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In der Wolfsburg
Drei Reiter kommen über den Pass, der durch die Owyhee-Berge führt. Am späten Nachmittag halten sie auf dem Kamm des letzten Ausläufers und blicken in ein großes Tal hinunter. Weithin erstreckt sich dieses Tal, das von vielen Bergfalten durchzogen wird, die wieder kleine Täler bilden. Schluchten, Kessel, Hügel, Bäche, Wälder und Grasfluren wechseln sich ab. Und das alles wird von mächtigen Bergen eingeschlossen.
"Wir sind hier in der Dreiländer-Ecke, wo die Staaten Nevada, Oregon und Idaho zusammenstoßen", sagt Billy Jenkins, ein großer blonder Mann, dessen herrlicher Rappe müde den Kopf senkt. "Das da unten muss Last Hill sein!" Er deutet auf den kleinen Ort, der unter ihnen liegt.
Dick Hanson, ein ungewöhnlich breitschultriger Mann, schüttelt den mächtigen Kopf und knurrt: "Wegen dieser paar Bruchbuden ha'm se uns also losgejagt? Oha!"
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Seitenzahl: 98
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
IN DER WOLFSBURG
JOHN KÄMPFT UM SEIN RECHT - Teil 8
Vorschau
Wissenswertes
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Heinrich Berends
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8879-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Liebe Western-Leser, liebe Unger-Freunde!
Das Werk von G.F. Unger, einem der größten und beliebtesten Wildwest-Autoren über die Grenzen Deutschlands hinaus, ist umfangreich. Dazu zählen auch seine Beiträge zu den Serien BILLY JENKINS, TOM PROX, JOHNNY WESTON und PETE in den 50er-Jahren.
Als »sein« Verlag wollen wir Ihnen – zusätzlich zur Sonder-Edition, in der wir Ungers Taschenbücher ungekürzt im Heftformat auflegen –, in einer Classic-Edition jetzt auch diese Romane präsentieren, die neben ihrem nostalgischen Reiz nichts von ihrer Dramatik verloren haben. Wir beginnen mit seinen Billy-Jenkins-Romanen – 71 Hefte und 8 Leihbücher. Die Serie wurde erstmals im Werner-Dietsch-Verlag in den Jahren 1934–1939 veröffentlicht und zwischen 1951 und 1958 vom Uta-Verlag neu aufgelegt und fortgeführt. G.F. Unger stieg bei Band 50, mit dem wir auch die Classic-Edition begonnen haben, in die Serie ein.
Wir wünschen allen Sammlern und Lesern viel Vergnügen und spannende Unterhaltung bei dieser Zeitreise!
Ihre G.F Unger-Redaktion
PS: Einige Bezeichnungen in den Romanen wie »Neger« gelten heutzutage als diskriminierend. Sie waren zur Zeit der Romanhandlung aber gebräuchlich und sollten im historischen Kontext verstanden werden, weshalb sie im Text belassen wurden.
In der Wolfsburg
Nach Berichten des Westmannes Billy Jenkins
Erzählt von G.F. Unger
Drei Reiter kommen über den Pass, der durch die Owyhee-Berge führt. Am späten Nachmittag halten sie auf dem Kamm des letzten Ausläufers und blicken in ein großes Tal hinunter. Weithin erstreckt sich dieses Tal, das von vielen Bergfalten durchzogen wird, die wieder kleine Täler bilden. Schluchten, Kessel, Hügel, Bäche, Wälder und Grasfluren wechseln sich ab. Und das alles wird von mächtigen Bergen eingeschlossen.
»Wir sind hier in der Dreiländer-Ecke, wo die Staaten Nevada, Oregon und Idaho zusammenstoßen«, sagt Billy Jenkins, ein großer blonder Mann, dessen herrlicher Rappe müde den Kopf senkt. »Das da unten muss Last Hill sein!« Er deutet auf den kleinen Ort, der unter ihnen liegt.
Dick Hanson, ein ungewöhnlich breitschultriger Mann, schüttelt den mächtigen Kopf und knurrt: »Wegen dieser paar Bruchbuden ham’se uns also losgejagt? Oha!«
Sein hässlicher Grauschimmel wiehert sofort, denn er ist ebenfalls sehr schlechter Laune.
