1,99 €
Der Wind kommt von Norden, von Kanada herüber. Er treibt die Regenwolken über den mächtigen Missouri, über die unendlichen Ebenen von North Dakota und über den Cheyenne hinweg, immer weiter nach Süden. Es regnet stetig, anhaltend, pausenlos. Manchmal fallen die dichten Regenschnüre fast senkrecht auf das gelbbraune Land, dann wieder werden sie von starken Windböen fast waagerecht nach Süden gepeitscht.
Manchmal dröhnt der Wind, als ob eine riesenhafte Orgel tönen würde, dann wieder singt es in allen Tonarten, schwillt an zu hellem Klingen und sinkt ab zu einem dumpfen Brausen. Das Land ist weit, wild und mächtig wie die Natur, die sein Schicksal bestimmt.
Hart jagt der Winter den späten Herbst nach Süden. Der Wind peitscht den Regen auf die Hinterhand des Rappens und an den breiten Rücken des Reiters, der zusammengesunken im Sattel hockt...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 102
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
DIE HÄRTE ENTSCHEIDET
Kapitel 2 Jim Stone von der Halbmond-Ranch
Kapitel 3 Der Notar von Lake City
Kapitel 4 Spiel des Zufalls
Kapitel 5 Tom Prox greift ein
Kapitel 6 Zwischenfall in Carterville
Kapitel 7 Die Falle und Tom Prox
Vorschau
Impressum
DIE PERSONEN
Tom Prox –mit Mut, Scharfsinn und Zähigkeit muss er sich in einem Zweikampf von beispielloser Härte beweisen
Ambrose Sulliwan und Andy Baxter –seine tüchtigen Freunde, die erst spät einzugreifen brauchen und ihm trotzdem von Nutzen sind
Jim Stone –ein junger Rancher, der Tom unter merkwürdigen Umständen zum ersten Mal begegnet und sein Freund wird
Kathleen Stone –Jims Schwester, ein prachtvolles Mädel, das Tom in einige Unruhe versetzt
Jack McGreen –ein Verbrecher von Format, der in Tom Prox seinen Meister findet
Simson Blister –ist kein ehrenwerter Notar, aber dieser Titel ist sein bester Trick
Bud Bennet und Jube Bennet –zwei Brüder, die im Trüben fischen wollen
Gene Fellow –ein Texaner in Bennets Bande, der sich einen Rest von Anständigkeit bewahrt hat
Pet Latkin und Tim Pouver –zwei weitere Mitglieder in der Bande – aber ohne diesen Rest von Anständigkeit
Allan Wolters –ein Boy, der von Tom einen besonderen Auftrag erhält
Feldmaus –ein Riesenhengst, der im richtigen Augenblick die Szene betritt
Ort der Handlung: Dakota, Gegend zwischen dem Cheyenne- und dem Niobrara-River
Liebe Western-Leser, liebe Unger-Freunde!
Das Werk von G.F. Unger, einem der größten und beliebtesten Wildwest-Autoren über die Grenzen Deutschlands hinaus, ist umfangreich. Dazu zählen auch seine Beiträge zu den Serien BILLY JENKINS, JOHNNY WESTON, TOM PROX und PETE in den 1950er-Jahren.
Als »sein« Verlag wollen wir Ihnen – zusätzlich zur Sonder-Edition, in der wir Ungers Taschenbücher ungekürzt im Heftformat auflegen –, in der Classic-Edition auch diese Romane präsentieren, die neben ihrem nostalgischen Reiz nichts von ihrer Dramatik verloren haben. Den BILLY-JENKINS-Western und den JOHNNY-WESTON-Leihbüchern folgten Ungers TOM-PROX- und PETE-Heftromane aus den Jahren zwischen 1951 und 1954 im »Doppelpack« – und nun zum Schluss seine zehn Leihbücher um Tom Prox in jeweils zwei Teilen.
Wir wünschen allen Sammlern und Lesern viel Vergnügen und spannende Unterhaltung bei dieser Zeitreise!
Ihre G.F Unger-Redaktion
PS: Einige Bezeichnungen in den Romanen wie »Neger« gelten heutzutage als diskriminierend. Sie waren zur Zeit der Romanhandlung aber gebräuchlich und sollten im historischen Kontext verstanden werden, weshalb sie im Text belassen wurden.
