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5 spannende Westernromane von G. F. Unger lesen, nur 4 bezahlen!
G. F. Unger wird zu Recht als der beliebteste und erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor gefeiert. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Seine Epoche ist das späte 19. Jahrhundert, seine Schauplätze sind die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens, deren Grenzen von unerschrockenen Frauen und Männern immer weiter nach Westen verschoben werden, bis sie schließlich die Küste des Pazifiks erreichen.
Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 146 bis 150 der G.F. Unger Sonder-Edition:
Folge 146: Keine Chance für Luke
Folge 147: Walla-Walla-Legende
Folge 148: Bridget Mallone
Folge 149: Geronimos Weg
Folge 150: Die Quen-Sippe
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 911
Veröffentlichungsjahr: 2023
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben
Für die Originalausgaben:
Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2023 by Bastei Lübbe AG, Köln
Covermotiv: © Manuel Prieto/Norma
ISBN: 978-3-7517-4452-2
www.bastei.de
www.sinclair.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Vormann Luke Kilbourne reitet auf der Fährte der Pferdediebe, die der Brazos Rose Ranch in Texas den wertvollen Zuchthengst gestohlen haben. Obwohl er schon bald erkennt, dass er Red Duke den drei mächtigsten Männern des Blaugraslandes wird abnehmen müssen, ist dies nicht sein Hauptproblem. Er scheint nämlich hier am Pecos einen Doppelgänger zu haben, und alle halten ihn für den berüchtigten Jesse Logan, einen eiskalten Banditen und Mörder, auf dessen Ergreifung eine Kopfprämie von mehreren tausend Dollar ausgesetzt ist...
Unter den Nimipu erzählt man sich die Legende von lltswetix, dem schrecklichen Ungeheuer der Vorzeit, das von einem Kojoten besiegt wurde, weil dieser sich von ihm verschlingen ließ, um ihm von innen das Herz abzubeißen. An diese Legende erinnern sich Rollender Donner und sein Volk, als die Armee mitten im Wallowa Valley das Fort Walla Walla errichtet und es ganz deutlich wird, dass man sie aus ihrem angestammten Gebiet vertreiben will.
Gibt es eine Hoffnung für die friedlichen Nimipu? Findet sich auch diesmal ein Kojote, der dem Ungeheuer, das sich in ihrem Heimattal festgesetzt hat, das Herz abbeißen wird?
Zähneknirschend lässt Sheriff Mallone den Bankräuber frei, dessen Kumpane seine Tochter geraubt haben. Umsonst, denn die Banditen halten sich nicht an ihr Wort und nehmen das Mädchen mit, anstatt es zurückzulassen. Jim Mallone nimmt die Verfolgung der Bande auf. Er ist sicher, dass er sie schon bald einholen und seine Tochter befreien wird. Auch Bridget ist voller Zuversicht und hofft fest auf die Hilfe des Vaters.
Aber das Schicksal will es anders. Jim Mallone gerät in einen unerwarteten Hinterhalt, wird am Kopf verletzt und verliert das Gedächtnis. Die Bankräuber entkommen unerkannt mit ihrer Geisel. Wird es für Bridget keine Rettung mehr geben?
Die Apachen waren kein edles Volk wie die Indianer der Hochprärie oder die Nez Percé. Sie waren wild, grausam und gnadenlos. Aber sie waren Kämpfer. Und als die Weißen kamen, um ihnen Land und Bodenschätze zu rauben, stießen sie auf einen Feind, dessen Kampfesmut und Kriegslist sie das Fürchten lehrte. Trotzdem siegte zuletzt die zahlenmäßige und materielle Übermacht des Gegners. Geronimo war der letzte Apachen-Häuptling, der sich den weißen Eindringlingen ergab - doch geschah dies erst, nachdem dreihundert Scouts und fünftausend hochgerüstete US-Soldaten jahrelang erfolglos versucht hatten, ihn und sein Häuflein von vierundzwanzig Kriegern in der Wüste aufzuspüren. Was für ein Sieg!
Sannegan kam im Morgengrauen. Er kam mit zwei Dutzend seiner Männer, dieser Hundesohn! Sie umstellten das Haus, und Sannegan rief: "Wir räuchern euch aus wie die Ratten! Also komm raus, Jim Quen, wenn du deine Freundin retten willst!" Ich wusste, dass meine letzte Stunde geschlagen hatte, und dachte voller Ingrimm an meine Brüder, die mir Hilfe versprochen hatten. Gleich brach hier die Hölle auf, und von ihnen war weit und breit nichts zu sehen. Gewiss, wir Quens waren eine lausige Sippe von Herumtreibern, Raufbolden und Glücksrittern, aber bisher hatte ich es noch nie erlebt, dass einer von uns sein Wort gebrochen hätte...
Cover
Titel
Impressum
Zusammenfassung
Inhalt
G. F. Unger Sonder-Edition 146
Keine Chance für Luke
G. F. Unger Sonder-Edition 147
Walla-Walla-Legende
G. F. Unger Sonder-Edition 148
Bridget Mallone
G. F. Unger Sonder-Edition 149
Geronimos Weg
G. F. Unger Sonder-Edition 150
Die Quen-Sippe
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Contents
Keine Chance für Luke
Als er an den Schanktisch tritt, da starrt ihn der Keeper mit großen Augen an, so als würde er ein Kalb mit zwei Köpfen sehen. Doch er – Luke Kilbourne – ist gewiss kein Kalb, und ganz sicher hat er nicht zwei Köpfe. Aber vielleicht starrt der Barmann jeden Fremden so staunend an.
Kilbourne misst dem staunenden Blick noch keine besondere Bedeutung zu, sondern verlangt mit einem Gefühl von Vorfreude ein Bier. Denn er hat einen langen Ritt hinter sich und fühlt sich völlig ausgetrocknet.
Als er vor einer halben Stunde den Pecos durchritt, da ließ er zwar seinen schwarz-weiß gefleckten Pinto saufen, doch er selbst verzichtete auf das trübe Wasser des Pecos River. Nun ist also Vorfreude in ihm.
Der Barmann senkt seinen staunenden Blick, hebt seine Hand, wischt sich über sein Gesicht und nickt nun eifrig. »Yes, Sir, ein Bier. Sofort, Sir.«
Kilbourne sieht sich im Saloon um. Es ist eine primitive Bude. Aber auch der kleine Ort hier ist armselig und primitiv, eine Ansammlung von Adobe-Hütten und einigen größeren Häusern. Doch es ist ein Ort mit einigen Dutzend Menschen, gewissermaßen eine Oase nach einem langen Reiten durch raues Land.
An den wenigen Tischen sitzen da und dort Gäste, deren Pferde draußen an den Haltebalken bei den Tränketrögen stehen.
Aber auch sie starren auf Luke Kilbourne.
Und so beginnen in ihm endlich die ersten Warnsignale sich bemerkbar zu machen. Plötzlich verspürt er das untrügliche Gefühl von lauernder Gefahr in sich stärker werden.
Doch nun bekommt er das Bier und gießt es sich in den Hals wie in ein Loch. Er leert das Glas, stellt es ab und verlangt: »Noch eins, Keeper, noch eins von dieser Sorte.«
»Yes, Sir«, erwidert der Barmann mit einem Klang von Respekt und Vorsicht in der Stimme. Er will sich abwenden, um das Bier einzuschenken, doch Kilbourne deutet auf die offene Tür neben dem Schanktischende und fragt: »Höre ich dort drinnen ein Steak in einer Pfanne zischen?«
»Yes, Sir. Da drinnen ist unsere Küche. Meine Frau macht die besten Steaks westlich des Pecos. Dazu gibt es junge Bohnen und frisches Fladenbrot. Wollen Sie, Mister Logan?«
»Mein Name ist nicht Logan. – Welchen Logan meinen Sie?«
Der Barmann bekommt wieder große Augen. Seine Lippen zittern. Dann stottert er: »Nununun, nananatürlich Jesse Logan.«
Kilbourne hebt etwas ratlos seine Achseln und lässt diese wieder sinken.
»Kenn ich nicht«, spricht er ruhig. »Doch ich komme von weit her. – Sehe ich diesem Jesse Logan vielleicht sehr ähnlich? – Wenn ja, dann sollte ich wohl wissen, wer dieser Jesse Logan ist. – Also?«
Der Barmann wischt sich wieder über sein Gesicht.
Dann aber greift er unter den Schanktisch und holt einige Steckbriefe hervor, blättert darin und deckt einen dieser Steckbriefe auf.
Mit dem Zeigefinger deutet auf den darauf abgebildeten Kopf. »Ddadadada«, stottert er heiser. »Oder sind Sie das nicht?«
»Nein«, murmelt Kilbourne und starrt auf die Zeichnung. Ja, es ist eine Zeichnung, kein fotografisches Porträt. Aber der Zeichner war ein Künstler. Kilbourne meint tatsächlich, dass er sein Gesicht wie in einem Spiegel betrachtet.
Und dann kann er lesen, dass für seine Ergreifung tausend Dollar ausgesetzt sind, weil er ein Bandit und Mörder ist, ein übler Revolverheld.
Aber dann wird er sich wieder bewusst, dass er ja Luke Kilbourne und nicht dieser Jesse Logen ist.
O verdammt, denkt er dennoch beunruhigt, in was bin ich hier hineingeritten?
