G. F. Unger Sonder-Edition Collection 8 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition Collection 8 E-Book

G. F. Unger

0,0
8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

5 spannende Westernromane von G. F. Unger lesen, nur 4 bezahlen!


G. F. Unger wird zu Recht als der beliebteste und erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor gefeiert. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Seine Epoche ist das späte 19. Jahrhundert, seine Schauplätze sind die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens, deren Grenzen von unerschrockenen Frauen und Männern immer weiter nach Westen verschoben werden, bis sie schließlich die Küste des Pazifiks erreichen.

Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.


Dieser Sammelband enthält die Folgen 36 bis 40 der G. F. Unger Sonder-Edition:

Folge 36: Die Jagd auf mich

Folge 37: Kilrains Kampf

Folge 38: Die Sage-Valley-Fehde

Folge 39: Allein unter Wölfen

Folge 40: Kendall Canes Weg

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 1093

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Coverillustration: Manuel Prieto/Norma ISBN 978-3-7325-6730-0

G. F. Unger

G. F. Unger Sonder-Edition Collection 8 - Western-Sammelband

Inhalt

G. F. UngerG. F. Unger Sonder-Edition 36 - WesternIrgendwann macht jeder Mann mal einen Fehler, und auch ich hatte im Verlaufe meines Lebens dann und wann welche gemacht - ich, Johnny Laredo. Stets war ich heil davongekommen, sah man von wenigen Schrammen ab. Diesmal jedoch sah ich keine Chance. Sie hatten mich in der Klemme. Mein Gegner stand drei Schritte hinter mir und hielt eine Schrotflinte bereit. Ich wusste, mit diesem Ding konnte er mich in zwei Hälften schießen ...Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 37 - Western"Wo wollt ihr mich denn abknallen, ihr Bastarde?", fragte ich. "Ach, drüben beim Pferde-Corral", sagte Vance Sakett. "Wir legen dich dann quer über ein Pferd und nehmen dich mit dorthin, wo Dick King liegt. Wir legen euch zusammen in eine Grube." Einen Moment kam mir alles so unwirklich vor wie ein böser Traum. Denn die kalte Art, wie sie mich erledigen wollten, war für mich unfassbar. Und ich konnte nicht einmal kämpfen. Es war eine bittere Minute. Die bitterste Minute meines ganzen Lebens.Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 38 - WesternSchon die Väter hatten sich gehasst und großen Unfrieden über das Tal gebracht. Doch als die Söhne aufeinander losgingen, verwandelten sie das Sage-Valley in eine blutige Walstatt ...Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 39 - WesternMein Name ist Jim Radigan. Ich bin Texaner. Manchmal sehne ich mich zurück in die kleine Zelle im Jail von Dodge City. Dort hatten sie mich eingesperrt, weil ich hängen sollte. Aber ich entkam im letzten Augenblick. Ich habe mich jetzt einem Rudel wilder Wölfe angeschlossen. Denn sie bieten mir Sicherheit. Doch mittlerweile habe ich erkannt, dass ich anders bin als sie. Bald muss ich mich entscheiden. Aber wie? Bleibe ich bei ihnen, spielt es keine Rolle mehr, ob ich in Dodge zu Recht oder zu Unrecht verurteilt wurde. Steige ich zurück auf die richtige Seite des Zaunes, wird man mich erneut einsperren und wegen einer Tat hängen, dich ich nicht begangen habe...Jetzt lesen
G. F. Unger Sonder-Edition 40 - WesternMit vierzehn Jahren kam er nach Arizona, doch der Wagenzug wurde von Indianern überfallen und seine Eltern starben. Mit sechzehn arbeitete er auf einer Ranch und war ein vollwertiger Kämpfer. Er sah aus wie zwanzig, und er konnte nicht mehr lachen. Das Leben in diesem Land formte ihn so. Mit achtzehn war er ein richtig harter Mann. Er besaß nun ein gutes Pferd, einen guten Sattel, einen erstklassigen Revolver und ein Gewehr. Und er sagte seinem Rancher, dass er fortreiten und die Welt sehen wollte. Doch dann schob man ihm einen Mord in die Schuhe, und von da an war Kendall Cane auf der Flucht. Erst als er US-Marshal Stapp Blaine begegnete, der die Silberbanditen jagte, bekam er eine Chance ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Die Jagd auf mich

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Vorschau

Die Jagd auf mich

1

Irgendwann macht jeder Mann mal einen Fehler, und auch ich hatte im Verlaufe meines Lebens dann und wann welche gemacht – ich, Johnny Laredo. Aber ich war stets heil davongekommen, sah man von wenigen Schrammen und ähnlichen Zeichen ab.

Diesmal jedoch sah ich keine Chance. Sie hatten mich in der Klemme. Mein Fehler war es, dass ich nicht weit genug geritten war und mein Lager nicht sorgfältig genug gewählt hatte. Und überdies hatte der Hombre, mit dem ich eine lange Nacht und den darauf folgenden Tag spielte, einen Indianer bei sich. Es war ein zivilisierter Pima, der sich wie ein Cowboy kleidete. Er war gewiss mal in einer Missionsschule erzogen worden. Dennoch hatte er gelernt, wie man in dunkler Nacht einen Mann in einem verborgenen Camp findet.

Nun stand er drei Schritte hinter mir und hielt eine Schrotflinte bereit. Mit diesem Ding konnte er mich in zwei Hälften schießen.

Ich wusste das. Und deshalb versuchte ich keinen Trick. Ich ließ meine Finger von meinem Colt, der neben mir im Grase lag.

Im grauen Morgenlicht sah ich den anderen Mann an. Ich erkannte ihn sofort, denn er gehörte zu jener Sorte, an die man sich auch dann erinnert, wenn man sie zuvor nur flüchtig sah.

Denn dieser Bursche sah so prächtig aus wie ein junger Gott, der sich auf unserer armseligen Erde mal ein wenig umsehen wollte. Ich hatte diesem Hombre länger als zwanzig Stunden am Spieltisch gegenübergesessen und hatte ihn sorgfältig beobachtet und studiert.

Der Junge war äußerlich eine Augenweide; er erschien einem Betrachter makellos und ohne den geringsten Fehler. An ihm war alles richtig – äußerlich.

Aber er konnte nicht verlieren. Das wurde jetzt völlig klar. Denn er holte sich zuerst schweigsam meinen Colt und durchsuchte dann mein weniges Gepäck. Als er das Geld fand, knurrte er zufrieden.

Ich sagte sanft: »Amigo, ich hatte selbst etwas mehr als dreitausend Dollar bei mir, bevor wir unser Spiel begannen. Wenn du schon nicht verlieren kannst und dir dein Geld auf diese Art wiederholen möchtest, dann nimm gefälligst nur dieses Geld und nicht meins. Oder bist du am Ende gar nur ein Straßenräuber?«

Ich sagte es sitzend. Denn mehr als mich aufsetzen durfte ich nicht.

Er schnaufte zu meinen Worten und trat mich vor die Brust, sodass ich nach hinten fiel und meine Beine hochwarf. Ich versuchte, den Lauf der Schrotflinte hinter mir auf diese Art zu treffen, doch es gelang mir nicht. Der Indianer glitt rechtzeitig zurück und schlug mir dann den schweren Doppellauf über die Waden. Da wurde ich wieder friedlich.

Er aber sagte: »Du bist ein Falschspieler. Nur deshalb konntest du mir das Geld abgewinnen. Doch ich lasse mich nicht von einem Falschspieler ausnehmen. Strafe muss sein. Deshalb nehme ich alles. Steh auf, ich weiß, dass du auch noch einen Geldgürtel trägst!«

Ich gehorchte, denn es wäre dumm gewesen, es nicht zu tun. Er war noch eine Idee größer als ich, auch gewiss sieben oder acht Kilo schwerer. Als er mir das Hemd aufriss und den Gürtel abnahm, traf mich sein Atem ins Gesicht.

Aber er wich meinem Blick aus. Mit meinem Geldgürtel und meiner Satteltasche, die beide mit Geld gefüllt waren – zusammen mit fast siebentausend Dollar oder guten Silberpesos – trat er zurück.

»Ich gehe zu unseren Pferden, Juarez«, sagte er. »Erledige ihn, sobald ich vom Wagenwege her pfeife. Wir können dann sicher sein, dass nicht gerade jemand vorbeireitet und etwas hört. Also!«

Nun sah er mich im grauen Morgen an. Sein Blick war wild und kalt zugleich.

Dann ging er. Ich sagte hinter ihm her: »Was bist du doch für ein Drecksack. Ich werde aus der Hölle auf dich spucken und dir in allen Träumen erscheinen.«

Aber er gab keine Antwort. Er sah sich nicht mal mehr um. Er ging eilig davon. Es wirkte fast wie eine Flucht. Aber weil er so prächtig und verwegen aussah, so männlich und kühn, da hielt ich es nur für Eile.

Ich wandte mich dem Indianer zu. Dieser stand vier Schritte entfernt und ließ mich in die Doppelmündung der Schrotflinte blicken. Er hatte die beiden Hähne gespannt und brauchte nur abzudrücken. Nicht die Spur von einer Chance war für mich vorhanden.