DIE HÄRTE ENTSCHEIDET
Spiel des Zufalls
Ein Abenteuer aus dem Wilden Westen,berichtet von G.F. Unger
Der Wind kommt von Norden, von Kanada herüber. Er treibt die Regenwolken über den mächtigen Missouri, über die unendlichen Ebenen von North Dakota und über den Cheyenne hinweg, immer weiter nach Süden. Es regnet stetig, anhaltend, pausenlos. Manchmal fallen die dichten Regenschnüre fast senkrecht auf das gelbbraune Land, dann wieder werden sie von starken Windböen fast waagerecht nach Süden gepeitscht.
Manchmal dröhnt der Wind, als ob eine riesenhafte Orgel tönen würde, dann wieder singt es in allen Tonarten, schwillt an zu hellem Klingen und sinkt ab zu einem dumpfen Brausen. Das Land ist weit, wild und mächtig wie die Natur, die sein Schicksal bestimmt.
Hart jagt der Winter den späten Herbst nach Süden. Der Wind peitscht den Regen auf die Hinterhand des Rappens und an den breiten Rücken des Reiters, der zusammengesunken im Sattel hockt...
Kapitel 1Der Ranger im Schneesturm
Der Reiter hat den Mantelkragen hochgeschlagen, den Stetson tief ins Gesicht gezogen und sich ein Tuch darüber gebunden. Er hat es so unter dem Kinn verknotet, dass die Kopfbedeckung einem Frauenhut ähnelt.
Trotz des Regens ist die Fährte noch frisch, auf welcher der Reiter reitet. Die Hufabdrücke zweier Pferde sind noch einigermaßen deutlich in dem aufgeweichten Sand abgezeichnet.
»Philip, sie sind keine zehn Minuten vor uns! Well, bald geht die Fährte zu Ende! Ha, wenn uns der Schneesturm noch ein wenig Zeit ließe!«
Krächzend kamen diese Worte aus dem Mund des Reiters. Er blickt über die Schulter zurück. Weit hinter seinem Rücken leuchtet es seltsam hellgrau, und eine Kältewelle lässt ihn zusammenschauern. Wie ein eisiger Atem weht es jetzt von Norden, und binnen weniger Sekunden verwandelt sich der Regen in Hagelkörner, die in Erbsengröße herunterprasseln.
»Das wird ein feiner Blizzard«, keucht der Reiter. »Hey, armer alter Ziegenbock, du musst jetzt etwas schneller laufen! Ich bin nicht zum Spaß schon zwei Wochen hinter den beiden Halunken her, die übrig geblieben sind von der Bande, die in Glendive die Bank ausgeraubt hat. Hoh, lauf, Alter, sonst macht uns der Blizzard einen Strich durch die Rechnung!«
Der Reiter ist heiser und hätte lieber geschwiegen, aber er muss zu seinem Tier sprechen. Wenn Philip die Stimme seines Herrn hört, dann wird er sich noch einmal zusammenraffen und seine letzten Kraftreserven hergeben.
Der Reiter gebraucht keine Sporen und keine Peitsche. Freiwillig, wie ein guter Kamerad, tut der Rappe sein Bestes für den Mann.
Bei den ermunternden Zurufen des Reiters richtet sich das rechte Ohr des Pferdes auf, während das linke, das einst von dem Prankenhieb eines Pumas verstümmelt worden ist, bei jedem Schritt von den Windstößen herumgebeutelt wird.
Jetzt steigert der Rappe das Tempo und schwingt sich in einem schaukelnden Galopp, vom Sturm unterstützt, über das nasse Land. Unter den Huftritten des Pferdes kracht schon eine dünne Eisschicht. Der Reiter weiß, dass es in einer halben Stunde fünfzehn bis zwanzig Grad unter null sein werden.
Aber bevor der Blizzard da ist, will er noch sein Wild stellen.
Die Brüder McGreen sind ebenbürtige, gefährliche Gegner, klug, hart, gerissen und energisch. Sie haben den Teufel in sich und sind auch äußerlich nicht übel anzusehen.
