G. F. Unger Sonder-Edition Collection 37 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition Collection 37 E-Book

G. F. Unger

0,0
8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

5 spannende Westernromane von G. F. Unger lesen, nur 4 bezahlen!

G. F. Unger wird zu Recht als der beliebteste und erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor gefeiert. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Seine Epoche ist das späte 19. Jahrhundert, seine Schauplätze sind die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens, deren Grenzen von unerschrockenen Frauen und Männern immer weiter nach Westen verschoben werden, bis sie schließlich die Küste des Pazifiks erreichen.

Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 181 bis 185 der G.F. Unger Sonder-Edition:
Folge 181: Der letzte Drink
Folge 182: River Cat und River Lady
Folge 183: Das letzte Aufgebot
Folge 184: Wenn die Todesvögel kreisen
Folge 185: Narbiger Wolf

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 1016

Veröffentlichungsjahr: 2024

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



G. F. Unger
G. F. Unger Sonder-Edition Collection 37

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2020 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Manuel Prieto/Norma

ISBN: 978-3-7517-6492-6

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

G. F. Unger Sonder-Edition Collection 37

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

G. F. Unger Sonder-Edition 181

Der letzte Drink

G. F. Unger Sonder-Edition 182

River Cat und River Lady

G. F. Unger Sonder-Edition 183

Das letzte Aufgebot

G. F. Unger Sonder-Edition 184

Wenn die Todesvögel kreisen

G. F. Unger Sonder-Edition 185

Narbiger Wolf

Guide

Start Reading

Contents

Der letzte Drink

Es war ein bedrückender Augenblick, als Diego Gomez die Gläser füllte, um mit Flynn Alvarez und mir auf die alten Zeiten zu trinken.

Einst waren wir Sattelgefährten gewesen, doch nun waren wir gekommen, ihm die Frau zu entführen, die er einem anderen weggenommen hatte. Unser Auftraggeber zahlte gut, aber auch ohne die vereinbarten viertausend Dollar hätten wir für diese Frau Kopf und Kragen riskiert. Und mir war klar, dass ich wegen ihr nicht nur mit Gomez, sondern auch mit Flynn noch eine Menge Ärger kriegen würde.

Gomez hob das Glas und wir prosteten uns zu. Zum Teufel, es würde unser letzter Drink sein!

Ich traf Flynn Alvarez in einem Saloon von EI Paso. Er wollte soeben einen großen Tequila kippen, doch als er mich sah, stellte er das Glas wieder auf den narbigen Schanktisch und sagte zum grinsenden Barmann: »Noch einen, Paco! Noch einen für diesen Pferdestehler vom Brazos. Du trinkst doch mit mir, Gus Kelly? Oder nimmst du mir immer noch übel, dass ich dir in Nogales die Chica ausspannte? Tröste dich, sie war gar nicht so gut. Und sie hatte sieben Brüder, die mich mit ihr verheiraten wollten.«

Er zeigte mir nach diesen Worten seine weißen Zahnreihen. Es war, wie wenn ein schwarzer Panther seinen Fang zeigte.

Flynn Alvarez war prächtig anzusehen.

Ich nickte dem Barmann Paco zu, den ich gut kannte. Dann nahm ich das Glas und trank mit Flynn Alvarez. Dabei blickten wir uns in die Augen.

Es herrschte zwischen uns ein merkwürdiges Verhältnis. Wir waren gewiss keine Feinde, aber irgendwie standen wir immer wieder in Konkurrenz. Es traf sich oft, dass wir an einem Spieltisch, bei einem Mädchen, bei irgendeiner Wette oder sonst wie gegeneinanderstanden.

Zuletzt hatte er mir in Nogales ein Mädel ausgespannt. Aber zuvor war es mir geglückt, einen Wildhengst zuzureiten, der den prächtigen Flynn Alvarez dreimal von seinem Rücken warf wie eine lästige Packlast.

Wir waren mal wieder quitt.

Als wir die Gläser hinstellten, fragte er: »Wollen wir uns erst mal richtig betrinken und dann erst mit dem Manne reden, der uns kommen ließ – oder umgekehrt?«

»Erst das Geschäft – also der Mann«, sagte ich.

Alvarez deutete mit dem Daumen über die Schulter hinweg in die dunkelste Ecke des Saloons. »Dort sitzt er«, sagte er dabei. »Der ist so ungeduldig wie ein kleiner Chico, dem es gleich in die Hosen gehen wird. Aber ich wollte ohne dich nicht mit ihm verhandeln.«

Ich nickte.

Und dann gingen wir hinüber.

»Das ist Dwight Cannon«, sagte Flynn Alvarez. »Cannon, dies ist Gus Kelly, zu dem Sie einen Boten sandten wie zu mir. Wir sind also beide da, und Sie haben nur zwei Wochen warten müssen. Da hatten Sie aber Glück, Mister. Denn…«

»Kommen wir zur Sache, wenn wir schon so viel Zeit verloren haben«, unterbrach ihn Dwight Cannon, der auf mich wie ein müder und kranker Löwe wirkte und der gewiss zwanzig Jahre älter war als Alvarez und ich.

Alvarez grinste nur. Ich aber nickte.

»Sicher«, sagte ich. »Wir sind für fünfhundert Dollar hergekommen, um uns einen Vorschlag anzuhören. Jetzt hören wir.«

Dwight Cannon betrachtete uns noch einmal scharf. In seinem zerfurchten Löwengesicht zuckte es leicht. In seinen Augen aber war auch eine Menge Misstrauen.

Er bezwang es und sagte knapp: »Ein Bandit hat mir meine Frau geraubt. Holt sie mir zurück. Ich kann es nicht. Auch ein starkes Aufgebot möchte ich nicht über die Grenze schicken. Zwei Burschen von eurer Sorte könnten das alles viel müheloser und unauffälliger schaffen. Tausend Dollar für jeden, wenn ihr mir meine Frau wiederbringt.«

Nun wussten wir es also.

Und wir staunten.

Flynn Alvarez wollte sich erheben. Er stemmte sich schon mit den Händen auf die Tischplatte.

Nur noch so nebenbei fragte er: »Welcher Bandit dort drüben ist das?«

»Diego Comez«, sagte Dwight Cannon, und er sprach den Namen aus wie einen Fluch.

Da setzte sich Flynn Alvarez wieder. Er und ich, wir tauschten einen Blick.

Ich schüttelte den Kopf. »Nie gehört«, sagte ich. »Und wir kennen doch so ziemlich alle großen Banditen dort drüben, nicht wahr, Alvarez?«

Der nickte. »Ich kenne nur einen Diego Gomez, und das ist Don Diego Gomez. Der hat in Santa Maria die Hazienda seines Onkels Don Fernando de Picacho übernommen, der von Banditen umgebracht wurde. Diego Gomez war zwar früher selbst auch nichts anderes als ein Bandit und Grenz-Pirat. Doch jetzt sorgt er gut für seine Leute und das große Dorf Santa Maria. Es ist schon fast eine Stadt. Der hat es nicht nötig, sich Frauen zu stehlen. Der kann wählen unter dem schönsten Hundert seines Bereiches.«

Er verstummte ungläubig.

Aber Dwight Cannon schüttelte eigensinnig den Kopf. »Wenn Sie meine Frau sehen«, sagte er, »dann würden Sie schon verstehen, warum ein Mann wie dieser Bandit Diego Gomez alle anderen, die er leicht haben kann, vergisst wie Suppenhühner beim Anblick eines Paradiesvogels.«

Flynn Alvarez und ich, wir schauten uns überrascht an. Solch einen farbigen Vergleich bei aller Nüchternheit hätten wir von diesem Mann gar nicht erwartet.

Aber immerhin wussten wir jetzt: Dwight Cannons Frau war schön und jung.

»Zweitausend Dollar für jeden«, sagte er. »Ich bin nicht kleinlich. Zweitausend Dollar für jeden von euch, wenn ihr mir sie wiederbringt. – Ja, es ist dieser Haziendero Don Diego Gomez von Santa Maria, also auf der anderen Seite des Grenzcreeks. Ihr braucht nur hinüberzureiten, einen günstigen Moment abzuwarten und dann mit ihr über die Grenze zurückzukommen.«

Er machte eine Pause und trank den Rest aus seinem Glase.

»Ich habe mir sagen lassen, dass ihr die besten Männer wäret für solch eine Sache. Euch würde auch keiner misstrauen, weil ihr zu beiden Seiten der Grenze daheim wäret. Also?«

Ich sah Flynn Alvarez an.

Dieser zeigte wieder seine weißen Zahnreihen. Sie blitzten, blinkten, und seine Augen funkelten. Sie bildeten zu seinem sonst ziemlich dunklen und fast mexikanischen Aussehen einen starken Kontrast. Denn es waren blaue, irische Augen.

»Ich bin neugierig auf diese Frau«, sagte er. »Wie sind Sie denn an solch eine Kostbarkeit gekommen, Dwight Cannon? Sie sind doch nicht mehr das, was man einen besonders vollfrischen Mann nennen kann. Oder?«

Dwight Cannons zerfurchtes Löwengesicht wurde hart. In seine Augen trat ein Ausdruck von Kälte.

