G. F. Unger Sonder-Edition Großband 23 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition Großband 23 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

10 spannende Westernromane von G. F. Unger zum absoluten Sparpreis in einem Band!

G. F. Unger wird zu Recht als der beliebteste und erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor gefeiert. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Seine Epoche ist das späte 19. Jahrhundert, seine Schauplätze sind die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens, deren Grenzen von unerschrockenen Frauen und Männern immer weiter nach Westen verschoben werden, bis sie schließlich die Küste des Pazifiks erreichen.

Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 221 bis 230 der G.F. Unger Sonder-Edition:
Folge 221: Das gnadenlose Land
Folge 222: Um eine Kugel zu spät
Folge 223: Galgenfrist
Folge 224: Die Kinkaids
Folge 225: Sie nannten ihn Winterriese
Folge 226: Spielerehre
Folge 227: Apachenpass
Folge 228: Reiten und kämpfen
Folge 229: Der Ritt nach Tombstone
Folge 230: Tausend Büffel

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 2050

Veröffentlichungsjahr: 2025

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G. F. Unger
G. F. Unger Sonder-Edition Großband 23

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2021 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2021 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Faba/Norma

ISBN: 978-3-7517-8306-4

https://www.bastei.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

G. F. Unger Sonder-Edition Großband 23

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

G. F. Unger Sonder-Edition 0221 - Western

Das gnadenlose Land

G. F. Unger Sonder-Edition 0222 - Western

Um eine Kugel zu spät

G. F. Unger Sonder-Edition 0223

Galgenfrist

G. F. Unger Sonder-Edition 224

Die Kinkaids

G. F. Unger Sonder-Edition 225

Sie nannten ihn Winterriese

G. F. Unger Sonder-Edition 226

Spielerehre

G. F. Unger Sonder-Edition 227

Apachenpass

G. F. Unger Sonder-Edition 228

Reiten und kämpfen

G. F. Unger Sonder-Edition 229

Der Ritt nach Tombstone

G. F. Unger Sonder-Edition 230

Tausend Büffel

Guide

Start Reading

Contents

Das gnadenlose Land

Es war an einem Nachmittag, als wir die Pferde in den Corral der Post- und Frachtagentur von Santa Barbara trieben. Es war eine kleine Stadt am Salt River, der nach Norden zu die Gila Range begrenzte.

Ich hatte Juan als Helfer mitgenommen, denn wir mussten die dreißig Pferde fast achtzig Meilen treiben, also unterwegs kampieren.

Juan freute sich schon auf den Spaß, den er in wenigen Minuten in Santa Barbara haben würde. Denn er würde gleich seinen Lohn für die letzten drei Monate bekommen. Der Postagent musste mir nämlich für die Pferde fünfzehnhundert Dollar zahlen, also für jedes Tier fünfzig Dollar. So war es ausgemacht.

Es waren keine gewöhnlichen Pferde, sondern fünf Gespanne, besonders ausgesuchte und für Postkutschen geschulte Tiere. Sie mussten zusammenpassen wie ein Team. Die beiden Führungspferde mussten leichter und schneller sein als die beiden Paare dahinter, denn sie bestimmten das Tempo. Und alle sechs Caballos mussten auf Zurufe reagieren und etwa dreißig Meilen ohne Pause traben können.

Auf meiner kleinen Ranch hatten wir die Gespanne wochenlang ausgebildet mit einer alten Kutsche und waren viele Meilen gefahren, hatten sie ziehen lassen, bis sie endlich alles begriffen hatten.

Pferde sind Gewohnheitstiere. Man kann ihnen eine Menge beibringen, wenn man nur Geduld besitzt.

Nun, auch ich freute mich auf das viele Geld, welches ich gleich vom Agenten bekommen würde. Und so sah ich Ed Jedson freundlich entgegen, als er aus seinem Office trat, um die Gespanne zu besichtigen.

»Da bist du ja endlich, Blake Hurrigan«, sagte er und wirkte nicht besonders froh. Er betrachtete die Pferde, und obwohl er erkennen musste, dass es sich um erstklassige Tiere handelte, machte ihn auch das nicht froh.

»Was ist los, Ed?«, fragte ich. »Hast du vielleicht kein Geld für die Pferde? Ich wäre sonst so gut wie pleite.«

Er winkte ab. »Du bekommst dein Geld, Blake«, knurrte er. »Doch du musst die Tiere bei den Stationen abliefern. Sechs kannst du hierlassen. Die anderen vier Gespanne musst du zu den Stationen bringen, für die sie ja als Ersatzgespanne bestimmt sind. Das war dir doch von Anfang an klar – oder?«

Seine Frage traf mich wie ein Tritt in den Bauch. Und mir wurde klar, dass ich das letzte Gespann noch einhundertundzwanzig Meilen weit nach Süden treiben musste. Denn die Post- und Gespannwechselstationen lagen alle jeweils etwa dreißig Meilen auseinander. Die Überlandkutschen bekamen also alle dreißig Meilen ein frisches Gespann.

Ich starrte Ed Jedson böse an und knurrte: »Jed, du hast mich reingelegt. Ich glaube fast, du bist ein verdammter Hurensohn. Ich müsste noch einige Tage von meiner Ranch fortbleiben. Und ich habe dort nur einen Mann, und der ist ein Halbblut.«

»Was hast du gegen ein Halbblut?«, fragte Jedson zurück.

Ich hob die Schultern und ließ sie wieder sinken.

»Er ist noch nicht lange bei mir«, erwiderte ich. »Von dem weiß ich fast gar nichts. Er kann ein verdammter Pferdedieb sein, der sich bei mir eingeschlichen hat und zu einer Bande gehört. In diesem Land hier ist alles möglich.«

Ed Jedson nickte heftig.

»Es ist ein gnadenloses Land«, knurrte er. »Wir alle hier kämpfen ums Überleben, jeder auf seine Weise. Und niemand ist fair, wenn es ums Überleben geht. Hier gibt es kaum christliche Liebe. Und deshalb muss ich auch von dir verlangen, dass du die Pferde selbst bei den Stationen ablieferst. Ich habe hier niemanden, dem ich diese Aufgabe übertragen könnte. Und überdies mache ich mir Sorgen um die Kutsche, die von Süden kommt. Sie ist seit gestern überfällig. Ich habe einen Mann hinüber nach Fort Apache geschickt, dass man von dort aus eine Patrouille reiten lässt. Doch die Armee lässt sich stets viel Zeit. Auf dich ist mehr Verlass, Blake Hurrigan. Du musst ja der überfälligen Kutsche entgegentreiben.«

Nun wurde ich noch wütender, ja richtig böse. Und ich knurrte: »Jetzt weiß ich es ganz genau. Du bist wahrhaftig ein Hurensohn, ein Sohn von tausend Vätern. – Wenn diese verdammte Kutsche überfällig ist, dann liegt das wahrscheinlich an Banditen oder gar Apachen. Und dann schickst du mich mit meinem Helfer und vierundzwanzig Pferden vielleicht in den allerschlimmsten Verdruss. Macht dir das eigentlich gar nichts aus? Ich war bis jetzt der Meinung, dass wir fast so etwas wie Amigos wären.«

»Ich mag dich, Blake«, erwiderte er. »Doch ich habe einen harten Job in einem gnadenlosen Land. Und so musste ich auch zu dir hart sein. Du bekommst dein Geld sofort, wenn du mir dein Wort gibst, alles zu tun, was in deiner Macht steht, um die Pferde ordnungsgemäß abzuliefern und nach der überfälligen Kutsche zu forschen.«

Als er endete, grinste ich ihn an und fragte: »Hast du keine Angst, dass ich mein Wort breche und dich betrüge? Ich könnte das Geld nehmen und...«

»Nein«, unterbrach er mich. »Bei dir hätte ich keine Sorge. Du betrügst keinen Partner, von dem du Geld nimmst. Und wir sind gewissermaßen Partner, nicht wahr? Deine Selbstachtung lässt dich niemals anders handeln.«

Er verstummte ernst.

Und ich staunte, weil er so viel von mir zu halten schien. Und vielleicht tat er das sogar wirklich.

Ich sah zu meinem Helfer Juan hinüber. Der hatte es sich beim Brunnen bequem gemacht und den Oberkörper entblößt. Er begann sich am Wassertrog zu waschen.

Denn er würde von hier aus mit seinem Dreimonatslohn geradewegs zur Puta Casa gehen und unter den dort vorhandenen Mädchen wählen.

Also wollte er nicht nach Schweiß stinken.

Ja, alles war nun mal ziemlich primitiv in diesem Lande – oder ziemlich einfach und menschlich.

Juan tat mir einen Moment leid.

Aber war nicht auch ich soeben enttäuscht worden?

Warum sollte es ihm anders gehen? Dass ich nicht allein der Dumme war, linderte meinen Zorn etwas.