Ich sah diesen Juarez an. Und ich sagte: »Dein Name ist Juarez? Vor einigen Wochen ritt ich noch für einen Mann, der so heißt wie du. Sein Vorname ist Benito. Weißt du, wen ich meine?«

Er nickte. »Benito Juarez, Präsident und Diktator von Mexiko«, sagte er. »Er ist Indianer wie ich – und er ließ Kaiser Maximilian erschießen. Es gibt viele Indianer, die Juarez heißen.«

Ich nickte. »Und ich war ihm treu«, sagte ich. »Ich glaubte an ihn, war überzeugt, dass er der rechte Mann für Mexiko wäre.«

Da grinste er. »Ay, Hombre, du warst doch nur einer von diesem Gringo-Pack, welches man kaufen kann. Du gehörtest doch auch nur zu all den Revolverschwingern, die bei jeder Revolution mitreiten, weil sie rauben und plündern wollen, töten und zerstören. Um dich ist es nicht schade. Du bist jetzt nur an der Reihe, wie vor dir viele andere Burschen an der Reihe waren. Irgendwann erwischt es jeden – so oder so.«

Da schüttelte ich heftig den Kopf. »Nimm meinen Hut«, sagte ich. »Darin findest du meine ehrenhafte Entlassung – von Benito Juarez unterzeichnet. Ich half ihm, weil er ein Mann des Volkes war. Ich half einem Indianer dabei, Präsident zu werden. Und nun soll ich von einem anderen Indianer, der zufällig ebenfalls Juarez heißt, umgelegt werden? Warum dienst du diesem Drecksack, welcher nicht in einem ehrlichen Spiel verlieren kann, wie ein Hund!«

Der graue Morgen war nun etwas hellgrau geworden. Und jener Juarez sah mich seltsam an.

Aber dann trat er zur Seite, hob meinen Hut vom Boden auf und fand dort die Entlassung, die ich zusammengefaltet hinter dem Schweißband verwahrte.

Selbst als er las, konnte ich ihn nicht überrumpeln. Er brauchte die Schrotflinte nur abzudrücken, gar nicht zu zielen.

Als er gelesen hatte, tönte vom Wagenweg her der Pfiff. Nun musste es sich entscheiden. Würde er abdrücken oder mich am Leben lassen?

In seinem dunklen, breitknochigen Gesicht regte sich nichts. Und auch seine schrägen Augen waren fast geschlossen und ließen nichts erkennen.

Mir aber ging es so wie schon einmal, als mich die Franzosen bereits an die Wand gestellt hatten und schon die Gewehre anlegten, um mich zu erschießen und die Juarez-Reiter mich im letzten Moment retteten. Gab es auch jetzt solch ein Wunder?

Das fragte ich mich, und ich hielt meinen Atem an. Mein Leben zog blitzschnell an mir vorbei. Ach, was für ein wildes und dabei doch armseliges Leben war es gewesen!

Und ausgerechnet jetzt sollte es mich endgültig erwischen, jetzt, da ich mit meinen Ersparnissen heimwärts wollte, um mir eine kleine Ranch zu schaffen.

Juarez sagte plötzlich: »Schwöre, dass du uns nicht folgen und auch nicht nach uns forschen wirst. Schwöre es bei allem, was dir heilig ist!«

Das war die Chance. Und er meinte es ernst. Er war sogar bereit, meinem Wort zu glauben.

»Ich schwöre es«, sagte ich heiser. »Ich weiß zu gut, Compadre, dass du sonst selbst in eine böse Lage geraten würdest. Ich schwöre, dass ich euch nicht folgen und auch sonst nicht nach euch forschen werde.«

Er sah mich noch einmal an. Es strömte etwas von ihm zu mir über. Es versuchte spürbar, tief in mich einzudringen, mich zu ergründen, zu erforschen. Es war sein untrüglicher Instinkt.

Er murmelte: »Du dientest einem Indianer treu – und ich diene einem Weißen auf die gleiche Art. Unsere Motive sind gar nicht so sehr verschieden. Aber hüte dich.«

Und dann hob er die Schrotflinte und schoss beide Läufe in die Luft ab. Er wandte sich und lief davon.

Ich aber atmete auf und sah im Osten die ersten Licht-Explosionen der aufsteigenden Sonne. Noch war sie verborgen und kündigte sich nur mit dem ersten Licht an.

Ich lebte. Noch einmal war ich davongekommen. Und die Zukunft lag wieder einmal unklar vor mir. Wieder einmal war ich ein Satteltramp ohne Geld.

Der Traum von einer eigenen Ranch lag wieder in weiter Ferne. Aber ich lebte, ich, Johnny Laredo, den man vor fast dreißig Jahren als Baby unter einem brennenden Planwagen hervorzog – als einzigen Überlebenden eines Wagenzuges.

Man brachte mich in die alte spanische Siedlung Laredo. Nach ihr erhielt ich meinen Namen. Weil ich ein Kind anglo-amerikanischer Abstammung war, nannte man mich Johnny. Aber der Nachname wurde Laredo. Die Zeiten aber machten mich zu einem Revolvermann.

Vielleicht hätten eine Menge Männer an meiner Stelle damals anders gehandelt und sich alsbald schon daran gemacht, die Verfolgung aufzunehmen.

Denn ich besaß ja noch mein Pferd und auch mein Gewehr. Nur mein Geld und meinen Revolver hatte jener blonde, blauäugige und so prächtig aussehende Bursche mir mit Hilfe seines Indianers abgenommen. Und natürlich juckte es mich mächtig.

Denn ich hatte es stets wie der einstige römische Feldherr Sulla gehalten, der folgenden Ausspruch der Nachwelt ließ: »Kein Mensch tat mir jemals etwas Gutes oder Böses, ohne dass ich es ihm voll zurückgezahlt hätte.«

Nach diesem Spruch also hatte ich stets gelebt. Aber nun war ich in einer Klemme. Der Indianer hatte mein Wort. Und er ließ mich leben, weil er meinem Wort vertraute.

Natürlich wäre es sogar moralisch vertretbar gewesen, wenn ich mich nicht an das Wort gehalten hätte. Denn ich gab es ja sozusagen in Notwehr. Es ging darum, nicht ermordet zu werden. Jede Täuschung des Gegners war entschuldbar.

Ich hätte gewiss nach den Regeln der menschlichen Gemeinschaft das Recht gehabt, die Banditen zu verfolgen und mir mein Geld zurückzuholen.

Aber dennoch tat ich es nicht. Ich ließ siebentausend Dollars und Silberpesos sausen. Denn ich hatte mit dem Indianer Juarez einen Vertrag geschlossen, der mir wahrhaftig heilig war. Und ich ahnte schon damals, dass der rote Bursche sehr viel mehr riskiert hatte, als man glauben konnte.

Ich witterte damals schon ein Geheimnis. Und so verzichtete ich darauf, mir die verlorenen Haare wiederzuholen.

Natürlich brauchte ich viele Tage und Wochen, bis sich in mir alles beruhigt hatte. Ich erlebte oft einen Widerstreit von Gefühlen, und manchmal war ich schon ganz dicht davor, die Fährte aufzunehmen.

Oh, ich hatte noch niemals eine Fährte verloren. Und ich wusste, dass ich einen solch bemerkenswerten Burschen, der von einem Indianer begleitet wurde, ganz gewiss irgendwo im Südwesten aufgespürt hätte. In irgendeinem Ort mussten sie damals aufgetaucht sein. Diese Fährte hätte ich gewiss dann nicht mehr verloren. Aber ich ließ es.

Oh, es ging mir damals eine Weile sehr schlecht. Ich war ein Satteltramp – und ich stahl damals Rinder und Pferde, ritt in schlechter Gesellschaft und half sogar dabei, einem Steuereintreiber der Union das Geld wieder abzunehmen. Aber wir gaben das meiste Geld den Leuten zurück, denen er es abgenommen hatte. Wir retteten sie vor dem Untergang.

Ich war damals auf dem besten Wege, endgültig ein Bandit zu werden.

Natürlich hatte ich damals auch ein paar Revolverkämpfe, denn ich gehörte zu jener Sorte, die für jeden Wild Bill sofort vom ersten Augenblick an eine Herausforderung war. Ich war überall einer jener Bullen, die von anderen Bullen angegangen wurden, weil ein Sieg über sie den größten Ruhm einbrachte.

Ich war ja nicht irgendein Johnny Laredo – sondern der Johnny Laredo. Man kannte mich noch aus der Zeit vor meinem Abstecher nach Mexiko.

Nun, ich war damals in jener miesen Zeit nach dem Verlust meines Geldes auch noch Rauswerfer in wilden Saloons, Leibwächter eines üblen Geschäftemachers und sogar Transportbegleiter der Aurora-Mine.

Aber dann schloss ich mich einer der ersten Treibherden an, die damals von Texas nach Kansas aufbrachen und Jesse Chisholms Trail folgten.