Ihm wird nun noch stärker bewusst, dass tausend Dollar Belohnung ein mächtiger Anreiz sind für Kopfgeldjäger und all die anderen Burschen, die verwegen genug sind, etwas zu riskieren oder die andere Sorte, die aus dem Hinterhalt schießen wird, so als wäre er ein böser Wolf.
Der Barmann bringt ihm nun das zweite Bier und fragt: »Wollen Sie ein Steak, Mister Logan?«
»Mein Name ist Kilbourne. – Ja, ich will verdammt ein gutes Steak. Aber nennen Sie mich nicht Logan. Kilbourne, verstanden, Kilbourne ist mein Name.«
»Yes, Sir«, nickt der Wirt eifrig. »Kilbourne.«
Dann ruft er durch die offene Tür in die Küche hinein: »Sally, bring das Steak heraus, es eilt!«
Dann sieht er zu, wie Kilbourne den Steckbrief sorgfältig zusammenfaltet und in seiner Jackentasche verschwinden lässt, dann das Bier nimmt und zu einem der noch freien Tische geht, um dort auf das Steak zu warten.
Alle Augen im Saloon sind auf ihn gerichtet.
Doch als er in das Halbrund blickt und alle Blicke hart erwidert, da hält keiner dem Blick seiner grauen, flintsteinharten Augen stand.
Und so beginnt er zu begreifen, dass dieser Jesse Logan, für den man ihn hält, hier in diesem Land westlich des Pecos ein sehr gefürchteter Bursche sein muss.
Und so denkt er bitter: Wenn das so ist, Luke, dann hast du keine Chance. Denn für tausend Dollar hast du eine Menge Feinde. Dann gleichst du einem Hund, den man für einen blutdürstigen Wolf hält, den eine große Meute jagt. – O verdammt! Wenn ich das Steak im Magen habe, werde ich verdammt schnell verschwinden und die ganze Nacht durchreiten, ohne anzuhalten.
In ihm ist nun Bitterkeit, denn er begreift, dass sein Schicksal ein böses Spiel mit ihm zu treiben begonnen hat.
Er bekommt nun das Steak. Ja, es ist ein prächtiges Steak mit all den Zutaten. Und sein Hunger ist gewaltig. Er macht sich darüber her und vergisst für eine Weile, in was er hineingeraten ist.
Eigentlich wollte er in dieser kleinen Stadt, die sich Pecosville nennt, eine Nacht verbringen, in einem Bett mal wieder schlafen nach einem Bad und …
Aaaah, er wollte sich einige bescheidene Dinge gönnen nach einem langen Reiten, vielleicht auch ein paar Runden Poker spielen und sich ein Mädchen kaufen für eine Nacht, wenn es eine hier geben sollte, die ihm gefällt, obwohl sie sich verkauft.
Doch er wird auf alles verzichten.
Indes er das Steak verputzt, denkt er noch einmal darüber nach, was ihn in dieses Land westlich des Pecos reiten ließ aus dem Land des Brazos River. Er folgte der Fährte eines wertvollen Zuchthengstes, den man seinem Rancher gestohlen hatte. Und er ist immer noch der Vormann dieser Ranch am Brazos und fühlt sich deshalb verpflichtet, den gestohlenen Zuchthengst zurückzubringen.
Doch jetzt …
Eigentlich weiß er nur eines: Er muss weit, weit fort aus diesem Land, wo man für seinen Doppelgänger eine so hohe Belohnung ausgesetzt hat.
Denn für tausend Dollar muss ein Cowboy etwa fünf Jahre arbeiten – allerdings bei freier Unterkunft und Verpflegung.
Sie beobachten ihn immer noch von allen Seiten. Er hat seinen Tisch in der Ecke des Raumes – aber was wird sein, wenn er hinausgeht und ihnen seinen Rücken zukehren muss? Oder muss er rückwärts hinausgehen?
Doch dann wird er sich wieder bewusst, dass er sich hier westlich des Pecos befindet, in einem Land also, in dem es noch kein Gesetz gibt. Und wahrscheinlich bekommt hier niemand die Kopfprämie für ihn ausgezahlt. – Wer sich also die tausend Dollar verdienen will, der muss ihn erst dorthin bringen, wo es einen Gerichtshof oder zumindest einen Sheriff gibt.
Er beschließt beim letzten Bissen, dass er seinen Weg weiterreiten wird.
Denn den wertvollen Zuchthengst wird man gewiss hinüber nach Arizona bringen, also weit genug weg von Texas und dem Brazos-River-Land.
Dort in Arizona soll es einige gegenseitig konkurrierende Pferdezüchter geben, auch drüben in Sonora.
Luke Kilbourne beschließt also beim letzten Bissen, dass er seinen Weg nach Westen fortsetzen wird.
Als er sich erhebt, da sehen sie alle wieder, wie er seine Waffe trägt.
Ja, er ist zwar der Vormann einer großen Ranch in Texas, aber er trägt seinen Revolver wie ein Revolvermann. Und auch das macht ihn diesem Jesse Logan so sehr ähnlich.
Sie könnten wahrhaftig eineiige Zwillinge sein.
Am Schanktisch zahlt er seine Zeche. Dann geht er ruhig hinaus.
Und als er verschwunden ist, da bleibt es einige Sekunden lang still.
Dann ruft eine Stimme: »War er es oder nicht? – Wir alle haben Jesse Logan schon mal gesehen – oder fast alle von uns. – War es also Jesse Logan, der sich hier einen Scherz erlaubte – oder …«
Es beginnt nun eine Diskussion.
Doch einer der Gäste, der bisher still in der anderen Ecke saß, schleicht durch die Seitentür hinaus, ein Mann mit einem schwarzen Hut und einem goldenen Hutband.
Sein Pinto ist müde vom langen Weg durch das raue Land. Aber er kann das Tier nicht schonen. Er will weg von dieser Stadt Pecosville. Der Gedanke, dass er einem steckbrieflich gesuchten Banditen so ähnlich sieht wie ein Zwillingsbruder, der beunruhigt ihn sehr. Sein Instinkt für Gefahr warnt ihn nun, und er weiß, dass er sich auf dieses Ahnungsvermögen schon immer verlassen konnte.
Es hat ihn vor Comanchen gewarnt, und es warnte ihn während des Krieges ebenfalls vor lauerndem Unheil und befähigte ihn, Männer zu führen. General Stonewall Jackson beförderte ihn damals noch auf dem Schlachtfeld zum Offizier.
Er bindet also seinen Pinto los, klopft ihm Brust und Hals und murmelt: »Es tut mir leid, Comanche. Wir müssen weiter.«
Im Schritt reitet er aus der kleinen Stadt weiter nach Westen. Denn irgendwo dort im Westen hofft er den entführten Hengst zu finden, einen Tausend-Dollar-Zuchthengst.
Die Nacht wird hell über dem Pecos-Land, eine Nacht mit all den Sternen, die so strahlend schön und dennoch unirdisch kalt am Himmel funkeln und hinter denen das große Geheimnis verborgen ist.
Er bleibt die ganze Nacht im Sattel, rastet einige Male für kurze Zeit, um sein Pferd abzureiben und durchzumassieren.
Denn das Tier tut ihm leid. Und überdies wäre er ohne Pferd in diesem Lande verloren.
Und so wird es endlich Tag. Er erreicht eine Wasserstelle, die von einem Creek einen ständigen Zu- und Ablauf hat.
Er verharrt noch einige Atemzüge lang im Sattel und blickt in die Runde.
Sein Pinto lässt ein fast menschlich klingendes Stöhnen hören. Ja, er ist nun völlig erledigt. Als Luke Kilbourne absitzt, da macht er das vorsichtig. Dennoch schwankt das Tier etwas zur Seite, weil es zu erschöpft auf seinen Hufen ist.
Er hat es mehr als vierundzwanzig Stunden geritten, ihm nur kurze Erholungspausen gegönnt. Doch nun glaubt er, weit genug geritten zu sein.
Auch er ist erschöpft. Das ist nur zu verständlich, denn wenn sie gerastet haben für eine halbe Stunde, da rieb er den Pinto ab, massierte ihn. Er selbst konnte sich nicht ausruhen.
Dennoch kümmert er sich abermals gründlich um seinen vierbeinigen Gefährten.
Comanche nimmt dann Wasser auf und beginnt zu grasen. Denn es gibt hier an der Wasserstelle und längs des kleinen Creeks prächtiges Blaugras.
Ihm fällt wieder ein, warum es drüben im Arizona-Territorium einige Pferdezüchter gibt, welche besondere Pferde züchten.
Das liegt vor allen Dingen am Blaugras, welches dort in diesem Gebiet wächst. Blaugras enthält besondere Mineralien. Es gibt nichts, was besser ist für eine erfolgreiche Pferdezucht.
Er arbeitet lange an seinem Pinto und redet fortwährend mit ihm. Das Tier bewegt seine Ohren wie ein aufmerksamer Hund.
Als Luke Kilbourne endlich seine Pflicht getan hat, spürt er seine eigene Erschöpfung wie eine Droge. Selbst seinen Hunger spürt er nicht mehr. Denn es ist ja schon viele Stunden her, als er das Steak im Saloon von Pecosville aß.