Und so sagte ich: »Also gut, gib mir das Geld. Dann will ich tun, was ich tun kann. Aber ich sage dir, du bist nicht edel und gut. Du bist ein verdammter Erpresser, der die Existenznot anderer Mitmenschen gnadenlos ausnutzt.«

»So ist die Welt.« Er grinste bitter. »Komm mit ins Office!«

Er ging voraus. Ich folgte ihm und rief grimmig zu Juan hinüber: »Hombre, du brauchst dich nicht zu waschen. Es gibt keine Vergnügen mit den Señoritas! Die Welt ist mies, Juan, mein Guter! Doch wenigstens können sie dir deinen Lohn nicht abnehmen, die Schönen und Süßen von Donna Elvira!«

Als ich Ed Jedson in dessen Office folgte, hörte ich Juan fluchen.

Ja, es tat gut, einen Leidensgenossen zu haben. Ich fühlte mich nicht mehr als der einzige, der reingelegt worden war.

Eine halbe Stunde später waren wir wieder unterwegs nach Süden.

Juan hatte sechzig Dollar in der Tasche, das war sein rückständiger Lohn.

Ich aber trug nun vierzehnhundertundvierzig Dollar bei mir. Sie waren wirklich fast ein Vermögen. Doch ich hatte Schulden und wollte auch meine kleine Ranch noch weiter ausbauen. Und meinem zweiten Gehilfen musste ich nach unserer Rückkehr auch noch den rückständigen Lohn auszahlen.

Wir trieben die vierundzwanzig Pferde auf dem Wagenweg. Ein Packtier hatten wir nicht mitgenommen. Unsere Siebensachen befanden sich in unseren Sattelrollen und in den Packtaschen. Wir waren also recht dürftig ausgerüstet.

Doch wir hatten ja auch nur wenige Tage und Nächte unterwegs sein wollen. Nun würden noch einige Tage und Nächte hinzukommen.

Der Wagenweg war meilenweit leer. Wir sahen keine Reiter, keine Wagen. Nur einmal überquerten einige Wölfe den Weg, hielten an und witterten zu uns herüber.

Doch wir waren für sie keine Beute. Sie liefen weiter.

»Die haben es gut, Señor«, rief Juan zu mir herüber. »Die sind frei und brauchen keine Dollars – weder zum Essen, noch für die Liebe. Ein Lobo müsste man sein.«

Ich erwiderte nichts.

Was sollte ich ihm auch zurückrufen?

Nun, wir trieben unsere Pferde bis in die Nacht, ließen sie an einer Wasserstelle rasten und warteten auf den Silbermond und die Sterne.

Als die Nacht dann strahlend hell wurde und die Sterne mit ihrer unirdischen Kühle auf uns herabblickten, da trieben wir unsere Tiere weiter – immer weiter, Meile um Meile.

Es war eine wunderschöne Arizonanacht. Doch sie war zumeist unwirklich still, so als hielte hier alles den Atem an, und es gäbe keinen Pulsschlag des Landes.

Ich spürte, es war mit einem Mal alles anders.

Am Himmel jagten keine Nachtfalken. Und selbst von den Hügeln heulten keine Wölfe oder Coyoten.

Ich begann instinktiv die lauernden Gefahren zu wittern.

Am Salt River, wo ich meine kleine Ranch in einem schönen, geschützten Hügeltal hatte und wo es eine gute Quelle mit erstklassigem Süßwasser gab, da gab es einige Sicherheit. Denn ich hatte Nachbarn, und die Armeepatrouillen von Camp Catalina kamen immer wieder vorbei und hielten die Apachen aus dem Land.

Doch, hier weiter nach Süden zu, da war alles anders. Gewiss, es gab die Forts Apache, Thomas und Grant, von denen ebenfalls Patrouillen das Land durchritten. Doch es war nach Süden hin ein anderes Land. Es war erbarmungsloser gegen alle Lebewesen. Es gab nur wenige Wasserstellen, dafür hitzeflimmernde Tage und eiskalte Nächte. Es war Apachenland, in dem sich nur Kakteen wohlzufühlen schienen. Denn sie protzten mit bunter Blütenpracht, um welche Kolibris und andere Honigsauger schwirrten wie bunte Edelsteine.

Dass in diesem Land Menschen lebten, lag an den Silber- und Goldvorkommen, besonders zwischen dem Santa Cruz und dem San Pedro River. Die Stadt Tucson war schon von den Spaniern gegründet worden, als sie dort eine Garnison errichteten. Tombstone war noch ein kleines Dorf und würde erst in einigen Jahren zu einer traurigen Berühmtheit kommen. An der Grenze lag Nogales. Und von dorther kam die Post- und Frachtlinie nach Norden herauf, für die ich die Pferde zu liefern hatte.

Die Apachen kämpften immer noch um dieses Land, denn es war ihnen ein Schutz, eine sichere Zuflucht, weil nur sie die geheimen Wasserstellen kannten.

Während des Bürgerkriegs waren die Truppen aus diesem Territorium abgezogen worden, um auf den Kriegsschauplätzen zu kämpfen.

Und so waren die Apachen wieder stärker geworden, mehr oder weniger die Herren dieses Landes. Erst jetzt begann die Armee sie erneut zu bekämpfen.

Dies alles wurde mir wieder bewusst, indes wir die zwei Dutzend Pferde durch die diesmal so unwirklich stille Nacht trieben.

Wir alle waren müde, so richtig erschöpft. Denn wir hatten ja inzwischen schon fast dreißig zusätzliche Meilen hinter uns.

Es war dann fast schon Mitternacht, als wir das Licht der Spanish-Bit-Station in der Nacht erkannten. Die gelben Lichtpunkte leuchteten anders als die türkisfarbenen Sterne.

Es waren da vor uns auch keine Campfeuer, sondern eindeutig die Lichter der Station.

Juan rief leise zu mir herüber: »Da ist sie, Señor! Ich werde mich mit Tequila betrinken und von den Señoritas in Santa Barbara träumen. Caramba!«

Oha, er war wütend, weil er sich so auf all die Sünden gefreut hatte, die er in Santa Barbara begehen wollte.

Und nun musste er befürchten, dass uns Apachen die Pferde wegnehmen wollten. Das konnte unter Umständen sogar unseren Tod bedeuten. So war auch ich schlechter Laune, so richtig böse und wütend.

Aber da vorne waren ja die Lichter der Station. Wir würden ausruhen können. Auch etwas in den Magen würden wir bekommen. Und am Tag darauf hatten wir dann nur noch achtzehn Pferde weiter nach Süden zu treiben. Das bedeutete auch etwas weniger Sattelarbeit.

Als wir uns der Station auf Rufnähe genähert hatten, hielten wir an.

Ich rief hinüber: »Hoiii, hier ist Blake Hurrigan! Ich bringe euch ein neues Gespann!«

Meine Worte waren kaum verhallt, als eine Stimme entgegnete: »Dann kommt nur, ihr Nachtschwärmer! Ihr habt uns mächtig irritiert. Denn wir hörten viele Hufe und dachten an eine starke Mannschaft oder eine Apachenhorde. Kommt nur!«

Wir ritten und trieben weiter, gelangten in den Hof und jagten die Pferde in den Corral.

Der Stationsmann und dessen Gehilfe waren mit Schrotflinten herausgekommen. Im Mond- und Sternenschein betrachteten sie uns.

Der Stationsmann hieß Bac Ringold. Er sagte bitter: »Was sollen wir denn mit dem zusätzlichen Gespann? Es fahren ja wahrscheinlich doch keine Kutschen mehr. Die von gestern ist überfällig. Die kommt gewiss nicht mehr. Der Wagenweg ist sicher für lange Zeit gesperrt. Denn die Armee reagiert zu langsam. Ihr hättet in Santa Barbara bleiben sollen.«

»So ist es«, sagte Juan beifällig. »Ich wäre zu gern in Santa Barbara geblieben.«

Da lachte der Stationsmann grimmig und erwiderte: »Sei froh, Hombre, dass du nicht in Santa Barbara geblieben bist. Gewiss wärest du ins Hurenhaus gegangen. Dort war auch dieser Dummkopf hier, der mein Gehilfe ist. Und nun hat er die verdammte Lustseuche! He, Roberto, bei welchem Mädchen hast du sie dir geholt?«

Der Stationsgehilfe erwiderte sehr ärgerlich: »Boss, warum erzählst du denen das? Was geht die mein Problem an? Ich werde bald zu der alten Juana reiten. Die wird mich heilen. Und dann ist alles vergessen. Die hat ein Zauberpulver. Aber es war die wunderschöne Rosita, bei der ich in Santa Barbara war. Wie ist es nur möglich, dass ein so schönes Mädchen so versaut ist, o Hölle, verdammt!«

Wir hörten es und saßen endlich ab.

Ich sagte zu Juan: »Siehst du, Hombre, so ist das manchmal. Da stellt sich im Nachhinein manchmal heraus, dass sich Pech in Glück verwandelt. Juan, du bist ein Glückshombre.«

Aber er fluchte nur bitter und sagte: »In diesem Land ist alles merde.«

Wir versorgten unsere Sattelpferde und gingen dann hinein.

Die Frau des Stationsmannes war eine Halbapachin. Und vielleicht hatten ihre Halbbrüder die Station deshalb noch nicht überfallen.

Sie setzte uns Essen auf den Tisch und lächelte mich an. Sie war recht hübsch. Wahrscheinlich war ihre Mutter eine hübsche Mexikanerin gewesen – oder gar eine der letzten reinrassig gebliebenen Spanierinnen aus Mexiko.