Nicht minder stattlich ist die Reihe der Schandtaten, die sie auf dem Gewissen haben. In Mexiko haben sie große Rinderherden gestohlen und sie in Texas verkauft. Dann haben sie von Arizona aus Waffen und Munition nach Mexiko geschmuggelt und sich das Zeug von einem Revolutionsgeneral gut bezahlen lassen.
In Oregon haben sie einige Rancher ruiniert und deren Land an Ölgesellschaften verkauft. Mit dem Erlös aus beiden Coups haben sie sich ein Schiff gekauft und an der Küste Floridas Sprit ins Land geschmuggelt.
Sie trugen sich mit der Absicht, einen größeren Dampfer zu kaufen, und waren auf dem Weg, in absehbarer Zeit Millionäre zu werden.
Aber dann kam eine Pechsträhne für sie. Ein Zollkreuzer erwischte sie innerhalb der Drei-Meilen-Zone und schoss ihrem Schiff einige Löcher in den Bauch.
Nach diesem Unfall ging es ihnen einige Zeit nicht besonders gut. Sie schlugen sich jedoch als Falschspieler, Viehdiebe und Eisenbahnräuber immer noch leidlich durch.
Schließlich bildeten sie wieder eine größere Bande und überfielen in Glendive, einer am Yellowstone River gelegenen Stadt in Montana, die Bank.
Glendive war damals nur ein kleiner Ort, aber seine Einwohner waren auf Draht. Unwahrscheinlich schnell holte die Sheriffposse die meisten der McGreen-Leute aus den Sätteln. Aber der Rest der McGreen-Bande konnte mit achtzigtausend Dollars fliehen.
Bald kam jedoch der Tag, da die beiden Brüder ganz allein auf der Flucht waren. Als sie in einem kleinen Städtchen ihre Pferde wechselten, bekamen sie die Zeitung in die Hand. Sie lasen darin, dass nicht nur mehrere Aufgebote nach ihnen suchten, sondern dass auch einer der bekanntesten Todesreiter, ein gewisser Captain Prox, hinter ihnen her war.
Von Tom Prox hatten die McGreens schon allerlei gehört oder gelesen. Nie zuvor waren die McGreens so geritten und so hart und zäh gewesen wie seit dem Tag, da sie diese Nachricht gelesen.
Dank ihrer Zähigkeit kamen sie auch aus dem Suchgebiet hinaus. Kein Mensch vermutete, dass ihnen der Durchbruch geglückt war. Nur ein einziger Mann war noch auf ihrer Fährte. Er fand die Spur durch Zufall, als er bei einem Pferdehändler zwei abgetriebene Gäule entdeckte.
Von diesem Tag ab verlor Tom Prox ihre Fährte nicht mehr. Der Ritt ging über weite Ebenen, durch Berge und Schluchten, über breite Flüsse und durch endlose Wälder.
»Wenn wir den Blizzard heil überstehen, dann können wir mit einiger Sicherheit annehmen, dass wir keinen Verfolger mehr auf der Fährte haben«, brüllt Jack McGreen zu seinem Bruder James hinüber.
»Oh, ich wette, dass dieser angebliche Wundermann Tom Prox schon längst aus dem Sattel gekippt ist«, bellt der Bruder zurück. »Damned, ich möchte den Mann nicht sehen, der härter ist als wir.«
Die Brüder verhalten einen Moment und blicken mit verkniffenen Augen zurück.
Der Wind peitscht Regen und Hagelkörner in ihre Gesichter. Sie binden sich große Tücher über die Hüte und verknoten sie unter dem Kinn.
Jack McGreen trägt einen mit Fell gefütterten Mantel, und sein Bruder ist mit einem Regenumhang vermummt. Man kann von ihren Gesichtern mit den hart und eiskalt blickenden Augen, den scharf gebogenen Nasen und verkniffenen Lippen nicht mehr viel erkennen.
»In einer halben Stunde sind wir im Blizzard! Hölle, wir müssen irgendwo Schutz suchen, wenn wir noch Spaß an unseren achtzigtausend Dollars haben wollen«, faucht Jack McGreen und klopft auf seine Packtaschen.