Dick Hanson wischt sich mit dem Handrücken über den Mund. »Oha! Liegt günstig, dieses Nest! Günstig für die Strolche, die hier ihr Quartier ha’m. Schätze, dass es hier allerhand Kummer für uns geben wird. Diese Bratschtegen am grünen Tisch machen sich’s ja leichter! Sagen ganz freundlich zu uns: ›Hallo, Boys! Reitet doch mal eben nach Last Hill und bringt ’n bisschen Ordnung in den Distrikt! Ihr habt so was ja schon öfters gemacht und könnt wie immer nach eigenem Ermessen handeln! Solche Sachen sind für euch ja ’n Klacks – sozusagen ’ne Erholung. Dazu noch die gute Bergluft! Man könnte euch direkt beneiden!‹ – Oh, diese Bratschtegen!«
»Wer?«, fragen Billy Jenkins und Jim Chester wie aus einem Mund.
Dick rutscht etwas unruhig im Sattel herum. Dann packt er seinen alten Hut mit beiden Händen und zieht ihn so fest in die Stirn, dass er abstehende Ohren bekommt. »Hölle! Diese Bratschtegen vom Hauptquartier meine ich natürlich – diese Schlipsträger, die bunte Fähnchen in ’ne Wandkarte stecken und uns arme Hunde herumhetzen!«
Jim Chester lacht. Die weißen Zähne in seinem rassigen Spaniergesicht blitzen. »Er meint wahrscheinlich Strategen, Billy!«
»Aha!«, sagt der Blonde spöttisch.
»Was heißt hier ›Aha‹?«, grollt Dick. »Spreche ich vielleicht Chinesisch, he?«
Jim kichert und sagt: »Nein, Dick – nicht Chinesisch, sondern Hansonesisch, hahaha …!« Jims schmaler geschmeidiger Körper bebt vor Lachen. Vorsorglich treibt der schwarzhaarige Reiter seinen Fuchs einige Meter zur Seite.
»Ho – du ahnst wohl was, du blauhaariger Regenwurm?«, dröhnt Dicks Bassstimme. »Ja, ja – halte lieber Abstand zu mir – sonst kommst du mir noch in die Luftröhre oder hängst mir quer vor der Brust, wenn ich mal tief einatme!«
Billy Jenkins hat inzwischen den gewundenen Weg beobachtet, der sich den Hang hinunterschlängelt. »Da kommt jemand!«
Jim und Dick sehen nun auch den seltsamen Reiter; der soeben auf einem Esel um die Wegbiegung geritten kommt. Bisher war er im Schutz einiger Felsen geritten.
»Er hat ’nen Arm in der Binde!«, stellt Dick sachlich fest.
Als der Mann näher kommt, erkennen die Freunde, dass der Eselreiter erbärmlich aussieht. Er muss zwischen eine durchgehende Rinderherde gekommen – oder schwer verprügelt worden sein.
Fünf Minuten später ist der Fremde oben auf dem Kamm und will stumm an den Freunden vorbeireiten. Er grüßt nicht einmal. Vielleicht hat er die drei Reiter auch gar nicht bemerkt, denn seine Augen sind arg zugeschwollen.
»Hallo Nachbar!«, ruft Jim. »Ist das da unten Last Hill?«
Der Eselreiter verhält. Er blickt jedoch erst in eine falsche Richtung. Dann krächzt er einen Fluch und dreht sich herum.
»Den ham’se ja schwer zusamm’ gestaucht!«, sagt Dick mitleidig.
Der Fremde war früher sicher mal ein großer, starker Mann, diamanthart und selbstbewusst. Jetzt ist er eine traurige Figur, die sich mühsam auf dem Esel hält. Er ist barfüßig, trägt weder Waffen noch Hut, und seine Kleidung ist zerrissen. Das Gesicht ist voller Beulen, Schwellungen und dunkler Flecke. Seine Augen kann man gar nicht erkennen.