Ich erwiderte ihr Lächeln.

Der Stationsmann sagte bitter: »Sie zogen hier vorbei. Es waren einige Dutzend. Ich denke, dass die Kutsche auf dem Wagenweg gestern keine Chance hatte. Wirst du umkehren, Blake Hurrigan?«

Ich saß mit Juan am Tisch. Wir löffelten die dicke Bohnensuppe und das kleingeschnittene Hammelfleisch darin, stillten so unseren bösen Hunger.

Ich dachte über seine Frage nach.

Ja, was sollte ich tun? Umkehren oder versuchen, meinen Job zu machen?

Ich musste eigentlich mit achtzehn Pferden noch drei Stationen weiter nach Süden. Das waren an die neunzig Meilen durch gnadenloses Land. Zwischen den Stationen gab es nur einige kleine Minen mit kleinen Siedlungen rechts und links des Wagenwegs.

Aber die Apachen waren vor uns, nicht hinter uns. Und ich hatte Ed Jedson mein Wort gegeben, mir das Geld redlich zu verdienen, welches er mir im Auftrag der Post- und Frachtlinie zahlte.

Bis jetzt hatte es für Juan und mich noch kein Risiko gegeben.

Also mussten wir weitermachen. Ich konnte nicht kneifen.

Es wäre Betrug gewesen.

Und so erwiderte ich Bac Ringold: »Bei Sonnenaufgang treiben wir weiter.«

Er nickte stumm.

Aber seine Frau sagte: »Sie werden euch töten.«

Wir erwiderten nichts.

Was hätten wir auch sagen können? Vielleicht hatte sie recht.

Bei Sonnenaufgang waren wir wieder unterwegs. Bac Ringold rief uns noch nach: »Ihr seid ja verrückt! Ihr habt gestern unterwegs gewiss Locokraut gefressen!«

Er war richtig böse, ärgerte sich wegen unserer Dummheit.

Es gab in diesem Land wahrhaftig ein Kraut, welches Pferde verrückt machte, wenn sie es fraßen. Man nannte es Locokraut.

Und dies sollten wir seiner Meinung nach gefressen haben, wie er sich ausdrückte.

Juan rief zu mir herüber: »Ich wäre jetzt lieber in Santa Barbara! Selbst wenn ich mir dort auch diese verdammte Lustseuche holen würde. Boss, warum tun wir das?«

Ich sah zu ihm hinüber durch den Staub, den unsere Pferdehufe aufwirbelten.

Dann rief ich ihm zu: »Die letzten zwölf Tiere kann ich allein weitertreiben. Du musst nur bis zur nächsten Station mitreiten. Dann kannst du zurück nach Santa Barbara. Für deine sechzig Dollar kannst du dort eine Woche lang alle Putas ausprobieren.«

Da fluchte er noch böser und brüllte zurück: »Boss, Sie wissen ganz genau, dass ich bei Ihnen bleibe bis in die Hölle und zurück! Mein Stolz ist nicht geringer als der Ihre. Einer meiner Vorfahren war ein spanischer Ritter!«

Er rief es zuletzt sehr stolz.

Vielleicht war einer seiner Vorväter wirklich ein stolzer Ritter gewesen.

Aber Stolz war gewiss nicht das Privileg von spanischen Rittern.

Wir trieben also weiter, und weil wir sonst zu viel Staub geschluckt hätten, hielten wir unsere Lippen fest geschlossen. Wind blies uns entgegen und trieb uns den aufgewirbelten Staub ins Gesicht. Wir zogen uns die Halstücher über Mund und Nase. Ein Glück war, dass wir Pferde trieben.

Diese ließen sich leichter gegen den Wind und Staub treiben als Rinder.

So legten wir Meile um Meile zurück.

Es war dann später Vormittag, fast schon Mittag, als wir die Station in Sicht bekamen. Ihre Überreste qualmten noch und verstärkten die flimmernde Hitze.

Eine Weile hockten wir bewegungslos in den Sätteln und sahen uns alles an.

Unsere Tiere drängten dann zu den Wassertrögen beim Brunnen. Und da kamen wir wieder in Bewegung. Denn wir konnten uns aus Erfahrung ausrechnen, dass die Apachen den Brunnen und auch das Wasser in den Trögen versaut und vergiftet hatten. Das gehörte zu ihrer Kriegstaktik.

Sie selbst kannten die geheimen Wasserstellen im Land.

Juan hielt unsere Tiere vom Brunnen und von den Wassertrögen fern. Ich selbst sah nach. Im Brunnen entdeckte ich die Leichen der Stationsleute. Auch den getöteten Hund hatten die Apachen hineingeworfen.

Es gab keine Gnade in diesem Land.

Nun, wir waren dennoch Christenmenschen. Deshalb holten wir die Leichen mühsam aus dem Brunnen und begruben sie. Dann sagte ich zu Juan: »Du musst nicht mitkommen. Ich schaffe es auch allein!«

»Beleidigen Sie mich nicht, Señor Hurrigan«, erwiderte er ruhig.

Dann trieben wir die Pferde wieder aus dem Corral, in dem sie ohne Wasser hätte aushalten müssen, und setzten unseren Weg fort.

Bis zur nächsten Station waren es wieder etwa dreißig Meilen.

Waren wir verrückt? Oder konnten wir uns darauf verlassen, dass die Apachen immer noch vor uns waren?

Es würde sich gewiss irgendwann herausstellen.

Es war dann am späten Nachmittag, und die Station am Red Bull – es war ein roter Felsen, der wie ein liegender Bulle geformt war – befand sich keine zwei Meilen vor uns, als der Überfall mit einem Schuss begann.

Die Kugel fegte Juan aus dem Sattel. An der Art, wie er fiel, konnte ich erkennen, dass er schon tot war, als er aufschlug.

Die nächste Kugel traf mein Pferd.

Und ich kam noch gut aus dem Sattel, rollte mich hinter das Tier und riss mein Gewehr aus dem Sattelschuh. Das sterbende Tier zitterte noch einige Sekunden und atmete für immer aus.

Die Kugeln suchten nach mir. Doch das tote Pferd schützte mich.

Unsere Pferde aber jagten davon. Sie waren nun für die Post- und Frachtlinie verloren. Aber eigentlich konnte mir das egal sein, denn sie waren ja bezahlt worden. Ich trug den Erlös in einem Geldgürtel auf dem bloßen Leib bei mir. Den Geldgürtel gab mir Ed Jedson.

Ich fragte mich, mit wie vielen Apachen ich es zu tun hatte.

Wahrscheinlich handelte es sich um eine Nachhut der Bande.

Dann waren es nur wenige Krieger, gewiss nicht mehr als vier.

Ich sah nun zwei von ihnen. Sie ritten aus ihrer Deckung hervor, kamen also hinter einigen elefantengroßen Felsen zum Vorschein und jagten den Pferden nach.

Ja, sie waren scharf auf die Tiere. Drüben in Mexiko konnten sie damit Handel treiben.

Ich sah, dass es sich wahrscheinlich um Kiowa-Apachen handelte, welche weit nach Süden gekommen waren, gewiss von der Mogollon Mesa herunter. Sie trugen keine Stirnbänder, sondern Federn im Haar. Sie waren wahrscheinlich aus dem Reservat in Oklahoma ausgebrochen und durch die Painted Desert hinauf zur Mogollon Mesa und von dort herunter weiter nach Süden gezogen.

Hunderte von Meilen hatten sie zurückgelegt und sich von Raub und Mord ernährt. Ihr Ziel waren die Apachenstämme, mit denen sie sich vereinigen wollten, um in Freiheit weiterleben zu können.

Ich fragte mich, wie viele wohl noch in den Felsen steckten.

Und dann kamen sie auch schon. Sie wollten keine Zeit vertrödeln, sich hier nicht lange aufhalten. Sie mussten ihrer Horde als Nachhut folgen. Und sie wollten auch unsere Pferde möglichst schnell an die Horde heranbringen.

Nun sie kamen also herausgeritten und griffen an. Dabei verließen sie sich auf ihre Schnelligkeit, glaubten oder hofften, dass ich sie in schneller Bewegung nicht treffen würde. Es konnte auch sein, dass sie mich durch den Sturz verletzt glaubten.

Jedenfalls kamen sie, lenkten ihre Pferde nur mit den Schenkeln und schossen über die Köpfe der Tiere hinweg auf meine Deckung. Sie besaßen moderne Repetiergewehre, wahrscheinlich Spencer-Karabiner, so wie ich.

Ich ließ sie kommen.

Denn ich würde aus dem Hüftanschlag schießen müssen. Also müssten sie mir sehr nahe sein. Und so blieb ich liegen, bis sie nahe genug waren.

Dann sprang ich auf, blieb mit einem Knie am Boden und begann loszuballern.

Sieben Kugeln konnte ich abfeuern, musste also sechsmal repetieren.

Dreimal fehlte ich. Dann traf mich eine Kugel. Doch sie warf mich nicht um. Ich repetierte und schoss weiter.

Dann saß jeder Schuss von mir. Sie waren nahe genug.

Und dann war es vorbei. Alles hatte kaum mehr als fünfzehn Sekunden gedauert.

Fluchend vor Schmerz hielt ich mir die Seite.