Nun, ich könnte über dieses Treiben eine lange Geschichte erzählen, die gewiss nicht weniger spannend wäre als jene, die ich erzählen möchte. Aber diese Geschichte hätte fast gar nichts mit jenem äußerlich so prächtig anzusehenden Burschen zu tun, der nicht im Spiel verlieren konnte und der mich dann von seinem ihm treu ergebenen Indianer ermorden lassen wollte.

Aber durch das Rindertreiben kam ich nach Abilene in Kansas. Und in Abilene sah ich ihn wieder.

Auch der Indianer war wieder bei ihm.

2

Es war ein Zufall, wie er dann und wann im Leben vorkommt. An einem schönen Vormittag ging ich in ein Restaurant, und ich hatte mich schon neu eingekleidet, war gebadet, rasiert und hatte meine Haare frisch geschnitten.

In meiner Tasche klingelten dreihundert Dollar Treiblohn, denn ich war einer der Vorleute der großen Treibmannschaft gewesen. Der Boss hatte sich nicht lumpen lassen.

Als ich ins Restaurant trat, brauchte ich einen Moment, bis sich meine Augen daran gewöhnt hatten, dass es drinnen nicht so hell war wie draußen im Sonnenlicht.

Deshalb erkannte ich den Burschen nicht sogleich. Er aber erkannte mich früher. Und er sprang auf, zog und schoss.

Die Kugel riss mir Fleisch von einer Rippe. Dann schoss ich, denn nachdem ich erst begriffen hatte, war ich schnell wie ein geölter Blitz. Ich ließ ihn nicht nochmals abdrücken. Ich wollte am Leben bleiben. Und so traf ich mit dem ersten Schuss gleich richtig.

Da setzte er sich mit einer merkwürdig ruhig anmutenden Bewegung in den Sessel zurück, aus dem er aufgesprungen war und dann fiel er mit dem Oberkörper über den Tisch.

Ich aber zielte auf den Indianer Juarez, der mit ihm am gleichen Tisch gesessen hatte. Auch er war aufgesprungen.

Alle Gäste sonst waren entweder aufgesprungen oder hatten sich unter die Tische in Deckung gleiten lassen. Man war in Abilene an Schießereien gewöhnt. Diese gab es fast jeden Tag. Denn Abilene war ein Babylon der Prärie, ein Sodom, und es wurde jeden Tag und jede Nacht schlimmer.

Ich sagte zu Juarez: »Er hatte den ersten Schuss, bevor ich ihn erkannte, nicht wahr? Das musst du zugeben, wenn du fair bist oder?«

Er nickte langsam. »Es war so«, sagte er. »Doch jetzt sollten Sie sich auf ein schnelles Pferd werfen und tausend Meilen reiten, bevor Sie auch nur mal richtig ausruhen. Schnell, Mister!«

Aber ich schüttelte den Kopf. Jetzt war ich stur. »Ich denke nicht daran«, sagte ich.

»Das braucht er auch nicht«, meldete sich eine andere Stimme. Sie war rau und gewichtig. Es war die Stimme eines der Herdenbosse – eines Mannes Stimme also, der mit einer mächtigen Rinderherde und einer rauen Mannschaft von Texas her den Treibweg heraufgekommen war.

»Er hat ihn in nackter Selbstverteidigung erledigt«, sagte dieser Treibherdenführer. »Ich bin Jesse Logan aus San Angelo. Ich sage das jedem Marshal. Und jetzt geh schnell zum Doc, Bruder, damit nicht zu viel Saft aus dir laufen kann.«

Er meinte mich. Ich spürte, wie das Blut mir das nagelneue Unterzeug und das hellblaue Reithemd tränkte. Die Wunde begann nun böse zu schmerzen. Wahrscheinlich war die Kugel von meiner Rippe abgeprallt, hatte diese geknickt und hatte mir das Fleisch abgefetzt.

Ich ging, und ich fand auch bald schon einen Doc schräg gegenüber, der sich meiner mit schweigsamer Routine annahm und dann zwanzig Dollar verlangte. Aber dafür hatte er meine Wunde gereinigt, zusammengenäht und die angebrochene Rippe mit einem breiten Pflaster geschient. Er hatte gute, saubere und schnelle Arbeit geleistet.

Ich zahlte und ging in mein Hotelzimmer zurück. Denn ich musste mich jetzt langlegen. Auf der Treppe traf ich den schwarzen Hotelburschen und gab ihm noch einige Aufträge, die Feuerwasser, ein Frühstück und einige andere Kleinigkeiten betrafen.

Dann war es endlich soweit, dass ich mich auf einem Bett ausstrecken konnte. Und das tat gut.

In mir war nicht nur der Schmerz der Wunde – und war auch nicht nur das dankbare Glücksgefühl, noch einmal davongekommen zu sein, überlebt zu haben. Nein, da war auch noch Bitterkeit.

Denn ich hatte einen Narren töten müssen – einen verdammt blöden Narren, der es gar nicht nötig hatte, sterben zu müssen. Ich hätte ihm vielleicht das Geld wieder abverlangt, welches er mir einst raubte. Aber sonst …

Ja, es war Bitterkeit in mir. Ich durchlebte jetzt mehrmals den so kurzen Kampf – und ich wusste stets zuvor schon den Ausgang. Dann dachte ich an den Indianer, der nicht nur so zivilisiert aussah, sondern ein gutes Englisch sprach. Dieser rote Bursche hatte mich gewarnt. Ich konnte plötzlich wittern, dass etwas auf mich zukam – eine Gefahr, Unheil, Verdruss.

Ja, da war etwas Drohendes. Nun spürte ich es. Und ich fragte mich, wer wohl jener so prächtig anzusehende Bursche war, der sich zum zweiten Male mit mir anlegte – und der nun tot war.

Damals, als wir miteinander pokerten, war sein Name nicht wichtig. Niemand von unserer Pokerrunde damals in jenem primitiven Saloon in einem kleinen Nest hatte sich vorgestellt.

Auch später erfuhr ich nur den Namen des Indianers. Und jetzt ahnte ich, dass es sicherlich wichtig war, zu wissen, wen ich getötet hatte.

Ich erfuhr es bald schon, denn es kam ein Deputy des Stadt-Marshals, der meine Aussage und auch meinen Namen für die Leichenschau brauchte. Die Zeugenaussagen hatte er schon, und er sagte: »Du hattest Glück, Johnny Laredo. Du konntest nicht nur überleben, sondern den anderen Hombre auch noch in einwandfreier Selbstverteidigung erledigen. Es war sozusagen ein klassisches Beispiel von Selbstverteidigung, mit guten Zeugen. Diese Stadt macht dir keine Schwierigkeiten, zumal du nicht als Revolverheld oder Spieler, sondern als Vormann einer Treibmannschaft hergekommen bist. Dein Boss stellte dir ein gutes Zeugnis aus. Und das wunderte uns ein wenig, weil du doch im Südwesten eine tolle Nummer mit der Kanone bist. Es ist selten, dass Revolvermänner harte Arbeit verrichten. Na schön, wie ist deine Aussage?«

Ich machte sie, und er saß am Tisch in meinem Zimmer und schrieb. Dann setzte ich meinen Namen unter das Protokoll – und dabei las ich, wen ich umgelegt hatte.

Der Bursche hieß Bill Palestine.

Und da begann es endlich in meinem Kopf zu funktionieren.

Es gab damals nur wenige »Große« im Südwesten, ich meine große Rinderzüchter. Aber diese wenigen Großen glichen Fürsten, Königen. Sie regierten sehr selbstherrlich in ihren Gebieten; ihre Macht war absolut.

Und solch ein Bursche war jener Palestine – aber nicht jener, den ich getötet hatte. Nein! Ich ahnte, dass ich wahrscheinlich den Sohn von Big Bill Palestine getötet hatte.

»Heh«, sagte ich zum Deputy, »hier steht Bill Palestine. Ist das vielleicht ein Verwandter von Big Bill Palestine, der zwischen dem Pecos und dem Rio Grande sein Königreich hat?«

Der Deputy sah mich staunend an. »Das wusstest du nicht?« So fragte er. Und dann kam eine Spur von Mitleid in seine kühlen Augen. »Das war ’Wild-Bill’ Palestine«, sagte er. »Das war der Sohn von Big Bill persönlich. Er hatte seinen Jungen mit einer Treibherde losgeschickt, um ihn sozusagen das Meisterstück machen zu lassen. Er hat diese Treibherde auch mit Hilfe eines guten Vormannes und einer erstklassigen Mannschaft gut hergebracht und nicht weniger gut verkauft. Ich habe gehört, dass die Mannschaft eine Express-Sonderpostkutsche gemietet hat, um den Toten heimbringen zu können. Diese Post wird Tag und Nacht fahren und nur zum Gespannwechsel anhalten. Zum Glück ist jetzt auch schon der Herbst bald vorbei. Sonst – bei der Hitze – wäre es wohl nicht so einfach …«

Er brach ab und ging zur Tür.

