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Reiter, Rinder, Rustler
Drei Männer reiten über die unendlich erscheinende Steppe. Die Sonne steht im Scheitelpunkt des grünblauen Himmels, und ihre Strahlen brennen unbarmherzig auf das Land herunter, auf die weite Ebene und die Tafelberge, die rötlich herüberleuchten. Die Hitze ist so stark, dass die Luft flimmert. Kein Lüftchen geht, kein Halm des ausgetrockneten Büffelgrases bewegt sich. Nirgends ist ein Lebewesen zu sehen. Die tödliche Stille wird nur unterbrochen durch das Knarren des Sattelzeugs und das Klingeln der silbernen Glöckchen, die einer der Reiter anstelle von Rädern an seinen Sporen trägt. Fast lautlos sind die müden Schritte der Pferde im weichen Sand, der zwischen den Grasbüscheln leuchtet.
Krumm hocken die Reiter in den Sätteln. Der athletische Dick Hanson hat seinen Hut so weit in die Stirn gezogen, dass man von hinten sein bullenhaftes Genick und den halben Hinterkopf, von vorn jedoch nur Nase, Mund und Kinn sehen kann. Die mächtige Gestalt des Mannes wirkt in der lässigen Haltung noch massiger. Der hässliche Grauschimmel scheint jeden Augenblick unter dem Gewicht seines Reiters zusammenbrechen zu wollen, so müde stapft er durch den Sand.
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Seitenzahl: 99
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Reiter, Rinder, Rustler
JOHN KÄMPFT UM SEIN RECHT - Teil 7
Vorschau
Wissenswertes
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Heinrich Berends
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8878-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Liebe Western-Leser, liebe Unger-Freunde!
Das Werk von G.F. Unger, einem der größten und beliebtesten Wildwest-Autoren über die Grenzen Deutschlands hinaus, ist umfangreich. Dazu zählen auch seine Beiträge zu den Serien BILLY JENKINS, TOM PROX, JOHNNY WESTON und PETE in den 50er-Jahren.
Als »sein« Verlag wollen wir Ihnen – zusätzlich zur Sonder-Edition, in der wir Ungers Taschenbücher ungekürzt im Heftformat auflegen –, in einer Classic-Edition jetzt auch diese Romane präsentieren, die neben ihrem nostalgischen Reiz nichts von ihrer Dramatik verloren haben. Wir beginnen mit seinen Billy-Jenkins-Romanen – 71 Hefte und 8 Leihbücher. Die Serie wurde erstmals im Werner-Dietsch-Verlag in den Jahren 1934–1939 veröffentlicht und zwischen 1951 und 1958 vom Uta-Verlag neu aufgelegt und fortgeführt. G.F. Unger stieg bei Band 50, mit dem wir auch die Classic-Edition begonnen haben, in die Serie ein.
Wir wünschen allen Sammlern und Lesern viel Vergnügen und spannende Unterhaltung bei dieser Zeitreise!
Ihre G.F Unger-Redaktion
PS: Einige Bezeichnungen in den Romanen wie »Neger« gelten heutzutage als diskriminierend. Sie waren zur Zeit der Romanhandlung aber gebräuchlich und sollten im historischen Kontext verstanden werden, weshalb sie im Text belassen wurden.
Reiter, Rinder, Rustler
Nach Berichten des Westmannes Billy Jenkins
Erzählt von G. F. Unger
Drei Männer reiten über die unendlich erscheinende Steppe. Die Sonne steht im Scheitelpunkt des grünblauen Himmels, und ihre Strahlen brennen unbarmherzig auf das Land herunter, auf die weite Ebene und die Tafelberge, die rötlich herüberleuchten. Die Hitze ist so stark, dass die Luft flimmert. Kein Lüftchen geht, kein Halm des ausgetrockneten Büffelgrases bewegt sich. Nirgends ist ein Lebewesen zu sehen. Die tödliche Stille wird nur unterbrochen durch das Knarren des Sattelzeugs und das Klingeln der silbernen Glöckchen, die einer der Reiter anstelle von Rädern an seinen Sporen trägt. Fast lautlos sind die müden Schritte der Pferde im weichen Sand, der zwischen den Grasbüscheln leuchtet.
Krumm hocken die Reiter in den Sätteln. Der athletische Dick Hanson hat seinen Hut so weit in die Stirn gezogen, dass man von hinten sein bullenhaftes Genick und den halben Hinterkopf, von vorn jedoch nur Nase, Mund und Kinn sehen kann. Die mächtige Gestalt des Mannes wirkt in der lässigen Haltung noch massiger. Der hässliche Grauschimmel scheint jeden Augenblick unter dem Gewicht seines Reiters zusammenbrechen zu wollen, so müde stapft er durch den Sand.
