir dieses wundervolle Mädchen warm ans Herz gelegt. Auch ich möchte zu ihr.«

Die Dicke bekam schmale Augen und verzog den Mund.

»Sind Sie ein Freund von diesem rothaarigen Riesen?« So fragte sie, und ich sah, dass ihre Nasenflügel wie witternd vibrierten.

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, wir standen nur zufällig nebeneinander an einem Schanktisch und kamen ins Gespräch«, erwiderte ich. »Nein, dessen Freund bin ich gewiss nicht. Ich sprach ja nur ein paar Minuten mit ihm. Aber er schwärmte von dem Mädchen. Denn so wie die hätte es ihm noch keine gemacht.«

Die schmalen Augen der dicken Prinzipalin wurden wieder größer.

»Er war bei Anita«, sprach sie dann. »Und die ist jetzt frei. Ja, die können Sie haben, mein Freund. Zehn Dollar.«

Die beiden letzten Worte klangen hart.

Und ich begriff, dass dies alles hier ein Geschäft war. Man kaufte eine Dienstleistung, nichts anderes.

Sie erkannte wohl die Ernüchterung in meinem Blick und sprach schnell und wie tröstend: »Sie sind ein prächtiges Mannsbild, mein Freund. Mit Ihnen wird es Anita ganz besonders Spaß machen. Auf Hombres wie Sie ist sie scharf.«

Sie brachte eine silberne Tischglocke unter der Bar zum Vorschein und ließ sie melodisch klingeln.

Eines der Mädchen erschien aus der großen Empfangshalle, in der schon einige Paare saßen, um sich kennenzulernen, bevor sie nach oben gingen.

Denn dies war ein sogenanntes »Edeletablissement« mit einem gewissen Stil.

»Anita hat einen Gast«, sprach die Dicke zu dem Mädchen. »Sag ihr Bescheid.«

Das Mädchen verschwand lächelnd, nachdem es einen forschenden Blick auf mich geworfen hatte.

Dann kam jene Anita.

Sie war ein mehr als nur hübsches Ding, etwas drall zwar, aber eine von der Sorte, die sich Mühe gab, Männern zu gefallen, weil das ihr allergrößtes Erfolgserlebnis war. Es gibt ja solche Mädchen und Frauen. Sie genießen es, begehrt zu werden.

Sie trat zu mir und lächelte mit blinkenden Zähnen und roten, vollen Lippen zu mir empor. Sie war keine reine Mexikanerin, denn obwohl sie dunkel war, hatte sie blaue Augen. Doch in diesen Augen erkannte ich eine berechnende Härte.

Doch die musste sie wohl haben in ihrem Beruf, der ja wohl der älteste der Welt war.

»Du gefällst mir, Gringo.« Sie lächelte. »Es ist selten, dass mir ein Hombre auf den ersten Blick so gefällt. Gehen wir gleich nach oben? Kaufst du zuvor eine Flasche, die wir mit hochnehmen?«

Ich nickte.

Und wenig später waren wir mit einer Flasche Tequila oben in ihrem Zimmer.

Es war ein nobel im spanischen Stil eingerichtetes Zimmer.

»Du gefällst mir wirklich«, sagte sie, lächelte und trat so dicht zu mir, dass ich ihren geschmeidigen Körper spüren konnte. Ja, sie drängte sich an mich.

Ich aber sagte: »Anita, du bist wunderschön, und nur ein Narr oder ein Kranker würde dich nicht haben wollen für eine lange Nacht. Doch ich habe andere Dinge im Kopf. Ich bin hinter Red Slater her und weiß nicht, wo ich ihn suchen muss. Er war bei dir. Hat er dir verraten, wohin er von hier aus reiten will?«

Sie trat von mir zurück, als hätte ich ihr ins Gesicht geschlagen. Ihre Augen wurden schmal. Sie stieß ein Fauchen aus wie eine Katze.

»Verzeih mir, Anita«, murmelte ich. »Aber dieser Slater hat meine Familie ermordet. Er führte eine Bande an. Ich will seinen Skalp. An meiner Stelle – und wenn du ein Hombre wärest – würdest auch du hinter seinem Skalp her sein. Ich bin ehrlich zu dir, fair. Hilf mir, wenn du etwas weißt.«

Sie starrte zu mir hoch. Und das Sprühen und Funkeln in ihren dunkelblauen Augen ließ nach, wurde sanfter.