Von dort sagte er: »Wir haben der Palestine-Mannschaft unmissverständlich klargemacht, dass sie dich in Frieden lassen soll. Und da sie es eilig hat, mit dem Toten abzufahren, werden sie sich gewiss nicht mit dir aufhalten. Aber du kannst dir alles sonst allein ausrechnen. Du bist doch kein kleiner Pinscher, kein Anfänger, kein Dummkopf. Du bist doch Johnny Laredo, von dem man sich selbst hier in Kansas ein paar Geschichten erzählt. Stimmt es, dass du drüben in Mexiko bei Juarez Major gewesen bist?«

Ich grinste nur bitter. Denn das alles war längst vorbei, und es nützte mir nichts mehr. Ich wusste nun mit Sicherheit, dass ich es wahrscheinlich mit einem der mächtigsten Männer des ganzen Südwestens zu tun bekommen würde.

Denn ich hatte seinen Sohn getötet.

Und wenn ich mich nicht irrte, besaß dieser Big Bill Palestine nur diesen einen Sohn. Jetzt besaß er keinen mehr.

Deshalb konnte es leicht sein, dass ich für ihn der Bursche war, der sein ganzes Lebenswerk, den Sinn seines Lebens zerstört hatte. Ich hatte einem Cattleking den Kronprinzen genommen – ich, der Revolvermann Johnny Laredo.

Nun überlegte ich, wann ich reiten konnte. Denn es war wahrhaftig besser, schnell tausend Meilen hinter mich zu bringen und die Fährte sorgfältig zu verwischen. Ich gehörte jetzt zu jenen Burschen, die fortwährend über die Schulter blicken mussten, weil sie Schatten auf ihren Fährten hatten – gefährliche, lautlose und erfahrene Kopfjäger.

Es hatte wohl wenig Sinn, sich darauf zu verlassen, dass dieser Big Bill Palestine die Sache objektiv sehen konnte und mir das Recht auf Selbstverteidigung zubilligte. Nein!

Und ich fragte mich, warum mir der einzige Sohn des mächtigen Big Bill Palestine nach Straßenräuberart das Geld nahm?

Aber das würde mir sein großer Vater sicherlich nicht glauben. Ich beschloss, mich nach Anbruch der Dunkelheit aus dem Staub zu machen.

Freunde hatte ich keine in Abilene. Die Treibmannschaft, mit der ich gekommen war, hatte sich längst zerstreut. Zum Teil waren die Reiter mit ihrem Boss schon heimwärts unterwegs. Ich war mit ihnen gut ausgekommen, weil sie mich respektiert hatten. Aber einen Freund hatte ich nicht gewonnen. Ich wollte es auch gar nicht. Bisher war ich früher oder später stets von Freunden enttäuscht worden. Das gehörte zum Leben, zu all den Höhen und Tiefen, Freuden und Enttäuschungen. Das war das Leben.

Aber ich wollte keine Freunde mehr. Ich war ein einsamer Wolf. Und deshalb war ich auch jetzt allein. Aber das war mir recht. Auf mich konnte ich mich immer verlassen.

***

Der Hausneger versorgte mich gut, aber er verdiente sich ja auch ein gutes Trinkgeld dabei. Ich trank, aß und ruhte mich aus. Die Schmerzen in meiner Seite wurden erträglich. Aber ich wusste, dass ich im Sattel eine kleine Hölle bekommen würde, bevor ich auch nur dreißig Meilen geritten war.

Wahrscheinlich würde sich dann auch Wundfieber einstellen und konnte es auch möglich sein, dass die Wunde sich entzündete.

Es war zwei Stunden vor Mitternacht, als ich das Hotel durch das Fenster einer kleinen Kammer verließ, welches in eine Seitengasse führte. Ich hatte nur ein kleines Bündel bei mir.

Den Mietstall betrat ich durch die kleine Pforte des hinteren Tores. Sie befand sich im linken Torflügel und quietschte nicht mal. Aber mein Pferd befand sich nicht in der Box, die ich gemietet hatte.

Vorne im Vorraum war die Beleuchtung besser. Dort vorne hatte auch der Stallmann sein Büro und den Schlafverschlag. Und dort vorne stand auch ein Pferd. Es war gesattelt und wartete auf seinen Besitzer. Es kam oft vor, dass der Stallmann zu einer bestimmten Zeit ein Pferd sattelte und dann im Vorraum auf den Besitzer warten ließ.

Ich ging den halbdunklen Stallgang entlang nach vorn und erkannte, dass es mein Pferd war. Solch einen verrückt gefleckten Schecken gab es nicht zweimal. Und auch meinen Sattel kannte ich gut genug.

Ja, mein Pferd war fertig zum Abritt und wartete auf mich. So sah es aus. Aber wer hatte es bereitstellen lassen? Vom Stallmann war nichts zu sehen. Vielleicht war er in seinem Verschlag oder dem Büro.

Ich schnappte meinen Revolver heraus.

Aber es war niemand da – auch nicht hinter mir auf dem Heuboden, zu dem ich hochspähte, indes ich mich meinem Pferd näherte.

Das große Tor zum Hof stand offen – beide Flügel.

Draußen waren eine Menge Wagen und Sattelpferde abgestellt. Vielleicht war auch der Stallmann dort draußen.

Ich nahm mein Pferd und führte es hinaus, nachdem ich mein Bündel hinter dem Sattel festgezurrt hatte.

Als ich neben dem Tier ins Freie trat, da hatten sie mich auch schon.

Oben vom Dach des Mietstalles sprang jemand auf mich nieder. Er brach mir fast die Schultern und das Rückgrat. Diese harten Jungens verstanden ihr Geschäft. Sie hatten gewiss auch mit Trinkgeldern nicht gespart, damit wir unter uns waren.

Mein Colt nützte mir nichts – gar nichts. Denn ich brach unter dem auf mich niederwuchtenden Mann zusammen, bekam überdies auch noch ein Ding auf den Hut und hatte zusätzlich noch das Gefühl, von einem Pferd in die verwundete Seite getreten worden zu sein.

Ich begriff nur noch, dass sie mich erwischt hatten.

Sie würden gewiss nicht nur den toten Wild-Bill Palestine heimbringen. Das war klar.

3

Zwei Meilen südlich der Stadt kam ich wieder zum Bewusstsein. Ich lag quer über meinem Sattel, und die Schmerzen machten mich halb verrückt.

Ich machte mich verständlich und sagte den Schuften, was ich von ihnen hielt. Ich durfte mich richtig in den Sattel setzen. Die Lichter der Stadt waren noch nahe – aber ich selbst war schon wie tausend Meilen weit von Freundlichkeit, Sicherheit und Wärme entfernt.

Kein Deputy konnte mir helfen. Es gab in Abilene auch keine Freunde. Ich war Gefangener und allein.

Sie ließen mich verschnaufen, warteten geduldig, bis sich die Schmerzen in meiner Seite beruhigt hatten. Sie ließen mich sogar aus der Wasserflasche trinken, die an meinem Sattelhorn hing.

Und sie waren ein Dutzend Reiter. Es war jener Teil der Palestine-Stammmannschaft, die nicht mit dem toten Wild-Bill in der Sonder-Express-Post heimwärts fahren konnte – sozusagen als »Ehrenwache« des Kronprinzen. Sie mussten heimreiten und hatten die Aufgabe übernommen, mich dem King vor die Füße zu legen.

Ich sagte zu ihnen: »Ihr müsst ihn doch gekannt haben. Der war doch so falsch wie ein Korb voll Klapperschlangen. Und ihr müsst doch auch gehört haben, dass er den ersten Schuss hatte. Sollte ich mich von ihm töten lassen?«

Sie dachten über meine Worte nach – schweigend. Und ich hatte das Gefühl, dass sich einige sogar schämten und deshalb so ruhig blieben.

Aber dann sagte einer: »Junge, es gibt auf dieser Welt immer wieder Unterschiede. Wenn du zum Beispiel einen räudigen Indianerhund abschießt, verliert niemand darüber ein Wort. Aber wenn du den Fehler machst, einem King den einzigen Erben und Nachfolger abzuknallen, dann …«

Er verstummte, und seine Stimme klang bitter. Was er sagte, machte ihm wenig Freude. Aber es war dennoch eine abweisende Härte in seiner Stimme.

»Weißt du, Johnny Laredo«, sagte er, »dieser Big Bill Palestine ist unser Vater. Wir gehören zu ihm wie seine Hände – wie alles, was Palestine-Ranch ist. Deshalb müssen wir dich zu ihm bringen. Ihm allein steht die Entscheidung zu, was mit dir geschehen soll. Wir wären ihm schlechte Reiter, würden wir ihm nicht den Mann bringen, der seinen Sohn von dieser Erde jagte. Das musst du verstehen, Bruder. Denn wir sind Palestine-Reiter. Und alles, was Palestine ist, kommt zuerst. Du hast die Wahl, ob du friedlich und vernünftig mit uns reiten willst, oder wir dich quer über den Sattel mitnehmen. Ich denke, dass wir es in zwanzig Tagen schaffen können. Also, wie willst du es haben?«

Ich schnaufte bitter.

