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"Ich muss mir 'nen größeren Rasierspiegel anschaffen!", sagt Dick Hanson missmutig. "Mein Kopf wird immer dicker!" Dann wölbt er die linke Backe und schabt den Seifenschaum herunter. Die Bartstoppeln erzeugen ein kratzendes Geräusch unter dem Messer.
Dick hat zu sich selbst gesprochen. Er befindet sich allein in einem Zimmer des Hotels "Salamander von Texas". Mit entblößtem Oberkörper sitzt er am offenen Fenster, lässt sich von der Sonne bescheinen und rasiert sich. Der Spiegel steht auf der Fensterbank. Dick kann darin jeweils nur ein Drittel seines Gesichts betrachten. Der Spiegel ist wirklich zu klein.
"Ich werde alt!", brummt Dick vor sich hin. "Als mein Vater alt wurde, wuchs ihm ein Bart aus den Nasenlöchern. Bei mir fängt es auch schon an! Mann o Mann! Ich werde mir eine kleine Schere kaufen müssen, sonst hängen mir in 'n paar Jahren Zöpfe aus der Nase! Heiliger Rauch! Ich war nie 'ne Schönheit, aber jetzt komm ich mir selber hässlich vor. Well, wenn ein Mann erst über die dreißig ist, geht der Schmelz der Jugend weg. Aber stark bin ich noch immer, und das is 'n Trost!"
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Seitenzahl: 100
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Special Police greift ein
MÄNNER IM SATTEL - Teil 8
Vorschau
Wissenswertes
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Heinrich Berends
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-9353-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Liebe Western-Leser, liebe Unger-Freunde!
Das Werk von G.F. Unger, einem der größten und beliebtesten Wildwest-Autoren über die Grenzen Deutschlands hinaus, ist umfangreich. Dazu zählen auch seine Beiträge zu den Serien BILLY JENKINS, TOM PROX, JOHNNY WESTON und PETE in den 50er-Jahren.
Als »sein« Verlag wollen wir Ihnen – zusätzlich zur Sonder-Edition, in der wir Ungers Taschenbücher ungekürzt im Heftformat auflegen –, in einer Classic-Edition jetzt auch diese Romane präsentieren, die neben ihrem nostalgischen Reiz nichts von ihrer Dramatik verloren haben. Wir beginnen mit seinen Billy-Jenkins-Romanen – 71 Hefte und 8 Leihbücher. Die Serie wurde erstmals im Werner-Dietsch-Verlag in den Jahren 1934–1939 veröffentlicht und zwischen 1951 und 1958 vom Uta-Verlag neu aufgelegt und fortgeführt. G.F. Unger stieg bei Band 50, mit dem wir auch die Classic-Edition begonnen haben, in die Serie ein.
Wir wünschen allen Sammlern und Lesern viel Vergnügen und spannende Unterhaltung bei dieser Zeitreise!
Ihre G.F Unger-Redaktion
PS: Einige Bezeichnungen in den Romanen wie »Neger« gelten heutzutage als diskriminierend. Sie waren zur Zeit der Romanhandlung aber gebräuchlich und sollten im historischen Kontext verstanden werden, weshalb sie im Text belassen wurden.
Special Police greift ein
Nach Berichten des Westmannes Billy Jenkins
Erzählt von G.F. Unger
»Ich muss mir ’nen größeren Rasierspiegel anschaffen!«, sagt Dick Hanson missmutig. »Mein Kopf wird immer dicker!« Dann wölbt er die linke Backe und schabt den Seifenschaum herunter. Die Bartstoppeln erzeugen ein kratzendes Geräusch unter dem Messer.
Dick hat zu sich selbst gesprochen. Er befindet sich allein in einem Zimmer des Hotels »Salamander von Texas«. Mit entblößtem Oberkörper sitzt er am offenen Fenster, lässt sich von der Sonne bescheinen und rasiert sich. Der Spiegel steht auf der Fensterbank. Dick kann darin jeweils nur ein Drittel seines Gesichts betrachten. Der Spiegel ist wirklich zu klein.