Er hatte das Tier natürlich abgesattelt und auch das wenige Gepäck zu Boden gelegt, also die beiden Satteltaschen und die Sattelrolle.
Nun legt er sich in das noch taunasse Gras und schläft von einem Atemzug zum anderen ein, vertraut auf das Schnauben von Comanche und seinen Instinkt, die ihn gewiss erwachen lassen, sollte sich jemand nähern.
Er fällt gewissermaßen in bodenlose Tiefen.
Wenig später träumt er von dem herrlichen Hengst Red Duke, den er zurückholen will, koste es ihn, was es wolle, ja selbst, wenn er die Pferdediebe töten müsste.
Und er kann jetzt im tiefen Schlaf nicht ahnen, was ihm bevorsteht und dass alles, was auf dieser Welt geschieht, irgendwie in einem Zusammenhang steht.
☆
Er kann nicht lange schlafen, kaum länger als eine halbe Stunde.
Dann wird er aus dem Traum gerissen – nein, besser gesagt: getreten.
Er wird sich bewusst, dass jemand ihn von der Seite gegen die Rippen tritt. Und er hört eine harte Stimme sagen: »Komm hoch, Jesse Logan, komm hoch!«
Er öffnet endlich die Augen und spürt einen weiteren Tritt gegen seine Rippen.
Als er fluchend hoch will, da stößt ihm jemand eine Gewehrmündung gegen die Magengegend, und er beginnt zu begreifen, dass er vorerst keine Chance hat, seine missliche Situation zu ändern.
Und so bleibt er liegen und starrt zu dem Mann empor, der nun breitbeinig über ihm steht, ihm die Gewehrmündung gegen den Magen drückt.
Er kann sich an den Mann erinnern, denn er sah ihn im Saloon zu Pecosville.
Sein goldenes Hutband glänzte im Lampenschein, denn im Saloon brannten schon die Lampen, obwohl draußen noch die Abenddämmerung herrschte.
Ja, diesen Mann sah er in der Ecke allein an einem Tisch sitzen.
Er sieht in ein hartes Gesicht und flintsteinharte Augen. Der Mann verzieht seinen hartlippigen Mund und spricht dann trocken und nicht mal unfreundlich: »Logan, es wäre gut für uns beide, wenn du von Anfang an kapierst, dass du keine Chance hast. Ich habe deine Waffen. Dein Schlaf war zu tief. Und ich war so leise wie ein Geist. – Mein Name ist Taggert, Herb Taggert. Vielleicht hast du schon von mir gehört, denn ich bin der erfolgreichste Kopfgeldjäger im ganzen Südwesten. – Ist das nun geklärt?«
»Nichts ist geklärt«, erwidert Kilbourne grimmig. »Denn ich bin nicht jener Jesse Logan, für dessen Einbringung es tausend Dollar gibt. – Mein Name ist Kilbourne, Luke Kilbourne. Und ich komme vom Brazos her. – Wahrscheinlich bin ich diesem Jesse Logan sehr ähnlich – aber ich bin …«
Er kommt nicht weiter, denn jener Herb Taggert ist nicht nur hart, sondern jetzt auch noch böse und gnadenlos. Denn er stößt ihm die Gewehrmündung so hart gegen die Magengegend, dass sich Kilbourne fast erbricht und der Schmerz ihm den Atem nimmt.
»Du kannst mich nicht verarschen, so als wäre ich wirklich ein dummer Arsch mit Ohren. Und selbst wenn du wirklich nicht jener Jesse Logan sein solltest, dann wäre mir das verdammt egal. Hauptsache ist, dass du so aussiehst wie er und ich tausend Dollar für deine Einbringung erhalte.«
Nach diesen Worten tritt Herb Taggert langsam zurück. Doch er hält das Gewehr weiter um den Kolbenhals gefasst. Der Hahn der Winchester ist gespannt. Sein Finger ist am Abzug. Kilbourne hat wirklich keine Chance. Dieser Kopfgeldjäger ist ein erfahrener Menschenjäger, der jeden Trick kennt.
Er richtet sich langsam auf, verharrt sitzend einige Sekunden und kommt endlich auf die Füße. »Ich glaube«, spricht er, »du bist ein verdammter Hurensohn. Du würdest gewiss deinen eigenen Bruder für tausend Dollar einem Henker ausliefern – oder?«
Doch Herb Taggert grinst nur böse.
Dann macht er mit dem Gewehr eine eindeutige Bewegung.
»Sattle dein Pferd. – Ich will hier mit dir keine Wurzeln schlagen. Ich bringe dich nach Langtry, denn dort gibt es den Richter Roy Bean. – Na los!«
Luke Kilbourne gehorcht wortlos. Er weiß, dass es keinen Sinn hätte, diesen Kopfgeldjäger mit Worten umzustimmen.
Und so sind sie wenig später unterwegs.
Der erschöpfte Pinto Comanche hat sich etwas erholt, aber er wird gewiss nur wenige Meilen durchhalten. Dann wird er zusammenbrechen. Es kann gar nicht anders sein. Und dann? – Ja, was wird dann sein?
Nachdem sie eine halbe Meile geritten sind im Schritt oder leichten Trab, da sagt Taggert hart: »Wenn dein Gaul zusammenbrechen sollte, dann musst du laufen. Dann ziehe ich dich am Lasso wie ein Bullkalb hinter mir her.«
Kilbourne erwidert nichts. Er macht sich keine Illusionen. Dieser Mann mit dem goldenen Hutband am schwarzen Hut ist zu erfahren. Und obwohl er das Gewehr nun im Sattelschuh mitführt, weiß Kilbourne, dass er es mit einem Revolvermann zu tun hat und er waffenlos gegen den Revolver des Mannes keine Chance hätte.
Taggert würde blitzschnell schießen und ihn dann tot quer über dem Sattel nach Langtry bringen.
Er muss vorausreiten. Taggert hält sich ständig hinter ihm. Gewiss sind sie sich körperlich gleichwertig, was ihr Gewicht, ihre Härte, Zähigkeit und Erfahrung im Kampf Mann gegen Mann nur mit den Fäusten betrifft.
Es würde ein harter Kampf mit ungewissem Ausgang werden.
Dennoch wird ihn Luke wagen müssen. Er hat ja sonst keine Chance. Der Steckbrief ist zu eindeutig, so als wäre Jesse Logan sein Zwillingsbruder. Selbst wenn der Richter Roy Bean ein redlicher Richter ist, wird er keinen Zweifel hegen und Herb Taggert die Belohnung auszahlen. Und dann wird irgendwann ein Gefängniswagen kommen, der im ganzen Land die Verurteilten einsammelt und auch ihn nach Yuma bringen.
Denn nach Yuma kommen alle, die man noch nicht hängen will.
Aber wahrscheinlich werden sie ihn in Langtry als Jesse Logan hängen, denn dieser hat zu viel auf dem Kerbholz. Dann werden auch alle Steckbriefe eingezogen.
Ja, so wird es kommen.
Er wendet sich im Sattel und fragt zu Taggert zurück: »Bist du wirklich überzeugt, dass ich Jesse Logan bin? Oder spielt das keine Rolle für dich?«
Taggert grinst. »Für mich zählt, dass der Steckbrief keinen Zweifel aufkommen lässt. Die Zeichnung ist so gut wie eine Fotografie.«
Da sagt Luke Kilbourne nichts mehr. Er macht sich nun immer größere Sorgen um seinen Pinto, denn dieser stolpert immer öfter über die kleinsten Bodenunebenheiten.
Bald wird Comanche nicht mehr auf den Hufen bleiben unter dem Gewicht des Reiters.
Luke Kilbourne wiegt um die neunzig Kilo. Er ist bei aller Hagerkeit ein Schwergewicht wie Taggert auch.
Nun, sie kommen an diesem Tage noch etwa zehn Meilen weiter.
Dann hält Comanche mit gesenktem Kopf an.
Ja, er wird in den nächsten Sekunden zusammenbrechen. Also lässt Luke sich seitwärts fallen, rollt über den Boden und wagt dann einen alten Comanchentrick.
Denn er springt auf und stößt den wilden Schrei eines angreifenden Pumaweibchen aus.
Es ist ein kreischendes Yiiiiiiiiii, welches eigentlich jedes Pferd aufbäumen lässt.
Doch Herb Taggerts grauer Wallach bäumt nicht auf, nein, er erschrickt nicht, schnaubt nur böse.
Und Taggert hockt grinsend im Sattel und nickt Kilbourne anerkennend zu, spricht dann trocken: »Ja, das hätte ich auch versucht. – Doch es ist dein Pech, dass mein Grauer sich vor Pumas nicht mehr fürchtet. Er hat schon mal einem den Schädel eingeschlagen und ihn dann zu Brei zertrampelt. – Also, jetzt musst du laufen. Ich sagte dir ja schon, dass ich dich wie ein Bullkalb an meinem Lasso hinter mir herziehen werde.«
☆
Es wird ein böser und schlimmer Weg für Luke Kilbourne, denn Taggert zieht ihn wahrhaftig an den gefesselten Handgelenken am langen Lasso hinter sich her, sitzt dabei bequem im Sattel und blickt sich nur manchmal nach ihm um.
Einige Male fällt Luke, wird dann einige Yards weit über den Boden gezogen, bis Taggert anhält und ihn aufstehen lässt.