»Ich habe schon meine Qualitäten«, sagte er. »Ich wurde vor zwei Wochen bei dem Überfall verwundet. Ich kann noch nicht wieder reiten. Überdies kennt man mich da drüben sicherlich. Nein, ich muss zwei gutbezahlte und unverdächtige Fremde schicken. Wollt ihr oder wollt ihr nicht?«

Wir wussten, dass wir uns nicht länger mit Herumtändeln und Albereien befassen konnten. Dieser Mann war angefüllt mit Wut, Hass, Ungeduld – und mit dem Gefühl einer Ohnmacht und Schwäche. Er konnte selbst nichts unternehmen, aus welchen Gründen auch immer. Er musste sich Männer kaufen, mieten.

Aber er ließ sich gewiss nicht länger mit Geschwätz die Zeit stehlen.

»Wie spielte sich die Sache ab?« Dies wollte ich wissen.

Er erwiderte sofort, ohne lange zu zögern: »Ich war geschäftlich drüben. Meine Frau hatte ich wenige Wochen zuvor dort drüben in Sonora kennen gelernt. Ich kehrte erfolgreich von Geschäften zurück. Aber kurz vor der Grenze kam der Überfall. Unsere Leute wurden in einem engen Canyon niedergemacht. Auch ich fiel getroffen aus dem umstürzenden Wagen. Ich stellte mich tot. Und ich erkannte ihn wieder, diesen Frauenräuber. Eine gute Woche vorher war er uns auf einer Festlichkeit vorgestellt worden. Meine Frau hatte sogar mit ihm getanzt. Er nahm sie zu sich auf das Pferd, indem man mich unter meinen Leuten liegen ließ. Ich hörte, dass er zu ihr sagte, wie gut sie es bei ihm auf der Hazienda haben würde. Er würde sie zur Herrin dort machen. Also, holt sie mir zurück! Dreitausend Dollar zahle ich jedem von euch!«

Wieder tauschten Alvarez und ich einen Blick.

Alvarez sagte plötzlich: »Diego Gomez hat noch nie etwas getaugt. Der war schon immer das schwarze Schaf seiner Familie – aber weil die Sippe seines Onkels ausgestorben war, konnte er ihn beerben. Damals, als Gomez noch hier auf dieser Seite ein Bandit war und gejagt wurde, lieh ich ihm und seinen Begleitern mal fünf gute Pferde. Er versprach mir spätere Bezahlung, weil er es so eilig hatte. Doch sein Versprechen hielt er nie. Seit ich weiß, dass er seinen Onkel beerbte, wollte ich schon immer mal hinüber zu ihm und ihn an die Bezahlung erinnern. Doch er kennt die alten Compadres nicht mehr. Mit dir, Gus Kelly, würde ich es wagen. Aber dieser nette Onkel hier muss mehr bezahlen. Fünftausend Dollar für jeden.«

»Viertausend«, sagte Dwight Cannon. »Und das ist mein letztes Wort. Denn für achttausend Dollar könnte ich mir drüben einen Banditen-General mit dessen ganzer Armee anwerben. Tausend Mann könnte ich dafür für mich reiten lassen gegen die Hazienda Santa Maria.«

»Richtig«, sagte ich. »Wir wollen nicht länger mehr handeln. Ich bin ebenfalls neugierig auf Ihre Frau. Wir werden es versuchen für je viertausend Dollar. Und die Hälfte müssen Sie vorauszahlen.«

»Den Teufel«, sagte er, »werde ich tun. Erst die Ware und dann das Geld.«

Wir schüttelten vorwurfsvoll unsere Köpfe. Alvarez sagte: »Mann, Cannon, wenn Sie nach uns geschickt haben, dann doch erst nach genauen Erkundigungen über uns. Und da müssen sie doch wissen, dass wir so etwas wie die letzten Gentlemen auf dieser Erde sind. Wenn wir eine Sache übernehmen, dann kann man sich auf uns verlassen. Wir haben hier in diesem Lande einen gewissen Ruf. Oha, wenn es sich erst herumsprechen sollte, dass man uns nicht trauen kann… Ohooooo.«

Er verdrehte bedauernd seine Augen.

Doch Dwight Cannon knurrte nur mürrisch.

Da erhoben wir uns und gingen zur Bar zurück, um noch einen Tequila zu trinken. Wir lachten viel, tauschten Erinnerungen aus, bekamen zwischendurch von Paco weitere Tequilas und auch ein paar Happen zu essen, damit wir das Zeug besser vertragen konnten.

Als noch weitere Gäste kamen, weil der Tag jetzt dem Ende entgegenging, traten wir in die Ecke an den Billardtisch und begannen eine Partie.

Dwight Cannon schienen wir vergessen zu haben.

Wir spielten fast zwei Stunden.

Aber dann hatten wir tausend Dollar endlich verdient. Er kam zu uns und sagte: »Also gut, viertausend für jeden – und tausend Dollar Vorschuss für jeden.« Er warf uns die Scheine auf den Tisch.

Es war neues Geld. Wir hatten solche Scheine noch nie gesehen. Denn der Krieg war erst wenige Monate aus. Wir schrieben das Jahr 1866. Das Südstaatengeld war nichts mehr wert gewesen. Doch dies hier waren echte Union-Dollar-Scheine.

Wir nahmen sie, nickten Dwight Cannon zu und bezahlten unsere Zeche. Ich wusste nun, dass auch Flynn Alvarez keinen einzigen Cent oder Silberpeso in der Tasche gehabt hatte.

Wir nickten Dwight Cannon nochmals zu und gingen hinaus. Draußen war es Nacht geworden. Wir ritten aus Nogales und hielten dann an.

»So schnell habe ich noch nie tausend Dollar verdient«, sagte Flynn Alvarez. »Wollen wir uns hier trennen oder tatsächlich reelle Geschäftsleute sein?«

Ich zögerte mit meiner Antwort. Er spürte das genau. Sein Instinkt sagte ihm, dass ich tatsächlich zögerte.

Da sprach er schnell: »Diese Frau interessiert mich wirklich sehr. Sie muss mächtig schön sein, denn Diego Gomez war verwöhnt, was Mädels und Frauen betraf. Aber ich konnte ihn noch nie richtig leiden. Es wäre ein feiner Spaß, wenn wir sie ihm wegholten. Er ist mir fünf Pferde schuldig. Bei den Indianern kannst du dir für fünf Pferde jedes Mädel kaufen als Frau.«

»Also reiten wir zu Diego Gomez«, sagte ich.

Da El Paso ohnehin schon an der Grenze lag, mussten wir nun ein Stück nach Westen. Wir ritten die ganze Nacht, denn wir wollten möglichst nicht gesehen werden. Überdies waren die Tage heiß. Es war schon angenehmer, in den Nächten zu reiten. Man musste sich nur in diesem Lande gut auskennen und auch erfahren genug sein, nicht ein paar Apachen in die Messer zu rennen.

Da ritt ich also mal wieder mit Flynn Alvarez. Ich war schon dann und wann mit ihm geritten. Wir hatten uns dann stets gut ergänzt, doch richtige Freunde wurden wir nie. Flynn Alvarez war einer von diesen Burschen, die zu einer echten Freundschaft nicht fähig waren. Er war mehr ein Einzelgänger, der stets auf seinen Vorteil bedacht war – und ging es auch nur darum, wer zuerst aus einer Wasserflasche trinken durfte oder wer sein Glück bei dem einzigen Mädchen weit und breit versuchen konnte. Er konnte mal nett und geradezu sonnig, dann aber auch wieder eklig und gemein sein.

Uns hatten bisher stets nur gemeinsame Interessen vereint, so etwas wie jetzt, da es darum ging, dass jeder von uns sich noch weitere dreitausend Dollar verdienen konnte.

Das war sehr viel Geld so kurz nach dem Kriege.

Für eine solche Menge Geld konnte man sich eine Ranch kaufen. Mit viertausend Dollar war man ein reicher Mann. Zurzeit musste ein Cowboy – wenn er überhaupt Glück hatte, Arbeit zu haben – für viertausend Dollar etwa zwanzig Jahre arbeiten.

Nur wenn man dies berücksichtigte, konnte man wohl verstehen, warum wir uns auf diese Sache einlassen wollten – ja, eigentlich schon eingelassen hatten.

Wir ritten fünfunddreißig Meilen nach Westen und stießen bei der Furt des Concho Creeks wieder auf die Grenze. Wir wussten, dass dort drüben das Dorf und die Hazienda Santa Maria waren, benannt nach einer alten Mission, von der noch vor zwei Jahren die Glocke läutete – bis sie aus dem morschen Turm fiel, den einst die Spanier bauten.

Es gab damals fast ein halbes Dutzend Concho Creeks. Diesmal ist also jener gemeint, der westlich von El Paso floss.