Sein Bruder schlägt sich die Arme um die Schultern. »Tausend Dollar davon gäb' ich für einen Schluck heißen Kaffee!«
Der andere schüttelt sich fröstelnd und drängt: »Weiter! Da drüben scheint ein Wald zu sein!«
Er wirft noch einen Blick zurück und zuckt jäh zusammen.
»Ah«, schnauft er erschreckt und greift unter den Mantel.
Auch James McGreen erkennt den Reiter, der manchmal in den Schneeböen verschwindet, aber doch immer wieder sichtbar wird. Er greift ebenfalls zur Waffe, holt aber nicht wie sein Bruder den Colt unter dem Mantel hervor, sondern reißt mit halb von Wind und Frost erstarrten Fingern den Winchesterkarabiner aus dem Sattelschuh.
»Hölle und Pest – das wird doch nicht dieser...«
»Du kannst dich darauf verlassen, dass er es ist.«
Jack McGreen zweifelt nicht daran, dass es der Ranger Tom Prox ist, der, vom Sturm getrieben, auf sie zureitet. Als der Sturm jetzt eine Atempause macht, brüllt er heiser, aber entschlossen zurück: »Hallo, Fremder, wünschen Sie etwas von uns? McGreen ist mein Name!«
Nun setzt der Sturm wieder ein und trägt Toms Antwort nach vorn: »Und ob! Habe mir mächtig Mühe gegeben, euch guten Tag sagen zu können! McGreen heißt du? Das wusste ich noch nicht, aber wenn ihr im Besitz von achtzigtausend Dollars sein solltet, so ergebt euch und lasst euch verhaften!«
James McGreen hebt fluchend die Winchesterbüchse, aber sein Bruder winkt ab.
»Wozu, Bruder? Mit dem machen wir uns erst mal einen Spaß. Vielleicht können wir von ihm hören, wie unsere Chancen stehen. Er ist auf unserer Fährte und weiß nicht einmal, wer wir sind. Unsere Leute haben uns demnach nicht verraten. Man weiß also nicht, dass es die McGreen-Bande war, die das Geld aus Glendive holte.«
Der Verfolger ist inzwischen deutlich sichtbar geworden und auf etwa zwanzig Meter herangekommen.
»Lasst die Waffen fallen oder schießt!«, ruft er laut. »Eins von beiden: Entscheidet euch!«
Drei Männer, deren Gesichter vermummt sind, drei Reiter, die vor Frost und Nässe zittern, starren einander an. Wieder macht der Sturm eine kleine Atempause. Der Ranger reitet näher.
»Na?«, fragt er drohend.
»Und wenn wir uns nicht ergeben, obwohl wir die achtzigtausend Dollars bei uns haben?«, bellt Jack McGreen herausfordernd.
»Dann kämpft! Wenn der Blizzard kommt, und ihr übersteht ihn, so habt ihr gewonnen.«
Die drei Männer wissen, dass ein Blizzard viele Tage anhalten kann. In diesen Tagen wird der Ranger die Spur verlieren.
Harte Männer können durchaus in einem Blizzard reiten, da sie sich von ihm treiben lassen können und nicht gegen ihn anzukämpfen brauchen. Man kann in einem Blizzard keine zehn Meter weit sehen, und jede Fährte wird sofort verwischt. Der Schneeorkan kann für die beiden flüchtigen Verbrecher also die Rettung bedeuten, wenn sie hart genug sind, einige Tage in ihm zu reiten.
Der Ranger weiß es und will die Entscheidung erzwingen.
Er versucht es zunächst ohne Waffengewalt. Aber Jack McGreen lacht plötzlich tückisch und feuert seinen Colt ab. Sein Bruder schießt mit seiner Winchester ebenfalls auf den Ranger. Da eröffnet auch Tom Prox das Feuer. Er hat einen kleinen Vorteil, da er den Wind im Rücken hat und sein Pferd deshalb ruhig steht.
Die Kugel des Rangers reißt James McGreen vom Pferd. Er fällt mit gellendem Schrei schlaff zur Seite. Sein Pferd dreht sich mit dem Wind und rast davon.
Jack McGreen verspürt ein heißes Brennen an der Wange. Er schießt wieder, aber dann schlägt es schmerzhaft in seinen rechten Oberarm. Er schießt mit der Linken weiter, während sich sein Pferd zur Flucht wendet.