Dann holte ich meinen Revolver heraus und ging nachsehen.

Ja, sie waren tot.

Und ich war allein, angeschossen und ohne Pferd.

Aber die Station war nicht mehr weit, keine zwei Meilen.

Hatten sie auch diese Station kleingemacht? Oder gab es dort noch Weiße?

Nun, ich würde es bald wissen. Denn ich machte mich auf den Weg, ließ alles zurück, nahm nur mein Gewehr, Munition und die Wasserflasche mit.

Mein Halstuch schob ich unter meinem Hemd auf die schmerzende Wunde, hoffte, dass es die Blutung stoppen würde. Zäh genug war ich gewiss. So gnadenlos dieses Land auch sein mochte, ich konnte mich gewiss darin behaupten.

Die Schmerzen wurden immer schlimmer. Und ich konnte nur ganz flach atmen. Die Kugel hatte mir wahrscheinlich die Rippe gebrochen, an der sie abgeglitten war. Ich verlor auch eine Menge Blut, so sehr ich mein Halstuch auch gegen die Wunde presste.

Die zwei Meilen wurden für mich ein elendig langer Weg.

Manchmal dachte ich an Juan, der nun tot war und den ich nicht mal beerdigen konnte wie einen guten Amigo.

Auch an meine kleine Ranch dachte ich.

Einige Male fluchte ich auf den Postagenten Ed Jedson, der mich dazu gebracht hatte, dies alles zu versuchen. Dieses Fluchen tat mir gut. Es erleichterte mich irgendwie ein wenig in meiner Not. Und so fluchte ich immer wieder und dachte mir immer neue Flüche aus.

Irgendwann – es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein – sah ich endlich die Station am Fuße des roten Felsens.

Ich hielt in guter Deckung schnaufend inne und sah mir die ganze Sache an.

Meine Deckung bestand aus einer ziemlich dichten Kakteengruppe. Die bunten Blüten dufteten süßlich. Aber irgendwo dicht in meiner Nähe rasselte eine Klapperschlange warnend.

Ich dachte unwillkürlich: Eigentlich sind diese Klapperschlangen fair. Sie warnen einen durch das Rasseln. Erst wenn man ihnen dann immer noch näher kommt, beißen sie zu.

Nun, ich sah also hinüber zur Station. Sie war unversehrt. Aber nichts regte sich dort. Auch die Corrals waren leer. Alles dort wirkte wie ausgestorben.

Ich blickte in den Schatten des großen Red-Bull-Felsens. Er war gewiss an die zweihundert Yards hoch und fünfhundert lang. In seinem Schatten erblickte ich die Apachen und auch alle Pferde: jene, die man uns gestohlen hatte, und auch die Tiere der Station.

Die Apachenhorde aber feierte.

Sie hatten wahrscheinlich Feuerwasser erbeutet bei der später von ihnen abgebrannten Station. Nun hatten sie eine Menge Pferde und gewiss auch einige Maultiere erbeutet und feierten ihren Sieg. Offenbar waren sie der Ansicht, dass sie sich Zeit nehmen konnten.

Ich sah, dass nur wenige Federn in ihren Haaren trugen. Die meisten Krieger trugen Stirnbänder. Und so wurde mir klar, dass es nur ein paar Kiowa-Apachen aus dem Norden waren, die zu dieser Horde stießen.

Zwischen ihrem Rast- und Tanzplatz im Schatten des Felsenklotzes und der Station betrug die Entfernung etwa zweihundert Yards.

Sie tanzten und schwangen Schnapskrüge. Was sie taten, war eine Herausforderung für die Leute in der Station.

Ich sah auch die überfällige Postkutsche. Sie stand im Hof der Station, hatte sich also bis hierher gerettet. Die Leute der Postkutsche mussten sich also ebenfalls in der Station befinden. Es war eine größere Station, gebaut aus Adobeziegeln, doch mit einem Dach aus Maisstroh, welches leicht brennen würde. Es gab hier einen Storeanbau, einige Schuppen und auch eine Scheune. Dazu gehörten Corrals und Weidekoppeln.

Bewässert wurde alles aus einem Brunnen mit Hilfe eines Windrades.

Ich hörte den Singsang der Horde. Ja, sie tanzten und soffen, wurden in ihrem Rauschzustand immer enthemmter und wilder. Sie genossen dieses Spiel. Ja, es war für sie ein gnadenloses Spiel. Die Leute in der Station sollten wissen, dass die Horde irgendwann kommen würde. Sie sollten angespannt warten müssen mit dem fast sicheren Tod vor Augen.

Was aber sollte ich tun?

Noch lag ich hier in guter Deckung zwischen den blühenden Kakteen in Sicherheit.

Aber ich brauchte Hilfe. Ich verblutete sonst. Meine Wunde musste sicherlich zugenäht und meine gebrochene Rippe mit einem Korsettverband geschient werden.

Ich war ziemlich am Ende. In einigen Stunden würde ich Wundfieber haben. Und wahrscheinlich entzündete sich die Wunde auch, wenn sie nicht desinfiziert werden konnte.

Ich steckte in der Klemme.

Selbst wenn ich die Station erreichte, würde ich mein Leben gewiss nur um wenige Stunden verlängern können.

Dort drüben steckte ich mit in der Falle.

Und blieb ich hier draußen in der Deckung, verreckte ich bald hilflos.

Was also sollte ich tun?

Doch ich hatte gar keine Wahl.

Bis zur Station waren es für mich etwa hundert Yards.

Und so entschloss ich mich. Nein, ich versuchte nicht zu rennen. Wahrscheinlich hätte ich das auch gar nicht schnell genug gekonnt und wäre schon nach wenigen Sprüngen umgefallen. Auch wäre jede schnelle Bewegung den Apachen da drüben aufgefallen.

Ich erhob mich also langsam und machte mich Schritt für Schritt auf den Weg.

Da und dort ragten Kakteenbäume gen Himmel, jene Josuabäume oder Sagueros.

Ich bewegte mich langsam zwischen ihnen.

Und drüben tanzten die Apachen und ließen ihren monotonen Singsang herübertönen.

Sie bemerkten mich nicht. Sie wären auch gar nicht auf die Idee gekommen, dass jemand freiwillig in die Station wollte.

Ich kam etwa fünfzig Yard weit. Dann aber war freies Feld ohne jede Deckung.

Jetzt mussten sie mich sehen. Wenn nur einer von ihnen einen flüchtigen Blick zur Station hinüberwarf, musste er mich entdecken.

Und so war es dann auch, kaum dass ich ein weiteres Dutzend Schritte gemacht hatte.

Ja, nun endlich sahen sie mich.

Ihr Singsang verstummte. Sie hielten drüben inne beim Tanz, starrten staunend herüber. Wahrscheinlich konnten sie nicht fassen, dass jemand so dumm war wie ich.

Dann aber rief einer von ihnen herüber: »Ay, Hombre, warum willst du mit ihnen sterben? Bist du loco in deinem Kopf?«

Der Apache rief es in jenem Grenzspanisch, welches wir ja alle in diesem Land verstanden und mehr oder weniger gut sprachen. Hier war ja alles einmal spanisch und später mexikanisch gewesen.

Ich hielt inne und rief zurück: »Wir alle müssen einmal sterben, auch du, Hombre! Vielleicht bin ich es, der dich tötet?«

Nach diesen Worten ging ich weiter und gab mir Mühe, nicht an mir erkennen zu lassen, wie sehr ich gewissermaßen »aus dem letzten Loch pfiff« und gewiss nicht mehr um die Wette laufen konnte.

Sie versuchten auch gar nicht, mich am Erreichen der Station zu hindern. Sie wären ja auch hinter mir zu sehr in die Reichweite der Gewehre gekommen.

Und so ließen sie mich gehen. Ich konnte mir Zeit nehmen.

Und so winkte ich ihnen zu, obwohl mir das schwerfiel. Sie johlten herüber und schwangen wieder ihre erbeuteten Schnapskrüge aus dem Store der abgebrannten Station.

Dann sangen und tanzten sie weiter.

Gewiss freuten sie sich schon darauf, dass nun noch ein weißer Hurensohn mehr von ihnen umgebracht werden würde.

So waren sie nun mal. Apachen hassten besonders stark, weil auch sie so sehr gehasst wurden. Auch von den anderen Indianervölkern wurden sie gehasst, nicht nur von uns Weißen. Das hatte viele Gründe und reichte bis in die graue Vorzeit zurück, als sie damals als Eroberer aus dem fernen Alaska nach Süden kamen und bis zur jetzigen Zeit zumeist von Raub lebten.

Ich ging also mit letzter Kraft weiter bis zur Station.

Als ich die Tür fast erreicht hatte, wurde diese geöffnet. Jemand sagte: »Mann, du hast vielleicht Nerven.«

Das hörte ich noch. Dann aber fiel ich nach vorn durch die Tür in die Arme eines Mannes und verlor das Bewusstsein, versank in bodenlose Tiefen wie ein Stein in einem dunklen See.

Doch lange war ich nicht »weg«, wie man so sagt. Ich erwachte, weil jemand mir Schmerzen bereitete, welche noch schlimmer waren als die Schmerzen zuvor.