»Ay, du verdammter Gringo«, murmelte sie, »wenigstens bist du ehrlich und versuchst mich nicht im Bett auszuhorchen.«

Sie hob ihre Hände und ließ sie wieder fallen.

»Was könnte ich dir von ihm berichten …«, murmelte sie, und es war zugleich auch eine Frage an sich selbst.

»Ach ja«, murmelte sie dann. »Er sagte, dass er in El Paso einen Saloon übernehmen würde. Und wenn ich wollte, könnte ich dort mehr sein als nur eine Puta wie hier. Aber ich hielt das alles nur für Schaumschlägerei, damit ich noch netter zu ihm war. Fast alle Hombres machen einem etwas vor und versprechen viel. Aber wenn sie nachher hier rausgehen, dann haben sie alles vergessen. Und du willst wirklich nicht mehr von mir als nur den Anfang einer Fährte?«

Sie trat wieder zu mir und sah zu mir hoch.

»Du hast gewiss schon lange keine Frau mehr gehabt«, murmelte sie kehlig. »Und du hast unten bei Molly für mich bezahlt. Warum willst du dafür nur eine Auskunft über einen Mistkerl? Du gefällst mir wirklich. Dir würde ich nichts vormachen. Nimm mich also, weil ich es gerne möchte.«

Ihre Stimme gurrte zuletzt noch kehliger. Und in ihren Augen erkannte ich, dass sie mir nichts vormachte. Ich gefiel ihr.

Sie hing plötzlich an meinem Hals.

Und ich konnte nicht widerstehen. Denn ich war ein junger Bursche, erst zweiundzwanzig Jahre alt und hatte wirklich schon eine Weile keine Frau gehabt.

Ein Heiliger war ich auch nicht.

Aber vielleicht hätte auch ein Heiliger an meiner Stelle zugegriffen.

4

Am anderen Morgen war ich nach El Paso unterwegs. Ich ritt von Tucson aus nach Osten zum San Pedro hinüber, folgte dem alten Wagenweg. Schon bei der ersten Pferdewechselstation der Postlinie erinnerte man sich an Red Slater. Er war nun mal ein unübersehbarer rothaariger Riese.

Auch am San Pedro an der Fähre – es waren von Tucson aus etwa sechzig Meilen – erinnerte man sich an ihn.

Ich fragte mich manchmal, warum er den ganzen Weg ritt und keine der Postkutschen nahm. Aber als ich mir sein Pferd beschreiben ließ, da wurde mir das klar. Er ritt auf einem Dreihundert-Dollar-Hengst.

Solch ein herrliches Tier verkaufte man nicht.

Man konnte zu dieser Zeit ein gutes Pferd schon für zwanzig Dollar kaufen. Doch sein Hengst war eine Kostbarkeit. Solche Hengste wurden Stammväter berühmter Pferdezuchten.

Ja, er musste nach El Paso reiten, wollte er den Hengst nicht aufgeben.

Dies wurde mir also an der Fähre endgültig klar, nachdem der Fährmann mir seinen Hengst beschrieb. Es war ein roter Hengst mit vier weißen Fesseln und einem weißen Stern auf der Stirn.

Und über noch etwas wunderte ich mich.

Er ritt durch Apachenland. Der Wagenweg war kaum benutzt. Nur einmal traf ich auf eine Patrouille aus Fort Grant.

Antone und dessen Horde hätten ihn gewiss schon töten können, doch sie taten es nicht. Aber Apachen liebten solche Spiele. Ich war sicher, dass sie ihn beobachteten, so wie sie auch mich gewiss nicht aus den Augen verloren.

Das Land dehnte sich in weiter Runde. Über den Kakteenwäldchen flimmerte die Hitze.

Die bunte Blütenpracht der vielen Kakteenarten und die schwirrenden Honigsauger boten ein trügerisches Bild des Friedens.

Es war Apachenland.

Aber sie ließen Red Slater reiten, so wie sie mich auf seiner Fährte reiten ließen.

Ja, ich ritt auf seiner Fährte. Doch sein Vorsprung betrug etwa zwei Tage. Ich würde ihn erst in El Paso eingeholt haben, weil er ja dorthin wollte, um einen Saloon zu übernehmen.

Er musste also einiges Geld bei sich haben, und zwar nicht nur das Prämiengeld für die Skalpe oder seinen Anteil daran. Nein, die ganze Bande musste bei den Alvarez’ auch noch reiche Beute gemacht haben, als sie in der Haupthütte das Geldversteck fanden. Und dann hatten sie auch noch die Pferde und Maultiere verkauft. Ja, er hatte eine Menge Geld in seinen Taschen, da war ich sicher.