An der Furt hockte Miguel Mesilla unter schattigen Bäumen und achtete auf den Schwimmer an seiner Angel. Er winkte uns leicht und sagte dann müde: »Kommt nur herüber, Hombres! Die Fische beißen doch nicht mehr. Es ist zu spät an diesem Morgen. Wenn erst die Sonne richtig hoch ist, beißt kein Fisch mehr an.«

Er hatte es kaum ausgesprochen, als der Schwimmer seiner Angel absauste und er Mühe hatte, die Angelrute zu greifen, bevor sie ihm von den Zweigen eines Busches gerissen wurde, auf die er sie gelegt hatte.

Wir schauten sachverständig zu, wie er eine mächtige »Cutthroat Trout« mit einiger Mühe herausholte, ohne dass ihm die Rute brach oder die Schnur riss. Er verstand seine Sache, dieser Miguel Mesilla.

»Jetzt reicht es auch für euch, Amigos«, sagte er. »Ich habe schon zwei von der Sorte. Kommt nur.«

Wir ritten hinüber, und wir wussten, dass Miguel Mesilla ein Grenzwächter der großen Hazienda und des zu ihr gehörenden Dorfes war. Es hätte auch gar keinen Sinn gehabt, sich irgendwo über den Creek zu schleichen. Irgendwie hätte man uns entdecken können und wir hätten uns verdächtig gemacht.

So aber wirkten wir wie zwei harmlose Satteltramps dieses Landes, die wir ja auch eigentlich waren. Denn jeder von uns war ständig unterwegs und tauchte mal da und mal dort auf.

Wir sattelten unsere Pferde ab, ließen sie trinken und versorgten sie anständig, wie es sich gehörte, war man kein Narr. Von einem guten und gesunden Pferd hing in diesem Lande oft genug das Leben ab. Also musste man sich bestens um die Tiere kümmern.

Als wir zum Feuer kamen, hatte Miguel die drei Riesenforellen schon fertig. Wir aßen schweigend.

Dann aber fragte er plötzlich: »Wohin wollt ihr denn, Hombres? Ich staune, dass ich euch mal wieder zusammen sehe. Vor zwei Jahren wart ihr auch mal zusammen über die Grenze gekommen. Und dann ging weiter westlich eine große Pferdeherde verloren, die der Banditenführer El Capitan mit seiner Bande an die Konföderierten verkaufen wollte. Ihr habt sie ihm abgenommen und selbst verkauft.«

»Warum nicht?« So fragte ich. »Hatte er sie nicht selbst gestohlen, diese schönen Pferdchen? Aber jetzt wollen wir keine Pferde stehlen für den Krieg. Nein, wir hörten, dass auf der Hazienda Santa Maria ein Hengst wäre, den niemand reiten könnte. Und da wollten wir es mal versuchen. Diego Gomez, der ein alter Freund von uns ist, wird sich freuen über unseren Besuch, denke ich. Und er soll ja eine schöne Frau bei sich haben. Hat er sie richtig geheiratet oder…?«

Ich verstummte gedehnt.

Miguel Mesilla, der früher selbst ein Bandit und Pferdestehler gewesen war, bevor er für Diego Gomez’ Onkel zu reiten begann, grinste breit. Er spuckte eine Gräte seiner Forelle ins Feuer und sagte dann: »Si, richtig geheiratet hat er sie. Denn sie war ja Witwe. Ihr Mann hatte Geschäfte mit den Juaristas gemacht. Er hatte ihnen viele Wagenzüge voll Waffen verkauft, damit sie Maximilian und die Franzosen schlagen konnten. Aber dann überfielen Banditen ihn, als er sich auf der Heimreise befand. Er war schnell tot, und sie war so allein. Was konnte sie Besseres tun, als sich Diego Gomez ganz und gar zu ergeben, damit er sie auf Händen tragen kann? Sie ist die schönste Frau, die ich jemals sah. Ihr werdet sie ja auch sehen auf der Hazienda. Und woher eigentlich wisst ihr von diesem schwarzen Teufel von Hengst, den keiner von uns reiten kann? Woher habt ihr das erfahren? Wir hielten doch diese grausame Schmach so streng geheim?«

Ich grinste und atmete innerlich befreit auf.

Das mit dem Hengst, dies hatte ich nur auf gut Glück und zum Bluff gesagt. Es gab ja auf jeder großen Ranch oder Hazienda zumeist solch ein Pferdebiest, an dem alle Zureiter zerbrachen oder mit dem sie sich zumindest schwertaten. Dass es diesmal einen besonderen Teufel gab, war reines Glück.

Aber Glück muss der Mensch haben. Sonst konnte er sich gleich den Strick nehmen – so dachte ich jedenfalls damals.

»Ach, ich habe es einfach nur so gehört«, sagte ich.

Wir schwiegen nun, legten uns in das wärmer werdende Gras und holten die verlorenen Schlafstunden der vergangenen Nacht nach. Es kamen dann und wann Reiter und auch Wagen und benutzten die Furt in beide Richtungen. Miguel Mesilla nickte einigen nur zu, fragte jedoch andere aus. Er war wirklich hier so eine Art Grenzwächter, der hier sozusagen den Daumen am Puls hielt und jeden Verkehr in beide Richtungen genau registrierte.

Er ließ uns am Nachmittag grinsend reiten und sagte uns nur voraus, dass auch wir den Hengst nicht würden zähmen können, weil wir auch keine besseren Zureiter wären als die besten der Hazienda Santa Maria.

Nun, wir hatten auch gar nicht die Absicht, uns von einem Pferdebiest die Knochen brechen zu lassen.

Was wir vorhatten, dies war noch viel gefährlicher. Jawohl, wir wollten einem Tiger das Weibchen stehlen.

Etwa eine Stunde später – unsere Pferde hatten sich ja wieder ausruhen können am schattigen Creek, bei grünem Futter und köstlichem Wasser –, da erreichten wir die Weggabelung.

Zur großen Hazienda ging es etwas nach links – und zum Dorf Santa Maria etwas nach rechts.

Flynn Alvarez sagte: »Eigentlich möchte ich mit dir noch erst einen Drink nehmen, Hombre. Den letzten Drink! Denn nachher werden wir keine Zeit mehr haben für einen letzten Drink, denke ich. Wenn wir die Schöne bei Dwight Cannon abgeliefert haben, sollten wir – husch, husch, husch – irgendwohin verschwinden, wo uns niemand mehr findet. Dieser Diego Gomez gehört nämlich zumindest in einer Beziehung zu unserer Sorte. Der lässt sich nicht mal ungestraft einen Hosenknopf abreißen. Der lässt es sich was kosten, unsere Skalps zu bekommen. Eigentlich sind viertausend Dollar nicht sehr viel Geld. Aber wahrscheinlich hätte ich es schon für vierhundert gemacht. Also, wie ist es mit einem letzten Drink, mein Bester?«

Ich nickte, denn ich war seiner Ansicht.

Überdies wollte ich auch erst am späten Nachmittag auf der Hazienda ankommen. Ich wollte nach dem Abendessen dort gleich zur Sache kommen.

Und so ritten wir erst zum Dorf hinüber für einen letzten Drink.

Wir waren in den vergangenen Jahren dann und wann mal in Santa Maria gewesen, doch noch niemals zusammen zur gleichen Zeit. Wir wussten jedoch, dass Rosita, deren Vater die Bodega betrieb, uns abwechselnd ihre Gunst geschenkt hatte.

Diesmal war sie verwirrt.

Denn nun waren wir beide da.

Flynn Alvarez legte ihr – als sie uns den Wein brachte und zwischen unseren Stühlen an den Tisch trat – die Hand um die Hüften und fragte: »Nun, Rosita, sollen wir um dich würfeln? Sollen wir uns um dich prügeln – oder willst du ganz allein entscheiden, wer dir der Liebere ist? Hey, ich möchte es selbst gerne herausfinden!«

Er verstummte lachend.

Aber ich lachte nicht. Ich sah Rositas zorniges Funkeln.

Wieder einmal mehr begriff ich den Unterschied zwischen mir und Flynn Alvarez. Er musste manchmal höhnen, verletzen, spotten und die Dinge allzu deutlich aussprechen. Es machte ihm nichts aus, sich Feinde zu verschaffen auf diese Art.

Ich war stets stiller und ruhiger.

Rosita sah uns abwechselnd an.

»Du Narr«, sagte sie dann zu ihm. »Warum sprichst du darüber? Es ist ohnehin schlimm genug, dass ihr beide zu gleicher Zeit kommt. Ich wette, es ist dir eingefallen, Alvarez. Ich würde Gus Kelly dir vorziehen. Denn er ist mehr ein Caballero als du – viel mehr. Das erkenne ich jetzt erst! Doch ich werde in vier Wochen heiraten. In vier Wochen heirate ich Fernando Alberto Rodrigez, den Ersten nach Don Diego Gomez auf der Hazienda und im ganzen Lande. Den Ersten nach unserem Patron heirate ich. Und ich werde nach der Donna die Zweite Frau im Lande sein, die Zweite, so wie mein Fernando der Zweite Mann im Lande ist. Ihr solltet vergessen, dass ich euch einmal Liebe gab. Ihr solltet es vergessen, wenn euch das Leben lieb ist. Und diesen Wein bekommt ihr von mir umsonst. Wenn ihr getrunken habt, dann reitet wieder!«

Sie drehte sich, dass ihre Röcke um die Schenkel schlugen. Oh, sie war eine Augenweide für jeden Mann. Und sie konnte einem eine sonst so lange Nacht so kurz machen wie eine Stunde nur.