Über diesen Herb Taggert wurde sich Kilbourne längst klar. Dieser Mann gehört zu jener Sorte, der etwas so sehr fehlt, dass sie sich dieses Mangels gar nicht mehr bewusst ist. Taggert wird von Instinkten beherrscht und geleitet, die nichts mit Menschlichkeit zu tun haben. Er ist gewissermaßen ein zweibeiniges Raubtier in Menschengestalt, immer wachsam, misstrauisch, stets bereit für das Unerwartete.
Und so verspürt Luke Kilbourne in sich einen ständig stärker werdenden Hass, ja, Hass. Noch niemals in seinem Leben hat er einen Mann so gehasst wie diesen Taggert. Und dieser Hass wuchs in den wenigen Stunden, die sie inzwischen zusammen sind.
Auch Taggerts Pferd zeigt nun die ersten Zeichen von Müdigkeit. Doch es wurde ja nur halb so viele Meilen geritten wie Kilbournes Comanche. Taggert war ja schon in Pecosville gewesen, als Kilbourne nach einem langen Tagesritt dort ankam.
Indes Kilbourne hinter dem Kopfgeldjäger daherstolpert und sich so hilflos fühlt wie nie zuvor, sind die Erinnerungen an seine Vergangenheit in ihm. Und sie kommen ihm wie eine Kette von Feuern in dunkler Nacht vor.
Er ritt als junger Cowboy in den Krieg, bewährte sich, wurde aufgrund besonderer Leistungen zum Offizier befördert und gehörte dann wie der ganze Süden zu den Verlierern, war lange Monate ein Satteltramp.
Und er war den ganzen Krieg lang durch die Hölle geritten, weil er kämpfen und töten musste. Das belastet ihn immer noch. Denn längst weiß er, dass Krieg das Unvernünftigste ist, was Menschen tun können.
Doch sie mussten auch vor dem Krieg in Texas schon Krieg führen gegen die Comanchen und mexikanische Bandoleros, die über den Rio Grande kamen.
Und auch zuvor gab es in Texas immer wieder Krieg, zum Beispiel beim Kampf um Alamo, dieser Schlacht um Texas.
Immer wieder Krieg.
Er fand dann einen Rancher, der ihn bald zum Vormann seiner Ranch machte.
Diesem Mann gegenüber fühlt er sich zur Treue verpflichtet. Also muss er den entführten Zuchthengst zurückholen. Dieses wertvolle Tier war ihm ja anvertraut worden. Jetzt fühlt er sich als Versager.
Und wenn Herb Taggert ihn zum Gerichtshof in Langtry bringen kann, dann wird man ihn dort als Jesse Logan hängen.
Sein Hass auf Taggert könnte nicht böser sein.
Einige Male rasten sie an Wasserstellen.
Das Land hier im großen Knie des Rio Grande ist wunderschön, ein Paradies für Jäger. Von der Stadt Langtry und Richter Roy Bean hat Kilbourne schon gehört. Denn über den Richter und seine Stadt gibt es viele Geschichten und Gerüchte.
Roy Bean nannte die kleine Stadt nach der berühmten Sängerin Lily Langtry, seiner unglücklichen Liebe, welche keine Erfüllung fand.
Bean nennt sich jetzt selbst »das Gesetz im Westen der Pecos«, und seine Urteile fällt er hinter seiner Bar in »Lilys Saloon zu Jersey«. Und er schenkt hinter seiner Bar auch stets reichlich Whiskey aus dem Falben Tal aus.
Einige seiner Urteile wurden in ganz Texas bekannt, zum Beispiel jener Urteilsspruch, als er erklärte, dass ihm kein einziges Gesetz in Texas bekannt wäre, welches es verböte, einen Chinesen zu töten. Infolgedessen sprach er den Mörder frei und begoss diesen Urteilsspruch tüchtig, verfiel dabei auf die glänzende Idee, dem Chinesen eine Geldbuße für unerlaubtes Waffentragen aufzuerlegen. Die Strafe belief sich auf vierzigtausend Dollar, was genau die Summe war, die der Tote bei sich hatte.
Zu diesem Richter will ihn Taggert also bringen.
Doch bei ihm werden keine vierzigtausend Dollar zu finden sein wie bei diesem Chinesen. Er hatte nur an die zweihundert Dollar bei sich. Und diese waren in einem kleinen Lederbeutel. Er spürt ihn nicht mehr in seiner Hosentasche unter den ledernen Chaps, weil Taggert sie ihm abnahm, nachdem er ihm die Handgelenke zusammengebunden hatte. Als sie am Nachmittag wieder einmal an einem Creek rasten, da wirft Taggert ihm ein Stück Rauchfleisch zu.
»Ich möchte nicht, dass du unterwegs schlappmachst, Logan.«
»Du weißt genau, dass ich nicht Jesse Logan bin, Taggert!«
»Aber ich glaube daran wie an den Heiligen Geist«, grinst Taggert. »Denn du bist für mich ein fetter Tausend-Dollar-Hammel.«
»Auf was kannst du eigentlich stolz sein, Taggert?« Kilbourne fragt es verächtlich. Da nimmt Taggert den Hut ab und zeigt auf sein goldenes Hutband. »Darauf bin ich stolz«, spricht er.
Kilbourne beißt ein Stück vom Rauchfleisch ab. Sein Hunger ist gewaltig.
Er deutet auf das flache Wasser des leise plätschernden Creeks, bei dessen Anblick man an eine heile Welt zu denken bereit ist. Aber diese schöne Natur in der Runde kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Menschen wie diesen Taggert gibt.
Als er sieht, dass Taggert sein Rauchzeug hervorholt und sich eine Zigarette zu drehen beginnt, da wagt er es.
Er hockte nach Cowboyart auf den Absätzen.
Nun wirft er sich aus der Hocke gegen Taggert und stößt diesem die an den Handgelenken gefesselten Fäuste ins Gesicht. Er trifft Taggert voll und mit aller Wucht.
Dennoch wird der Mann nicht bewusstlos. Er überschlägt sich nur nach hinten, so als würde er rückwärts einen Purzelbaum machen, wie die Kinder es tun.
Dann kommen sie beide auf die Füße – aber Taggert mit dem Revolver in der Faust.
»Na los, komm, du verdammter Cowpuncher, komm schon, versuche es!«
Luke verharrt. Taggert blutet aus der Nase und hat aufgeschlagene Lippen. Man sieht ihm die heiße Wut an und den heißen Wunsch zur Bestrafung. Ja, er steht kurz vor dem Abdrücken.
Und so spricht Luke ruhig: »Wenn du mich quer über dem Sattel nach Langtry bringen musst, dann wirst du laufen müssen. – Wie weit ist es noch bis Langtry?«
Doch er erhält keine Antwort. Taggert entfernt sich ein Dutzend Schritte von ihm und kniet am Creek nieder, um seine Nase und die zerschlagenen Lippen zu kühlen und das Blut abzuwaschen.
Als er nach einer Weile zurückkommt, da flimmert der böse Hass in seinen Augen. Der Wunsch zu töten geht wie ein böser Atem von ihm aus.
»Wir haben noch etwa zwanzig Meilen vor uns«, spricht er knirschend. »Morgen sind wir in Langtry. Ich will dich dort hängen sehen, wenn du noch zappeln kannst.«
☆
Irgendwann mitten in der Nacht halten sie an. Taggert bindet seinen Gefangenen an einem Baum an, an dem Luke sitzend lehnt. Er kann sich also nur sitzend ausruhen, schläft aber dennoch ein.
Als der Morgen kommt, sind sie abermals unterwegs. Nach Langtry können es keine zehn Meilen mehr sein.
Sie erreichen einen Wagenweg, der aus den Davis Mountains kommt und eigentlich nur eine Furche ist, die von Rädern und Hufspuren geprägt wurde. Neben diesem Wagenweg wird eine Rinderherde getrieben.
Die Treiber blicken neugierig herüber, und ganz gewiss begreifen sie, dass da ein Gefangener an einem Lasso gefesselt von einem Reiter wahrscheinlich nach Langtry gebracht wird.
Und einer dieser Herdentreiber ist eine junge Frau, die wie ein Cowgirl reitet und Treibarbeit verrichtet.
Der immer wieder stolpernde Kilbourne wirft ihr Blicke zu, indes sie die Herde überholen. Denn diese zieht nur langsam grasend weiter, weil die Rinder jetzt ihr Frühstück haben müssen und das Gras hier neben dem Wagenweg besonders üppig wuchert.
Das Cowgirl kommt plötzlich herübergeritten und betrachtet den Gefangenen forschend vom Sattel aus.
Luke erwidert den Blick dieser grünen Augen fest, aber weil er dabei nicht auf den Weg achtet, stolpert er und fällt, wird einige Yards geschleift, bis Taggert endlich anhält und ihn wieder auf die Füße kommen lässt.
Doch als Luke steht, sieht er die grünäugige und rotblonde Reiterin immer noch an. Ja, es ist ein langer Blick, den sie austauschen.