»Ich werde alt!«, brummt Dick vor sich hin. »Als mein Vater alt wurde, wuchs ihm ein Bart aus den Nasenlöchern. Bei mir fängt es auch schon an! Mann o Mann! Ich werde mir eine kleine Schere kaufen müssen, sonst hängen mir in ’n paar Jahren Zöpfe aus der Nase! Heiliger Rauch! Ich war nie ’ne Schönheit, aber jetzt komm ich mir selber hässlich vor. Well, wenn ein Mann erst über die dreißig ist, geht der Schmelz der Jugend weg. Aber stark bin ich noch immer, und das is ’n Trost!«
Dick schabt nun seine rechte Wange und schnauft durch die Nase wie ein Büffel im Morast. Plötzlich legt er das Messer hin und lauscht. Aus weiter Ferne dringen Schüsse an sein Ohr.
»Nanu! Was is denn jetzt wieder in diesem lausigen Kaff los?«, brummt er und beugt sich neugierig aus dem Fenster.
Auf der Straße stehen zwei junge Mädchen. Sie sehen Dick und tun so, als hätten sie noch nie einen Mann mit nacktem Oberkörper gesehen. Dick winkt ihnen mit dem Rasierpinsel zu, und sie wollen gerade in Kichern ausbrechen, als wieder Schüsse knallen – diesmal schon wesentlich näher. Da schreien die beiden Mädchen auf und flüchten in den nächsten Laden.
Der Tumult kommt näher. Dick liegt noch immer im Fenster, späht in die Ferne und seift sich dabei ein zweites Mal ein. Er kann die Straße etwa zweihundert Meter weit einsehen, dann macht sie einen Knick. Zu beiden Seiten der Straße stehen Häuser, die zumeist protzige Fassaden zeigen. Manche der Häuser täuschen mit ihren zweistöckigen Steinfassaden, denn dahinter befindet sich dann nur ein Holzhaus mit einem Stockwerk.
Dick übersieht das Ganze mit einem raschen Blick und heftet sein Augenmerk auf die Straßenbiegung, denn dort muss die Ursache der Schießerei bald zu erkennen sein.
»Entweder feiern sie hier ’n Schützenfest – oder sie haben ’nen Gangster erwischt!«, brummt Dick.
An der Straßenbiegung taucht jetzt ein Reiter auf. Sein scheckiges Pferd legt sich mächtig in die Kurve und wirbelt eine Staubwolke auf. Hinter dieser Wolke sieht Dick die Verfolger, und da die Kavalkade rasch näher kommt, kann Dick auch den in der Sonne blitzenden Sheriffstern auf der Brust des ersten Verfolgers erkennen.
Inzwischen ist der Flüchtende mit seinem Schecken bis auf fünfzig Meter heran. Er trägt keinen Hut und hat rotes Haar.
Dick sieht, dass der Kerl langsam an Boden gewinnt und beschließt, einzugreifen. »Der dreht dem Aufgebot bald eine Nase!«, knurrt Dick empört und flankt auch schon über das Fensterbrett. Er landet anderthalb Meter tiefer auf dem Dach des Gehsteigs, gleitet bis zum Rand und springt im selben Moment herunter, als der Verfolgte vorbeibrausen will.
Dick hat seinen Sprung genau berechnet. Er fällt auf den Reiter und reißt den Mann aus dem Sattel. Sie fliegen beide in den knöcheltiefen Staub, während das Pferd durchgeht.
Als erster ist Dick wieder hoch. Er hält den vom Sturz noch ganz benommenen Burschen mit eiserner Faust fest.
Nun kommen auch die Verfolger angefegt. Sie parieren ihre Gäule und bilden einen Kreis um die beiden Männer. Einige Pferde steigen erregt und wirbeln viel Staub auf. Als sich dieser endlich gelegt hat, sieht Dick etwa ein Dutzend Männer, die grimmig aber zufrieden grinsen und ihrer Freude auch Ausdruck verleihen. Einige dieser Kerle gefallen Dick gar nicht, aber er denkt an die Tatsache, dass niemand für sein Aussehen verantwortlich gemacht werden kann.