Ich sah Flynn Alvarez an. Dieser hob den Becher mit dem roten spanischen Wein.

»Na schön«, sagte er. »Trinken wir auf Rositas Glück, obwohl sie uns zum Teufel wünscht. Hast du gehört? Sie hätte dich heute vorgezogen, hätte sie nicht einen Mann gefunden, der sie heiratet. Was eigentlich ist an dir besser als an mir?«

Ich sah ihn an.

»Vielleicht redest du etwas zu viel«, sagte ich. »Wir werden uns vor diesem Fernando Alberto Rodrigez vorsehen müssen. Wenn der nämlich weiß, dass seine Braut mal etwas mit uns beiden hatte, dann…«

Ich sprach nicht weiter, sondern schnackte nur mit den Fingern.

Flynn Alvarez nickte.

Dann tranken wir unsere Weinbecher leer.

Als wir sie absetzten, schenkte Alvarez schon wieder aus dem Kruge ein.

Dabei sagte er: »Ich rede immer offen – immer klar und offen, Hombre. Und ich weiß, dass ich mir manchmal damit Feinde mache. Doch ich hatte noch niemals Freunde. Noch nie! Nimm doch mal unser Verhältnis zum Beispiel, Mister Kelly. Ich mag dich eigentlich gar nicht. Du bist schon seit drei Jahren ständig eine Herausforderung für mich. Würde ich dich nicht so respektieren, so wäre ich dein Feind. Und dann hätte ich es auch schon mal gegen dich versucht. Manchmal glaube ich, dass wir füreinander bestimmt sind und dieses Land allmählich für uns beide zu klein würde. Also, trinken wir darauf, dass wir uns nie mehr wieder sehen nach Erledigung dieses Auftrages. Ich werde es dir nie verzeihen können, dass Rosita dich mir vorgezogen hätte. Das wird noch lange in mir brennen. Verstehst du mich?«

Ich nickte.

»Wenigstens ehrlich bist du«, sagte ich. »Ja, trinken wir darauf, dass wir uns nie wieder sehen werden. Dies soll unser letzter Drink sein.«

Wir tranken aus, erhoben uns, gingen hinaus und saßen draußen auf.

Und dann ritten wir zur Hazienda hinüber.

Es waren nur zwei oder drei Meilen.

Als wir am Ziel waren, verschwand die Sonne schon weit im Westen hinter dem Land der roten Mesas. Am Himmel war dort alles rot. Doch im Osten kamen schon die blauen Schatten heran. Sie krochen aus den Canyons und Senken.

Es war ein schönes Land, obwohl es unübersichtlich war und tausend verborgene Winkel bildete. Doch für diesen Breitengrad war es ein grünes Land. Es gab überall Wasserstellen.

Als wir vor das große Haus ritten, kehrten überall die Leute von den Feldern und die Reiter von den Herden zurück.

Diego Gomez stand noch bei den Corrals, als wir heranritten, doch er kam mit geschmeidigen Schritten herüber und erreichte mit uns den Durchgang zum Innenhof des Haupthauses.

Ein grinsender Junge nahm uns die Pferde ab. Wir aber wandten uns Diego Gomez zu.

Der hatte sich verändert. Früher, als er noch ein Bandit und Rinder- und Pferdedieb, Schmuggler und Satteltramp war, da wusch er sich nicht oft und hatte stets einen Bart, weil er zu faul war, sich zu rasieren.

Er konnte auch seine Sachen so lange tragen, bis er wie sein Pferd roch nach beider Schweiß und einem Dutzend anderer Düfte.

Jetzt sah er gepflegt und prächtig aus. Ein prächtig proportionierter Mann war er ohnehin stets gewesen. Und auf eine wilde und piratenhaft verwegene Art war er sogar hübsch. Er war so groß und so schwer wie Alvarez und ich. Er war auch gefährlich und hatte auf jeden Fall eine bessere Schulbildung als wir. Seine reiche Familie hatte ihm alles an Erziehung gegeben, was für einen Familienangehörigen üblich war.

Doch dann fiel er bei seinem Onkel in Ungnade. Aber jetzt war er der Patron, der Herr, und er sah wie einer dieser spanischen Dons aus, die sich bis jetzt reinblütig hielten hier in der neuen Welt.

Er lächelte uns an.

»Auf euren Besuch hatte ich eigentlich immer gewartet«, sagte er. »Denn wenn jemand aufsteigt, dann kommen doch sehr bald die alten Freunde aus einer miesen Zeit, um zu schnorren. Ihr seht nicht sehr erfolgreich aus – oder?«

Es waren keine sehr freundlichen Worte für alte Saufkumpane und Sattelgefährten. Ich erinnerte mich, dass er einmal an mein Feuer gekommen war mit einem solchen Hunger, dass ich nicht nur mein Abendbrot mit ihm teilte, sondern es ihm gänzlich überließ, weil ihn die Hälfte nicht mal halbwegs gesättigt hätte.

Ich grinste ihn an und sagte: »Wir haben von dem Hengst gehört, den niemand von euch reiten kann. Und wir sind gekommen, um unseren Einsatz zu machen, um zu wetten, dass einer von uns es schaffen wird. Na, hast du Mut, alter Compadre?«

Zuerst wollte er zornig werden.

Aber dann juckte ihn die Herausforderung zu sehr.

Ich dankte in Gedanken dem Zufall, dass sie hier einen Hengst hatten, den niemand reiten konnte und dass wir von Miguel Mesilla davon erfuhren. Es war einer dieser glücklichen Zufälle im Leben, ohne die man oft etwas nicht schaffen kann.

Er sagte: »Was habt ihr denn einzusetzen?«

»Fünfhundert Dollar – jeder! Wenn du dagegen setzen solltest, Diego.« Dies sagte ich ganz ruhig und wie selbstverständlich, so als wäre es normal, dass wir jeder mit fünfhundert Dollar in der Tasche herumreiten würden.

Nun, eine solche Menge Geld konnte sich auch ein an Land und Tieren reicher Haziendero nicht entgehen lassen. Denn das Geld war auch hier knapp, weil es für all den Rinder- und Pferdesegen gar nicht genügend Absatzmärkte gab.

Er nickte.

Und er wurde freundlicher und sah in uns plötzlich wieder die alten Compañeros der Vergangenheit. Er erinnerte sich sogar wieder daran, dass er mir mal in meinem Camp wie ein verhungerter Wolf die Bohnen und den Speck weggeputzt hatte.

»Kommt herein«, sagte er. »Seid meine Gäste bis zum Reiten. Und hoffentlich müssen wir dann hier nicht wochenlang eure gebrochenen Knochen pflegen. Kommt herein. Ihr bekommt Zimmer mit Aussicht auf die Corrals. Dann könnt ihr morgen schon bei Tag den verdammten Diablo sehen. Wenn ihr ihn nicht reiten könnt, werden wir ihn erschießen müssen. Kommt herein! Jemand wird euch frische Hemden bringen. Denn ihr werdet anschließend mit der schönsten Frau des ganzen Landes auf tausend Meilen in der Runde oder gar der ganzen Welt zu Abend essen.«

Flynn Alvarez, der bisher sehr wortkarg war, mischte sich nun ein: »Wir haben schon davon gehört, dass du Hochzeit machtest. Oho, du bist überhaupt ein ganz großer Glücksjunge. Zuerst beerbst du deinen reichen Onkel und dann bekommst du auch noch eine schöne Frau, die alle anderen in den Schatten stellen soll. Nur gut, dass du die alten Freunde nicht vergisst, wo du doch nun ein ganz Großer geworden bist. Weißt du, eigentlich bin ich auch hergekommen, um die Pferde zu kassieren, die ich dir und deinen Hombres damals spendete, damit ihr eure Hälse retten konntet, als die Texas-Rangers euch über den Pecos jagten. Nicht wahr, du bist mir noch fünf gute Pferdchen schuldig – und Zinsen? Oder?«

Diego Gomez’ Augen begannen böse zu funkeln.

Er war ein Mann, der nicht gerne an Schulden erinnert werden wollte. Überhaupt war die Erinnerung an die alte Zeit nicht sehr erwünscht von ihm.

Sein Lächeln war kälter und härter als am Anfang. Aber irgendwie wusste er ganz genau, dass er nicht ganz so hart war wie wir.

Und deshalb wollte er wohl gerne erleben, wie wir an seinem Hengst scheiterten, uns die Knochen brachen – und wie wir ihm die schöne Frau neideten.

Ja, das wollte er erleben.

Deshalb durften wir bleiben und lud er uns ein. Nicht aus alter Freundschaft.

»Si, du bekommst noch fünf Pferde von mir, Alvarez«, sagte er widerwillig.

Und dann endlich gingen wir hinein in den Innenhof der Hazienda, der ein blühender Garten war, in dem eine Quelle sprudelte. Man hatte das Haupthaus rings um diese Quelle errichtet.