Mein Geld aber ging zur Neige.

Das wurde mir bewusst, als ich dem Fährmann das Fährgeld für mich und meinen Mustang zahlte.

Ich musste Red Slater erwischen, schon allein, um ihm die Beute wieder abzunehmen.

Ich ritt also weiter nach Osten und ließ die Santa Catalinas hinter mir.

Am Abend des nächsten Tages erreichte ich Silver Lodge. Es war mehr ein Camp als eine kleine Stadt, obwohl es einige Überreste von einer spanischen Garnison gab. Denn auch hier hatten damals die Spanier einige Minen gegründet.

Dann hatte man neue Minen geschafften. Jetzt wurde Silber gefunden wie damals.

Ich brachte meinen Criollo zum Mietstall.

Und im letzten Licht des Tages sah ich den roten Hengst in einem kleinen Corral.

Das war er! Ich wusste es sofort. Es gab gewiss keinen zweiten Hengst wie diesen auf tausend Meilen in der Runde – keinen roten mit weißen Fesseln und einem Stern auf der Stirn.

Da war ich sicher.

In mir war ein wildes und böses Triumphgefühl. Fast hätte ich einen Siegesschrei ausgestoßen.

Denn ich hatte Red Slater eingeholt.

Der Stallmann kam aus dem offenen Stalltor über den Hof geschlurft und sah zu mir hoch. »Nicht wahr, das ist ein Hengst, Mister«, sagte er. »So einen sieht man vielleicht nur einmal in einem ganzen Leben. Aber er bleibt nicht in einem Stall, in dem Stuten stehen. Der wird verrückt und will in die benachbarten Boxen. Ich musste ihn in den Corral stellen. Der ist verrückt nach Stuten, als ob er Locokraut gefressen hätte.«

Der Stallmann verstummte lachend.

»Wem gehört er?«, fragte ich.

»Einem rothaarigen Riesen«, erwiderte er. »Der ist schon den zweiten Tag hier bei uns in Silver Lodge. Den hat die Gräfin in Besitz genommen.«

»Gräfin?«, fragte ich staunend. »Ihr habt hier in Silver Lodge eine Gräfin?«

Er grinste breit. »Eine russische Gräfin soll es sein, die aus dem fernen Alaska in den heißen Süden kam. Sie gibt sich jedenfalls als solche aus. Und wer kann ihr schon das Gegenteil beweisen hier bei uns in Silver Lodge? Sie hat ein hübsches Haus gemietet und empfängt nur besondere Gäste, nämlich die wenigen wirklich erfolgreichen Burschen mit den Taschen voller Geld. Jetzt ist der rote Riesenkerl bei ihr, und alle anderen müssen warten, mögen ihre Minen oder sonstigen Geschäfte noch so viel abwerfen, sodass sie mit den Dollars nur so um sich werfen können – sie müssen warten, bis der rote Riese genug hat und weiterreitet, hahahaha!«

Er verstummte neidvoll – und er war ein alter, krummbeiniger Excowboy, der gewiss in seinem ganzen Leben nicht den Spaß der Erfolgreichen genießen konnte. Ich hörte seine Worte nur noch beiläufig, denn in mir war nur noch Triumph.

Ich hatte Red Slater eingeholt.

Er gehörte mir.

Aber er war ein Riesenkerl. War ich ihm gewachsen?

Doch auch ich war kein Schwächling. Mit dem Colt konnte mich gewiss kaum jemand schlagen. Ich hatte mich bisher überall behaupten können. Die letzten drei Jahre hatten mich geprägt.

Ich würde mit Red Slater zurechtkommen. Daran glaubte ich fest.

***

Silver Lodge war eine ziemlich wilde Stadt. Sie lärmte die ganze Nacht, aber mich störte das nicht. Ich ging zum Abendessen nur an einen Bratstand und verzog mich dann wieder in den Mietstall, wo mich der Stallmann für einen halben Dollar im Heu übernachten ließ. Aber bevor ich mich auf den Heuboden zurückzog, um dort für eine Weile zu schlafen, musste ich mit ihm auf der Futterkiste Halma spielen. Und dabei nahm er mir bei vier Spielen einen Dollar ab, denn wir spielten stets um einen Vierteldollar.