Eine Frauenstimme sprach spröde: »Haltet ihn fest. Er wacht auf. Und wenn er sich bewegt, kann ich nicht nähen. Er muss still liegen. Haltet ihn fest, verdammt!«

Ich machte endlich die Augen auf. Zuerst waren nur Nebel zu sehen. Doch dann lichteten sie sich. Und ich sah die Besitzerin der spröden Stimme.

Ich kannte sie.

Ja, es war Faith Gill. Jedenfalls nannte sie sich einmal so. Aber vielleicht hatte sie inzwischen einen anderen Namen.

Doch sie war es. Denn dieses Gesicht konnte ein Mann niemals wieder vergessen. Es war auf eigenwillige Art schön. Sie war eine Frau mit rabenschwarzen Haaren und leuchtend blauen Augen. Auf ihrer Nase waren ein paar Sommersprossen. Und ihr Mund konnte herb, ernst oder verschlossen sein – aber auch ganz anders, sodass er einem Mann viele Empfindungen verriet. Dann war es ein weicher, lockender und manchmal auch gieriger Mund.

Ich wusste das alles. Denn ich lag mit dieser Faith Gill einmal drei Tage und drei Nächte im Bett auf einem prächtigen Mississippi-Steamer, der von New Orleans nach Saint Louis hinaufdampfte.

Dann jedoch ging sie bei der Landestelle an der Ohio-Mündung von Bord. Sie fiel einem Mann in die Arme, der altersmäßig ihr Vater sein konnte und wie einer dieser reichen Baumwollplantagenbesitzer wirkte, die auf ihren Baumwollfeldern eine Menge Sklaven arbeiten ließen.

Denn das alles war noch vor dem Krieg.

Ich erfuhr nie, ob der Mann ihr Vater oder Ehemann gewesen war, der sich eine junge Frau gekauft hatte. Denn das kommt ja oft vor und ist auf der ganzen Welt bei allen Völkern so. Reiche Männer, die manchmal hässliche und alte Säcke sind, kaufen sich junge und schöne Frauen.

Nun, damals hatte ich eine Menge Spaß gehabt mir ihr.

Irgendwann aber hatte ich sie vergessen.

Jetzt nähte sie mir meine Wunde mit Nadel und Zwirn zu. Sie hatte geschickte Finger. Und als ich ihr in die leuchtend blauen Augen starrte, da erwiderte sie meinen Blick und schenkte mir ein verständnisvolles Lächeln.

»Da staunst du wohl, Blake«, sagte sie und nähte weiter.

»Ich träume also nicht, schöne Faith«, knirschte ich. Dann aber fauchte ich die beiden Männer an, die mich wie mit eisernen Klammern festhielten.

»Ihr braucht mir nicht Arme und Beine zu brechen, Jungs«, stieß ich hervor. »Denn nun bin ich wieder richtig wach. Ich werde nicht zu zappeln beginnen, solange die Lady mich mit der Nadel pickt!«

Sie ließen mich los und traten zurück.

»O Mann«, sagte einer, »du bist wohl einer von der ganz harten Sorte, he!«

»Bin ich«, erwiderte ich. »Und wie ist es mit euch?«

Sie grinsten auf mich nieder, und sie sahen ziemlich übel aus, ganz und gar so, als ritten sie lange Fährten, lebten zumeist unter freiem Himmel und hielten nicht viel von Reinlichkeit und Körperpflege.

Ich kannte die Sorte.

Faith war nun fertig. Sie säuberte nochmals meine blutige Seite zwischen Nabel und Brustwarze. Dann goss sie Brandy auf die genähte Wunde. Nun sprach sie. »Wir müssen ihn aufsetzen, damit ich ihm einen Korsettverband anlegen kann. He, Stationsmann, haben Sie endlich ein Bettlaken in Streifen gerissen?«

»Habe ich, Ma'am«, erwiderte die Stimme des Stationsmannes, den ich kannte. Er hieß Charly Bones und trat nun in mein Gesichtsfeld.

»He, Hurrigan«, grinste er. »Was haben sie denn mit dir gemacht?«

»Ach«, erwiderte ich, »eigentlich sollte ich euch ein neues Sechsergespann herbringen. Doch daraus wurde nichts. Wie viele sind wir denn hier in der Station?«

»Mein Gehilfe und ich«, erwiderte er. »Dann meine Frau und sechs Fahrgäste, von denen zwei Frauen sind. Und dann sind noch die vier Skalpjäger da. Wegen denen wollen sie uns kleinmachen.«

Ich sah die beiden Kerle an, die mich festgehalten hatten. Ja, sie waren Skalpjäger, das begriff ich nun endlich.

Einer grinste auf mich nieder.

»Wir waren sieben«, sprach er dann heiser. »Drei von uns hatten sie schon erwischt, bevor wir diese Station erreichten. Aber wenn sie jetzt kommen, dann geben wir es ihnen und machen noch mehr Skalpe.«

Er verstummte grimmig und triumphierend.

Dann wollten er und der andere meinen Oberkörper aufrichten.

Aber ich zischte: »Fasst mich nur nicht mehr an! Ich kann das allein und ohne eure Hilfe.«

»Weil unsere Hände dir zu blutig sind«, sagte einer der beiden Kerle und grinste.

Dann traten noch zwei weitere an mein Lager. Es war der große Tisch im Gastraum der Station. Ich sah sie nun alle vier.

Sie grinsten auf mich nieder.

Einer versuchte einen bösen Scherz und sprach: »Du brauchst dich aber nicht vor uns zu fürchten, Cowboy. Oder bist du kein Cowboy? Du hast weizengelbe Haare. Dein Skalp brächte keine Prämien in Tucson oder Nogales, hahaha!«

Sie lachten nun alle meckernd.

Der Stationsmann aber knurrte: »Hört auf! Wir müssen uns vertragen und zusammenhalten. Sonst überleben wir nicht. Hört auf! Verdammt, warum seid ihr zu mir in diese Station geflüchtet?«

»Wohin denn sonst?«, knurrte einer der Skalpjäger, »he, wohin sonst, wenn nicht zu einem weißen Christenmenschen, für die wir Skalpe jagen? Das ist ein seriöses Geschäft. Denn sonst würden die Städte in diesem Land uns keine Prämien zahlen, oder?«

Sie grinsten und lachten wieder. Ich aber richtete den Oberkörper nun ohne jede Hilfe auf. Faiths Gesicht war meinem nun sehr nahe. Ich erkannte einige Linien in diesem rassigen und schönen Gesicht, die sie damals noch nicht gehabt hatte.

Der Stationsmann brachte ihr die langen Streifen eines Bettlakens. Er half ihr beim Anlegen des Verbandes, der meine Rippe stützen sollte.

Ich spürte gewaltige Schmerzen, doch ich achtete nicht darauf. Ich sah in Faiths Gesicht, welches mir so nahe war.

Verdammt, wie waren wohl ihre Wege gewesen? Gehörte sie vielleicht immer noch jenem sehr viel älteren Mann, der sie damals an der Landebrücke bei der Ohio-Mündung umarmte? Er tat es damals nicht wie ein Vater, nein, er hatte sie in seine Arme genommen und geküsst wie eine Geliebte.

Es war sonst still im Raum. Doch von draußen, dort wo der rote Felsenklotz seinen Schatten warf, da klang noch immer das Trommeln und hörte man den Singsang, der fast nur noch ein heiseres Johlen war.

Sie waren sinnlos betrunken. Und ihr Rausch nahm mit jeder Minute zu.

Einer der Skalpjäger stieß ein böses Lachen aus und sprach dann heiser: »Wenn sie sich sinnlos besaufen und umfallen, können wir in aller Ruhe hinübergehen und sie mit Knüppeln totschlagen. Das wäre dann eine leichte Skalpjagd, nicht wahr?«

Sie lachten alle vier.

Sie waren Mörder, erbarmungslose Killer. Es fehlte ihnen eine ganze Menge, doch sie waren sich dieses Mangels gar nicht bewusst.

Ich nahm das noch in meinen Gedanken wahr. Doch dann hatte ich mit meiner eigenen Not genug zu tun.

Sie legten mich nun lang auf den Tisch. Er war hart. Aber auf hartem Boden zu liegen, war ich gewöhnt.

Faith Gills Gesicht war wieder über mir.

»Danke, schöne Lady«, murmelte ich noch. Dann verlor ich abermals das Bewusstsein.

Irgendwann erwachte ich. Eine Hand fühlte meine Stirn. Ich wusste, dass es nur die Hand von Faith sein konnte.

Es war dunkel im Haus. Nur durch die Schießscharten der Fensterläden fiel das Licht der draußen gewiss wieder mond- und sternenklaren Nacht.

Es war still dort draußen, unwirklich still. Auch hier im Haupthaus der Station war es still. Dennoch waren wir mehr als ein Dutzend Menschen.

Faith nahm die Hand von meiner Stirn. Dann legte sie mir einen nassen Lappen auf, der mein Fieber lindern sollte.

Doch ich konnte trotz des Fiebers immer noch klar denken.