Als wir zum Abendessen in die große Wohnhalle kamen, da sahen wir sie zum ersten Male, beleuchtet vom Scheine der Kerzen.

Wir hielten unseren Atem an und staunten. Und vom ersten Moment an spürten wir die Ausstrahlung dieser Frau. Diese Ausstrahlung traf uns noch stärker als die Erkenntnis und das Begreifen ihrer Schönheit.

Verdammt noch mal, das war ein Weib! Oha, sie wirkte nicht wie ein schönes Bild, wie ein Kunstwerk nur zum Ansehen. Nein, sie war voller Leben. Sie war nicht göttlich, nicht unnahbar, o nein, sie war lockende Schönheit, gemischt mit erfahrener Selbstsicherheit. Gewiss war sie noch nicht älter als fünfundzwanzig, und dennoch strömte sie alles aus, was von einer Frau ausgeht, die ihre Lektionen längst erhielt vom Leben, die sich auskennt in dieser Welt und mit den Menschen. Dieser Frau war nichts mehr fremd auf dieser Erde. Und vielleicht hatte sie nicht zuletzt deshalb diese Selbstsicherheit.

Sie lächelte, und ihr Mund war herb und vital zugleich, voll lebendiger Ausdruckskraft. Ihr Haar war rot. Sie trug es offen über den Schultern. Das Kleid war von der gleichen grünen Farbe wie ihre Augen.

Und als sie uns begrüßte, nachdem Diego Gomez uns als alte Freunde und Sattelgefährten vorgestellt hatte, da passte ihre Stimme genau zu ihrem Aussehen. Es war eine dunkle Stimme mit einem Timbre, der mir unter die Haut ging.

Heiliger Rauch, was für ein Weib! Dies war in mir wie ein Schrei.

Ich weiß nicht mehr, was ich sagte, aber es war gewiss nicht besonders gescheit. Auch Flynn Alvarez war nicht so wie sonst. Auch er war zuerst etwas gehemmt und fast verlegen. Und dabei hatte er bei jeder Frau sonst von Anfang an einen losen Mund und strotzte nur so vor Selbstbewusstsein.

Aber diesmal hatte es ihm auch für eine Weile die Sprache verschlagen.

Wir setzten uns an eine festlich gedeckte Tafel, aber es war uns klar, dass Don Diego Gomez jetzt immer so auf diese Art speiste. Sein Onkel hatte ihm das nötige »Drum und Dran« vererbt. Da war erlesenes Geschirr, waren kostbare Silberbestecke und gab es Tischleinen, wie Alvarez und ich sie bisher niemals sahen. Allein schon die Servietten getrauten wir uns kaum anzufassen, geschweige denn zu beschmutzen. Ich entdeckte, dass unter meinen Fingernägeln ein paar dunkle Stellen waren und versteckte meine Finger deshalb so gut es ging.

Und dieser Diego Gomez saß die ganze Zeit am anderen Ende der Tafel und tat so, als wäre dies alles selbstverständlich für ihn.

Und dabei hatte er vor nicht sehr langer Zeit an meinem Feuer noch einen Topf voll Bohnen verschlungen wie ein Wolf frische Büffelleber.

Unser Gespräch war ganz allgemein. Wir unterhielten uns in englischer Sprache, denn der spanischen war Diegos Frau nicht sehr gut mächtig.

Er nannte sie Angela, und eigentlich hieß sie ja noch Angela Cannon, denn ihr erster Mann war nicht tot, wie sie wahrscheinlich glaubte. Ihre zweite Ehe mit Diego Gomez war ungültig.

Flynn Alvarez hatte bald schon seine Selbstsicherheit und Frechheit wieder gefunden. Er begann zu scherzen und sogar ziemlich gewagte Komplimente zu machen, über die Diego Gomez sich immer stärker zu ärgern begann.

Zwischendurch aßen wir immer wieder einen neuen Gang. Bedient wurden wir von vier mexikanischen Burschen, die ihre Sache so gut verstanden, dass man sie darin gewiss schon von Kindheit an ausgebildet hatte.

Aber das alles gehörte wohl zu dem spanisch-mexikanischen Lebensstil von Diego Gomez’ Onkel. Und der liebe Diego hatte dies alles übernommen.

Ich aß an diesem Abend Dinge, die mir wohl schmeckten, von denen ich jedoch nicht wusste, was es eigentlich war.

Ich fragte mich, wann wir wohl zur Sache kommen würden. Die vier jungen Burschen irritierten uns etwas. Aber irgendwann mussten sie ja wohl fertig werden mit all den Gängen, die sie uns aus der Küche auftrugen.

Ich spürte, dass Diego Gomez immer wütender wurde, weil Alvarez immer deutlicher mit der grünäugigen Angela zu flirten begann.

Und dem Fass den Boden schlug Flynn Alvarez dann mit der direkten Frage aus: »Angela, Sie sind eine schöne Frau, die unter Kaisern und Königen wählen könnte – auch unter wirklichen Männern, die zwar wie Satteltramps wirken mögen, doch aber wirkliche Männer sind. Was gefällt Ihnen eigentlich an diesem Diego so sehr, dass Sie seine Frau wurden? Was ist an ihm mit den Augen einer schönen Frau zu sehen?«

Ich sah zu Diego Gomez hin und erkannte, wie mühsam er sich jetzt noch beherrschen konnte. Ich hörte ihn kehlig sagen: »Nehmen wir noch einen letzten Drink. Dann gehen wir zur Ruhe. Der Hengst wird euch wahrscheinlich morgen die Knochen brechen.«

Aber Flynn Alvarez achtete gar nicht auf diese Worte.

Flynn Alvarez sah die schöne Angela an, die mit zwei Männern verheiratet war. Auch sie starrte nun in seine Augen – und es ging etwas zwischen ihnen vor, was nicht nur ich, sondern gewiss auch Diego Gomez erkennen konnte.

Zuerst machte er eine Bewegung, so als wollte er zornig aufspringen. Doch dann beugte er sich vor und sagte mit wilder und kaum unterdrückter Erregung: »Sag es ihm, Angela! Sag diesem Schaumschläger, was du an mir findest! Denn du musst wissen, Liebes, dass er in fast jedem Dorf eine Puta hat und fest daran glaubt, dass sich jede Frau in ihn verlieben muss. Er schließt von jenen Putas, die er für ein paar Pesos bekommen kann, auf alle anderen Frauen. Sag ihm den Unterschied zwischen mir und ihm!«

Sie betrachtete Diego Gomez eine Weile.

Dann sah sie auf Flynn Alvarez, und man konnte ihr ansehen, dass sie ihren Instinkt aussandte. Vielleicht prallte ihr Instinkt an ihm ab – aber vielleicht auch war es ihr möglich, in ihn einzudringen mit diesem ganz besonderen Ahnungsvermögen einer erfahrenen Frau, die sich mit Männern auskannte.

Schließlich sagte sie: »Er ist härter als du, Diego – sehr viel härter. Doch du hast eine bessere Bildung und Erziehung bekommen, obwohl auch du mitunter sehr primitiv sein kannst. Er will mich als Frau nicht anders haben als du, Diego. Und sonst kann ich keine großen Unterschiede feststellen.«

Sie wandte sich an Flynn Alvarez. »Ihr seid wahrscheinlich alle von einer Sorte, ihr drei.«

Nun betrachtete sie mich, und ich wurde mir bewusst, dass ich gegen diese beiden äußerlich so prächtig wirkenden Hombres ein hässlicher Indianer war, ein Bursche, der einem zu groß geratenen Comanchen ähnlicher sah als einem Weißen.

Sie betrachtete mich ruhig.

»Der Härteste sind Sie«, sagte sie.

Da sprang Diego Gomez auf.

»Ich bin ein Caballero von Geburt«, sagte er. »Ich bin ein Hidalgo, wie mein Onkel einer war. Warum erwähntest du nicht diesen Unterschied, Angela?«

»Hidalgo hin – Hidalgo her«, lächelte sie. »Im Grunde geht es doch nur darum, dass ihr Männer seid.«

»Nein, gegen mich sind das Wilde«, sagte Diego Gomez.

Er wandte sich zur Seite, als unsere Bedienung nun den Wein bringen wollte.

»Es ist gut«, sagte er zu ihnen. »Wir trinken nicht. Geht schlafen!«

Sie gehorchten blitzschnell, denn sie kannten wohl die Anzeichen von Zorn an ihrem Patron.

Und so waren wir allein.

»Geht nun«, sagte Diego Gomez zu uns. »Geht auf eure Zimmer! Ich will nicht länger mehr mit euch zusammensitzen. Morgen wird der Hengst euch die Knochen brechen. Vielleicht freue ich mich darüber. Denn mir passt es nicht, wie du mit meiner Frau herumtändelst, Alvarez, und was für Fragen du ihr stellst. Haut ab, ihr zwei Sattelstrolche!«

Er deutete dorthin, wo sich unsere Zimmer befanden.

Aber Flynn Alvarez brachte nun seinen Colt unter dem Tisch hervor und stellte ihn mit dem Kolbenboden auf das weiße Leinen, so dass der Unterarm mit auf der Tischplatte ruhen konnte.