Jim Chester, ein schmaler, drahtiger Kerl mit schwarzem Haar und rassigem Spaniergesicht, dreht sich unendlich langsam und sorgfältig eine Zigarette. Sein rassiger Goldfuchs lässt müde den Kopf hängen. Stumpfsinnig stapft er hinter dem Rappen her, der vor ihm geht.
Der Reiter des Rappwallachs wendet sich jetzt im Sattel um, und man sieht ein scharfgeschnittenes, kühnes Profil, blaugraue Augen und blondes Haar. »Da vorn wird die Steppe wellig!«, sagt er. »Hinter den Hügeln gibt’s ’ne Menge Wasser! Dort ist das Gras frisch und saftig! Der Wald hält die Feuchtigkeit in den Hügeltälern!«
»Ich schlucke schon bei dem Gedanken, Billy!«, ruft Dick Hanson seufzend aus. »Kaum kann ich’s glauben, dass in dieser Bratpfanne mehr als drei Bäume wachsen sollten. Aber es gibt ja viele Wunder auf dieser komischen Welt! Und es wird auch ’n Wunder gescheh’n, wenn wir den Virgin River erreichen: Ich werd ihn nämlich leertrinken, Leute! Und dann werd ich mir einen mittelgroßen Ochsen braten. Als Vorspeise aber werd ich einen schwarzhaarigen Hering verdrücken, der mir mit seinen klimpernden Glocken so langsam den Nerv tötet! Wie kann sich ’n ausgewachsener normaler Mann ’n paar Glocken an die Sporen binden! Ziegenböcken und Schlittenhunden hängt man solche Dinger an die Hälse! Wundert mich eigentlich, dass sich Jim nicht noch ’n Ring durch die Nase zieht und daran ’n Papagei schaukeln lässt. Der könnte dann plappern: ›Mein Herrchen hat ’nen Vogel – und fühlt sich wohl dabei!‹ Nur Angeber, die sagen wollen: ›Hallo Leute! Hört! Jetzt komme ich!‹, nur solche Pinkel hängen sich Glöckchen an die Sporen! Na ja, es passt ganz zu Jim. Wenn der in ’nen Spiegel guckt, schreit er: ›Hurra!‹.«
Dick schweigt eine Weile und fährt dann fort: »Na, du sagst ja gar nichts, Jim! Damned! Hat vielleicht einer von euch traurigen Pilgern noch ’n Schluck Wasser, he? O Hölle! Was is’ das für ’ne mistige Reise!«
Billy Jenkins und Jim Chester lauschen fast andächtig Dicks Rede.
Jim bläst den blauen Rauch durch die Nase und sagt schließlich mitleidig: »Mir scheint, Dick hat ’nen Sonnenstich!« Er nestelt seine Feldflasche vom Sattel los und reicht sie dem Freund hinüber: »Hier, Junge! Aber lass mir noch ’nen Tropfen drin!«
»Okay. Bist ’n feiner Hund, sag ich!«, brummt Dick.
»Achtung!«, ruft Billy Jenkins in diesem Augenblick von vorn.
Aus einer Bodensenke vor ihnen kommt plötzlich ein großer Planwagen zum Vorschein. Vier Ochsen ziehen das Gefährt langsam vorwärts. Hinter dem Wagen tauchen noch zwei weitere auf, und dann folgt eine kleine Rinderherde, die von drei schmächtigen Reitern getrieben wird.
»Das sind bestimmt Siedler, die freies Land suchen«, sagt Billy Jenkins. »Bleibt nur unklar, wieso sie aus der besten Ecke des Landes kommen und in die Wüste ziehen!«
»Auf der anderen Seite dieser Bratpfanne is’ schließlich wieder gute Weide«, meint Dick.
Die Freunde verändern ihre Marschrichtung um einige Grad, so dass sie genau auf die Wagen zuhalten. Eine Viertelstunde später zügeln sie ihre Pferde und warten.
Auf dem Kutschbock des ersten Wagens sitzt ein bärtiger Greis. Neben ihm hocken zwei zehnjährige Knaben. Eine alte Frau steckt ihren grauen Kopf unter dem Segeltuchdach des Wagens hervor, zieht ihn jedoch gleich wieder zurück.
Die beiden nächsten Wagen werden von jungen Frauen gefahren, die ebenfalls Kinder neben sich haben.
Die drei Herdentreiber sind ältere Knaben, schmal und knochig, aber zäh.
Der Alte will anscheinend ohne Gruß an den fremden Reitern vorüberfahren, doch Billy Jenkins lenkt seinen Rappen so, dass er den Weg versperrt. Gleich darauf schiebt sich ein Flintenlauf durch die Wagenplane. Die Herdentreiber kommen angaloppiert. Quer vor sich im Sattel halten sie Winchesterbüchsen.