Taggert greift an die Hutkrempe und spricht grinsend: »Ich habe noch nie ein so schönes Cowgirl gesehen. – Bist du noch zu haben? – Ich zahle dir einen ganzen Monatslohn, wenn du mit mir in Langtry ins Bett gehst. – Du kannst dann die Herde leicht wieder einholen, Honey. Und wir werden richtig feiern in Langtry. – Denn für meinen Gefangenen bekomme ich tausend Dollar. – Das wolltest du doch wissen. Deshalb bist du hergekommen. – Na, ist das kein Angebot, Honey?«
Sie verzieht keine Miene in ihrem klaren, mehr als hübschen Gesicht. Nur in ihren grünen Augen funkelt es.
Dann fragt sie an Kilbourne gewandt: »Tausend Dollar bekommt er für dich, Cowboy?«
»Weil ich dem Bild auf einem Steckbrief sehr ähnlich sehe, Schwester.«
Sie sieht auf Taggert und spricht ruhig: »Ich glaube, ich kenne Sie, Taggert. Sie waren schon mal bei uns in San Sebastian auf Kopfgeldjagd. Ich glaube nicht, dass ich mit Ihnen für eine Million ins Bett gehen würde.«
Nach diesen Worten zieht sie ihr Pferd herum, um wieder zurück zur Herde reiten zu können. Doch dabei tauscht sie abermals mit Kilbourne einen Blick aus.
Als sie davonreitet, ruft Taggert ihr nach: »Hoiiii, ich wette, du warst schon mit vielen Cowpunchern unter einer Decke! – Auf was bist du denn stolz, du grünäugige Katze?!«
Seine Stimme klingt biestig. Ja, er ärgert sich, so kühl abgewiesen worden zu sein.
Dann aber reitet er an, das Lasso strafft sich mit einem Ruck. Luke muss im Laufschritt hinter ihm her, taumelt und fällt fast abermals. Doch trotz seiner Not muss er über diese Reiterin nachdenken, die Taggert für ein Cowgirl hält, welches mit Männern zusammen Weidearbeit verrichtet und wie diese im Sattel lebt.
Aber er glaubt, dass sie kein gewöhnliches Cowgirl ist. Der feste Blick ihrer Augen und ihre Wortwahl lassen ihn sie anders einschätzen.
Sie kommen nun über eine Bodenwelle und sehen die Stadt Langtry vor sich am Fluss liegen. Taggert wendet sich im Sattel und ruft zu ihm zurück: »Vielleicht hängen sie dich schon morgen!«
»Und dann werde ich jeden Tag aus dem Jenseits auf dich spucken«, erwidert Kilbourne. Er glaubt nun, dass er wirklich keine Chance mehr hat. Seine Handgelenke sind immer noch gefesselt. Er ist unbewaffnet und völlig erschöpft, sozusagen am Ende.
Nur der Hass in seinem Kern auf Taggert ist noch lebendig.
Langtry ist eine kleine, armselige Stadt, durch die der staubige Wagenweg führt, der in der Stadt die Hauptstraße ist.
Luke Kilbourne stolpert mit letzter Kraft hinter dem Pferd des Kopfgeldjägers her. Denn er weiß, dass Taggert ihn am Lasso durch den tiefen Staub schleifen würde.
Ein paar Bürger treten aus den Häusern, Hütten und Läden, betrachten teilnahmslos wirkend dieses Bild vom Einbringen eines Gefangenen, so als wäre dies ein alltäglich sich wiederholendes Bild.
Sie halten dann vor einem Haus an, welches eigentlich ein Saloon ist mit einer großen Veranda, zu der drei Stufen einer Holztreppe führen.
Ganz oben über der Veranda sind einige Schilder angebracht. Kilbourne liest:
Judge Roy Bean
Justice of the Peace
Law West of the Pecos
Ice Beer The Jersey Lily
Es ist ein richtiges Durcheinander von Schildern, die man dort angenagelt hat, wo Platz dafür war.
Doch so wirr dies auch aussieht, so geht doch daraus hervor, dass sich hier in diesem Saloon und auf der Veranda eine Art Gerichtshof etabliert hat.
Offenbar findet in diesem Moment auf der Veranda eine Gerichtsverhandlung statt. Denn einige Zuschauer wohnen der Sache bei. Ein paar Reiter hocken in den Sätteln und beobachten das alles von der Straße aus.
Auf der Veranda sitzt ein dicker Mann auf einem Bierfass an einem runden Tisch. Der Mann hat einen weißen Vollbart und trägt einen Hut mit spitzer Krone. Ein halbes Dutzend Männer – wahrscheinlich sollen es Geschworene sein – sitzen ebenfalls auf der Veranda. Und ein Angeklagter steht vor dem runden Richtertisch.
Es ist still, fast totenstill.
Und in diese Stille dröhnt nun die Stimme des Mannes mit dem weißen Vollbart und dem spitzen Hut: »Du bist gehört worden von sechs ehrenwerten und braven Männern, nicht deinesgleichen, sondern dir so überlegen wie der Himmel der Hölle, und sie haben gesagt, du seist schuldig.
Was also wird jetzt geschehen?
Nichts Besonderes! Die Jahreszeiten werden weiterhin kommen wie eh und je. Der Frühling wird kommen mit seinen grünen Wiesen und duftenden Blumen im Tal, dann der schwüle Sommer mit seiner flimmernden Hitze über den Hügeln, danach der Herbst mit fallenden Blättern und mit Wäldern, die sich unter der sinkenden Sonne braun und golden verfärben, und schließlich wird der Winter kommen mit seinen beißenden und heulenden Stürmen.
Aber du wirst nicht mehr da sein, um den Frühling, Sommer, Herbst und Winter zu sehen. Nicht einen verdammten Blick wirst du in die Schönheiten der Natur tun. Denn es ist der Wille dieses Gerichtshofes, dass du zum nächsten Baum gebracht und dort am Halse aufgehängt wirst, bis du tot, tot, tot bist – du olivenfarbiger Sohn eines Ziegenbocks.« 1)
Auch Luke Kilbourne hört jedes Wort, indes er neben Taggerts Pferd im Staub der Straße steht und wartet.
Er sieht dann, wie der verurteilte Pferdedieb – ein Mexikaner – fortgebracht wird. Und sie alle hören dann Richter Roy Bean laut rufen: »Und nun werden wir diesen traurigen Anlass mit einem Drink für alle herunterspülen und vergessen!«
Er wirft nach dieser Einladung einen Blick in die Runde und entdeckt nun Herb Taggert mit dem am Lasso mitgeführten Gefangenen.
»Heh, wer sind Sie? – Und wen bringen Sie mir da zu meinem Gerichtshof?«
Es ist eine barsche Frage, denn offenbar fühlt der Richter sich gestört.
Alle Blicke richten sich nun auf Taggert und dessen Gefangenen.
Und Taggert weiß sofort, dass er nun sehr vorsichtig und behutsam sein muss, um diesen eigenwilligen Richter nicht zu vergrätzen.
Und so ruft er vom Sattel aus hinüber: »Euer Ehren, darf ich zu Ihnen kommen und Ihnen den Steckbrief dieses Gefangenen vorlegen?«
»Aaaaaah, ein Kopfgeldjäger sind Sie?«
»Yes, Sir, so wie es das Gesetz will. – Denn sonst gäbe es keine Steckbriefe mit ausgesetzten Belohnungen. – Darf ich kommen?«
»Kommen Sie!«
Des Richters Stimme klingt nicht besonders freundlich.
Taggert beeilt sich nun, sitzt ab und steht wenig später vor dem runden Tisch des Richters. Doch dann muss er erst mal warten, denn ein alter Mexikaner – offenbar hilft er im Saloon aus – ist dabei, dem Richter und den sechs Geschworenen Drinks einzuschenken. Es handelt sich um ein Teufelszeug, scharfen Tequila.
Als sie alle getrunken haben, herrscht Stille. Alle Neugierigen vor der Veranda warten. Und Kilbourne, der zu erschöpft ist, um wegzulaufen oder sich auf Taggerts Pferd zu schwingen, der wartet ebenfalls – aber voller Sorge um sein Leben.
Denn soeben erlebte er ja, wie schnell dieser Richter ein Todesurteil fällen kann.
Er sieht nun, wie Taggert den Steckbrief aus seiner Jackentasche zieht, auseinanderfaltet und dem Richter vorlegt.
Roy Bean studiert den Steckbrief aufmerksam.
Dann blickt er von der Veranda zu Kilbourne herüber und winkt mit dem Zeigefinger.
»Komm näher zu mir, mein Junge.«
Kilbourne gehorcht, und als er vor Bean steht, da blickt er in dessen harte und dennoch irgendwie belustigt und listig wirkende Augen.
»Nun, was sagst du dazu, Jesse Logan?«
»Sir, mein Name ist Kilbourne, Luke Kilbourne. – Ich bin Vormann der Skull-Ranch im Brazos-Land. – Ich gleiche nur zufällig diesem Steckbriefbild. – Dieser Kopfgeldjäger überfiel mich im Schlafe. Vielleicht würde er für tausend Dollar auch seinen eigenen Bruder ausliefern, wenn dieser zufällig einem gesuchten Banditen gliche.«
Kilbournes Stimme klingt heiser und voller Bitterkeit.
Und die Augen des Richters werden schmal. Die Lippen zwischen dem weißen Bart pressen sich zusammen, sodass der Mund einer Narbe gleicht.