Die Mündung zeigte genau auf Diego Gomez’ Magen.

»Setz dich wieder, Compadre«, sagte Alvarez, und seine Stimme klang fast freundlich. »Weißt du, deine schöne Frau konnte dir unmöglich sagen, dass du nur allein so großartig wirkst. Doch wenn zwei richtige Männer kommen, dann verlierst du zwischen ihnen an Eindruck wie ein Pinscher zwischen zwei Wölfen. Hast du kapiert, mein Junge?«

Diego Gomez sagte nichts mehr. Denn er begriff nun endlich, dass wir gewiss nicht hergekommen waren, um seinen wilden Hengst zu reiten. Er ahnte auch mit untrüglicher Sicherheit, dass unser Kommen etwas mit seiner schönen Frau zu tun haben musste. Nun begriff er auch Alvarez’ zunehmend frechere Worte besser.

Ich erhob mich und verließ den Raum, der zum Innenhof fast völlig offen war, so dass man den Blütenduft aus dem Garten und das stetige Plätschern des Springbrunnens hören konnte.

Ich sah mich um, ob jemand da war, der uns belauschen oder beobachten konnte. Aber ich konnte nichts entdecken. Dann ging ich in die andere Richtung, also ins Haus hinein.

Irgendwo weit entfernt war eine Küche. Dort klapperte Geschirr in einer Aufwaschwanne.

Es war niemand da.

Als ich zum Tisch zurückkam und Alvarez zunickte, sagte Diego Gomez endlich heiser: »Ich weiß noch nicht, was ihr hier vorhabt, doch ich weiß, dass ihr jetzt lieber aufhören solltet. Sonst wird es schlimm für euch. Ich ertrage keine weiteren Späße mehr. So dürft ihr mir auf meiner Hazienda und mitten unter meinen Leuten nicht kommen. Ich könnte vergessen, dass wir mal gemeinsam miteinander ritten. Ich könnte euch die Haut abziehen lassen. Also hört auf und haut ab. Haut ab über die Grenze!«

Flynn Alvarez nickte.

»Das werden wir auch tun. Doch mit ihr!«

Er sprach die letzten drei Worte scharf und endgültig. Und dabei deutete er unmissverständlich auf Angela Cannon.

Er ließ Diego Gomez gar nicht mehr den Mund aufmachen, sondern fügte pulvertrocken hinzu: »Sie ist nämlich gar nicht deine Frau. Wenn ich richtig informiert bin, muss eine verheiratete Frau erst geschieden werden oder Witwe…«

»Was ist mit Dwight Cannon?«, fragte Angela nun scharf dazwischen, und es war ein Zeichen dafür, wie schnell ihr Verstand arbeitete.

Flynn Alvarez grinste nur.

Aber ich sagte: »Er lebt. Dwight Cannon wurde inzwischen halbwegs gesund. Er beauftragte uns, Sie, Ma’am, zurückzubringen. Es ist ein Job für uns, Sie zu Ihrem richtigen Mann zu bringen.«

Meine Stimme klang ernst, ruhig – und vielleicht etwas unpersönlich.

Sie sah mich mit einer Spur von Überraschung an. Ich erkannte es in ihren Augen. Sie sah von mir auf Alvarez und von diesem auf Diego Gomez.

Und Gomez sagte: »Sag ihnen, dass du lieber bei mir bleiben willst! Sag ihnen, dass dein Mann für dich viel zu alt war. Sag ihnen, dass du dich hier als Herrin einer großen Hazienda sehr viel wohler fühlst als bei einem Waffenhändler, der immer wieder schmutzige Geschäfte machen wird. Sag ihnen, dass du mich lieber hast als Dwight Cannon. Dann können wir diese beiden Narren fortschicken.«

In seine Stimme kam immer mehr drängende Ungeduld.

Angela Cannon aber sah ins Leere. Sie starrte irgendwohin, so als könnte sie auf diese Art die Bilder der Zukunft erkennen.

Sie stand einige Atemzüge so.

Dann sagte sie: »Solange Dwight Cannon lebt, ist unsere Ehe ungültig, Diego. Wir müssen uns irgendwie arrangieren. Wir müssen hinreiten und nach Auswegen suchen. Hast du verstanden?«

»Nein«, sagte er stur und hitzig.

Doch da mischte sich Flynn Alvarez wieder ein. Er sagte knapp und trocken: »Zum Glück kommt es nicht auf dich an, Diego, mein Augenstern. Wir bekommen eine Menge Geld, wenn wir die schöne Angela zu ihrem Mann bringen. Und wenn wir sie abgeliefert haben, ist uns alles andere völlig gleich. Also, ich werde dir nun sagen, wie wir es machen. Ich gehe mit Angela auf ihr Zimmer, damit sie sich für einen Ritt umkleiden kann. Und wenn wir dann alle fertig sind, gehen wir zu den Corrals. Du sagst, dass wir noch einen Ausritt im Mondschein machen möchten, und lässt Pferde satteln. Dann reiten wir ganz ruhig weg. Sollte jemand kommen und dumme Fragen stellen, so musst du diese so beantworten, dass es keinen Ärger gibt. Denn bei dem geringsten Anzeichen von Ärger bekommst du die erste Kugel. Du bist ein alter Compadre von uns. Du weißt, was wir zwei Schlurche so auf dem Kasten haben. Also!«

Er sah von Diego Gomez auf Angela.

Diese tauschte mit Gomez einen Blick aus.

Dann zögerte sie noch zwei Atemzüge lang.

Und als sie auf Alvarez sah, war ein Forschen in ihrem Blick.

Wortlos ging sie. Alvarez folgte ihr.

Ich hielt meinen Colt in der Hand und bewachte Diego Gomez.

Gomez sagte zu mir: »Der ist ja verrückt! Will mir meine Frau stehlen. Dieser Dwight Cannon muss doch tot gewesen sein. Sie hat diesen alten Löwen niemals geliebt. Er hatte nur eine Menge Geld. Sie liebt mich. Gus Kelly, stell dich auf meine Seite. Hilf mir, sie zu behalten. Ich gebe dir eine Menge für deine Hilfe. Eine Menge! Land! Rinder! Pferde! Du kannst eine Menge davon haben, wenn du mir jetzt beistehst, dass ich sie behalten kann. Du hast doch selbst gesehen, wie schön sie ist. Muss ich nicht alles tun, um sie zu behalten?«

Ich nickte. »Sicher, für solch eine Frau tut man eine Menge«, sagte ich. »Doch das musst du mit Dwight Cannon ausmachen. Wir haben es übernommen, seine Frau zu ihm zu bringen. Dafür wurden wir bezahlt. Du musst mit, weil wir nur so sicher über die Grenze kommen. Du musst als Geisel und Faustpfand mit. Also gib es auf, mich umstimmen zu wollen.«

Er versuchte es auch nicht länger. Er kannte mich gut genug. Ich sagte nie etwas zweimal.

Wir warteten schweigend. Er drohte nicht mal mehr. Er kannte mich wirklich gut genug.

Lange brauchten wir nicht zu warten.

Dann kamen Angela und Alvarez. Sie wirkten irgendwie vertrauter als zuvor. Ich spürte das. Es war ein instinkthaftes Gefühl.

Aber vielleicht wirkten sie jetzt wie ein Paar, weil auch sie Reitkleidung trug und sie so nebeneinander kamen. Vielleicht lag das Gemeinsame allein nur an der Kleidung und den Bewegungen und waren sie sich innerlich tausend Meilen entfernt.

Doch sicher war ich nicht.

Was mochte sich dort oben im Zimmer abgespielt haben zwischen den beiden?

Auch Diego Gomez mochte jetzt wohl daran denken. Sein Gesicht war dunkel geworden. Adern traten an seinen Schläfen hervor und pochten an seinem Halse.

Alvarez brachte ihm den Waffengurt. Aber er sagte: »Du kannst nicht damit schießen. Ich habe die Waffe entladen, indes Angela sich umzog. Du trägst das Ding nur zum Schein. Also gehen wir! Und sei vorsichtig, Hombre. Man kann so schnell tot sein.«

Gomez schluckte hart.

Er sah Angela an. Sie erwiderte seinen Blick ausdruckslos. Das machte ihn noch unruhiger. Aber er sah keinen Ausweg. Er mochte auch nicht mehr mit Angela über bestimmte Dinge reden.

Wir gingen. Das Paar ging zuerst, wir folgten.

Es war lächerlich leicht und einfach. Denn für die Leute hier galten wir als Gäste des Patrons.

Bei den Corrals kamen zwei Pferdepfleger.

Gomez gab seine Anweisungen. Er sprach ruhig, denn er wusste, wie schnell er nun ein toter Mann werden konnte. Er machte keinen Fehler.

Bald darauf hatten wir unsere Pferde.

Als wir anritten, kam uns vom Dorf ein Reiter entgegen. Es war ein untersetzter, geschmeidiger Mann, der lederne Chaps trug und seinen Hut an der Windschnur auf dem Rücken hängen hatte.