Ich gönnte ihm den Gewinn, denn bald würde er nicht mehr arbeiten können. Dann konnte ihm etwas Angespartes eine Weile helfen. Diese alten Cowboys waren wirklich arme Hunde, sobald sie nicht mehr reiten konnten.

Nun, ich schlief also auf dem Heuboden, und als es Tag wurde, wartete ich auf Red Slater.

Sein Hengst stand immer noch im Corral. Also war er auch noch bei der sagenhaften Gräfin, welche wahrscheinlich keine war. Es gab immer wieder sogenannte Edelhuren, die sich auf diese Weise interessant machen und aufwerten wollten. Und ihre Gäste waren nachher mächtig stolz darauf, dass sie sich eine Gräfin gekauft hatten für eine Nacht.

Denn unter einer Nacht und einem dementsprechenden Honorar für ihre Liebesdienste taten es die Schönen nicht. Und schön waren sie fast alle.

Nun, er war also schon die zweite Nacht bei dieser Nobelputa.

Offenbar war er ein Bursche, der immer wieder in kurzen Abständen eine Frau haben musste, weil er das brauchte wie die Luft zum Atmen.

Nun, es war mir recht, denn auf diese Art und Weise war es mir möglich gewesen, ihn einzuholen.

Ich ging an diesem Morgen zu einem Bratstand und holte für mich und den Stallmann einige Speckpfannkuchen zum Frühstück. Er hatte indes Kaffee in seinem kleinen Verschlag gekocht, und so saßen wir noch essend und trinkend einträchtig auf der Futterkiste, als Red Slater kam.

Oha, er sah ziemlich verkatert und übernächtigt aus. Die sogenannte Gräfin hatte ihm offensichtlich eine Menge gegeben und auch abverlangt. Er war in übler Laune. Denn er knurrte Shorty, den Stallmann, böse an: »Na los, ich will meinen Hengst satteln. Wo ist mein Sattel? Bring das Ding mit meinem Gepäck zum Corral hinüber. Beeilung!«

Oha, er grollte und sah so aus, als würde er beim geringsten Anlass explodieren. Ich betrachtete ihn forschend. Da starrte er mich böse an und fragte: »He, was ist? Warum glotzt du mich an wie eine Kuh? Willst du was?«

Ich steckte den Rest des zusammengerollten Pfannkuchens in den Mund und hob beide Hände, so als würde er mich in einen Revolverlauf blicken lassen.

Dabei kaute ich hastig, schlang den Bissen herunter und erwiderte: »Mister, ich staune Sie nur an, weil Sie der Besitzer des wunderbaren roten Hengstes sind. Ich beneide Sie sehr um dieses Tier. Noch niemals sah ich solch einen Hengst. Sie müssen ein sehr glücklicher Mensch sein. Ich beneide Sie.«

Er starrte mich misstrauisch an. Sein Instinkt sagte ihm wohl, dass er von mir verarscht wurde. Denn ich sah ja auch nicht so aus, als wäre ich einer von der Sorte, die zumeist kneift. Ich sah wie ein harter Bursche aus, nicht weniger hart als er.

Und dennoch irritierte ihn, dass ich so nett zu ihm war und offensichtlich keinen Verdruss mit ihm wollte. Aber so misstrauisch er mich auch anstarrte, er konnte an mir nichts erkennen.

Und so wandte er sich ab und ging wieder aus dem Stall hinaus und hinüber zum Corral, wo ihn sein Hengst schnaubend begrüßte, so als freute sich das stolze Tier auf den nächsten Kampf mit ihm.

Ich sah Red Slater durch das offene Stalltor nach.

Ja, er war ein rothaariger Riese, zwar schwergewichtig, aber dennoch leichtfüßig und geschmeidig.

Er war ein zweibeiniges Raubtier, ein Mörder, dem es nichts ausmachte, getöteten Menschen den Skalp abzunehmen.

Eigentlich war er ein Ungeheuer.

Shorty, der Stallmann, beeilte sich mächtig, ihm den Sattel und das ganze Gepäck – Letzteres hatte er in Verwahrung – nachzubringen.

Ich fragte mich, wie ich diesen Slater würde zerbrechen können, um ihn zum Reden zu bringen. Ich durfte ihn ja nicht einfach abschießen wie ein wildes Tier, welches eine Bedrohung für die Menschheit ist.

Ich musste ihn kleinmachen, zerbrechen und chancenlos machen.

Doch vielleicht war das von mir gar nicht zu schaffen.

