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Fast ohne Übergang bricht die Nacht herein.
Als sich Dick Hanson und Jim Chester der kleinen Ortschaft nähern, halten sie ihre Pferde an. Eine Weile spähen sie zu den gelben Lichtern hinüber. Sie erkennen jetzt auch die Hauptstraße; dort bilden die elektrischen Lampen eine unregelmäßige Girlande.
Dick rutscht unruhig im Sattel herum und sagt: "Ich hab 'n komisches Gefühl in der Magengrube, Jim. Dort ist die Höhle des Löwen..."
Jim lauscht der tiefen Stimme des Freundes nachdenklich, dann erwidert er, und es klingt wie ein Protest: "Was soll das, Dicker? Unser Plan ist gut und -"
"Ebenso gut könnten wir die Idioten sein!", unterbricht Dick grollend. "Wenn die Berichte nicht stimmen und der Sheriff dieses Kaffs doch 'n ordentlicher Mann ist ... könnt's uns recht dreckig gehen! Billy, der jenseits der Berge schon sein Spiel begonnen hat, würde dann vergeblich mit uns rechnen. Wir würden 'ne Menge Zeit verlieren. Mir ist so mulmig zumute, Bruder, dass ich Herzbeklemmungen und Atembeschwerden habe!"
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Seitenzahl: 99
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
MÄNNER AUS STAHL
DAS GRAB AM WASSERLOCH - Teil 9
Vorschau
Wissenswertes
die große Billy Jenkins Checkliste
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Heinrich Berends
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7517-0592-9
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Liebe Western-Leser, liebe Unger-Freunde!
Das Werk von G.F. Unger, einem der größten und beliebtesten Wildwest-Autoren über die Grenzen Deutschlands hinaus, ist umfangreich. Dazu zählen auch seine Beiträge zu den Serien BILLY JENKINS, TOM PROX, JOHNNY WESTON und PETE in den 50er-Jahren.
Als »sein« Verlag wollen wir Ihnen – zusätzlich zur Sonder-Edition, in der wir Ungers Taschenbücher ungekürzt im Heftformat auflegen –, in einer Classic-Edition jetzt auch diese Romane präsentieren, die neben ihrem nostalgischen Reiz nichts von ihrer Dramatik verloren haben. Wir beginnen mit seinen Billy-Jenkins-Romanen – 71 Hefte und 8 Leihbücher. Die Serie wurde erstmals im Werner-Dietsch-Verlag in den Jahren 1934–1939 veröffentlicht und zwischen 1951 und 1958 vom Uta-Verlag neu aufgelegt und fortgeführt. G.F. Unger stieg bei Band 50, mit dem wir auch die Classic-Edition begonnen haben, in die Serie ein.
Wir wünschen allen Sammlern und Lesern viel Vergnügen und spannende Unterhaltung bei dieser Zeitreise!
Ihre G.F Unger-Redaktion
PS: Einige Bezeichnungen in den Romanen wie »Neger« gelten heutzutage als diskriminierend. Sie waren zur Zeit der Romanhandlung aber gebräuchlich und sollten im historischen Kontext verstanden werden, weshalb sie im Text belassen wurden.
Männer aus Stahl
Nach Berichten des Westmannes Billy Jenkins
Fast ohne Übergang bricht die Nacht herein.
Als sich Dick Hanson und Jim Chester der kleinen Ortschaft nähern, halten sie ihre Pferde an. Eine Weile spähen sie zu den gelben Lichtern hinüber. Sie erkennen jetzt auch die Hauptstraße; dort bilden die elektrischen Lampen eine unregelmäßige Girlande.
Dick rutscht unruhig im Sattel herum und sagt: »Ich hab ’n komisches Gefühl in der Magengrube, Jim. Dort ist die Höhle des Löwen…«
Jim lauscht der tiefen Stimme des Freundes nachdenklich, dann erwidert er, und es klingt wie ein Protest: »Was soll das, Dicker? Unser Plan ist gut und –”
»Ebenso gut könnten wir die Idioten sein!«, unterbricht Dick grollend. »Wenn die Berichte nicht stimmen und der Sheriff dieses Kaffs doch ’n ordentlicher Mann ist… könnt’s uns recht dreckig gehen! Billy, der jenseits der Berge schon sein Spiel begonnen hat, würde dann vergeblich mit uns rechnen. Wir würden ’ne Menge Zeit verlieren. Mir ist so mulmig zumute, Bruder, dass ich Herzbeklemmungen und Atembeschwerden habe!«
Dick starrt zu Jim hinüber, der zusammengesunken im Sattel sitzt und ein Bein über das Sattelhorn gelegt hat.