Im Mondschein erkannten wir Fernando Alberto Rodrigez, den Ersten von Gomez’ Leuten. Rodrigez trug große Sporen und einen sichelförmigen Bart. Sonst sah er wie ein flachnasiger Apache aus. Doch er war ein harter, schlauer und erfahrener Mann. Einen besseren Vormann konnte diese Hazienda gar nicht bekommen.

Vielleicht würde er Rosita sogar ein sehr guter Mann sein. Ich gönnte es ihr.

Alvarez und ich, wir waren jetzt innerlich angespannt wie zwei lauernde Wölfe, und Rodrigez wusste gar nicht, wie nahe er und sein Boss dem Tode waren. Denn eines war sicher: Mussten Alvarez und ich erst zu schießen beginnen, so würden wir es richtig und voll tun müssen, um selbst überleben zu können.

Rodrigez grüßte. Aber er fragte nicht. Er hielt nur an und wartete, ob sein Patron irgendwelche Befehle für ihn haben würde.

Doch Diego Gomez kannte die Gefahr ganz genau.

Er unterschätzte sie nicht, weil er uns kannte. Und so machte er keinen Fehler.

»Wir reiten noch ein wenig im Mondschein herum«, sagte er zu seinem Vormann. »Warst du bei deiner Braut Rosita?«

»Si, Patron«, erwiderte Rodrigez, und sein schrägäugiger Blick, der durch keine Hutkrempe beschattet wurde, traf Alvarez und mich.

Vielleicht wusste er genau, dass wir heute am Nachmittag bei Rosita Wein tranken, und war ihm auch bekannt, dass wir seine Vorgänger waren bei ihr. Er sagte nichts zu uns, sah uns nur an.

Und dennoch strömte er etwas aus, was uns warnte. Ich war sicher, dass auch Alvarez es genau spürte. Es würde besser für uns sein, dieser Rosita von nun an weit aus dem Wege zu gehen. Rodrigez wollte uns nicht mehr in ihrer Nähe sehen oder noch mal davon hören, dass wir in ihrer Nähe waren.

Es war merkwürdig, dass man mit der Strömung, die von diesem schrägäugigen und schweigsamen Mann ausging, genau das alles spürte, was ein anderer Mann sonst nur mit harten Worten hätte sagen können.

Aber bei Rodrigez war das so.

Wir ritten weiter. Als ich mich nach einer Weile umsah, erkannte ich ihn noch. Er verhielt auf seinem Platz und blickte uns nach.

»Hoffentlich hat er nichts gerochen und will Ärger machen«, sagte Alvarez, der sich ebenfalls umgesehen hatte.

Aber es gab keinen Ärger – jedenfalls noch nicht. Wir ritten ruhig weiter, und es sah tatsächlich so aus, als machten wir einen gemütlichen Spazierritt durch eine wunderschöne Nacht.

Also wirklich, diese Nacht war so schön wie selten. Wenn ich sie hier beschreiben würde, müsste ich kitschig werden, müsste von türkisfarbenen Sternen und einem Silbermond erzählen, von Silberlicht und Schatten, von fernen Bergketten-Silhouetten. Ich müsste von den Düften des Landes schwärmen, von warmer Erde, kräftig riechenden Gräsern und Büschen und von dem warmen Wind erzählen, der von Sonora herbeiwehte.

Also, es war eine strahlende, samtlinde und irgendwie wie eine verstummende Glocke tönende Nacht, und man konnte gewiss verstehen, dass wir noch einmal ausritten.

Wir ritten weiter und weiter – wortlos, schweigend. Doch jeder ritt mit einer Menge Gedanken.

Bald schon waren wir zu weit von der Hazienda entfernt, dass man es noch als harmlosen Spazierritt ansehen konnte. Wenn uns jemand gefolgt war, so musste dieser Verfolger jetzt annehmen, dass wir nicht einfach nur in der linden Nacht spazieren ritten, sondern einem bestimmten Ziel zustrebten.

Und dieses Ziel musste der Grenzcreek sein, der Concho Creek.

Ich wandte mich immer wieder um und blieb sogar zweimal weit zurück.

Doch es gab keine Verfolger.

Rodrigez hatte also doch keinen Verdacht geschöpft.

Als wir die Furt des Concho Creek erreichten, hielten wir einen Moment an.

Flynn Alvarez rief: »Hoi, Miguel Mesilla, bist du noch da?«

Die Antwort kam aus einem Cottonwoodhain.

»Sicher, Alvarez, sicher! Patron, sind Sie das?«

Die Frage galt Diego Gomez.

Dieser sagte: »Wir reiten mal rüber, Miguel.«

Und dann ritten wir auch schon durch die flache Furt des sonst sehr tückischen und gefährlichen Grenzcreeks. Es gab hier Treibsand, dann wieder Steilufer und gemeine Klippen und Spalten, zwischen denen sich leicht ein Pferdehuf verklemmen konnte.

Als wir drüben waren, schien die ohnehin schon strahlende Nacht noch heller geworden zu sein. Man hatte weite Sicht. Nur in den Schatten, die alle aufragenden Dinge warfen, konnte so sehr viel verborgen sein – zum Beispiel Apachen oder Banditen. Denn beide Sorten gab es reichlich in diesem Lande.

Wir ritten die leichte Steigung hinauf und wollten uns oben nach Osten wenden. Denn im Osten lag El Paso. Wir brauchten nur lange genug – bis zum Vormittag etwa – nach Osten zu reiten, um nach El Paso zu kommen.

Doch dann war das plötzlich nicht mehr notwendig.

Ein Mann tauchte vor uns auf. Dieser Mann trat plötzlich aus dem Schatten einer Rotfelsen-Gruppe, die bei Tage aus dem sie umgebenden Grün leuchtete.

Dieser Mann trug ein Gewehr.

Im Mondschein erkannten wir ihn leicht. Es war Dwight Cannon, unser Auftraggeber.

Er erkannte uns natürlich ebenso leicht in dieser hellen Nacht, zumal er ja auf uns gewartet hatte.

Er legte sein Gewehr an, zielte auf Diego Gomez und sagte zielend: »Du verdammter Frauenräuber! Sie würden dich hier hängen dafür! Also ist es eine Gnade noch für dich, wenn du an einer Kugel stirbst!«

Nach diesen Worten schoss er auch schon. Niemand von uns konnte das verhindern. Er traf Diego Gomez voll.

Doch dann starb auch er, denn Flynn Alvarez schien blitzschnell und ohne Überlegung zu feuern, nur allein aus einem Reflex heraus, der nicht mehr zu unterbrechen war.

Er traf Dwight Cannon nicht weniger gut.

Und da lagen sie nun beide.

Diego Gomez war vom Pferd gefallen. Er hatte keine Chance gehabt, sich verteidigen zu können. Denn sein Colt war leer. Es war glatter Mord, ihn mit einem Gewehr vom Pferd zu schießen.

Doch welcher Mann in diesem Lande und in jener Zeit hätte ihn an Dwight Cannons Stelle nicht auch wie einen tollen Hund erschossen?

Ich konnte Dwight Cannon gut verstehen.

Und warum dachte Flynn Alvarez nicht so wie ich?

Ich sah zu ihm hin und sah, dass er wiederum Angela anstarrte. Sie erwiderte seinen Blick. Dann hörte ich ihn sagen: »Jetzt bist du ganz bestimmt eine Witwe, nicht wahr? Doppelt sogar. Doch ich glaube nicht, dass du darüber weinen wirst. Oder?«

Sie schüttelte leicht den Kopf, aber es war keine Antwort auf seine Frage, sondern eher ein Ausdruck der Bestürzung und der Fassungslosigkeit. Es war mehr ein Ausdruck von Nichtbegreifenwollen, weil es so schrecklich war, was begriffen werden sollte.

Endlich aber drang seine Frage in ihren Kern und wurde sie sich ihrer bewusst.

»Nein, weinen werde ich nicht«, sagte sie. »Das habe ich schon als junges Mädchen verlernt. Geweint habe ich schon lange nicht mehr. Dwight Cannon hielt ich für tot. Und Diego Gomez hielt mich wie eine Gefangene. Ich hätte auf seiner Hazienda wie eine Sklavin leben müssen, würde ich es nicht vorgezogen haben, seine Frau zu werden.«

Ich hörte das alles, indes ich absaß und die beiden am Boden liegenden Männer nacheinander untersuchte.

Sie waren beide tot, mausetot.

Und das war wohl nicht nur für Angela so praktisch.

Als mir das klar wurde, sah ich schnell auf Flynn Alvarez.

Dieser hielt seinen Colt noch in der Hand. Er sah zu mir her.

»Das wär’s wohl«, sagte er. »Sieh mal in Cannons Taschen nach. Er ist uns noch Geld schuldig, nicht wahr? Wir brachten seine Frau zu ihm, wie es abgemacht worden ist. Nun muss er zahlen. Oder nicht?«

Ich zögerte und dachte nach.

Aber da richtete Flynn Alvarez seinen Colt auf mich.

»Du sollst nachsehen«, verlangte er nachdrücklich.

Ich tat ihm den Gefallen, aber in meinem Kern war jetzt alles eiskalt. Dieser Flynn Alvarez hätte nie mein Freund werden können. Ich wusste es nun. Es war dumm von mir gewesen, mit ihm nach Santa Maria zu reiten.