»Oh, ich begreife schon«, sagte ich. »Big Bill Palestine ist euer Gott, euer Götze. Alles, was ihm nützlich ist, ist gut. Was ihm schadet, ist böse. So einfach ist alles für euch Götzenknechte. Die Palestine-Ranch über alles! Das ist eure Religion! Ja, ich begreife, dass ihr mich auch an einem Lasso den langen Weg bis nach Texas hinunterschleifen würdet. Ihr seid eine stolze Mannschaft. Ihr seid so richtig ehrenwert und …«

Weiter kam ich nicht. Denn ein bulliger Bursche drängte sein Pferd dicht neben meines und sagte kehlig: »Sei doch nicht dumm, Johnny Laredo! Halt deine Klappe und füge dich. Es macht uns keinen Spaß, dich mitzunehmen. Doch wir werden es tun.«

Da hielt ich meinen Mund. Es hatte keinen Sinn, auch nur noch ein einziges Wort zu sagen. Ich hatte den Sohn eines Königs getötet. Und die treuen Mannen dieses Königs brachten mich zu ihm.

So mittelalterlich war es. Nicht anders.

***

Die ersten Tage waren die Hölle, denn ich war ja verwundet, und das lange Reiten machte mich krank. Wir legten jeden Tag etwa vierzig Meilen zurück, denn wir hatten genügend Reservepferde bei uns, erstklassige Tiere, wie nur ein Cattleking sie seinen Reitern zur Verfügung stellen konnte.

Erst nach einigen Tagen ging es mir besser, und dann legten die harten Langreiter noch zu. An manchen Tagen ritten wir mehr als fünfzig Meilen und benutzten Abkürzungen, die man mit den Rindern hätte nicht wagen können. Wir kamen gut vorwärts. Ich erholte mich langsam im Sattel, denn ich war ja wirklich eine harte Nummer. Aber jeder durchschnittliche Bursche hätte die ersten Stunden und Tage nicht überstanden.

Nach und nach lernte ich die einzelnen Männer dieser hartbeinigen Mannschaft kennen, wusste bald zumindest ihre Rufnamen und begriff mehr und mehr, dass sie allesamt mit den getreuen Rittern eines Königs vergleichbar waren.

Aber wie war dieser König? War er edel und gut? Oder hart und böse? Musste er vielleicht hart und unduldsam sein, um sich in seinem Königreich behaupten zu können?

Es gab viele Fragen. Nur eines war sicher: Er würde mich wahrscheinlich hassen.

In diesen Tagen, da wir ständig ritten und nur ein Camp aufschlugen, wenn unsere Tiere nicht mehr konnten, da versuchte ich zweimal die Flucht.

Beide Male musste ich meinen Wächter überrumpeln.

Und einmal kam ich sogar ganze drei Meilen weit. Aber dann hatten sie mich wieder, obwohl ich mich in einem Biberbau verborgen hielt. Sie waren zu erfahren, zu schlau und hart. Nicht wenige von ihnen waren früher gewiss Geächtete und lebten außerhalb des Gesetzes. Sie alle waren Revolvermänner. Doch eines Tages fanden sie bei Big Bill Palestine eine Zuflucht. Sie fanden einen Vater, der einen fairen Preis für ihre Treue zahlte. Das war es.

Und deshalb hielten sie auch dann zu ihm, wenn sie etwas tun mussten, was ihnen nicht behagte.

Aber ein wirklich bösartiger Typ war nicht unter ihnen. Im Kern waren sie alle wirkliche Kerle, wenn auch hart und unduldsam. Aber sie hatten wahrscheinlich niemals ihre Ehre verloren. Deshalb ließen sie es mich auch nicht büßen, dass ich ihnen zweimal ausriss und dabei meinen jeweiligen Wächter niederschlug. Sie passten nur schärfer auf mich auf.

Ich hatte einfach keine Chance, diesen erfahrenen Burschen zu entkommen. Sie waren zu zahlreich, und wenn wir im Camp schliefen, fesselten sie mich.

Als wir dann das Indianer-Territorium durchritten – es war der spätere Staat Oklahoma –, mussten wir uns genau auf den Straßen und Wegen halten, die für die Durchreise freigegeben waren.

Denn die Roten passten gut auf. Sie hatten ihre eigene Verwaltung und Polizei. Übrigens, »Ok-la-ho-ma«, dies bedeutet in der Choctaw-Sprache so viel wie: »Land des roten Mannes«.

Es gab eine Menge weißer Banditen in diesem Lande. Denn sie unterstanden nicht der Gerichtsbarkeit der indianischen Selbstverwaltung und konnten sich – wenn sie mit den Roten auskamen – im Ok-la-ho-ma sicherer fühlen als in einem Gebiet, in dem das Gesetz des Weißen galt.

Nun, wir ritten also stetig nach Süden und schwenkten schließlich bei Fort Worth etwas westlicher ein. Wären wir weiter südlicher geritten, so hätten wir dicht bei der Mexikogrenze auf meine Heimatweide kommen müssen. Denn dort, weit im Süden, lag Laredo, die Stadt, die mir ihren Namen gab, weil sie meinen wirklichen Namen nicht wusste. Aber wir ritten von Forth Worth über San Angelo zum Pecos.

Von Abilene in Kansas brauchten wir wahrhaftig nur zwanzig Tage bis zum Pecos.

Dies war eine erstklassige Leistung, die sich sehen lassen konnte. Sie war zu vergleichen mit jenem Ritt, den damals Davy Crockett mit zwölf Mann von Tennessee nach Alamo machte, um dort zu helfen und mit den Verteidigern von Alamo zu sterben.

Nun, als wir den Pecos durchfurtet hatten, befanden wir uns in Big Bill Palestines Reich, und ich begann mir nun ganz ernsthaft Sorgen zu machen. Bisher hatte ich immer noch gehofft, eine dritte Chance zur Flucht zu bekommen. Doch jetzt war es wohl vorbei damit.

War es schon schwer genug, unterwegs dieser harten Mannschaft zu entkommen, so war es gewiss völlig unmöglich, aus Big Bill Palestines Hauptquartier zu flüchten.

Er hatte mich also. Und was würde er mit mir tun? Das war die ständige Frage, die in mir bohrte.

Dennoch ließ ich meine Augen ständig arbeiten. Ich prägte mir das Land ein, durch welches wir ritten. Ich merkte mir genau die Formationen der Hügelketten, die Canyons und Lücken. Ich prägte mir den Verlauf der Creeks ein und spähte in die Ferne, so dies mal wieder möglich war, wenn wir über Wasserscheiden ritten.

Denn vielleicht würde ich mich einmal in dunkler Nacht auf der Flucht in diesem Lande zurechtfinden müssen.

Die Männer, mit denen ich ritt, waren jetzt ernster als zuvor. Sie waren sichtlich angefüllt mit einer Spannung, und ich fragte mich, ob es vielleicht einigen von ihnen leidtat, mich mitgeschleppt zu haben.

Überall in weiter Runde sah ich kleine Ortschaften, Ranches, Farmen. Ich sah Rinderherden, Pferderudel – und es ritten Reiter da und dort, fuhren Wagen.

In einem lieblichen Tal sah ich eine Stadt liegen. Ich wusste; dass dies dort Palestine City war.

Denn ein König wie Big Bill Palestine hatte natürlich in seinem Königteich seine eigene Stadt. Das konnte gar nicht anders sein. Aber wir bogen vor dem Ort nach Süden ab, durchritten nochmals eine Hügelkette und sahen dann die Ranch.

Sie wurde im Dreiviertelkreis von einem Creek umflossen und lag am Fuße eines flachen Hügels, auf dem das Haupthaus stand wie eine Burg. Dieses Haus war aus Stein errichtet. Es gab einen Garten mit reichlich Bäumen.

Alles war ganz nach der Art und im Stile angelegt, wie einst die spanischen Gouverneure ihre Residenzen schufen.

Und alles sah sehr mächtig, gewaltig – aber auch zivilisiert aus. Das machte mir etwas Hoffnung. In solch einer Residenz konnte kein primitiver Bursche wohnen, der blutige Rache nahm. Vielleicht konnte ich ihn überzeugen, dass mir keine andere Wahl blieb und sein Sohn es nicht anders haben wollte.

Aber mir war dennoch flau in der Magengegend.

Wir mussten noch ein paar Meilen reiten, und als wir dann endlich die weitläufigen Corrals und Weidekoppeln am Creek erreichten, lief ein halbes Dutzend Buben mexikanischer Abstammung herbei, um uns die Pferde abzunehmen.

Wir gingen sporenklirrend und staubig zu den Quartieren hinüber. An einigen Steintrögen, durch die eine Nebenader des kühlen Creeks sprudelte, wuschen wir uns, indes auf der schattigen Veranda des Speiseraumes schon die Tische gedeckt wurden. Denn diese Ranch empfing ihre heimgekehrten Reiter wie Söhne.

Aber dann wurde es ernst für mich.