»Bist du eingeschlafen, Jimmy?«, grollt Dick.
»Ich denke nach, Dicker«, sagt Jim leise. »Einer muss immer nachdenken. Aber ich kann keinen Fehler in unserem Plan finden. Der Weidedetektiv, den sie ermordet haben, konnte noch einen Tag vor seinem Tode einen Bericht absenden. Und dieser Bericht sagt ganz deutlich, dass der Sheriff von Fair Faro ein Gangster ist. Nun, Dick, du prächtiges Pferdchen: Wir riskieren es eben, savvy?«
»Uns bleibt ja leider gar nischt anderes übrig, Junge!«, grollt Dick. »Aber sage mir eins, du schwarzhaariger Hecht: Warum nennst du mich ein prächtiges Pferdchen? Vom vielen Denken hat es wohl in deinem Großhirn geknallt, was?«
»Ich bin auch ein Pferdchen, Dick – wir zwei beide sind Pferdchen – sozusagen Trojanische Pferdchen! Hast du noch nie etwas vom Trojanischen Pferd gehört, aus dessen Bauch dann ein paar raubeinige Männeken geklettert sind, die dann mächtigen Stunk begonnen haben?«
»Es war ein Holzpferd«, knurrt Dick und zwirbelt seinen Schnurrbart.
»Etwas an dir«, kichert Jim, »ist auch aus Holz. Und wir sind gewissermaßen Billys Trojanische Pferdchen!«
»Aha! Wir sind zwei Pferdchen, die die Wende herbeiführen sollen – wir sind Billys Trick. Ich habe so eine Ahnung, als würden wir bald durch den Wolf gedreht und zu Pferdewurst verarbeitet werden. Nun, mir ist alles egal!«
Dick treibt sein Pferd an. Jim folgt ihm. Wenige Minuten später reiten sie in den Ort ein.
Die Geschäfte sind noch geöffnet. Vor den Saloons stehen Sattelpferde an den Haltestangen.
Drei Reiter, die aus der Stadt wollen, kommen ihnen entgegen. Dick reitet ziemlich in der Mitte der Fahrbahn. Und er weicht nicht aus, als er sich dem äußersten, der drei entgegenkommenden Reiter nähert. Und dieser weicht erst im allerletzten Moment aus, reißt jedoch sofort sein Pferd herum und drängt es dicht an Dicks Seite.
»Verdammt, wer kommt hier so großspurig in diese Burg geritten?«, schimpft eine wilde und heisere Stimme.
Dick und Jim haben angehalten.
Der fremde Reiter beugt sich aus dem Sattel und greift nach Dicks Hemdbrust mit den Worten: »Wer bist du, du stolzer Hundesohn?«
»Lass los, du Armleuchter!«, erwidert Dick böse – denn er spielt ja jetzt einen gefährlichen Burschen von der allerschlimmsten Sorte.
»Oha!«, schnauft der Mann. Es ist ein großer und starkknochiger Kerl. Er krallt seine mächtige Hand noch fester in Dicks Hemdbrust und holt mit der anderen Hand zu einem Schwinger aus.
Dick ist schneller. Er knallt dem Reiter seine Rechte auf die Kinnbacke, reißt sich los und stößt ihm die Linke gegen das Brustbein.
Das genügt. Der Mann fällt aus dem Sattel.
Die beiden anderen Reiter machen nun rasche Bewegungen nach ihren Waffen. Doch Jim Chester ruft halblaut: »Feierabend, Leute! Das genügt!«
Im gelben Lampenschein, der aus den Fenstern eines Hauses fällt, schimmert Jims Coltlauf bläulich.
