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Wenn ein Verbrecher viele Jahre hinter Zuchthausmauern sitzt und schwere Arbeit in den Steinbrüchen verrichten muss, dann ist er danach meist ein gebrochener Mann. Ein Raubtier - Tiger oder Wolf -, das man viele Jahre in einen Käfig sperrt und dann wieder in der Wildnis aussetzt, wird nicht mehr so gefährlich sein wie sein frei lebender Artgenosse.
So ist es auch mit den Verbrechern. Es gibt aber Ausnahmen. Männer, die hart und stark genug sind, sich nicht brechen zu lassen. Wenn sie aus den festen Mauern herauskommen, sind sie gefährlicher als zu der Zeit, da man sie einsperrte. Sie hassen mit ganzer Seele, denn es kommt ihnen nicht in den Sinn, dass ihnen recht geschah.
So einen Mann jagt Tom Prox...
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Seitenzahl: 116
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
WEITER WILDER WESTEN
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Vorschau
Impressum
DIE PERSONEN
Tom Prox –mutig und taktisch klug nimmt er den Kampf gegen eine zahlenmäßig erdrückende Banditenmacht auf
Ambrose Sulliwan –sein dicker, etwas kurzatmiger Gehilfe
Andy Baxter –dessen langer hagerer Freund. Beide sind Tom im Banditenkrieg von großem Nutzen.
Oberst Wells –ein Oldtimer, der in schwere Bedrängnis gerät und alle Hoffnung auf Tom Prox setzt
Jane Wells –ein kluges und tüchtiges Mädchen, das den Männern in nichts nachsteht
Pat Cody – der tapfere und selbstlose Vormann des Obersten Wells
Die Pikass-Crew –eine Mannschaft, bei der jedes Mitglied für drei zählt
Big Ben Lummer – ein alter Zuchthäusler, in dessen Seele die Rache brütet
Ben Lummer – sein Sohn, der auf dem besten Weg ist, ein Bandit der schlimmsten Sorte zu werden
Judith Lummer – Big Bens schöne Tochter, in der noch nicht alles Gute erstorben ist
Bill Gibson – Vormann von Big Ben und Bandit in eigener Regie, der vielleicht noch auf den richtigen Weg kommt
John Kindley – ein skrupelloser Hehler, der ernten möchte, wo andere säten
Zahlreiche Nebenpersonen: gute und schlechte Cowboys und die Einwohnerschaft zweier Ortschaften, die fast geschlossen auf der Seite der Banditen stehen
Liebe Western-Leser, liebe Unger-Freunde!
Das Werk von G.F. Unger, einem der größten und beliebtesten Wildwest-Autoren über die Grenzen Deutschlands hinaus, ist umfangreich. Dazu zählen auch seine Beiträge zu den Serien BILLY JENKINS, JOHNNY WESTON, TOM PROX und PETE in den 1950er-Jahren.
Als »sein« Verlag wollen wir Ihnen – zusätzlich zur Sonder-Edition, in der wir Ungers Taschenbücher ungekürzt im Heftformat auflegen –, in der Classic-Edition auch diese Romane präsentieren, die neben ihrem nostalgischen Reiz nichts von ihrer Dramatik verloren haben. Den BILLY-JENKINS-Western und den JOHNNY-WESTON-Leihbüchern folgten Ungers TOM-PROX- und PETE-Heftromane aus den Jahren zwischen 1951 und 1954 im »Doppelpack« – und nun zum Schluss seine zehn Leihbücher um Tom Prox in jeweils zwei Teilen.
Wir wünschen allen Sammlern und Lesern viel Vergnügen und spannende Unterhaltung bei dieser Zeitreise!
Ihre G.F Unger-Redaktion
PS: Einige Bezeichnungen in den Romanen wie »Neger« gelten heutzutage als diskriminierend. Sie waren zur Zeit der Romanhandlung aber gebräuchlich und sollten im historischen Kontext verstanden werden, weshalb sie im Text belassen wurden.
WEITER WILDER WESTEN
Auf Messers Schneide
Ein Abenteuer aus dem Wilden Westen,berichtet von G.F. Unger
Wenn ein Verbrecher viele Jahre hinter Zuchthausmauern sitzt und schwere Arbeit in den Steinbrüchen verrichten muss, dann ist er danach meist ein gebrochener Mann. Ein Raubtier – Tiger oder Wolf –, das man viele Jahre in einen Käfig sperrt und dann wieder in der Wildnis aussetzt, wird nicht mehr so gefährlich sein wie sein frei lebender Artgenosse.