Er war stark wie ein Bulle, schnell wie ein Puma – und allein schon an der Art, wie er den Colt trug, erkannte ich, wie gut er damit umzugehen vermochte.

Heiliger Rauch, dachte ich, es wäre einfach, ihn aus dem Hinterhalt abzuschießen. Aber was brächte das? Ich muss ihn kleinmachen und zerbrechen. Aber wie?

Ich war gewiss ein kaltschnäuziger Bursche, doch jetzt brach mir ein wenig der kalte Schweiß aus. Dieser Red Slater war ein erfahrenes Raubtier und etwa zehn Jahre älter und deshalb erfahrener als ich. Wahrscheinlich war er während des vergangenen Krieges ein Guerilla oder Bandit gewesen und hatte dabei das Töten für immer selbstverständlicher gehalten.

Ich beobachtete kauend von der Futterkiste aus durch das offene Stalltor, wie er im Corral seinen Hengst sattelte und die Sattelrolle hinter dem Zwiesel festschnallte, dann die beiden Satteltaschen über den Rist warf.

Geschmeidig saß er auf.

Der Hengst hatte die ganze Zeit bewegungslos wie ein Denkmal verharrt.

Doch dabei durchliefen das Tier Schauder.

Es vibrierte am ganzen Körper, der wie gemeißelt wirkte. Aber man sah dem Tier an, dass es kurz vor einer Explosion stand.

Shorty öffnete das Corralgatter und trat zur Seite.

Und dann ritt Slater aus dem Corral. Der Hengst ging noch folgsam, bewegte sich leicht wie eine Katze, obwohl er gewiss um die dreizehn Zentner wog. Ja, er war ein großes, langbeiniges Tier.

Dann aber mitten auf dem Hof explodierte er, sprang mit allen vier Hufen ab, so als wollte er zu fliegen beginnen.

Dann landete er hart auf seinen Hufen, stauchte den Reiter im Sattel und auf seinem Rücken zusammen.

Dabei wieherte er trompetenhaft mit unbändiger Wildheit.

Aber auch Red Slater stieß einen wilden Schrei aus.

Und dann kämpften er und der Hengst fast eine halbe Minute miteinander.

Ich begriff, dass dies alles zu einem sich jeden Tag wiederholenden Ritual gehörte. Der Hengst wollte ihm stets seinen Stolz zeigen.

Und Slater tat das ebenso.

Dann aber war plötzlich alles vorbei.

Der Hengst war plötzlich ruhig und trabte mit dem Reiter aus dem Hof.

Shorty kam in den Stall geschlurft. »Heiliger Rauch«, keuchte er. »Haben Sie das gesehen, Mister? Was für ein Paar! Die raufen sich jeden Tag vor jedem Reiten erst noch zusammen.«

Ich nickte kauend und leerte den Kaffeebecher.

Dann erhob ich mich. Denn nun war es auch für mich Zeit zu reiten.

Denn ich wollte diesen Red Slater draußen im weiten und leeren Land stellen, dort, wo noch die Apachen herrschten.

Und ich war mir sicher, dass wir dabei von Apachen beobachtet werden würden.

Antone würde erfahren, wie es ausging.

5

Es wurde wieder ein heißer Tag. Der Wagenweg war wie ausgestorben. Alle Fährten und Wagenspuren waren alt. Es herrschte kein Verkehr. Und das war ein Zeichen dafür, dass die Apachen wieder einmal überall zuschlugen und viele Banden von ihnen unterwegs waren.

Ich musste diesen Slater irgendwie respektieren, denn er wusste sicher, dass er durch gefährliches Land ritt. Er war erfahren. Doch wahrscheinlich vertraute er auf die gewiss außergewöhnliche Schnelligkeit seines Hengstes und seiner Waffen. Er hatte zwei Gewehre in den Sattelhalftern rechts und links, nämlich einen Spencer-Karabiner und eine schwere Buffalo Sharps, zu der gewiss auch ein Zielfernrohr gehörte.

Vor diesem weitreichenden Büffelgewehr musste ich mich hüten.

Doch ich vertraute auch auf seinen Stolz.

Und so ritt ich bald ganz offen eine halbe Meile hinter ihm, als hätte ich zufällig den gleichen Weg und dasselbe Ziel.

Ich wusste, er würde schon bald herausfinden, dass ihm jemand folgte.

Würde er mit seinem schnellen Hengst davonreiten? Oder würde er auf mich warten?

Ich hätte jede Wette abgeschlossen, dass Letzteres der Fall sein würde.