»Mein Junge, das ist eine böse Geschichte, nicht wahr? Und du bist ein Cowboy aus dem Brazos-Land, wo die Stiere wie wilde Tiere in der Brasada leben?«
»Bin ich, Euer Ehren.«
»Komm noch näher zu mir, mein Junge!« Roy Beans Stimme klingt nun fast väterlich und seltsam weich. Sollte ihn der scharfe Drink so milde gestimmt haben, oder ist er in dieser scheinbar gnädigen Stimmung doppelt gefährlich?
Kilbourne beeilt sich so gut er kann, doch er muss erst das Lassoende vom Sattelhorn des Pferdes lösen.
Dann aber verharrt er dicht vor Roy Bean.
Und abermals blicken sich die so sehr verschiedenen Männer in die Augen. In des Richters Augen funkelt nun ein Ausdruck von Vergnügen. Ja, er empfindet etwas, was ihm großen Spaß bereitet. Offenbar wechseln bei ihm immer wieder die Stimmungen.
Doch dies ist bei Despoten und vielen selbstherrlichen Herrschern ja oft der Fall.
»Sooo«, dehnt er, »du hast also in der Brasada im Brazos-Land wilde Cimarrones gejagt, in diesem verdammten Dornbuschgebiet? Ich kenne dieses Land, war mal als junger Bursche dort, lange vor dem Krieg. Und nun frage ich dich, mein Sohn, woran erkennt man Brasada-Cowboys?«
Er fragt es lauernd.
Und da zeigt ihm Luke Kilbourne wortlos seine Handrücken. Seine Handgelenke sind noch zusammengebunden. Und die Lassoleine liegt am Boden, reicht von der Veranda hinunter bis dicht zu Taggerts Pferd.
Der Richter betrachtet die alten Lassonarben auf Kilbournes Handrücken sorgfältig.
Dann nickt er und zeigt grinsend zwischen seinem Bart braune Zähne.
Dann aber richtet er seinen harten Blick auf Herb Taggert.
»Ich glaube, Sie sind ein verdammter Hurensohn«, spricht er. »Sie kamen her, um diesen Gerichtshof, dem ich vorsitze, zu täuschen, um tausend Dollar zu kassieren. Ich muss zugeben, dass dieser Mann hier jenem Jesse Logan sehr ähnlich sieht. Denn ich habe diesen Logan schon mal gesehen. Er war nie ein Brasada-Cowboy und hat keine Lassonarben auf den Handrücken. – Mann, ich hätte Lust, Sie wegen Irreführung dieses Gerichtes und Prämienerschleichung zu bestrafen.«
Er wendet sich an Kilbourne: »Hat er Ihnen was abgenommen, Cowboy?«
»Zweihundert Dollar in einem Lederbeutel, meine Waffen und die Satteltaschen, die mein Pferd trug. – Mein Pferd brach zusammen. Und so wäre er mir auch den Sattel schuldig außer dem Pferd. – Er ließ nicht zu, dass es sich ausruhen und erholen konnte.«
Als Kilbourne verstummt, grinst Roy Bean wieder mit braunen Zähnen.
Er schlägt die flache Hand bretthart klatschend auf den Tisch.
Dann spricht er: »Vielleicht lasse ich dich laufen, Kopfgeldjäger, wenn du alles, was du Kilbourne genommen hast, zurückgibst – und dazu noch eine angemessene Entschädigung für das Pferd und den Sattel. – Ich könnte dich aber auch verurteilen. – Wie willst du es haben? – Bedenke, dass ich jetzt nach einem Todesurteil in gnädiger Stimmung bin. Das aber kann sich schnell ändern.«
Herb Taggert würgt etwas in seinem Hals herunter. Und es scheint so, als würde sein Hals anschwellen.
Doch er ist kein Narr. Sein Instinkt sagt ihm, dass dieser Richter Roy Bean, der sich ja selbst zum Richter ernannte, schnell seine Stimmung wechseln könnte aus dem geringsten Anlass.
Und so beeilt er sich, holt Kilbournes Geldbeutel hervor und holt die Satteltaschen und Kilbournes Waffen von seinem Pferd.
Als er es ablegt, trommelt Bean mit seinen Fingern ungeduldig auf der Tischplatte. Und da holt Taggert noch drei Doppeladler aus seiner Tasche, also drei Zwanzigdollarmünzen.
»Das wär’s wohl, Euer Ehren?« Er würgt die Frage mühsam hervor.
In Roy Beans Augen funkelt wieder das Vergnügen. Wahrscheinlich macht ihm diese Sache mehr Spaß als eine Verurteilung und verschafft ihm das Gefühl, ein gar nicht so harter und gnadenloser Richter zu sein.
»Hau ab«, spricht er mit trügerischer Freundlichkeit. »Und verlasse für immer meinen Gerichtsbereich. Doch dein goldenes Hutband bleibt hier.«
Taggert sieht sich um. Und er sieht in der Runde hier auf der Veranda in harte Gesichter. Er begreift, dass diese sechs Geschworenen Beans Männer sind. Und so stößt er hervor: »Yes, Sir«, und wirft sein Hutband auf den Tisch.
Dann eilt er zu seinem Pferd, sitzt auf und reitet davon.
Gelächter folgt ihm.
Bean aber sieht Kilbourne an und fragt: »Und warum bist du so weit weg vom Brazos und deiner Ranch?«
»Uns wurde ein Zuchthengst gestohlen, ein Tausend-Dollar-Hengst, für den ich verantwortlich war als Vormann.«
»Aha«, nickt Roy Bean, »das ist ein verdammter Grund. – Hast du noch etwas zu sagen, Brazos-Cowboy?«
»Sollte ich mal Enkel bekommen irgendwann, dann werde ich diesen von Ihnen erzählen, Sir.«
Kilbourne sagt es ernst.
☆
Luke Kilbourne bleibt zwei Tage und Nächte in Langtry. Dann hat er sich erholt und macht sich auf einem guten Pferd, für das er dreißig Dollar zahlte, und einem Sattel für zehn Dollar wieder auf den Weg.
Nach dem Frühstück im Saloon von Jersey Lily nimmt er noch einen Drink.
Als er auf die Veranda tritt, wo davor das Pferd wartet, da hockt Richter Bean schon auf dem Bierfass am runden Tisch und blättert in einem dicken Gesetzbuch.
Die beiden Männer sehen sich einige Atemzüge lang schweigend an.
Dann spricht Bean: »Du hast Glück gehabt, Brazos-Mann. Ich habe große Achtung vor allen Brasada-Cowboys. – Dieser Taggert könnte dort draußen auf dich lauern. Wenn er dich abschießen sollte, werde ich ihn hängen lassen. – Aber mir wäre schon lieber, wenn du ihn überleben könntest.«
»Oh ja, Sir, das wäre auch mir lieber«, grinst Kilbourne und sitzt auf.
Bean und einige andere Männer auf der Veranda sehen ihm nach. »Der bringt den Hengst gewiss zurück«, murmelt der Richter.
Aber das hört Kilbourne nicht mehr. Er reitet im leichten Trab aus der Stadt und weiß, dass Taggert dort draußen irgendwo auf ihn lauert. Er kann es instinkthaft spüren. Taggert gehört zu der Sorte, die nicht verlieren kann.
Eigentlich wäre es besser für Luke Kilbourne, wenn er in der Stadt bleiben würde, bis Herb Taggert die ganze Warterei zu viel geworden ist. Denn Taggert lebt dort draußen ohne Proviant und nächtigt unter freiem Himmel. Das muss ihn allmählich zermürben. Er wird auch kaum schlafen können, sondern muss ständig auf der Lauer liegen und wie ein Jäger darauf warten, dass der Fuchs aus seinem Bau kommt.
Aber Kilbourne ist gewiss nicht – was seine Gefährlichkeit betrifft – mit einem Fuchs zu vergleichen, eher mit einem Wolf oder einem Berglöwen.
Kilbourne weiß also, auf was er sich einlässt, als er die Stadt verlässt.
Dennoch kann er sich nicht in Langtry verstecken. Er ist ja unterwegs, um den gestohlenen Zuchthengst Red Duke – also Roter Herzog – zurück zur Ranch zu bringen, damit deren Pferdezucht weiterhin gesichert ist.
Er reitet vorerst auf dem Wagenweg nach Westen. Denn dort im Westen, da beginnt das Arizona-Territorium.
Zu seiner Rechten in weiter Ferne, gewiss weiter als fünfzig Meilen entfernt – erkennt er in der trockenen und klaren Luft den El Capitan Peak. Und weiter westlich von diesem muss El Paso liegen. Dort führt der alte Wagenweg, den schon die Spanier prägten auf der Suche nach den goldenen Städten von Cibola, die es nicht gab, durch den Rio Grande, weiter durch den südwestlichen Teil von New Mexico und dann westnördlicher in die Santa Catalinas jenseits des San Pedro.
Und dort in den Santa Catalinas, da soll es die fruchtbaren Blaugrastäler geben, auf deren Weide die Pferde so wunderbar gedeihen.
Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Und die Pferdediebe, die den Hengst entführten in einer schwarzen Regennacht, die haben jetzt mehr als eine Woche Vorsprung. Einholen wird er sie nicht können. Doch wohin sie den Hengst auch bringen werden, er wird ihn finden.
Vorerst aber gilt es zu überleben.