Juarez tauchte plötzlich auf. Er sah mich ernst an, und er wirkte noch härter und undurchdringlicher als vor Wochen. Alles, was er auch denken und fühlen mochte, war tief unter seiner dunklen und bronzehaften Oberfläche verborgen.

»Geh vor mir her«, sagte er, »Big Bill will dich sehen.«

Ich gehorchte, doch als wir über die Brücke gingen, die zum Fuße des Hügels über den Creek führte, da hielt ich mitten auf der Brücke an.

»Wie hat er es aufgenommen?« So fragte ich über die Schulter. »Und habt ihr ihm eigentlich gesagt, dass mir keine andere Wahl blieb? Weiß er, dass sein Sohn kein ehrliches Spiel verlieren konnte und mich zuvor beraubte und dir den Auftrag gab, mich zu töten? Weiß er, dass du …«

»Er weiß alles«, unterbrach mich Juarez. »Denn ich verschwieg ihm nichts. Er weiß alles. Aber er liebte seinen Sohn. Und Liebe kann blind machen. Liebe kann viel Glaube und Hoffnung erzeugen. Er hat um seinen Sohn geweint und hasst den Mann, der ihn tötete. Er hat wahrscheinlich zum ersten Male in seinem ganzen Leben geweint. Das hat er nicht mal, als seine Frau von den Caddos getötet wurde.«

Ich fragte und sagte nichts mehr. Denn ich wollte nicht in Feigheit verfallen. Denn hätte ich den Mund noch einmal aufgemacht, so würde ich Juarez gefragt haben, ob Big Bill mich töten lassen wollte.

Ich ging weiter und gehorchte Juarez’ Anweisungen. Drüben auf der Hügelseite ging ein Reit- und Fahrweg in Kehren hinauf wie zu einer Burg. Aber es waren nur drei Kehren, denn der Hügel war nicht hoch.

Oben begann gleich der Garten, und es gab eine sprudelnde Quelle, die wie ein Springbrunnen war. Irgendwo tief unter dem Hügel musste es einen Überdruck geben, der das Wasser hochtrieb. Vielleicht hatte sich ein unterirdischer Creek, der seinen Druck von einem weit entfernten Bergsee her erhielt, hier oben auf dem Hügel einen Austritt gesucht – und diesen gefunden, weil es eine natürliche Gelegenheit gab.

Es war ein kleines Wunder. Und es machte die flache Hügelkuppe zu einem Paradies.

Wir gingen durch den Garten auf das Haus zu.

Einige Male dachte ich an Flucht.

Juarez war zwar bewaffnet. Doch ging er manchmal nur zwei oder drei Schritte hinter mir. Bei aller Sattelsteifheit und Müdigkeit hätte ich vielleicht doch schnell genug herumwirbeln und ihn mit einem herumgezogenen Schwinger von den Beinen fegen können. Und dann …?

Gewiss, ich würde den Colt des Indianers bekommen. Aber bald schon hätten sie mich in eine Ecke gedrängt. Ich hätte dann nur noch die Wahl, kämpfend zu sterben oder mich vorher zu ergeben.

Nein, da war es schon besser, erst einmal mit diesem Big Bill Palestine zu reden. Reden und Verhandeln, Erklären und Abwarten, dies alles war vorerst einmal besser.

Wir gingen auf die Veranda, von der aus der King sein Reich übersehen konnte. Es gab hier einen schweren Tisch und klobige, rustikale Sessel, alte spanische Stücke.

Er saß auf der Tischkante, hatte einen Fuß am Boden und schlenkerte leicht mit dem anderen. Er war wie ein Weidereiter gekleidet, also schlicht und einfach, doch zweckmäßig. Nur waren Stiefel, Hose, Hemd und Weste von besserem Zeug.

Er war kaum mehr als mittelgroß, hatte weißes Haar und wirkte eine Idee zu hager. Aber noch vor wenigen Jahren war er gewiss wunderbar proportioniert und im Vollbesitz seiner körperlichen Kräfte. Als jüngerer Mann war er gewiss auf männliche Art schön wie ein Gott.

Dieses hatte sein Sohn von ihm gehabt. Wild-Bill war nur größer und schwerer als sein Vater.

Doch als ich in die Augen des alten Kings sah, da erkannte ich alles.

Er war mehr als ein Boss. Er war ein Eroberer, ein King.

Sein Wille sprang mich an, und dann spürte ich, wie dieser Strom in mich einzudringen versuchte, um mich zu erforschen.

Ich stand da und erwiderte seinen Blick. Es kostete mich Mühe, aber ich war mir keiner Schuld bewusst. Ich sah in seine Augen und ließ ihn erkennen, dass ich nicht weniger stolz war – und dass ich zumindest ein Mann war, kein räudiger Hund.

Dann öffnete er seinen hartlippigen Mund, unter dem er einen weißen Spitzbart trug. Seine Stimme klang tief, ruhig, beherrscht. Es war eine Stimme, die nie einen Befehl zweimal geben musste und auch niemals besonders laut war.

Aber es war eine Stimme, bei deren Ertönen gewiss andere Männer schwiegen und der man zuhören musste. Es war eine zwingende Kraft in dieser Stimme – die gleiche Kraft, die sein Blick ausströmte.

Und er sagte: »Du hast meinen Sohn getötet, Revolvermann Johnny Laredo! Gegen einen Revolvermann wie dich hatte mein Sohn keine Chance. Es muss fast als ein Mord angesehen werden. Was hast du für eine Entschuldigung?«

Ich sah ihn an – und ich begriff, dass ich mit Engelszungen hätte reden können. Es hätte nichts genützt.

In diesem Manne war Schmerz, echter, bitterster, wilder, hilfloser Schmerz. Dieser Mann da hatte sein Urteil längst gefällt. Da war nichts mehr daran zu rütteln.

Und so sah ich ihn fest an – mit all meiner Kraft, die ich aufbringen konnte. Und ich wusste, dass die meisten Männer wegsehen mussten, wenn ich sie so ansah mit meinen grüngrauen Augen. Ich war groß und dunkel wie ein Indianer. Ich war narbig und trug die Zeichen von Kämpfen. Ich glich einem großen, schwarzen, narbigen Wolf. Von mir strömte Kühnheit aus. Das wusste ich.

Und ich sagte: »Mister, Ihr Sohn taugte nichts – gar nichts. Das wissen Sie genau, aber Sie wollen es nicht wahrhaben. Ich war nicht hinter ihm her. Er erkannte mich früher als ich ihn. Er zog, schoss – und traf nicht richtig. Sie haben mich von Ihrer Mannschaft herbringen lassen, um sich zu rächen. Und damit wird dann wohl völlig klar werden, woher Ihr Sohn seine miesen Eigenschaften hatte. Sie kamen wahrscheinlich Ihr ganzes Leben lang damit durch. Ihr Junge aber hatte nur Ihre miesen Eigenschaften und nicht das andere Format geerbt, welches bei Ihnen wohl zweifellos vorhanden ist. Nun, ich denke mir, dass Sie Ihr Urteil schon aus eigener Machtvollkommenheit gefällt haben. Ich werde keine Chance bekommen. Nun gut, ich spucke aus der Hölle auf Sie, Mister!«

Damit hatte ich alles gesagt, und ich spürte eine grimmige Freude, dass meine Stimme so kühl und sachlich dabei klang.

Ich traf ihn tief, und einen Moment glaubte ich, er würde nach einer Peitsche langen, von denen einige neben der Tür an der Außenwand hingen neben indianischen Waffen und Lassos.

Aber er ließ es. Er bekam nur ein noch härter wirkendes Gesicht.

»Soll ich gehenkt werden?« So fragte ich. »Oder wird man mich mit Hilfe von Pferden in zwei Teile reißen? Irgendeine mittelalterliche Strafe werden Sie sich doch wohl ausgedacht haben. Aber warum konnten Sie eigentlich nicht Ihren Sohn so erziehen, dass er ein fairer Verlierer im Spiel war?«

Nun verstummte ich wild höhnend. Und ich bereute es. Denn ich wollte kühl und sachlich bleiben, nicht wild höhnen, sondern kalt verachten.

Er betrachtete mich schweigend.

Dann sagte er fast milde: »Pass auf, Revolvermann. Ich will es dir erklären. Ich habe hier ein Stück Texas geschaffen. Und ich hätte auch noch meinen Sohn so weit hinbekommen, dass er eines Tages an meine Stelle treten konnte. Aber das alles hast du mit einer Kugel zunichtegemacht. Du hast mich zu einem Manne gemacht, dessen Lebenswerk vergeblich war – zu einem Nichts, der nutzlos lebte, weil nach ihm bald schon nichts mehr von dem sein wird, was er aufbaute und hinterließ. Du bist nur ein Revolvermann, der nicht viel taugt und niemals viel taugen wird. Du hast nie etwas aufgebaut oder irgendwie erschaffen. Du hast immer nur zerstört, vernichtet – wie ein Wolf. Mein Sohn war in dieser Welt sehr viel wichtiger als du. Selbst mit all seinen Fehlern und Schwächen war er wichtiger. Denn er sollte eine Aufgabe erfüllen. Begreifst du das?«

Ich schüttelte den Kopf. »Wir werden uns wohl nicht einigen können, Sir«, sagte ich. »Sie können aus einem räudigen Hund keinen Löwen machen. Und Ihr Junge war …«

»Halt den Mund, Revolverschwinger«, zischte er.