»Ich werde schon wieder, schöne Lady«, flüsterte ich heiser. »Doch du könntest mir meinen Colt auf den Bauch legen, damit ich ihn schnell genug greifen kann. Ich liege ja günstig auf diesem Tisch, kann über meine Füße hinweg genau auf die Tür schießen. Gib mir meinen Colt. Ohne ihn fühle ich mich so nackt.«

Sie lachte leise. Dann sagte sie: »Deine Waffe liegt rechts neben dir. Der Tisch ist breit genug für euch beide.«

Ich fühlte nach der Waffe. Ja, sie lag fast griffbereit neben mir. Ich musste sie nur ein wenig höher ziehen.

»Lebst du immer noch von deinem Colt und den Karten?«, fragte sie leise.

»Ich habe eine kleine Pferderanch, züchte auch Maultiere«, flüsterte ich zurück. »Aber das wäre wohl nichts für dich, schöne Faith. Denkst du noch an damals, an die drei Tage und Nächte? Gehörst du immer noch diesem Mann, der jetzt gewiss schon ein Greis sein dürfte, sollte er noch leben?«

Sie ließ mich auf die Antwort warten. Doch ich hörte nun einen der Skalpjäger, dessen Stimme ich schon kannte, heiser und mit einem gierigen Klang sagen: »Die haben sich fast totgesoffen. Die wurden zu Schnapsleichen. Wollen wir hinüber, um sie totzuschlagen?«

Er erhielt nicht sofort eine Antwort.

Doch dann rief eine sich fast überschlagende Frauenstimme: »Ja, geht hin und schlagt sie tot, die Bastarde. Tötet sie!«

Die Frau gehörte zu den Passagieren. Und sie hatte gewiss schreckliche Angst.

Eine Weile blieb es still. Dann sprach die Stimme des Stationsmannes: »Die warten vielleicht nur auf welche von uns. Das alles könnte ein Trick sein, eine Falle. Apachen lassen sich viele Tricks einfallen. Die sind vielleicht gar nicht so betrunken, wie es aussieht.«

Seine Stimme verklang warnend.

Doch nun lachten die vier Skalpjäger leise. Es war ein vierstimmiges, misstöniges und böses Lachen.

Einer sprach dann: »Was ist schon ohne Risiko, Leute? In Tucson gibt man fünfzig Dollar für jeden Kriegerskalp. Das sind zwei Cowboy-Monatslöhne. Und dort drüben können wir eine Menge Skalps erbeuten.«

»Dann los, Hondo, gehen wir!«, rief eine andere Stimme.

Und wenig später wurde der Querbalken der Tür weggenommen. Als sie die Tür nach innen öffneten, fiel das Mond- und Sternenlicht herein.

Man konnte die vier Gestalten der Skalpjäger nun gut sehen.

Sie glitten hintereinander hinaus, um drüben am Fuße des roten Felsenklotzes zu töten.

Der Stationsmann schloss hinter ihnen fluchend die Tür und legte den Querbalken wieder vor. Als er nicht mehr fluchte, sagte die schrille Frauenstimme aus der Ecke wieder: »Sie tun ein gutes Werk und retten uns vor dem Tod. Ich will nicht sterben, auch nicht vergewaltigt werden. Ich will leben. – Mein Mann wartet auf mich in Camp Catalina. Er wurde Master Sergeant und kann nun eine Familie ernähren. Sergeanten in seinem Rang dürfen ihre Frauen bei sich haben so wie Offiziere, wenn sie irgendwo lange genug stationiert sind. Ich freue mich auf meinen Mann. Wir haben uns schon sechs Monate nicht gesehen. Wir mussten erst auf seine Beförderung warten.«

Als sie verstummte, war ein Klang der Hoffnung und Dankbarkeit in ihrer Stimme.

Nun blieb es still.

Jeder hörte nur das Atmen der anderen. Wir alle lauschten. Und jeder fragte sich, ob die vier Skalpjäger erfolgreich sein würden.

Mut und Todesverachtung besaßen sie. Was sie wagten, war nichts anderes als eine Herausforderung des Schicksals. Ja, sie waren blutige Mörder, sicherlich verachtenswert, keine Christen, menschliche Bestien. Dennoch waren sie sozusagen Produkte dieses gnadenlosen Landes. Irgendwann – vielleicht in diesem Moment – waren sie zum Untergang verurteilt. Das gab es in allen Zeiten und unter allen Völkern.

Denn alle Völker der Erde brachten solche Mörder hervor, schafften sich gnadenlos Feinde aus dem Weg und fühlten sich dabei noch als Gerechte.

Dies alles ging mir durch den Kopf. Ich war ja ein einfacher Bursche, kein gebildeter Schöngeist oder gut und edel denkender Mensch.

Doch so wie ich waren gewiss auch alle anderen hier im Stationshaus.

Wir verhielten uns still, warteten, lauschten.

Lange war nichts zu hören draußen.

Dann aber brach ein Höllenlärm los, welcher etwa eine Minute lang anhielt. Es war ein Brüllen, Johlen, Kreischen – und es fielen auch Schüsse.

Dann brach der Höllenlärm jählings ab.

Es wurde unwirklich still nach diesem Lärm.

Und die Stimme des Stationsmannes flüsterte in die Stille im Haus: »Das war eine Falle. Sie haben sich verdammt verschätzt. Die Horde war nicht total besoffen, die wurden nicht zu Schnapsleichen. Und wir hier verloren vier erfahrene Verteidiger und Kämpfer. Ich frage mich, was die verdammte Armee in diesem verdammten Land eigentlich macht. Es wird noch soweit kommen, dass man in Tucson und anderen größeren Ortschaften Bürgermilizen aufstellt und der Armee die Arbeit abnimmt. Ich denke, dass sie uns noch vor Morgengrauen angreifen. – Die haben jetzt erst so richtig Blut geleckt wie Wölfe.«

Er verstummte grimmig und bitter.

Ich blieb noch still liegen, versuchte mich entspannt zu halten und die Schmerzen beim Einatmen zu ertragen wie ein Apache. Denn diese konnten sich irgendwie suggerieren, dass Schmerzen gar keine Schmerzen, sondern wohlige Gefühle seien. Vielleicht ist das etwas übertrieben ausgedrückt, aber es war etwas dran.

Ich spürte Faith Gill neben mir. Sie wechselte das Tuch auf meiner Stirn. Mein fiebernder Kopf wurde noch klarer.

Und meine Neugierde wurde übermächtig trotz meiner Not.

Deshalb musste ich ganz einfach fragen: »Faith, wohin warst du unterwegs? Dies ist ein trostloses Land. Hier gibt es eigentlich nur Klapperschlangen, Apachen und hartgesottene Weiße. Was hat eine schöne Frau wie du hier zu suchen? Du bist gewiss von Nogales heraufgekommen. Wohin wolltest du?«

Sie erwiderte nicht sogleich.

Und da sagte ich: »Dies ist jetzt die Stunde der Wahrheit, Faith. Bei Sonnenaufgang sind wir vielleicht schon tot. Und das Schicksal hat uns wieder zusammengeführt in der Not. Wir hatten uns damals auf dem Dampfboot sofort ineinander verliebt. Doch du gehörtest einem anderen Mann. Was also ist geschehen?«

»Das ist eine lange Geschichte«, flüsterte sie auf mich nieder. Und ihr Mund war so nahe über meinem Gesicht, dass ich ihren Atem spürte. »Das ist eine sehr lange Geschichte«, wiederholte sie noch einmal und betonte das »sehr« besonders.

»Nur so viel will ich dir sagen, Blake: Ich bin auf der Flucht. Und wenn ich es nicht überleben sollte im Gegensatz zu dir, dann findest du in meinem Reisekoffer etwas mehr als achtzigtausend Dollar. Die gehören dir dann allein.«

Ich staunte und brachte erst einmal kein Wort über die Lippen.

Nur eines wusste ich nun ziemlich sicher: Faith Gill war eine Abenteuerin geworden, vielleicht sogar eine Diebin. Denn sie war von Nogales her auf der Flucht gewesen. Sie saß nun hier fest. Und die Apachen dort draußen würden bald kommen. Es war sehr leicht für sie, das Strohdach anzuzünden.

Dann mussten wir raus, wollten wir nicht verbrennen.

Und dann hatten sie uns.

Unsere Chancen waren gleich null.

Dass sie uns noch leben ließen, gehörte zu ihrem Spiel. Sie wollten erst die Skalpjäger haben, denen sie wahrscheinlich auf der Fährte gewesen waren.

Und nun waren wir an der Reihe.

Apachen liebten solche Spiele. Sie quälten und marterten ja auch hilflose Gefangene. Sie waren erbarmungslos zu ihren Feinden, weil diese auch erbarmungslos zu ihnen waren. Und ich war hier, weil ich Pferdegespanne ausliefern sollte, da dies zu einem redlichen Handel gehörte.

Als die Nacht draußen zu sterben begann, Mond und Sterne verblassten, da wurde es für mich Zeit.

Und so erhob ich mich, um einen Platz hinter einer Schießscharte einzunehmen.

Faith kam zu mir und fragte: »Kannst du das?«

»Es wird gehen«, erwiderte ich. »So leicht sollen sie nicht herankommen können.«

Einer der männlichen Passagiere fragte laut: »He, Stationsmann, haben Sie eine Schrotflinte für mich? Ich bin kein guter Schütze. Aber mit einer Schrotflinte treffe ich vielleicht was.«

»Sicher, mein Freund, Sie bekommen eine Schrotspritze«, erwiderte der Stationsmann heiser.