»Packt euren Trotzknaben aufs Pferdchen und haut ab!«, knurrt Dick ziemlich freundlich. Er hat jetzt ebenfalls seinen Colt in der Hand. Er und Jim drängen ihre Pferde seitwärts weiter, bis sie aus der gelben Lichtbahn kommen. Dann reiten sie ruhig weiter.
Es fällt kein Schuss hinter ihnen. Sie blicken andauernd über die Schulter und sehen, dass die beiden anderen Reiter abgestiegen sind und sich um ihren Kameraden bemühen – dem noch ziemlich schlecht sein muss, da er sich immer noch nicht aus dem Staub erheben kann.
»Jetzt sind wir schon mitten im Dreck!«, knurrt Dick.
Sie reiten langsam weiter. Auf den Gehsteigen zu beiden Seiten der Fahrbahn stehen dunkle Schatten oder bewegen sich langsam. Glühpunkte von Zigaretten leuchten. Hier und da durchschreitet ein Mann langsam und sporenklingelnd einen Lichtstreifen.
Es gibt genügend Augen, die den kurzen Zusammenstoß beobachtet haben. Ein Stück hinter Dick und Jim ruft eine Stimme aus der Dunkelheit des überdachten Gehsteigs: »He, was ist mit Buffalo-Slim passiert?«
Und eine andere Stimme erwidert heiser und böse etwas.
Dick und Jim können es nicht mehr verstehen. Sie sind nun schon zu weit weg. Sie erreichen einen Mietstall, reiten in den Hof und steigen ab.
Ein kleiner und breiter Mann kommt zum Vorschein. Vor dem großen und offenen Stalltor hängt eine Laterne. Und auch innen ist der Stall erleuchtet. Man erkennt einen langen Gang, zu dessen beiden Seiten sich ein Stand an den anderen reiht. Der Stall ist voller Pferde. Und daneben befindet sich ein Korral, in dem sich ebenfalls die Schatten vieler Tiere bewegen.
»Hallo!«, sagt der kleine, breite Mann und starrt die beiden Ankömmlinge an.
»Freund«, murmelt Jim Chester sanft und höflich, »wir hätten sehr gern ein paar erstklassige Gäule. Sie können was kosten, müssen jedoch auch was taugen. Wenn diese hier wieder ausgeruht sind, sind es Hundertfünfzig-Dollar-Pferde. Wie ist es, Master?«
In Jims letzten Worten schwingt eine Drohung mit.
Der Pferdehalter und Mietstallbesitzer zieht seine breiten Schultern vor und den Kopf ein.
Dann tritt er an die beiden abgetriebenen Pferde heran, betastet sie und fühlt alle Muskeln ab. Er betrachtet auch im Lampenschein die Brandzeichen schnell und scharf. Dann sagt er kurz: »Ich habe zwei zähe Biester von Mustangs. Wenn ihr nach Norden reitet, so sind diese Biester gerade richtig für die Berge. Sie werden erst nach zwanzig Meilen warm und sind dann nicht mehr von einem Vollblutrenner zu schlagen. Und diese beiden hier übernehme ich pro Stück für hundert Dollar in Zahlung.«
»Und was kosten die beiden Wunderpferdchen?«, fragt Jim Chester.
»Beide dreihundert Dollar – ich bekomme also noch hundert Dollar von den Gentlemen.« Er grinst plötzlich. »Die Biester sind wild, aber sie taugen auch was!«, fügt er hinzu.
»Na schön«, sagt Dick und öffnet die Schnalle seines Sattelgurtes. Als er den Sattel abnimmt, fallen die beiden prallgefüllten Packtaschen besonders auf. Auch Jims Satteltaschen sind voll und stramm.
Der Stallbesitzer führt die beiden abgetriebenen Pferde in den Korral. Als er zurückkommt, reibt er sich die Hände. Dick und Jim folgen ihm in den Stall. Sie schleppen ihr Sattelzeug, Zaumzeug und alles, was zu ihrem Gepäck gehört, mit.