»Mann o Mann! Solche Veilchen hab ich noch nie gehabt!«, brummt Dick und meint die geschwollenen Augen des Ärmsten.
»Ist das Last Hill da unten?«, fragt Jim wieder.
Der Mann stößt wieder ein heiseres Krächzen aus. Nach und nach werden seine Worte verständlicher. »Last Hill? Ho – ihr meint das Räubernest da unten! Ho – ich bin gestern mit fünf Pfund Goldstaub hier angekommen. Und ich hatte ein gutes Maultier, zwei erstklassige Colts und genug Patronen. Well – nun wisst ihr, was euch da unten blüht, Boys! Ha – aber ich werde wiederkommen. Muss mich erst gesund pflegen und wieder Gold machen. Wenn ich so viel habe, dass ich mir ’nen Zentner Dynamit kaufen kann, komm ich wieder und sprenge Last Hill in die Luft!« Er stößt dem Esel die Fersen in die Weichen und will weiterreiten.
»In welchem Laden ist dir denn das passiert, Mann?«, fragt Jim.
»Es gibt da unten nur ’n einziges Lokal: die ›Wolfsburg‹! Die hatten da einen Rausschmeißer! Ho – den Bullen habe ich zu Wurst verarbeitet! Die brauchen jetzt bestimmt ’nen neuen Rausschmeißer hahaha … Aber dann fielen die andern über mich her! Und warum? Weil ich ’nem Spielpartner ’n fünftes Ass aus dem Ärmel gezogen habe! Ich komme wieder!« Der Mann schüttelt drohend die Faust und reitet weiter. Die Freunde hören noch eine ganze Weile seine heisere Stimme.
»Diese Wolfsburg ist die Giftdrüse von Last Hill!«, sagt Billy Jenkins. »Das wussten wir bereits, aber jetzt wissen wir’s ganz genau, Boys. Und wir wissen jetzt auch, dass sie einen neuen Rausschmeißer brauchen.«
Jim lacht, dreht sich eine Zigarette mit flinken Fingern und zündet sie an. »He, Billy!«, sagt er zwischen zwei Zügen. »Wenn da unten ein richtiger Nashornbulle auftaucht und sich gut einführt, könnte er vielleicht Rausschmeißer werden. Wenn er’s dann halbwegs geschickt anstellt, könnte er jeden Braten vorher riechen. Was meinst du?«
Billy Jenkins wirft einen nachdenklichen Blick auf Dick, doch Jim sagt rasch: »Dieser Rausschmeißer müsste so helle sein wie ich und so gewaltig wie Dick. Ich wünschte, ich könnte unserem geliebten Bullen für einige Zeit meinen Kopf leihen, dann …«
»Hä?«, macht Dick. »Was singt der schwarze Hecht eigentlich?«
Billy grinst. »Er meint, dass du in der Wolfsburg einen Vertrauensposten kriegen könntest, wenn du deine Stärke mit seiner Klugheit vereinigen würdest und …«
»Nanu – hab ich vielleicht nicht alle im Koffer?«, will Dick sofort wissen. Er wartet eine Antwort gar nicht ab, sondern treibt seinen Grauschimmel vorwärts. »Wir seh’n uns später!«, ruft er zurück, »Ho – jetzt werd ich’s den Burschen da unten mal zeigen! Ein Kerl kommt jetzt in dieses Drecknest, der allen Strolchen echte Mannesfurcht einbläuen wird! Ho – ich bin grad richtig in Stimmung. Hoijo! Wehe dem, der nicht so will wie ich!«
»Bleib hier, du Dickkopf!«, brüllt Jim ihm nach.
»Lass ihn, Jim!«, sagt Billy Jenkins. »Er hat sofort genau begriffen! Es ist der einfachste Weg, um an die Trop-Bande heranzukommen. Im schlimmsten Fall reitet er morgen auf ’nem Esel barfuß wieder herauf. Außerdem passen wir auf. Come on, Jim!«
Als Dick vor dem Lokal »Zur Wolfsburg« aus dem Sattel gleitet, ist es später Nachmittag. Bald wird die Sonne völlig hinter den Bergen verschwunden sein und in Last Hill das Vergnügungsleben beginnen.