Kilbourne weiß, dass er sich auf seinen Instinkt verlassen muss, auf sein Ahnungsvermögen. Dieses Ahnungsvermögen hat ihn damals vor dem Krieg auch lauernde Comanchen spüren lassen. Er kennt dieses Gefühl. Und später während des Krieges hat er als Patrouillenführer auch zumeist lauernde Feinde und Hinterhalte wittern können wie ein Wolf die tückischen Stahlfallen der Wolfsjäger.
Er reitet also wachsam, »lauscht« fortwährend in sich hinein und blickt in das Halbrund, also von links nach rechts und voraus. Dabei hält er seinen Kopf ziemlich tief gesenkt, sodass man ihm nicht ansehen kann, wie wachsam er nach allen Seiten wittert.
Und je weiter er sich von Langtry entfernt, umso sicherer kann er sein, dass die lauernde Gefahr immer größer wird.
Und so fragt er sich, wie Herb Taggert es angehen wird.
Wird er ihn aus dem Hinterhalt abschießen wollen – oder will er ein Duell mit den Revolvern? Denn Taggert ist ja ein Revolvermann. Sein Stolz lässt es dann nicht zu, einen Gegner aus dem Hinterhalt zu töten.
Das nennt man Revolverstolz.
Und so hegt Kilbourne ein wenig Hoffnung, dass Taggert ihm offen gegenübertreten wird. Denn er erlitt ja eine Niederlage, die gewiss so sehr in ihm frisst, dass er einen stolzen Sieg haben will.
☆
Herb Taggert hat schon oft auf der Lauer gelegen und auf »sein« Wild gewartet.
Diesmal tat er es mit wachsender Ungeduld.
Er ist überzeugt, dass Kilbourne nach Westen will auf der Fährte des entführten Hengstes. Also wartet er etwa fünf Meilen von Langtry entfernt auf einem der Hügel, welche den Wagenweg säumen. Es sind flache Hügelketten, zumeist bewachsen mit Wald.
Taggert hat sich nur wenig Schlaf gegönnt, immer dann, wenn der Himmel nicht so klar und leuchtend mit seinen Gestirnen war und er ohnehin nicht weite Sicht hatte.
Der Hunger macht ihm nun zu schaffen, denn sein Proviant war schon in Langtry alle. Er konnte im Store nichts einkaufen, sondern musste die Stadt verlassen. Mit dem Richter und den sechs Geschworenen, welche gewiss Beans Männer waren, konnte er sich nicht anlegen. Ja, er hasst auch den Richter. Und weil er sich an ihn nicht heranwagen kann, überträgt er diesen Hass noch zusätzlich auf Kilbourne.
Dass der Richter jenen Jesse Logan zufällig kannte und genau wusste, dass dieser keine alten Lassonarben auf den Handrücken hatte, das Erkennungszeichen aller Brasada-Cowboys am Brazos, dies war Taggerts Pech und Kilbournes Glück.
Dazu kam noch, dass Roy Bean schon eine Todesstrafe verhängt hatte, in gnädiger Stimmung war und überdies auch keine tausend Dollar Belohnung an einen Kopfgeldjäger auszahlen wollte.
Es war also alles gegen Herb Taggert.
Doch nun soll es anders werden. Ja, er will einen klaren Sieg.
Und so frohlockt er, als er Kilbourne an diesem Morgen auf dem Wagenweg kommen sieht.
»Oha, du verdammter Hurensohn, hast du dich endlich aus deinem Loch gewagt. Hier kann dich ein fragwürdiger Richter nicht beschützen. Ich werde dich in die Hölle schicken.« Böse stößt er diese Worte hervor.
Und dann verspürt er in seiner Magengegend ein seltsames Gefühl. Noch niemals spürte er dieses Gefühl. Er kann es noch nicht deuten, weiß nicht, ob es eine böse Vorfreude ist oder ein unheilvolles Gefühl, sozusagen eine Vorahnung.
Aber als er sein Pferd sattelt, um vom Hügel zum Wagenweg hinunterreiten zu können, wo Kilbourne sich auf dem leicht trabenden Pferd nähert, da hält er einige Sekunden lang inne und fragt sich, ob er es wagen soll.
Dann aber verspürt er ein Gefühl des Trotzes, so als würde er gefragt worden sein, ob er Furcht hätte.
Nein, er fürchtete sich niemals vor einem Kampf. Und dabei soll es auch bleiben. Als er den Hügelhang heruntergeritten kommt, da erblickt ihn Kilbourne sofort und hält auf dem Wagenweg zwischen den Radfurchen an, wartet auf das Näherkommen des Feindes. Ja, sie sind Feinde, Todfeinde. Wie könnte es anders sein?
Als er vor Kilbourne verhält, da sitzt dieser wortlos ab und tritt seitwärts von seinem Pferd weg. Es ist ein sogenanntes »Rinderpferd«, mit dem man Herdenarbeit leisten kann. Solche Pferde verharren auf dem Fleck, wenn der Reiter absitzen muss und die Zügelenden vor dem Tier am Boden liegen.
Taggert sitzt ebenfalls ab.
Und dann stehen sie sich ein Dutzend Schritte voneinander entfernt gegenüber.
Es ist still. Ein leichter Wind weht. Doch ist die Hitze nicht so stark, flimmert nicht über dem Boden, denn das wird erst sein, wenn die Sonne ihren höchsten Stand am Himmel erreicht hat.
Eine Weile sehen sie sich schweigend an, und von jedem geht die Feindschaft wie ein kalter Atem aus, den der Gegenüber spürt.
Schließlich nickt Kilbourne und spricht ruhig: »Wenigstens besitzt du Revolverstolz und hast es nicht aus dem Hinterhalt versucht. – Aber sonst bist du ein verdammter Hundesohn, denn du wusstest genau, dass ich nicht jener Jesse Logan bin. Du wolltest mich für tausend Dollar einem Henker ausliefern. – Wie verträgt sich das mit deinem Revolverstolz?«
»Eigentlich überhaupt nicht«, grinst Herb Taggert mit harten, schmalen Lippen. »Das sind zwei verschiedene Dinge. – Und ich kann sie auseinander halten, weil ich nicht feige bin. – Ich werde dich töten.«
»Vielleicht, Taggert, vielleicht – aber vielleicht schaffst du es nicht.«
»Aber ich glaube daran. Und gleich werden wir es wissen. – Luke Kilbourne, du hast keine Chance gegen mich. Ich weiß es.«
Er verstummt hart.
Doch Kilbourne schüttelt leicht den Kopf. »Du redest dir das ein, weil du in deinem Kern den Zweifel spürst. Du willst dir Mut machen – aber es gleicht dem Pfeifen in einem dunklen Wald. – Na los, fang endlich an!«
Taggerts Augen werden schmal, so als wollte er das Staunen darin nicht erkennen lassen.
Wahrscheinlich verspürt er nun den Zweifel tief in sich und begreift endlich, was das Gefühl in ihm, welches er vorhin nicht deuten konnte, zu bedeuten hat.
Es war eine ungute Vorahnung.
Und so tritt er gewissermaßen eine Flucht nach vorn an.
Ja, er zieht plötzlich. Seine Hand schnappt nach der Waffe so schnell wie ein Wolfsfang, der eine schnelle Beute packt.
Und wahrhaftig, er gibt den ersten Schuss ab, sieht dabei um einen einzigen Sekundenbruchteil später das Mündungsfeuer des Gegners.
Er stirbt stehend, kann nicht mal mehr fluchen.
Sein letzter Blick ist staunend.
Als er umfällt, steht Kilbourne noch auf den Füßen. Doch er hält sich seine Hand gegen die blutende Wunde an seiner linken Seite, wo die Kugel ihm das Fleisch von einer Rippe riss.
Der Schmerz nimmt Kilbourne die Luft. Und es dauert eine Weile, bis er knirschend flüstern kann: »Meine Chance war größer als deine.«
Er tritt zu seinem Pferd, sitzt mühsam auf und reitet weiter.
Nach einigen Yards hält er noch einmal an, nimmt sein Halstuch ab und stopft es sich unter dem Hemd auf die blutende Wunde.
Als er wieder anreitet, sieht er sich nicht mehr um.
Als es früher Mittag wird, sind die Schmerzen in seiner Seite kaum noch zu ertragen.
Die Kugel muss an einer Rippe abgeglitten sein und riss eine Furche wie von einem Säbelhieb. Sie blutet immer noch unter dem Halstuch, welches er wie eine Kompresse auf sie drückte und mit dem Druck seines Unterarms, den er angewinkelt hält, festpresst.
Aber er benötigt Hilfe. Diese Wunde müsste genäht werden. Nicht mal ein breites Pflaster wäre genug. Denn allein könnte er nicht die Wundränder zusammenpressen und zugleich das Pflaster aufkleben, selbst wenn er ein solches bei sich hätte.
Ja, er benötigt Hilfe.
Dennoch bleibt er im Sattel.
Am späten Vormittag oder frühen Mittag stößt er auf die Fährte einer Treibherde.
Ja, es gibt keinen Zweifel, es handelt sich um eine Rinderherde, die von Reitern getrieben wird. Er kann auch die Fährte einer Pferde-Remuda leicht erkennen, ebenso die Radfurchen des Chuckwagens.
Als er wenig später über eine flache Hügelkette reitet, da erblickt er vor sich die Herde in der Senke an einem See, der sich am tiefsten Punkt der Senke gebildet hat.