»Da sind die beiden Biester«, sagt der Stallmann und deutet auf zwei zottige braune Wallache. »Sie schlagen und beißen, und wenn sie euch nicht zu Krüppeln machen, sind sie ihr Geld wert.«
»Du bist ein wirklicher Menschenfreund, Sunny!«, sagt Jim, und er gibt sich Mühe, besonders grimmig und böse zu grinsen.
Dick braucht sich nicht anzustrengen, gefährlich auszusehen, denn er wirkt in seiner ganzen athletischen Massigkeit schon Furcht einflößend genug. »Sehen gar nicht so schlecht aus«, sagt er, die Tiere beobachtend. »Well, wir nehmen sie. Ich werde diesen kleinen Schäker da reiten, den mit der Blesse.« Er legt Sattel und Zaumzeug auf einen Bock und wendet sich dem Stand zu, in dem das auserkorene Pferd steht.
»Vorsicht! Der ist noch bissiger als der andere!«, warnt der Stallmann.
»Wir werden mit jedem bösen Knaben fertig!«, knurrt Dick und tritt in den leeren Stand links von dem wilden Braunen. In leisem, singendem Ton spricht er das Tier an: »Hey, Boy! Bist ’n braves Schaukelpferdchen, was? Guck nicht so bös, alter Junge! Ich meine ’s ja gut mit dir. Wir werden uns schon vertragen…« Er geht neben dem hängenden Standbaum bis zum Kopf des Pferdes, das die Ohren anlegt und etwas die Lippen hebt, sodass die gelben Zähne zu sehen sind.
Vorsichtig tritt Dick näher, packt das Stallhalfter, mit dem das Tier angebunden ist, mit energischem Griff und verhindert so, dass der Wallach ihn beißen kann. »Nun, Brauner, du wirst mich doch nicht beißen wollen… nein, nein… Kannst die Ohren ruhig wieder aufstellen, Sunnyboy! Du wirst mein guter Freund sein, savvy?«
Dick wirft die Lippen auf und schnaubt seinen Atem dem Tier in die Nüstern. Und wirklich richtet der Braune die Ohren auf und bleckt die Zähne nicht mehr. Die Blicke der großen Augen werden friedfertiger.
Leise weiterredend, krault Dick das Pferd am Kinn, dann hinter den Ganaschen und schließlich am Widerrist, wo die Mähne endet. Leise schnaubt der Wallach und schnuppert am Hemd des Mannes.
»Ja, mein Honigjunge, merk dir, wie ich rieche«, sagt Dick leise, und in seiner Stimme liegt viel Zärtlichkeit, Liebe und Vertrauen. Er holt eine Handvoll Hafer aus der Tasche und hält den Leckerbissen auf der flachen Hand unter das samtene Maul.
Der Wallach nimmt die Gabe an, und seine starken Zähne mahlen. Dick aber entfernt sich, wobei er ununterbrochen zu dem Tier spricht. Mit Sattel und Zaumzeug kehrt er zurück. Er hält dem Wildling den Sattel hin, lässt ihn am Leder schnuppern und sagt: »Ja, das ist mein Sattel, Alter. Ich werde ihn jetzt auflegen, alter Freund. Siehst du, so…« Und während Dick den Sattel vorsichtig auf den Rücken des Tieres legt, zieht er den Kopf des Braunen mit der anderen Hand langsam herum. »Guck nur her, Alter! Es passiert dir nichts Schlimmes! Hast du ’s gesehen? Na siehste, mein Prachtjunge! Alles okay! So – nun werden wir den Gurt vorsichtig anziehen… nicht zu sehr, sonst kriegst du’s mit der Angst. So ist’s gut. Fein von dir, Sunnyboy! So – und nun wollen wir mal noch den Zaum umlegen. Na ja, komm schon her mit deinem schönen Köpfchen, Alter!«
»Einfach nicht zu glauben!«, sagt der Stallmann staunend zu Jim. Der grinst und erwidert: »Kleine Fische! So, nun werde ich mal den anderen satteln.«
Eine Viertelstunde später können Dick und Jim die beiden Pferde aus dem Stall führen und im Hof die Sattelgurte fester anziehen. Dann steigen sie beide auf. Jim holt eine Geldrolle aus der Tasche und zahlt in blankem Silber.