So ist es auch mit den Verbrechern. Es gibt aber Ausnahmen. Männer, die hart und stark genug sind, sich nicht brechen zu lassen. Wenn sie aus den festen Mauern herauskommen, sind sie gefährlicher als zu der Zeit, da man sie einsperrte. Sie hassen mit ganzer Seele, denn es kommt ihnen nicht in den Sinn, dass ihnen recht geschah.
So einen Mann jagt Tom Prox ...
Als Ambrose Sulliwan und Andy Baxter vor knapp drei Stunden mit den drei Viehdieben die kleine Herde an Gibson verkauften, hörten sie einige entfernte Schüsse in der Nacht und vernahmen auch die Geräusche einer Herde, die, von Westen kommend, an ihnen vorbeigetrieben wurde. Es war eine kleinere Herde, nicht so groß wie die Herde, deren Geräusche sie eben mit Tom zusammen aus nördlicher Richtung vernahmen. Die kleinere Herde war gestohlen worden, und die Schüsse galten den wenigen Reitern von der Hackmesser-Ranch, die sich vor der Übermacht der Viehdiebe zurückzogen.
Um die Zeit, da Amb und Andy mit Tom zusammen gegen die Leute der »Gebrochener Sattel« kämpften und dann die Flucht ergriffen, meldete der Vormann Pat Cody dem Rancher der Hackmesser-Ranch den erneuten Raub.
Oberst a. D. James Wells sitzt auch heute wieder im bequemen Lehnstuhl und hat sein Bein mit dem Gipsverband auf dem gepolsterten Hocker liegen.
»Boss«, schnauft Cody, »eben haben sie uns fast tausend Rinder weggeholt! Ich reite mit den Boys, die noch einen kleinen Punkt Ehre haben und es nicht dulden wollen, dass man die ihnen anvertrauten Tiere raubt.«
Cody geht bei diesen Worten zum Waffenschrank und stopft sich alle Taschen voll Gewehrmunition.
Wells hebt die faltige Hand. »Halt! Wer reitet mit dir?«
Der Vormann senkt angriffslustig seinen breiten Schädel.
»Sechs sind es«, antwortet er leise, aber seine Augen leuchten in angriffslustigem Zorn.
»Es ist Selbstmord«, sagt der Rancher gefasst, »bleibt hier!«
»Nein, Boss! Es geht uns gegen den Strich, dass wir ständig die Dummen sind!«
»Erst warten wir ab. Wir müssen wissen, warum Tom Prox nicht gekommen und so spurlos verschwunden ist«, versetzt Wells energisch. Er macht eine Bewegung, als ob er aufstehen wolle, doch dann sinkt er mit verzweifelter Miene in den Sessel zurück.
Man sieht es dem alten Mann an, wie hart es ihm ankommt, dass er hier so untätig herumsitzen muss.
Cody gibt sich nicht zufrieden.
»Sie haben ihn entweder gefangen oder umgelegt. Ich werde reiten. Vielleicht besinnen sich noch einige Leute der übrigen Mannschaft, die sich fast ohne Gegenwehr das Vieh haben wegnehmen lassen. Ich habe unsere Treuen zusammengeholt und werde auch ohne Ihren Willen reiten, Boss.«
Wells stampft mit dem Stock auf den Boden.
»Cody, es ist reiner Selbstmord! Die paar hundert Rinder wiegen die Toten nicht auf, die es geben wird. Sie werden euch zusammenknallen, wenn ihr über Eagletown herausreitet! Du bleibst hier! Ich vertraue auf Tom Prox, denn ich kenne ihn besser als du. Er war in Eagletown, und das genügt mir.«
»Ich reite, Boss!«, beharrt Cody. »Damned, wir kommen uns wie Stinktiere vor! Hölle, noch haben Sie einige Leute auf der Ranch, die einen Kampf wagen, auch wenn er vielleicht ohne Chance ist!«
Wells schweigt einige Sekunden. Der Vormann will sich schon zur Tür wenden, da hält ihn die feste Stimme des alten Ranchers zurück: »Ich verliere lieber eine Herde als euch! Ihr seid entlassen, wenn ihr so irrsinnig seid, gegen diese Übermacht zu reiten.«
»Entlassen?«, schnauft Cody.
»Yeah, entlassen!«
»Oho, Sie haben schon viele Leute entlassen, die immer noch da sind.«
Wells senkt bei diesen Worten seines Vormanns den Kopf.
»Du hast recht. Ich kann keinen Mann entlassen, weil ich jedem für viele Monate den Lohn schuldig bin.«
Jetzt mischt Jane Wells sich ein, die mit ernsten Augen wortlos zugehört hat.
»Pat Cody, Sie sollten auf den Boss hören. Warten Sie wenigstens noch einen Tag! Tom Prox wird sich bestimmt melden. Vielleicht bringt er einige Beweise mit, mit denen wir die Rancher in den Seitentälern auf unsere Seite bringen.«
Der stiernackige, ehrliche Cody steht fast eine volle Minute schweigend da.