Ich fand bei Dwight Cannon einen Geldgürtel und warf Flynn diesen zu. Er öffnete nacheinander zwei Taschen des Gürtels und entnahm dreitausend Dollar. Er zählte hörbar im Mondlicht.

Dann kam er herangeritten und reichte sie mir. In dem Gürtel war immer noch viel Geld. Dwight Cannon hatte sich damals nach dem Überfall, bei dem er schlimm verwundet und ihm seine Frau entführt wurde, schnell auf irgendwelchen Wegen sehr viel Geld verschaffen können.

Nun hatte es Flynn Alvarez. »Ich werde mir auch meinen Anteil nehmen und den Rest seiner Witwe geben«, sagte er. »Und da diese Witwe jetzt auch noch einen anderen Mann verlor, könnte sie auch diesen beerben. Nicht wahr, Angela? Ich helfe dir gerne dabei. Oder glaubst du nicht, dass sich für solch eine große Hazienda eine Menge lohnt? Allerdings darf niemand erfahren, dass Dwight Cannon noch lebte zur Zeit deiner Hochzeit mit Gomez in der Kirche von Santa Maria. Verstanden? Du kannst eine Königin werden über Land, Rinder, Pferde und viele Menschen. Noch niemals hattest du solch eine Chance. Und dazu hast du auch noch mich. Mit meiner Hilfe kannst du alles gewinnen – alles!« Seine Worte verklangen wie beschwörend.

Durch die Furt des Creeks kam nun ein Reiter geritten. Wir alle wussten, dass es Miguel Mesilla war. Denn er hatte die Schüsse gehört, sein Pferd geholt und kam nun nachsehen.

Er kam schnell und hielt bei Diego Gomez, seinem Herrn, an, schwang sich aus dem Sattel.

Als er Diego Gomez untersucht hatte, verharrte er noch kniend neben dem Toten.

Ich stand daneben.

Flynn Alvarez und Angela saßen noch in den Sätteln.

Alvarez sagte zu Miguel Mesilla: »Es war ein Wegelagerer, ein Bandit. Oder vielleicht ein von einem Feinde geworbener Killer. Er schoss sofort. Ich konnte Don Diego Gomez nicht retten. Ich konnte nur noch seinen Mörder erschießen. Wir müssen ihn heimbringen, Miguel. Hilf mir, ihn auf sein Pferd zu setzen und festzubinden im Sattel. Um den Banditen wird Gus Kelly sich kümmern.«

Ich sagte nichts, aber ich sah zu, wie Miguel Mesilla das Pferd herbeibrachte und nun auch Alvarez absaß, damit sie den Toten auf das Tier heben konnten.

Angela Cannon-Gomez drängte ihr Pferd näher zu mir heran. Sie sah zu mir her und vom Sattel aus auf mich nieder. Sie sagte nichts, forschte nur.

Ich erwiderte ihren Blick.

Und ich konnte erkennen, dass sie eine echte Abenteuerin war, bereit, auch ein hohes Spiel zu riskieren, wenn die Gewinnmöglichkeiten nur lohnend waren.

Und hier konnte sie eine riesige Hazienda gewinnen.

Sie hatte ja schon einmal das Beste aus ihrer Lage gemacht, als sie in der Kirche von Santa Maria Diego Gomez’ Frau wurde, obwohl dieser doch für den Überfall auf ihren Mann verantwortlich war. Sie musste Diego Gomez vielleicht sogar für den Mörder ihres Mannes halten.

Aber sie wurde seine Frau.

Und jetzt konnte sie ihn sogar beerben.

Sie sah mich immer noch an, indes Flynn Alvarez und Miguel Mesilla aufsaßen und Letzterer die Zügel des Pferdes in die Hand nahm, auf dem der Tote saß, den sie festgebunden hatten.

»Los, vorwärts! Vielleicht sind noch mehr Banditen in der Nähe!« Damit trieb Alvarez zur Eile.

Miguel Mesilla ritt auch wirklich sofort an und brachte seinen toten Patron zur Furt hinunter.

Alvarez blieb noch zurück. Sein Blick ging zwischen Angela und mir hin und her und blieb schließlich auf mir haften.

»Komm nicht mehr herüber, Gus Kelly«, sagte er. »Wir haben unseren letzten Drink schon in Santa Maria genommen. Komm nicht herüber!«

Er wandte sein Pferd und sah nun auffordernd zu Angela hin.

Diese saß noch still.

»Ich komme gleich«, sagte sie. Nun erst saß sie ab, ging zu Dwight Cannon hinüber und kniete bei ihm nieder. Sie verharrte dort wie betend.

Flynn Alvarez sagte zu mir: »Vermassle mir nur nicht meine Chancen. Komm nur nicht herüber. Durch dieses Weib werde ich der neue Besitzer dort drüben auf drei Tagesritte in der Runde. Du könntest dich mir nicht unterordnen. Wir würden nur Rivalen sein und uns eines Tages gegenseitig erledigen. Also bleib weg! Ich will auch diese Frau haben. Sie ist wie keine andere. Diego Gomez war gegen mich nur ein Pinscher. Ich werde euch zeigen, was ein wirklicher Mann ist. Aber bleib weg, Gus Kelly! Sonst sind wir Feinde!«

Er ritt langsam zur Furt hinunter.

Und Angela erhob sich und trat an ihr wartendes Pferd. Ich half ihr in den Sattel. Von oben sah sie auf mich nieder.

»Wenn Sie wollten«, sagte sie, »würden Sie sich von Flynn Alvarez nicht aufhalten lassen. Es ist also keine Furcht vor ihm, die Sie so zurückhaltend macht. Was ist es dann?«

Ich sah zu ihr hoch und spürte, dass sie es lieber hätte, wenn ich sie heimbegleiten würde und nicht Flynn Alvarez.

»Ich weiß es nicht genau«, erwiderte ich. »Vielleicht ist es meine Art. Sie sind sehr schön und begehrenswert, Angela. Auch ich würde Sie gern besitzen. Doch ich bin mir nicht sicher, ob Sie auch wirklich lieben können. Das haben Sie irgendwann und irgendwo auf Ihren rauen Wegen verlernt. Sie sind zwar klug genug, sich einem Manne zu ergeben, wenn jeder Widerstand sinnlos wäre und Sie dabei nur zugrunde gehen würden. Ihre Lebenskraft ist so stark, dass Sie sich einem Manne geben können, der ohnehin alles mit Gewalt bekäme. Doch dann kommt der große Zaubertrick. Sie beherrschen früher oder später diesen Mann mit Haut und Haaren. Sie bringen ihn dazu, Ihr Sklave zu werden. Vielleicht habe ich Angst vor Ihnen, Angela. Vielleicht will ich mich nicht zum Narren machen. Denn Sie können nicht mehr lieben. Es macht Ihnen nichts aus, die Männer zu wechseln. Das ist es wohl.«

Sie nickte.

Und dann ritt sie zur Furt hinunter.

Ich hörte ihr Pferd im Wasser. Und dann vernahm ich ihre und Alvarez’ Stimme drüben auf der anderen Seite. Er hatte auf sie gewartet.

Nun ritten sie davon, folgten Miguel Mesilla und dem Toten.

Ich sah auf Dwight Cannon nieder.

Sollte ich Mitleid mit ihm haben? Er war ein Waffenhändler, der ganze Armeen ausrüstete. Er war ein reicher Mann, der überall und nirgends seinen Wohnsitz hatte, dessen Schecks von allen Bankhäusern genommen wurden wie bares Geld.

Er hatte eine besonders schöne Frau bekommen können. Sein Geld glich den Altersunterschied zwar nicht aus, sicherte ihm aber ihre Treue.

Aber weil diese Frau einem anderen gefiel, wurde er überfallen, gab es Tote und Verwundete und wurde ihm die Frau geraubt.

Das war zwar finsteres Mittelalter, kam aber hier vor. Hier nahmen sich die Mächtigen noch, was sie wollten, und kümmerten sich den Teufel um Recht, Gesetz und Ordnung.

Diego Gomez war inzwischen schon tot und wurde nun abgelöst von Flynn Alvarez, der auch nur ein Bursche seiner Sorte war.

Ich ging, um Dwight Cannons Pferd zu suchen.

Aber ich fand kein Sattelpferd, sondern einen leichten zweirädrigen Wagen und dessen Zugtier. Es war ein prächtiger Rappe.

An den Spuren erkannte ich, dass Dwight Cannon wirklich allein gekommen war. Er musste sich gut ausgekannt haben im Lande und wusste deshalb genau, wo wir mit seiner Frau über die Grenze kommen würden von der Hazienda Santa Maria her. Er war auch klug genug, um sich ausrechnen zu können, wie zwei harte Burschen die ganze Sache anpacken würden.

Er hatte damit gerechnet, dass wir Diego Gomez selbst als Geisel mitnehmen würden.

Wir hatten ihm Gomez vor das Gewehr gebracht wie einen dummen Hammel.

Nun waren sie beide tot.

Ich brachte den Wagen zu Dwight Cannon.