Auf der Veranda sitzen einige Männer. Sie mustern den athletischen Fremden scharf und herausfordernd.
Dick stampft die Verandastufen herauf und grollt: »Dreht eure Nasen in ’ne andere Richtung! Lass mich nicht gern anglotzen! Bin ’n hungriger Grizzly aus den Bergen und will mich hier mal richtig amüsieren … und ich wer allen Sauerteigfressern auf die Hühneraugen treten, wenn sie mich ärgern wollen!«
In der nächsten halben Stunde wird es jedem Mann in Last Hill klar, dass ein »uriger Eisenfresser« angekommen ist.
Die Faulenzer auf der Veranda verziehen keine Miene. Sie verhalten sich vollkommen abwartend. Wahrscheinlich haben sie schon oft solche Einzelgänger ins Lokal gehen sehen, Männer, die lange Zeit in der Wildnis lebten und nun ausgehungert und vergnügungssüchtig sind.
Als Dick die Pendeltür aufstößt, stehen ihm drei Kerle im Weg. Es sind normale Männer, die nicht gerade schwächlich aussehen. Dick wischt sie nach links und rechts wie ein Schwimmer, der Wasser mit den Armen teilt. »Platz für Big Dick!«, knurrt er dabei.
Da Dick seiner Meinung nach noch nicht genug Aufmerksamkeit erregt hat, sucht er nach einer Gelegenheit. Diese bietet sich gerade. Ein Kuckuck ruft. Da zieht Dick blitzschnell den rechten Colt und zerschmettert den Vogel mit einer soliden fünfundvierziger Kugel. Es war aber nur ein hölzerner Kuckuck, und er wohnte bisher in seiner alten Uhr, die über dem Flaschenregal hinter dem langen Schanktisch hängt.
Als diese Sache erledigt ist, brüllt Dick: »Ha! Tag, Boys! Lange nicht geseh’n, wa? Wo is’n das Orchester? Hallo, Wirtschaft! Sechs große Portionen Eier mit Speck für einen starken Mann! He, ihr Armleuchter! Ich bin hundert Meilen durch die Berge geritten, um mich zu amüsieren!«
Wieder kracht Dicks Colt und köpft eine Flasche Whisky. »Das is jetzt meine Flasche!«, brüllt Dick und setzt sich in Richtung Schanktisch in Bewegung.
Tödliche Stille herrscht jetzt im Lokal. Plötzlich keift eine schrille Stimme: »Werft diesen Büffel raus, bevor er mir den Laden kaputtmacht, Leute!«
Die schrille Stimme gehört einem Mann von unwahrscheinlicher Länge. Dick hat noch nie einen so langen und dürren Mann gesehen. Der Kerl steht hinter dem Schanktisch, beugt sich weit vor und zeigt mit einem langen knochigen Finger auf den neuen Gast.
Drei Männer setzen sich in Bewegung und steuern auf Dick zu. Alle drei gehören zu der Sorte, der eine Keilerei Spaß macht.
»Ho! Tag, Jungs!«, brüllt Dick sie an. »Wollt ihr mir die Zeit vertreiben? Fein von euch!«
»Na warte, du Großklappe!«, schnaubt einer der drei, springt vor und – legt sich gleich darauf bescheiden zur Ruhe. Der bestimmt nicht ehrenwerte Knabe war sehr unvorsichtig in Dicks Faust gelaufen.
Als Dick seinen Arm zurücknimmt, trifft sein Ellenbogen ein anderes Kinn. Das war übrigens beabsichtigt und sehr gut gemacht. Der Erfolg zeigt sich darin, dass auch der zweite Angreifer zu Boden stürzt.
Den dritten Gegner erledigt Dick mit einem soliden Magenhaken.
»Hallo, Boys!«, ruft Dick. »Hier scheint nicht viel los zu sein! Nur Hampelmänner in diesem Saftladen! Ho – und dabei sagte man mir, dass die Wolfsburg ’ne Bude sein soll, in der man sich amüsieren könnte!«