Nun schöpft er etwas Hoffnung, denn er weiß, dass dort beim Chuckwagen ein Treibherdenkoch sein muss. Und Treibherdenköche verstehen sich wie Ärzte auf Schusswunden, Knochenbrüche und viele andere Verletzungen – zum Beispiel durch Hornstöße wütender Stiere.
Er reitet also vom Wagenweg in Richtung Herde und dem kleinen See.
Ein Reiter kommt ihm entgegen. Aber der Reiter ist eine Reiterin. Er erkennt sie sofort wieder. Ja, sie ist jenes grünäugige Cowgirl, deren rotgoldfarbenen Haare zum Zopf geflochten unter dem Hut hervor hinter ihrem Nacken und Rücken hängen.
Wenig später verhält sie vor ihm und betrachtet ihn forschend.
»Da sind Sie ja wieder«, lächelt sie. »Und Sie leben noch. Dieser Kopfgeldjäger wollte Sie nach Langtry zu Richter Bean bringen, nicht wahr? Ich hatte einen meiner Reiter nach Langtry geschickt, um nach Post aus Arizona zu fragen und einige Einkäufe im Store zu machen. – Der Reiter berichtete mir von der Gerichtsverhandlung gegen den mexikanischen Pferdedieb und erzählte mir auch, wie der schlaue Richter feststellte, dass Sie nicht jener berüchtigte Bandit und gesuchte Killer Jesse Logan sein konnten. Ich freute mich, als ich das hörte. – Was ist mit Ihnen? – Sie sehen nicht besonders gesund aus, sondern so, als hätten Sie Schmerzen. – Ist das Blut, welches das Hemd über der Rippengegend getränkt hat?«
»Es war die Kugel des Kopfgeldjägers«, erwidert er. »Die Wunde müsste genäht werden, Miss …« Er verstummt mit einem leichten Achselzucken.
»Ich bin Jane Quaid«, erwidert sie. »Kommen Sie mit zum Chuckwagen. Unser Koch war mal Sanitäts-Sergeant in der Rebellenarmee. Der hat manchmal wie ein richtiger Doc operieren müssen.«
»Ich bin Ihnen sehr dankbar, Miss Quaid. – Mein Name ist Kilbourne, Luke Kilbourne.«
»Das weiß ich schon«, lächelt sie, und dieses Lächeln verzaubert ihn, sodass er nun glaubt, niemals einer Frau begegnet zu sein, die eine solche Wirkung auf ihn ausüben konnte. Ja, er empfindet sie als schön, obwohl sie gewiss nur hübsch ist.
Doch es geht eine besondere Ausstrahlung von ihr aus, welche vielen Schönheiten fehlt.
Sie reiten also zur lagernden Herde hinüber.
☆
Als sie beim Küchenwagen anlangen, tritt ihnen der hünenhafte Koch entgegen und betrachtet Kilbourne forschend, starrt auch auf das blutgetränkte Hemd über der Rippengegend.
Aber dann grinst er Kilbourne seltsam an und reibt sich mit seiner brettharten Hand das stoppelbärtige Kinn.
»Heh, kann es sein, dass Sie mal Lieutenant waren in der Texas-Brigade von General Jackson? – Wenn das so ist, dann habe ich Ihnen mal eine Kugel aus der Schulter geholt in Vicksburg. – Aber Sie waren bewusstlos damals und hatten mächtig Wundfieber.«
»Ja, das kann sein«, grinst Kilbourne zurück. »Die Welt ist klein, nicht wahr? – Man trifft sich oft zweimal im Leben. – Ich hatte Ihnen damals nicht danken können, Sersch. Aber wenn Sie mir diesmal helfen könnten, dann werde ich Sie in mein Abendgebet einschließen.«
Sie grinsen sich abermals an, und es ist ein Einverständnis zwischen ihnen, wie es nur zwischen gleichgesinnten Kriegsveteranen möglich ist.
Jane Quaid lacht zufrieden und ruft dann: »Ja, man sieht sich im Leben manchmal zweimal! – Und vielleicht gar dreimal. – Denn ich sah Sie ja schon zweimal, Luke Kilbourne. – Spencer, was muss ich tun, um Ihnen zu helfen?«
Die Frage gilt dem Koch, dessen Vorname offenbar Spencer ist.
Und so kommt nun alles in Gang. Denn Luke sitzt endlich ab. Sie müssen ihm das blutverklebte Hemd aufschneiden, um es dann wie eine zweite Haut von seinem Oberkörper abziehen zu können.
Der Koch deutet auf Kilbournes Schulter. »Da ist ja die alte Narbe«, brummt er. »Sie sind es wirklich, Lieutenant.«
»Ich bin kein Lieutenant mehr, Spencer. Ich heiße Luke.«
»Gut, Luke, gut. – Du wirst verdammt fest deine Zähne zusammenbeißen müssen, denn ich werde diese Wunde ohne Betäubung mit Zwirn zusammennähen müssen. – Doch du darfst zuvor einen Schluck aus der Pulle mit Pumaspucke nehmen. Zum Glück hat die Wunde kräftig geblutet. Vielleicht wird deshalb das Wundfieber wegen einer Entzündung nicht zu stark. – Aber ich werde für dich in meinem Chuckwagen ein Plätzchen freimachen.«
Das Wundfieber wird dennoch ziemlich schlimm. Erst am dritten Tage bekommt Kilbourne wieder einigermaßen einen klaren Kopf. Und auch die Schmerzen sind jetzt erträglich.
Als sie am Ende des Tages die Herde anhalten, da klettert er ohne Hilfe aus dem Wagen, verharrt einige Sekunden stehend und hält sich fest.
Das Schwindelgefühl in seinem Kopf schwindet. Jane Quaid tritt zu ihm. »Nun, Lieutenant?« So fragt sie scherzend.
Er grinst und erwidert: »Als du mich für einen Cowboy hieltest und ich dich Schwester nannte, weil ich deinen Namen nicht kannte, da waren wir schon per Du. – Und das hat mir gefallen, Jane.«
»Na gut«, nickt sie. »Komm, ich führe dich ein wenig herum. Du musst Bewegung haben. Dreht sich noch was in deinem Kopf, so als würdest du zu viel Tequila getrunken haben?«
»Es wird besser«, erwidert er. Sie hängt sich bei ihm ein, um ihn besser führen zu können. Als sie sich zum Ufer des Creeks entfernen, bei dem die Herde nun nach dem langen Tagestreck rastet, da schweigen die Reiter, die um das Feuer hocken und noch die Blechteller leerkratzen, bis sie außer Hörweite sind.
Dann aber lacht Shorty etwas neidvoll. »Jungs, merkt ihr etwas?«
»Was sollen wir gemerkt haben, du kleiner Furz?« Bull-Ben, ein massiger Bursche, dessen Verstand langsam arbeitet, fragt es fast böse, weil er die Frage nicht versteht in ihrer Bedeutung.
»Dass du keine Chance mehr hast, das Herz unserer Chefin zu erobern, Bull-Ben«, lacht Shorty. Und nun lachen sie alle.
Da zeigt Bull-Ben ihnen seine mächtigen Fäuste. »Heh, wer will an meinen Knospen riechen? Jane Quaid hat ein Herz für uns alle. Deshalb reiten wir ja für sie – oder? Wir sind die Ritter einer Queen. – Und unsere Verehrung und Liebe für sie ist ganz und gar plutanisch.«
»Platonisch«, ruft einer. »Heh, weiß jemand von euch, was platonische Liebe ist?«
Sie schweigen alle. Doch Bull-Ben kratzt sich am Hinterkopf und murmelt dann: »Oh ja, jetzt weiß ich es wieder. Ich habe es mal irgendwo gelesen. Platonische Liebe – nicht plutanisch, ich habe mich nur versprochen – ist eine rein geistige Neigung. Und sie wird geboren aus der Begeisterung für das Schöne. – Ihr Banausen, habt ihr das gewusst? Oder bin ich der einzige Gelehrte unter uns?«
Sie staunen ihn an, manche mit offenen Mündern.
»Oh Vater im Himmel«, murmelt einer wie betend, »wer hat unserem Bull-Ben einen Trichter ins Hirn gesetzt und ihm das große Wissen eingetrichtert?«
Aber sie alle grinsen nicht mehr.
Nur Benbow, der älteste Reiter von ihnen, murmelt: »Wir sollten ihn von nun an Doc nennen, Doc der großen Wissenschaft. Das hat er sich verdient.«
Als er verstummt, da schweigen sie immer noch und staunen Bull-Ben an.
Indes wandern Jane und Luke langsam am Creek entlang.
Eine Weile schweigen sie und verspüren dennoch eine Gemeinsamkeit, ein Einverständnis zwischen sich, welches eigentlich keiner Worte bedarf.
Sie erreichen einen flachen Felsen am Creekufer, der fast wie eine steinerne Bank geformt ist. Sie setzen sich. Dicht vor ihren Füßen murmelt der Creek, so als gäbe es eine heile Welt, in der alles wundervoll, schön und friedlich ist. Er nimmt ihre Hand.
»Erzähle mir was über dich, Jane«, verlangt er. »Ich muss mehr über dich wissen.«
»Und ich über dich«, erwidert sie. »Denn vielleicht ist es so, dass wir beide etwas gefunden haben.«