Der Sheriff, ein riesenhafter Kerl, steigt ab und schlägt Dick mehrmals anerkennend seine große Pratze auf die Schulter. Dabei brüllt er Dick ins Ohr, was er von ihm hält und dass er ein Prachtkerl wäre.
Bis es Dick zu bunt wird und er seinerseits dem Sheriff die Hand auf die Schulter klatscht, worauf der große Mann leicht in die Knie geht und sich auf die Zunge beißt. Er wirft einen bösen Blick auf den starken Dick, erinnert sich aber wohl daran, dass er als erster mit der Schulterklopferei begonnen hat.
Deshalb wird er wieder freundlicher und ruft: »Fremder! Sie haben unserer feinen Stadt einen wertvollen Dienst geleistet! Lord Petter wird Ihnen dafür ’ne fürstliche Belohnung geben!«
Die Männer ringsum brüllen und johlen durcheinander. Alle wollen Dick die Hände drücken.
Dick Hanson wischt sich den Seifenschaum aus dem Gesicht und fragt: »Was hat denn der Kerl eigentlich angestellt?« Dabei mustert er seinen Gefangenen. Es ist ein noch junger Mann Anfang der Zwanzig. Auffällig ist sein brandrotes Haar. Das Gesicht ist hübsch, fast mädchenhaft.
»Was der ausgefressen hat?«, brüllt der Sheriff. »Er hat den Tresor von Lord Petter ausgeraubt!« Er lacht grimmig und setzt hinzu: »Melden Sie sich später in meinem Office, Fremder! Wegen des Protokolls, savvy?«
Die Reiter ziehen mit ihrem Gefangenen ab. Allerlei Volk sammelt sich jetzt an, und Dick hält es für besser, ins Hotel zurückzugehen. Er hat einige Frauen und Mädchen gesehen und möchte nicht, dass sie seine behaarte Brust bestaunen.
Eine Stunde später sitzt Dick Hanson frisch gewaschen und mit einem neuen Hemd bekleidet im Speisesaal und stopft eine Menge Fleisch in sich hinein.
Dick ist der einzige Gast im Raum, da die Mittagszeit längst überschritten ist. Er lauscht nebenbei auf das undeutliche Stimmengewirr im benachbarten Schankraum und begreift, dass die Leute dort das Ereignis des Tages besprechen.
Als Dick gerade einen besonders großen Bissen zwischen die Zähne nimmt und beim Kauen mit den Ohren wackelt, öffnet sich die Hintertür, und ein Mädchen stürmt herein. Bei ihrem Anblick stellt Dick seine Kaubewegungen ein und denkt ergriffen: Ho, das ist ja ’ne Wucht von ’nem Mädel! Heiliger Rauch! Ein reizendes Kind! Ha – ist doch man gut, dass ich mir die Borsten aus den Nasenlöchern geschnippelt habe!
Vor lauter Entzücken vergisst Dick das Essen und wird ganz feierlich. So etwas Schönes hat er lange nicht gesehen. Er verdreht die Augen und hätte gern ein Kompliment gemacht, aber er hat ja den Mund voll. Vorsichtig kaut er weiter und beobachtet dabei die Fremde.
Das Mädchen kommt mit raschen, sicheren Schritten und geschmeidigen Bewegungen durch den großen Raum. Sie trägt einen geteilten Reitrock aus braunem Wildleder, eine weiße Bluse und darüber eine ärmellose Wildlederweste. Die schmale Taille umschließt ein breiter Gürtel, an dem ein Coltrevolver hängt.
Rotblondes Haar hängt bis in den Nacken und umschließt das feine reizende Gesicht, das von grüngrauen Augen beherrscht wird. Die Flügel der feinen Nase scheinen zu beben, und der herrliche rote Mund ist verächtlich verzogen.
Dick denkt: Hoi – das scheint ja ’ne Pantherin zu sein! Well, eine grünäugige wilde Pantherin! Er hat bestimmt noch nie ein so temperamentvolles Mädchen gesehen. Alles an ihr ist Rasse, Feuer und Energie. Sie ist bestimmt keine sanfte Schönheit, und Dick vergleicht sie mit einer wilden und rassigen Stute.