Und da hielt ich die Klappe. Denn nun war er am Ende seiner Beherrschung.

Er erhob sich vom Tisch, ging sporenklirrend umher und gewann seine Beherrschung wieder. Ich sah mich nach Juarez um, der an der Verandatreppe verhalten hatte.

Der Indianer glich einer regungslosen Statue. Aber seine Blicke waren auf Big Bill gerichtet. Er ließ mich an einen stumm und wachsam wartenden Hund denken, der jeden Befehl ausführen wird.

Big Bill sagte plötzlich: »Hole sie herbei, Juarez!«

Und da machte dieser auf dem Absatz kehrt und ging.

Ich sah Big Bill an. Dieser setzte sich wieder halb auf die Tischecke und schlenkerte mit einem Bein. Das silberne Sporenrad klimperte ein wenig.

Einen Moment dachte ich daran, mich auf ihn zu stürzen und mich seiner zu bemächtigen. Aber als er mich ansah, erkannte ich in seinen Augen, dass er nur darauf wartete.

Ich wusste, dass er noch sehr schnell mit dem Colt war. Er hatte sich so auf die Tischecke gesetzt, dass sein rechtes Bein am Boden stand. Er konnte den Colt gut aus dem Halfter bekommen. Und ich konnte die fünf Schritte bis zu ihm nicht schaffen.

Er sagte nichts, hob nur leicht seine Oberlippe. Ich wusste, dass er ziehen und schießen würde, näherte ich mich ohne seine Erlaubnis auch nur um einen einzigen Schritt.

Wollte er mich vielleicht in Versuchung führen, um einen Grund zu haben, mich umlegen zu können?

Von meinem Standort aus konnte ich durch die offene Tür in die große Wohnhalle blicken. Drinnen war eine mächtige Treppe, die zu den oberen Räumen führte. Eine Frau kam diese Treppe herunter, hielt auf der letzten Stufe an und sah durch den Raum zur offenen Tür hinaus auf mich.

Es war eine junge Frau – oder ein Mädchen. Sie war mittelgroß, dunkel – und dabei blauäugig. Das blaue Leinenkleid hatte die Farbe ihrer Augen. Wir sahen uns eine Weile bewegungslos an. Sie gefiel mir, und ich begriff, dass sie die Treppe niedergekommen war, um mich sehen zu können.

War sie Wild Bills Schwester – oder Braut? Ich spürte, wie sie mich genau betrachtete. Dann wandte sie sich zur Seite, verließ dabei mit einer geschmeidigen Bewegung die letzte Treppenstufe und verschwand aus meinem Blickfeld.

Ihre Art, sich zu bewegen, gefiel mir. Ich hatte gewiss eine Menge anderer Sorgen, aber ich wusste, dass ich sie so schnell nicht vergessen würde. Es kam keine Feindschaft von ihr zu mir herüber. Sie betrachtete mich nur kritisch und hielt das Kinn dabei erhoben.

Einen Moment war ich versucht, Big Bill selbst zu fragen, wer das Mädchen sei. Aber dann hörte ich sporenklingelnde Schritte.

Es waren mehrere Männer – außer Juarez noch drei. Sie kamen auf eine lässige Art, und sie wirkten schon auf den ersten Blick beachtlich.

Ich begriff es schnell. Das waren keine Cowboys, keine Vorleute oder sonstige Knappen und Mannen eines Königs. Dies da waren seine Ritter. So konnte man es vergleichen. Dies da waren Burschen, die ein König überall hinschicken konnte – galt es, Feinde zu besiegen, als Statthalter zu fungieren oder die Grenzen zu schützen. Diese da waren die Getreuen, ohne die ein King nicht sein kann.

Noch wusste ich nicht ihre Namen – aber ich würde nicht lange warten müssen.

»Das ist er«, sagte Big Bill zu ihnen. »Seht ihn euch gut an.«

Sie nickten und betrachteten mich. Er aber stellte sie mir vor. Und dann wusste ich es. Der mittelgroße, dunkle und hellhäutige Bursche, der den Revolver links trug, war John McFay. Der hagere, große, braunhaarige und gelbäugige Mann war Sloan Calhoun. Und der Mann mit den roten Haaren und den Sommersprossen im zerfurchten Gesicht war Chase Lee.

Sie alle waren etwas älter als ich – erfahrener – und vielleicht auch sogar schneller mit dem Colt. Ich erinnerte mich jetzt auch wieder an ihre Namen, denn irgendwann einmal vor Jahren hatte ich schon mal als junger Bursche davon gehört, dass sie die Bestmänner des mächtigen Big Bill Palestine wären.

Sie sahen mich unpersönlich an.

Big Bill aber sagte: »Ihr habt schon ausgelost, nicht wahr? Wer ist zuerst an der Reihe?«

»Ich«, sagte jener Mann, der mir als John McFay vorgestellt worden war. Und er sah mich nun noch schärfer an als zuvor.

Big Bills Stimme klang etwas schärfer, als er mich nun aufklärte. »Ich gebe dir die gleiche Chance, die du meinem Sohne gabst«, sagte er. »Denn ich glaube dir nicht, dass du dein Wort, welches du Juarez gabst, hieltest. Ich glaube vielmehr, dass du nach Bill suchtest und ihn in Abilene fandest. Ich gebe dir drei Tage Vorsprung. Dann nimmt John McFay deine Fährte auf. Wenn er dich findet, wird er versuchen, dich zu töten. Schafft er es nicht, wird zuerst Sloan Calhoun – und schafft dieser es auch nicht, so wird es schließlich Chase Lee versuchen. Einer von ihnen tötet dich. Es wird dir so ergehen wie meinem Jungen. Irgendwo wird dich einer dieser Männer finden und töten. Du kannst gehen. Johnny Laredo.«

Ich staunte. Und einen Moment glaubte ich, einen Traum zu träumen. Aber es war Wirklichkeit. Er wollte sich rächen. Deshalb ließ er drei Menschenjäger auf mich los.

Er glaubte, dass ich seinen Sohn gesucht und mein an Juarez gegebenes Wort gebrochen hatte. Er wollte es glauben. Jedes weitere Wort war Verschwendung.

Ich sah die drei Revolvermänner nacheinander an. Ich musterte sie genau. Denn ich würde sie von jetzt an zuerst erkennen müssen.

Dann ging ich. Und ich hörte Big Bill hinter mir sagen: »Auch du bist hier fertig, Juarez. Du hast meinen Sohn schlecht beschützt.«

4

Ich hörte es mit Staunen. Und ich verhielt sogar und sah über die Schulter. Er schickte tatsächlich den Indianer fort, der ihm und seinem Sohn gewiss treu wie ein Hund diente. Aber in seinen Augen hatte Juarez damals einen Fehler gemacht, indem er mich nicht tötete, sondern gegen ein Wort laufen ließ. Dies ließ er ihn nun büßen.

Er schickte ihn fort. Und Juarez senkte den Kopf und ging wahrhaftig. Aber was blieb ihm auch sonst übrig? Aus irgendeinem Grunde war er Big Bill treu wie ein Hund, und er hatte die Aufgabe, Big Bills Sohn ein treuer Knappe zu sein.

Dabei hatte er Big Bills Meinung nach versagt.

Juarez ging nicht in meine Richtung. Er verschwand um die Hausecke.

Ich aber ging weiter. In mir war die Müdigkeit des Drei-Wochen-Rittes, und ich war hungrig, so richtig ausgebrannt und mit Blei in allen Gliedern.

Aber zu dieser rein physischen Erschöpfung kam nun das geistige, seelische Ausgebranntsein, welches aus meinem innersten Kern strömte, lähmend, bitter und hoffnungslos.

Den Körper konnte man mit zäher Energie zwingen. Aber woher diese Energie nehmen, wenn man sich physisch so erledigt fühlte?

Ich ging die Kehren des Hügelweges hinunter zur Brücke. Auf der Brücke hielt ich an und blickte in das strömende Wasser des Creeks. Ich sah einen Ast treiben. Überall stieß er an Steine an, blieb da und dort hängen. Doch er wurde immer wieder gelöst und weiter abwärts gestoßen.

Tote Dinge – so dachte ich – werden von solch einer Strömung bewegt, und sie können keinen Einfluss nehmen auf ihren Weg. Aber ein Mann wie ich …

Ich wischte mir über das stoppelbärtige Gesicht.

… muss kämpfen, vollendete ich meinen Gedanken. Ein Mann muss in jeder Strömung, die ihn mitreißen und unterbekommen will, bis zum letzten Atemzug kämpfen. Denn ein Mann muss frei von Furcht und nach seinem eigenen Willen seinen Weg gehen können. Und ich will nicht auf der Flucht sein vor Big Bills Rächern. Ich will mich auch nicht herumstoßen lassen. Ich will kämpfen – irgendwie.