Nun rief die Sergeantenfrau aus ihrer Ecke: »Ich will auch eine Waffe. Ich kann gut schießen. Ich bin eine Soldatenfrau. Ich werde zumindest einen dieser Teufel umbringen, das schwöre ich.«

Ich hörte das alles und kümmerte mich nicht um die entstehende Unruhe. Ich stand nun am Fenster, spürte die Schmerzen und bemühte mich, ganz flach zu atmen.

Durch die Schießscharte in der starken Fensterlade blickte ich hinaus. Es gab noch kein Morgengrauen, aber die Nacht lag im Sterben. Und ich wusste, dass die Apachen in den nächsten Minuten kommen würden.

Die Stimme des Stationsmannes klang nun durch den Raum.

»Leute, ich habe eine gute Nachricht für euch. Hört mir gut zu. Unter der Küche gibt es einen Keller. Ich mache die Bodenklappe auf. Wenn das Dach über uns brennt und alles hier dicht vor dem Einstürzen ist, dann springen wir hinunter. Es wird ein wenig eng werden für uns alle. Aber weil es einige von uns vielleicht nicht schaffen werden, wird mehr Platz sein. Der letzte Mann von uns muss die Bodenklappe hinter sich zuziehen. – Und die beiden Frauen sollen jetzt schon hinunter. Vorwärts, ihr Ladys! Es gibt die Chance zum Überleben. Vorwärts!«

Faith war dicht zu mir getreten. Sie beugte sich zu mir und küsste meine stoppelbärtige Wange.

»Ich nehme meine Beute mit in den Keller«, flüsterte sie. »Das schöne Geld soll nicht verbrennen. Leb wohl, Blake. Schade, denn ich wäre gerne wieder mit dir ein paar Tage und Nächte zusammengeblieben. Du hast mir damals eine Menge gegeben. Hätte mein Mann nicht auf mich gewartet, wären wir ein Paar geworden. Doch er war reich und alt. Ich wollte ihn beerben. Dafür wollte ich auch den fairen Preis bezahlen. Er hatte ein Recht auf mich.«

Nach diesen Worten ging sie.

Und ich starrte in die sterbende Nacht hinaus.

Wenig später sah ich sie kommen.

Wir begannen zu schießen. Sie kamen offenbar von allen Seiten, denn auch die anderen Männer schossen. Sie waren ja im großen Raum verteilt.

Ich traf einige dieser huschenden Gestalten, und ich hörte ihre wilden Schreie. Dann flogen die ersten Brandpfeile in unser Maisstrohdach.

Nun konnte es nicht mehr lange dauern.

Sie brauchten nur zu warten, hatten die Station gewiss im Kreis eingeschlossen.

Es wurde heiß. Das Gebälk über uns knirschte und knackte. Und dann fiel auch schon das erste brennende Stroh herunter.

Die Stimme des Stationsmannes rief: »Jetzt herunter mit euch in den Keller!«

Der Qualm begann sich auszubreiten. Wir alle begannen zu husten.

Ich schoss noch mal durch die Schießscharte auf eine heranhuschende Gestalt. Dann wollte ich mich auf den Weg machen.

Draußen war nun alles hell vom brennenden Dach erleuchtet. Und der Qualm wurde immer stärker und dicker. Im Feuerschein konnte ich erkennen, dass die Apachen sich zurückzogen.

Verdammt, warum zogen sie sich zurück und lösten ihren Kreis auf? Der leichte Wind blies den Qualm nach Norden. Und so hatte ich nach Süden und Osten einigermaßen Sicht.

Ja, sie zogen sich zurück, rannten zum Red-Bull-Felsen hinüber, wo sich ihr Lager befand, auch ihre Pferde und ihre ganze Habe.

Ich machte mich nicht auf den Weg zur Küche, um dort in den Keller zu springen. Ich öffnete die Tür und trat ins Freie.

Hinter mir brach das Dach zusammen. Ich ging so schnell ich konnte zum Brunnen.

Und kein einziger Apache griff mich an. Sie waren alle weg.

Der Feuerschein war hell genug, sodass ich sehen konnte, dass sie sich auf ihre Pferde schwangen. Sie ergriffen offensichtlich die Flucht.

Das Feuer hinter mir wärmte meinen Rücken. Ich ging auf die andere Seite des Brunnens und wartete.

Immer noch griff niemand an. Dabei war ich vor dem Feuer gut zu erkennen.

Und dann sah ich eine Reiterschar. Sie kam von Süden her. Es waren gewiss an die hundert Mann.

Einige kamen zu mir und zu der brennenden Station. Die Hauptmacht aber jagte hinter den Apachen her.

»Wer seid ihr?«, rief ich den Reitern zu.

»Bürgermiliz aus Tucson«, rief einer zurück. »Sind noch Menschen in der brennenden Station?«

»Im Keller unter der Küche«, rief ich zurück.

Und dann wurde mir bewusst, dass aus Faith Gill und mir doch noch etwas werden würde – zumindest für ein paar Tage und Nächte. Denn das hatte sie sich ja selbst gewünscht.

Nur einigermaßen gesund musste ich erst werden.

Es kam alles irgendwie »in die Reihe«, wie man so sagt, wenn etwas wieder in Ordnung kommt, sich normalisiert.

Die Bürgermiliz machte Jagd auf die Apachen. Und zwei Tage später brachte man auch einige Pferde wieder zurück zur Station. Deshalb konnte die Postkutsche endlich wieder bespannt werden und ihre Fahrt nach einigen Tagen Verspätung fortsetzen.

Ich lag in einem Schuppen auf Maisstroh und konnte durch die offene Seite auf das abgebrannte Stationshaus sehen. Dort räumten der Stationsmann, seine Gehilfen und seine Frau alles weg, was den Wiederaufbau behindern würde.

Die Adobeziegelmauern standen ja noch. Nur das Dach und alles, was aus Holz war, also Türen, Fenster und die Einrichtung – war verbrannt.

Die Post- und Frachtlinie würde irgendwann einen Bautrupp mit einigen Wagenladungen Material und anderen Dingen herschicken und alles wieder aufbauen lassen.

So war das in diesem Land.

Was von den Apachen zerstört wurde – mochten es Siedlerstätten, Farmen, Ranches und Minen sein –, musste immer wieder aufgebaut werden.

Das alles gehörte zum Behauptungswillen der Menschen hier.

Mir ging es schon sehr viel besser. Mein Fieber war am dritten Tag völlig weg. Und auch die Wunde hatte sich nicht entzündet. Bald würden die Zwirnfäden gezogen werden können. Auch die Rippe heilte wieder. Vielleicht war sie auch nur angebrochen gewesen. Ich konnte schon wieder tiefer atmen, ohne Schmerzen zu spüren.

Als ich am dritten Tag sah, dass man die Kutsche endlich mit einem Gespann versah und für die Weiterreise fertigmachte, da glaubte ich, dass sich Faith Gill von mir verabschieden würde.

Denn sie war ja mit einer großen Beute von mehr als achtzigtausend Dollar auf der Flucht.

Sie hatte mich in den vergangenen Tagen betreut wie eine gute Krankenschwester. Doch über ihre Probleme sprach sie nicht mit mir. Ich wusste nur, dass sie auf der Flucht war und eine Riesenmenge Geld bei sich hatte.

Natürlich hätte ich sie fragen und darauf dringen können, dass sie sich mir mitteilte und mich an ihren Problemen teilnehmen ließ.

Doch ich bedrängte sie nicht. Wenn sie mich nicht freiwillig ins Vertrauen zog, dann musste ich das respektieren. Vielleicht misstraute sie der ganzen Welt. Und nur weil wir in Todesgefahr gewesen waren und es so ausgesehen hatte, als hätten wir keine Chance mehr, erfuhr ich von dem Geld und davon, dass sie auf der Flucht war.

Ich sah sie nun über den Hof kommen. Wenig später kam sie in den Schuppen und ging neben mir in die Hocke.

Sie sah nun sehr gepflegt aus, nicht mehr so zerzaust, und wirkte natürlich noch reizvoller. Sie war eine wunderschöne Frau mit einer ganz besonderen Ausstrahlung geworden. Und sie war eine Abenteuerin, eine Glücksjägerin, der kaum noch etwas fremd war auf dieser Erde. Wahrscheinlich war sie raue Wege gewandert und hatte immer wieder um etwas kämpfen müssen.

Sie war stark geworden, konnte sich nun überall behaupten. Vielleicht war sie mit einer Tigerkatze vergleichbar – einer zweibeinigen.

Sie hockte also neben mir und sah auf mich nieder. Ich hätte mich aufrichten können, doch ich tat es nicht. Ich hatte meine Arme unter dem Kopf verschränkt, benutzte sie also als Kopfkissen.

Eine Weile sahen wir uns an. Sie wirkte sehr ernst. Es war ein tiefes Bedauern in ihr. Ich spürte es deutlich.