Jetzt ist das Mädchen vor dem Tisch angekommen, an dem Dick sitzt. Mit einem Ruck hebt die Holde ihre Reitpeitsche und schlägt damit auf die Tischplatte.
Dick staunt, macht große Augen und kriegt seinen Mund gar nicht wieder zu. Heiliger Rauch!, denkt er nur.
»Sie gemeiner Mensch, Sie!«, ruft die junge Dame mit einer Stimme, die zwar energisch, aber auch melodisch klingt.
»Hä?«, macht Dick und zieht die Stirn in viele Falten.
»Glotzen Sie nicht so blöd, Sie Nashornbulle!«, tobt die Maid. »Wissen Sie überhaupt, was Sie getan haben, Sie Idiot?«
»Nö – ich weiß … gar nichts und …«
»Das hat noch gefehlt! Sie wissen natürlich nichts! Reißen den armen Jungen vom Pferd und wissen natürlich nichts …«
»Ach soooo! Den Rotkopf? Ja, den habe ich …«
»Unschuldig ist er!«, schreit das Mädchen wild. »Unschuldig wie ein Baby in der Wiege, Sie Blödian! Was ging das Sie überhaupt an, he? Sie sind doch fremd hier! Was mischen Sie sich in Dinge, von denen Sie nichts verstehen, Sie Mondkalb? Haben Sie nicht bemerkt, dass sich niemand in der ganzen Town meinem Bruder in den Weg stellte? Nur der von Lord Petter bezahlte Sheriff und seine wilde Meute waren hinter Robby her! Und Sie vollgefressener Dummkopf müssen den armen Robby aus dem Sattel reißen!«
Das Mädchen nimmt die Peitsche in die Linke, beugt sich über den Tisch und schlägt Dick zweimal mit aller Kraft ins Gesicht. Es klatscht mächtig, und auf seiner linken Wange zeichnen sich rote Male ab.
Die Querfalten auf Dicks Stirn verschwinden; dafür bilden sich senkrechte Falten über der Nase.
»Moment mal, Baby!«, knurrt Dick, legt, legt sein Besteck weg und erhebt sich. Mit einem raschen Griff hat er das Mädchen am Arm gepackt. Ein kurzer Ruck, und wie eine Feder fliegt die Holde auf einen leeren Stuhl am Tisch. »So, Baby!«, sagt Dick. »Ich habe ja gar nichts dagegen, dass Sie Ihre Wut an mir auslassen; anscheinend habe ich Mist gemacht. Well, ich bin ein Nashornbulle und ein Blödian oder was Sie wollen, Miss – aber ich bin wirklich ganz fremd hier! Ich hatte die besten Absichten und war überzeugt, der Gerechtigkeit geholfen zu haben. Wenn ich Bockmist gemacht habe, so war das eben ’n Versehen! Bisher habe ich noch immer alle meine Dummheiten in Ordnung gebracht! Und auch Ihre Sache bringe ich wieder in Ordnung, so wahr ich Dick Hanson heiße! Also, Baby, schieß los!«
Während seiner langen Rede hat Dick die Miss auf dem Stuhl festgehalten. Sie wehrte sich anfangs, doch gegen seinen eisernen Griff war sie machtlos. Als Dick sie loslässt, wird sie ganz ruhig. Sie hebt den Kopf und blickt dem Mann tief in die Augen. Sie weiß instinktiv, dass dieser athletische Mann die Wahrheit sagt. Unter seiner rauen Schale schlägt ein weiches Herz. Er ist kein schöner Mann, ganz und gar nicht, aber sie ahnt, dass er allerhand andere Vorzüge hat. Und nun fasst sie Vertrauen.
»Well – nichts ist so schlimm, dass man damit nicht fertig würde!«, sagt er und streicht mit seiner riesigen Pratze ganz vorsichtig über ihren Handrücken.
Die Miss legt beide Hände an ihre Schläfen. Ihre Augen werden feucht, und langsam rinnen Tränen über ihr holdes Gesicht.