»Well«, sagt er und wendet sich zur Tür.
»Pat«, flüstert der Oldtimer hinter ihm.
Cody wendet sich.
»Pat, es wird sich bald alles ändern! Du kennst Tom Prox und seine Freunde noch nicht. Ich weiß, dass du lieber Schläge austeilst als einsteckst. Wir werden unsere Trümpfe aber bald ausspielen, du darfst es glauben.«
»All right, Rancher, aber dass Sie uns, Ihre letzten treuen Reiter, entlassen wollten...«
»Quatsch! Was soll ich denn machen, wenn du solch einen Dickschädel hast?«
»All right«, sagt Cody noch einmal und verschwindet mit klirrendem Schritt auf der Veranda.
Eine Stunde später liegt das Ranchhaus mit dunklen Fenstern in der Nacht. Der alte Mann schläft; er schläft, obwohl er heute fast tausend Rinder verloren hat.
Aber seine Nichte schläft nicht. Im Gegenteil, sie ist lebendig wie selten, hat ihren Reitanzug angezogen und sieht nach, ob ihr kleiner Colt geladen ist. Wenig später huscht sie zu den Pferdepferchen.
Monkey-Flips hält zu dieser Zeit Wache auf der Ranch. Er hört Janes leichten Schritt, erkennt sie und fragt: »Na, ist was passiert?«
»Nein«, erwidert das Mädchen, bohrt dem überraschten Cowboy aber im nächsten Augenblick die Coltmündung unter den Magen.
»Nanu?«, wundert sich Flips.
»Tut mir leid, wirklich!«, entschuldigt sich Jane.
Jane zieht dem Weidereiter den Colt aus dem Holster und wirft ihn in die Dunkelheit hinein.
»Was soll das?«, fragt Flips zornig.
»Bitte, sattle mir ein Pferd!«
»Ach so, jetzt verstehe ich! Nein, ich sattle kein Pferd für Sie – heute Nacht bestimmt nicht! Der Rancher verbietet uns, zu reiten. Was haben Sie überhaupt vor?«
Jane wird ungeduldig. »Flips, es gibt unter unseren Gegnern keinen Mann, der sich an einer Frau vergreifen würde. Ich will spazieren reiten und nebenbei nach Tom Prox Ausschau halten. Außerdem wissen wir immer noch nicht bestimmt, ob es tatsächlich Lummer selbst ist, der unser Vieh stiehlt. Ich werde das als Frau leichter herausbekommen als ihr Männer. Mir tut man nichts; jeder Mann im Distrikt wäre erledigt, wenn er mir etwas antäte. Du kennst das Gesetz des Westens.«
Flips knurrt: »Es ist möglich, dass man Sie reiten lässt, aber nicht sicher. Jedenfalls ist es zu gefährlich!«
»Vorwärts«, fordert Jane hart und stößt dem Cowboy den Colt in den Rücken.
Vor dem Korral stehen einige Pferde. Die Tiere sind sogar gesattelt. Pat Cody und seine wenigen zuverlässigen Boys halten anscheinend ständig einige Pferde bereit.
»Das ist fein«, freut sich Jane, langt sich ein Lasso vom Sattelknopf und legt die Schlinge mit der Linken um Flips' Oberkörper, während sie mit der Rechten den Colt in seinen Rücken drückt.
»Ich sollte Ihnen das Schießeisen wegnehmen«, brummt Flips, dem es zum ersten Mal passiert, dass ihn ein Mädchen so energisch mit der Waffe bedroht.
In seiner Überraschung hat er sich eine Sekunde zu spät entschlossen. Die Schlinge presst ihm beide Arme eng an den Körper. Jane schlägt blitzschnell noch zwei Schlingen um ihn, wirft das Seil um einen Pfosten und bindet ihn schmerzhaft fest. Dann schwingt sie sich in den Sattel eines Pferdes.
Flips aber brüllt mit wütender Stimme: »Alarm, Alarm! Sie hat mich eingewickelt, und ich Idiot habe stillgehalten! Hoi, raus aus dem Schlafhaus! Alarm!«
Jane Wells lacht schadenfroh. Sie hat gewonnen, dank der Sonderstellung, die die Frau im Westen einnimmt.
Es gab stets zu wenige Frauen in dem wilden Land. Sie waren deshalb begehrt und umworben und sind es heute noch. Für den echten Westler ist eine Frau etwas Besonderes. Er benimmt sich ihr gegenüber immer ritterlich und hilfsbereit. Selbst die wildesten Boys verhalten sich ihnen gegenüber zahm.