Und dann spuckte ich von der Brücke in den Creek und ging weiter.

Ich fühlte mich nicht mehr ganz so ausgebrannt. Mir war etwas besser. Wollte ich eines Tages irgendwo meinen Frieden finden, so würde ich dreimal Sieger bleiben müssen über Big Bills Männer.

Nun, ich würde mir Mühe geben. Wer konnte mir das übel nehmen? Und sollte ich es schaffen können, Big Bills Revolvermänner nacheinander zu besiegen – was dann? Würde Big Bill dann aufgeben? Oder würde er weitere Rächer aussenden? Würde er vielleicht sogar einen hohen Kopfpreis auf mich aussetzen, sodass die Kopfgeldjäger dann in Rudeln hinter mir her waren?

Mir wurde heiß bei diesen Gedanken. Und ich spürte plötzlich wieder jene heiße Furcht, die jedes Wild spürt, fühlt es sich hoffnungslos in einer Falle.

Big Bill Palestine war ein Mächtiger. Er konnte immer wieder neue Handlanger finden. Und einer würde es eines Tages schaffen.

Ich hatte das andere Ende der Brücke erreicht, hielt an, wandte mich und sah zum Hügel hinauf, auf dem Big Bills Hauptquartier wie eine Burg stand.

Wäre es nicht besser für mich, Big Bill zu töten? Dann wäre niemand mehr vorhanden, der sich auf eigenwillige Art und aus der Pose eines Feudalherrn heraus für etwas rächen wollte – eigensinnig, unfair und verblendet.

Aber ich wusste, dass ich es dann mit seinen drei Revolvermännern zugleich zu tun bekäme. Nein, so ging es jetzt nicht. Ich musste erst einmal fort.

Und so ging ich zu den Corrals hinüber, bei denen wir vor einer Weile von unseren müden Pferden geklettert waren.

Drüben auf der Veranda des Speisesaales saß die Mannschaft, die mich als Gefangenen mitgeführt hatte. Sie aßen immer noch, tranken dazu. Gewiss hatte man ihnen zur Feier der Heimkehr ein besonders gutes Essen vorgesetzt. Zwei Mexikanermädchen bedienten sie. Ja, Big Bills Reiter lebten gut.

Als ich in ihr Blickfeld geriet, stellten sie das Essen und Trinken ein. Sie waren starr. Manche hatten noch den Mund voll Speise. Doch sie kauten nicht weiter. Sie staunten.

Ich verhielt, hakte meine Daumen hinter den Hosenbund und nickte zu ihnen hinüber.

»Lasst es euch gut schmecken, Jungens«, sagte ich. »Und vergesst mich nicht in euren Träumen und beim Nachtgebet. Ich werde euch niemals vergessen, denn ihr wart die stolzeste Mannschaft, mit der ich reiten durfte. Ihr seid richtige Edelleute. Ihr würdet auch einen blinden Hund zum Schlächter bringen, nicht wahr? Einer von euch hat meinen Waffengürtel mit dem Colt. Und einer nahm mir das Gewehr. Her damit! Ich muss diese Waffen haben! Oder soll ich Mister John McFay mit Steinen werfen?«

Zuerst wollten sie böse werden. Denn in meiner Stimme klang beißender Hohn. Ich ließ sie meine ganze Verachtung spüren.

Doch als ich dann die letzten Worte sprach, da verstanden sie mich. Sie begriffen schnell, dass ihr Big King mich erst einmal jagen lassen wollte, bevor ich den Fangschuss bekam.

Sie begriffen, dass ihr Big King sich eine besondere Rache ausgedacht hatte.

Es gab gewiss einige unter diesen Männern, die jetzt von ihrem Boss enttäuscht waren – andere billigten vielleicht sein Verhalten. Hinter mir kam jemand näher.

Ich sah über die Schulter.

Es war jener John McFay, der zuerst versuchen sollte, meinen Skalp zu bekommen. Er sah mich mit seinen hellen, harten und tief liegenden Augen an und sagte: »Ich sorge selbst dafür, dass du mit allen notwendigen Dingen ausgerüstet wirst, Hombre. Du bekommst alles, was du brauchst und drei Tage Vorsprung. Nimm Platz dort drüben und iss dich satt, indes ich dir ein frisches Pferd und die notwendige Ausrüstung verschaffe. Und natürlich bekommst du auch deine Waffen zurück.«

Ich sah ihn noch einmal an.

Er war also der erste Jäger, der es mit mir versuchen würde. Sein Blick war unpersönlich und kühl. Für ihn war das ein Job. Er hätte ebenso gut auch den Auftrag erhalten haben können, einen gefährlichen Puma aufzuspüren und zu töten, der immer wieder die Kälber der Ranch tötete.

Ich sah ihm an, dass diese Jagd auf mich nur ein Job für ihn sein würde, mehr nicht. Für solche Arbeit war er zuständig.

Ich wandte ihm den Rücken und ging auf die Veranda. Am großen Tisch wäre noch Platz für ein halbes Dutzend Männer gewesen.

Eines der mexikanischen Mädchen bediente mich sofort. Ich sah mehrmals in ihre Augen – und ich erkannte darin Wärme, Freundlichkeit, Mitgefühl – all die guten Dinge eines Mädchens konnte ich erkennen.

Als ich dann aß, sah ich manchmal in die Runde. Aber keiner der Männer konnte meinen Blick lange ertragen. Sie starrten auf ihre Teller, stocherten darin herum und hatten plötzlich keinen Appetit mehr.

Ich aß kräftig. Denn ich hatte Hunger. Und vielleicht würde ich sobald nicht wieder eine solche gute Mahlzeit bekommen.

»Jungens«, sagte ich kauend, »nehmt es nicht so schwer. Ein guter Jagdhund bringt dem Herrn jedes Wild – oder treibt es ihm zumindest zu. Ein guter Jagdhund ist zuverlässig und treu – er stellt auch keine Fragen, denn er kann ja nicht sprechen – auch nicht denken. Denn ein Hund wird dressiert. Ihr seid auch gut dressiert worden. Aber vielleicht solltet ihr dennoch mal zu denken beginnen. Das müsst ihr doch früher mal gekonnt haben oder?«

Nun wurden sie böse, wütend, und sie bekamen dunkle Gesichter. Einer grollte: »Pass auf, Johnny Laredo, dass wir dir nicht noch das große Maul stopfen. Wir lassen uns nicht pausenlos in die Waden beißen, verstehst du, Junge? Hör auf jetzt! Wir haben genug.«

Ich hielt auch endlich meinen Mund.

Sie blieben allesamt sitzen und beobachteten mich. Es wäre ihnen feige vorgekommen und wie ein geheimes Eingeständnis ihrer Schuld mir gegenüber, hätten sie sich nach und nach vom Tisch geschlichen.

Sie blieben und hielten aus.

Aber sie fühlten sich irgendwie schuldig. Dies quoll aus all ihren Poren. Obwohl sie wussten, was Wild Bill für ein Giftpilz war und er überdies auch noch zuerst auf mich schoss, hatten sie mich seinem Vater ausgeliefert. Es war ihnen nicht wohl.

Als ich satt war, erhob ich mich. Dem mexikanischen Mädchen dankte ich mit meinem besten Lächeln und schüttelte den Kopf, als sie noch einmal aus einem Krug meinen Becher füllen wollte.

Jemand hatte meinen Waffengürtel und mein Gewehr gebracht und beides auf die breite Verandabrüstung gelegt. Ich legte den Gurt um, prüfte den Colt, tauschte die Patronen aus. Dann nahm ich das Gewehr und ging.

Ich sah mich nicht mehr nach den Männern um. Ich sagte kein Wort mehr. Ich zeigte ihnen meinen Rücken und ging.

Drüben vor einem Corral wartete einer der mexikanischen Pferdeburschen mit einem Schecken. Es war nicht mein Schecke, doch er war ähnlich gefleckt und gewiss nicht schlechter. Er war frisch, ausgeruht und gehörte zu der zähen, ausdauernden Sorte. John McFay hatte mir kein schlechtes Tier gegeben.

Ich saß auf und ritt davon. Sogar die Steigbügel waren richtig, aber es war ja mein alter Sattel.

Ich kam mir wie ein Fuchs vor, den man zuerst einfing und dann wieder laufen ließ, um die Meute auf ihn zu hetzen.

Nun, John McFay war keine Meute. Doch es konnte sein, dass er mir überlegen war. Auf jeden Fall kannte er eine Menge Tricks, und einige davon würden auch mir neu sein. Das war sicher.

Hinter seinen ersten Trick kam ich schnell. Denn nachdem ich ein Stück geritten war, sah ich mir im letzten Licht des Tages die Fährte an, die mein Tier hinterließ.

Das Tier hatte einen bemerkenswerten linken Vorderhuf. Er war deutlich kleiner als der rechte. Und überdies drehte es den linken Hinterhuf deutlich nach rechts. Diese Fährte konnte ein Indianer in dunkler Nacht mit den Fingern erfühlen. Und John McFay war vielleicht noch erfahrener als ein Indianer.