»Wir müssen voneinander Abschied nehmen«, flüsterte sie dann. »Du bist noch nicht reisefähig. In einer rumpelnden und über Stock und Stein holpernden Postkutsche würde deine Wunde aufbrechen. Die Zwirnnähte sind nun weich geworden. Die reißen bei der geringsten Anstrengung. Du musst noch zumindest zwei bis drei Tage liegen. Doch ich kann nicht bei dir bleiben. Schon mit der nächsten Kutsche aus Nogales können meine Verfolger hier eintreffen. Ich muss weiter. Denn solch eine Kutsche kann schon in der nächsten Stunde hier eintreffen. Ich weiß auch noch nicht, wohin mich meine Flucht führen wird. Wir müssen Abschied nehmen voneinander, Blake Hurrigan.«

Sie fiel aus ihrer Hocke auf die Knie, beugte sich nieder und küsste mich.

Dann erhob sie sich und ging zur Kutsche hinüber.

Dort kletterten schon die anderen Passagiere hinein. Auch das gerettete Gepäck war verladen. Viel Gepäck war es nicht. Das meiste war verbrannt. Doch Faiths Reisekoffer mit dem vielen Geld, den hatten sie gewiss eingeladen.

Ich sah ihr nach und bewunderte ihren leichten, geschmeidigen Gang. Sie war eine Frau mit wunderschönen Bewegungen. O Himmel, was war sie doch für eine Augenweide!

Dies wurde mir in diesen Sekunden wieder mit tiefem Bedauern bewusst.

Wir wären ein herrliches Paar gewesen, denn auch ich war ein recht ansehnlicher Bursche, blond, groß, ein Mann mit breiten Schultern und einer schmalen Taille. Ich hatte blaue Augen wie sie. Ich war ein typischer Texaner angloamerikanischer Abstammung.

Gewiss hätten wir prächtige Kinder hervorgebracht.

Daran dachte ich mit Bedauern.

Und ich nahm mir vor, dass ich nach ihr suchen würde, sobald ich wieder einigermaßen auf den Beinen war.

Sie kletterte in die Kutsche und warf dabei noch einen Blick über die Schulter zu mir in den Schuppen zurück.

Dann verschwand sie in der Kutsche, deren Fahrer mit der Peitsche knallte und mit rauer und heiserer Stimme rief. »Braaah, braaah, braaah, los, ihr dicken Tanten! Lauft, meine prächtigen Mädchen! Braaah!«

Die Kutsche fuhr davon, und bald waren nur noch ihre Geräusche zu hören.

Das war es also, dachte ich.

Dann aber verstummten alle Geräusche. Doch weil die Kutsche noch nicht weit genug sein konnte, dass nichts mehr von ihr zu hören war, konnte sie nur angehalten haben.

Ja, sie stand keine hundert Yard von der Station entfernt auf dem Wagenweg.

Ich hörte nun das Schnauben der Pferde.

Sie stand. Warum hat sie angehalten?, fragte ich mich, und es wollte aus meinem Kern etwas Hoffnung aufsteigen, zuerst vage nur, aber dennoch vorhanden.

Ich verdrängte das vage Hoffnungsgefühl, denn ich fürchtete mich vor der Enttäuschung. Die Kutsche konnte angehalten haben, weil mit dem Geschirr des Gespanns etwas nicht in Ordnung war – oder aus anderen kurzfristig zu behebenden Gründen.

Es dauerte auch nicht lange, dann fuhr sie wieder an. Nun verklangen ihre Geräusche mit zunehmender Entfernung.

Ich lag da und dachte: Jetzt ist sie endgültig weg. Aber wenn sie auf der Flucht ist, konnte sie gar nicht anders handeln. Sie wäre verrückt gewesen, hier durch längeres Verweilen ihren Vorsprung aufzugeben.

Als ich dies gedacht hatte, hörte ich Schritte, die im Staube des Hofes knirschten.

Es waren die Schritte einer Frau, welche einen Reisekoffer schleppte.

Und da kam sie auch schon zu mir in den halboffenen Schuppen.

Im Eingang hielt sie an und ließ den Koffer aus ihrer Hand neben sich zu Boden fallen, indes ich ein heiseres »Hallo, schöne Faith« hören ließ.

»O verdammt«, flüsterte sie, »ich konnte nicht einfach abhauen von hier, nachdem uns das Schicksal wieder zusammengeführt hat. Ich konnte nicht weg von dir.«

Es war ihre Liebeserklärung. Es konnte nicht anders sein. Sie hatte sich nun auf eine andere Weise in mich verliebt. Es war nicht so wie damals vor einigen Jahren, als wir uns in einem Rausch befanden. Damals wollte sie nochmals etwas auskosten, was sie bei dem alten Mann, der sie gewissermaßen gekauft hatte, nicht bekommen konnte. Doch nun war alles anders.

Ich musste schlucken. Dann hörte ich mich so richtig feierlich sagen: »Faith, ich hätte den ganzen Erdball nach dir abgesucht, sobald ich wieder reisefähig gewesen wäre. Ich hätte dich irgendwann und irgendwo gewiss gefunden. Und ich schwöre dir, dass du deine Entscheidung niemals bedauern müssen wirst.«

Es war mir, als spräche ich einen heiligen Schwur.

Sie kam nun zu mir, kniete bei meinem Lager nieder und küsste mich.

Und es gab eigentlich nichts mehr zu sagen.

Wir waren ein Paar geworden, gehörten zusammen.

»Ich werde mich hier bei dir einrichten«, lächelte sie. »Dieser Schuppen ist nun unser erstes Heim. Und dabei bin ich eine reiche Frau. Wir könnten uns jeden Luxus leisten. Aber wir werden im Stroh schlafen.«

Wenig später brachte sie mir das Mittagessen herüber, welches die Frau des Stationsmannes im Freien auf dem offenen Feuer zubereitet hatte.

Im Hintergrund des Schuppens hatte sie eine Kiste gefunden, die ihr als Sitz diente. Ich hatte mich etwas aufgesetzt, lehnte mit dem Rücken an einem alten Sattel und löffelte die Bohnensuppe aus dem Blechteller.

Es war ein schönes, wortloses Einverständnis zwischen uns.

Wahrscheinlich würden wir niemals viele Worte machen müssen, um uns zu verstehen.

Doch als wir die Teller geleert hatten, da sagte sie: »Jetzt muss ich dir wohl alles erklären – ich meine, warum ich mit einer solchen Menge Geld auf der Flucht bin vor einigen Killern, die ein mächtiger Mann auf mich ansetzte. Es ist eine längere Geschichte, Blake.«

Sie machte eine Pause, schlug die Beine übereinander und umfasste mit beiden Händen das obere Knie.

Sie dachte nach, und ich konnte ihr ansehen, wie sehr sie jetzt in ihrer Erinnerung einen langen Weg zurück in die Vergangenheit ging.

Dann sprach sie: »Mein Mann – ja, es war jener Mann, der mich am Ohio erwartet hatte – verlor nach dem Krieg die große Plantage. Und die vierhundert Sklaven waren plötzlich freie Menschen. Niemand mehr sorgte für sie. Sie waren frei, fanden im zerstörten Alabama keine Arbeit. Wir mussten damals mit dem Rest unseres Vermögens flüchten. Die nun freien Sklaven zerstörten alles. Mein Mann machte dann in Galveston Geschäfte mit einigen Reedern, welche Waren aus Europa einführten, die man besonders in Texas, New Mexiko und hier im Arizona-Territorium brauchte, zum Beispiel Maschinen jeder Sorte für Minen, Sägemühlen und Fabriken. Von seinem Partner wurde er dann betrogen. Wir verloren unseren Einsatz bei diesem Geschäft. Den Gewinn steckte der Partner ein. Und als mein Mann diesen Partner stellte, kam es zu einem Duell. Mein Mann wurde dabei getötet. Ich war zu dieser Zeit nicht in Galveston, sondern dabei, uns in New Orleans ein Heim einzurichten. Ich erfuhr dann sehr viel später alles und machte mich auf die Suche nach dem betrügerischen Partner. Ich fand ihn einige Monate später in Nogales. Auch dort machte er Geschäfte, führte Waren aus Mexiko ein, ließ diese durch eigene Frachtwagenzüge bis nach Santa Fé hinauf transportieren und im ganzen Land auf viele Läden verteilen. Er rüstete die Minencamps mit Spieltischen, Klavieren und vielen anderen Dingen aus, mit spanischen Möbeln und tausend anderen Dingen. Er kannte mich nicht. Aber ich arrangierte seine Bekanntschaft. Er begann mir den Hof zu machen. Er wusste nicht, wer ich war. Und dann spielten wir um mich. – Ich war ihm hunderttausend Dollar Spielkapital wert. Nun, ich betrog ihn bei diesem Spiel mit gezinkten Karten. Er fand dies heraus, weil er das letzte Kartenspiel prüfen ließ. Ich konnte mit der Postkutsche entkommen. Und es ist sicher, dass ich seine Männer auf meiner Fährte habe. Nun weißt du alles. Er hat meinen Mann um seinen Einsatz und Anteil gebracht und ihn dann im Duell getötet. Ich habe mir eine Menge von diesem Geld zurückgeholt. Mein Pech war es, dass ich das letzte Kartenspiel nicht verschwinden lassen konnte.«

Sie verstummte hart.

Ich aber sagte: »Ist dieser Mann wirklich so mächtig da unten an der Grenze?«