Nur deshalb ist es zu verstehen, dass sich Flips ohne Gegenwehr hat einwickeln lassen. Er war zu schüchtern und wollte Jane nicht hart anpacken. Als er sich endlich dazu entschlossen hatte, war es zu spät.
Jane treibt das Pferd in die Nacht hinein. Die Ranch hinter ihr wird lebendig. Pat Cody stürzt aus seinem kleinen Verschlag, der sich neben dem Cowboyschlafhaus befindet.
Aus dem Schlafhaus selbst springen nacheinander Ned, Joe, Sam, Ronny und Pat heraus. Hinter ihnen zeigen sich einige andere Männer. Es sind die Boys, die halb und halb auf der Seite der Gegenpartei stehen. Man hat ihnen schon gekündigt, aber sie gehen nicht von der Ranch, weil sie Lohnforderungen haben. Natürlich haben sie sich ihren Lohn schon doppelt und dreifach geholt, indem sie an Lummer Mavericks verkauften oder ihm kleinere Herden zuspielten.
Pat Cody und die anständigen Boys sind in der Minderheit und können diesen Teil der Mannschaft nicht vertreiben. In den letzten Tagen haben sich die Meuterer jedoch passiv verhalten, und Cody ist froh gewesen, dass es auf der Ranch ruhig geblieben ist.
Auch die Unzuverlässigen stehen jetzt vor dem Schlafhaus und vernehmen, was Flips wütend berichtet. Als sich die sechs Reiter mit Cody in die Sättel schwingen, lachen einige von ihnen.
»Lasst sie reiten! Sie kommt schon wieder zurück! Vielleicht will sie Ben Lummer besuchen, der ja mächtig hinter ihr her ist, obwohl sein Vater mit Wells in Feindschaft lebt! Warum so aufgeregt?«
So ruft es aus dem Haufen der Unzuverlässigen.
Cody stoppt noch seinen Gaul und sagt: »Wenn ihr nicht so erbärmliche Coyoten wäret, die ihren eigenen Rancher verraten, ihn bestehlen und bestehlen lassen und mit seinen Gegnern zusammenarbeiten, dann wäre das alles nicht nötig. Verdammte Ratten!«
Mit diesen Worten treibt Cody sein Pferd aus dem Ranchhof. In dem zurückbleibenden Haufen murmelt es durcheinander.
»Für sechzig Dollar im Monat trage ich meine Haut nicht zu Markte«, sagt einer höhnisch.
»Du besserst dir schon auf, indem du Kühe verkaufst, wenn du Herdenwache hast«, brummt ein anderer.
»Das tust du auch«, zischt ein Dritter, »das haben wir alle getan; wir haben uns deshalb doch hier anstellen lassen.«
»Yeah, und jetzt warten wir auf unseren Lohn und weichen nicht eher von der Ranch. Wenn ich Geld brauche, so hole ich mir noch mehr Rinder und treibe sie hinüber«, faucht einer.
Ein langer, sehniger Kerl gesteht etwas verlegen: »Nee, genau besehen ist es doch eine verdammt unfaire Sache! Hölle, der Rancher hat uns vertraut und Pat Cody ist wohl ein Büffel, aber ein guter Kerl. Ich mache Schluss hier. Doch vorher helfe ich Cody, das Mädel suchen. Wenn Bill Gibson oder Ben Lummer das Mädel erwischen, dann setzen sie es gefangen, und so ein Hund bin ich nicht, dass ich Wells so etwas antue.«
Mit diesen Worten stelzt der Cowboy zum Pferde-Korral. Einige lachen spöttisch, aber ein anderer stimmt zu: »Pit hat recht, durch das Mädel wird die Sache anders. Well, wir sind wohl Gauner, die sich mit gewissen Absichten hier haben einstellen lassen, aber dem Mädel darf nichts geschehen!«
Auch dieser Mann geht Richtung Korral. Die anderen jedoch, es sind weit über ein Dutzend, lachen höhnisch hinter den beiden her.
»Eigentlich sollten wir die Gelegenheit benützen, um hier unsere Vorteile wahrzunehmen«, schlägt einer vor. »Die Ranch ist jetzt in unserer Hand, wenn wir es wollen. Big Ben Lummer würde uns bestimmt eine saftige Prämie in die Hand drücken.«
Doch auf diesen Vorschlag geht niemand ein. Sie haben alle für Lummer gearbeitet, aber sie scheuen sich, offen Farbe zu bekennen und sich als regelrechte Banditen zu zeigen.
Es sind kleine Gauner, die als Weidereiter arbeiten und dabei etwas im Trüben fischen. Pat Cody musste sie einstellen, da die Cowboys in diesem Land knapp sind, sodass er froh war, überhaupt eine Mannschaft zusammenzubekommen.