Billy Jenkins betrachtet sich die mageren, aber harten und entschlossenen Jungensgesichter, in die das Leid schon seine Spuren geprägt hat.
»Hallo!«, ruft der blonde, sehnige Reiter. »Seid ihr falsch gefahren? Kann mir’s nicht denken, dass ihr in dieser Richtung weitertrecken wollt! Fünf harte Tagesritte lang ist nichts als wasserlose Wüste, Leute! Ihr braucht bestimmt ’n paar Wochen, bis ihr durchkommt! Macht lieber einen Umweg nach Süden oder Norden!«
»Danke, Fremder!«, krächzt der Alte. »Wir wissen genau, was vor uns liegt – aber wir haben keine Wahl. Wir kommen schon durch. Haben fast nur Wasserfässer geladen …«
Die Frau und auch die drei Herdentreiber senken ihre Gewehre.
»Was ist denn da im Osten hinter den Hügeln los?«, fragt Billy lässig.
»Einer macht sich breit – und die andern müssen weichen!«, sagt der Alte. »Reitet hin, Gents! Ihr werdet selbst seh’n! Damned! Ich hatte drei prächtige Söhne – jetzt habe ich nur Schwiegertöchter und Enkel. Ho, die Enkel sind auch prächtig, und ich will sie nicht auch verlieren. Die Pest auf den Schurken, der kleine Leute nicht leben lässt!« Der Alte knallt mit der Peitsche, und die Ochsen ziehen an.
Billy reitet zur Seite. Schweigend lassen er und seine Freunde den kleinen Wagenzug vorbeiziehen; schweigend blicken sie in die stummen, ernsten Gesichter der Frauen und Kinder.
»Wenn ihr auf unseren Spuren treckt, kommt ihr nach zwanzig Meilen an eine Wasserstelle!«, ruft Billy Jenkins einem Knaben zu, der die Rinderherde treibt.
»Danke, Mister!«
Dann verhüllt der wirbelnde Staub den Siedlerzug.
Die drei Freunde sitzen noch eine Weile regungslos in den Sätteln. Dick Hanson wendet den Kopf nach Osten und knurrt: »Mann o Mann! Wenn ich so was sehe! Scheint hinter den Hügeln gewaltig zu stinken! Ob die armen Pilger durchkommen?«
»Wenn sie die Wagen voll Wasser geladen haben, schaffen sie’s mit ziemlicher Sicherheit!«, meint Billy.
Jim hat ein hartes Lächeln um den Mund. »Schätze, da hinten wartet Arbeit auf uns«, sagt er. »Mit dem Nachhausekommen wird’s wohl im Augenblick nichts für uns. Na, wir hätten ohnehin zehn Tage bis zur Bahnlinie gebraucht. Wollen wir uns die Sache mal anseh’n?«
»Sicher«, murmelt Billy. »Schließlich sind wir Police-Rider!«
Am späten Nachmittag haben die drei Freunde die Hügel durchritten und im seichten Wasser eines Creeks ein Bad genommen. Ausgiebig stillten sie ihren Durst und füllten die Wasserflaschen auf.
Später geht es durch Wald, und dann kommen sie über Weideflächen, die saftiges Gras und Blumen aufweisen. Schmetterlinge taumeln umher, und Vögel zwitschern.
»Nicht zu glauben, was so ’n kleiner Creek ausmacht!«, brummt Dick. »Und da gibt’s immer noch Leute, die verzichten auf Wasserbäder!«
Bald darauf erreichen sie einen neuen Creek, der sich sogar gabelt.
»Die Bäche versiegen alle in den Hügeln«, sagt Billy. »Die Felsspalten fangen sie ab und leiten das Wasser unterirdisch weiter, sonst wäre der Rand der Wüste auch Weideland.«
Als sie um ein Wäldchen herumreiten, sehen sie ein kleines Blockhaus, einige Ställe, Schuppen und mehrere Korrals. Im weiten Umkreis sind etwa fünfzig Rinder zu sehen. Hinter dieser Siedler-Ranch liegen ein paar bebaute Felder, die durch einen Stangenzaun vom Weideland abgetrennt sind. Mais, Bohnen, Tomaten, Getreide und Kartoffeln wachsen da für den Eigenbedarf.
Billy Jenkins wendet sich seinen Kameraden zu: »Das ist ’n Siedler, der in einigen Jahren ein kleiner Rancher sein wird. Seine Söhne werden schon größere Rancher sein, wenn sie nur genügend Weideland in Besitz nehmen können.«
Langsam reiten die Freunde auf das Blockhaus zu.
»Hühner ham’se auch. Da krieg ich bestimmt ’n paar Spiegeleier mit Speck!«, grinst Dick und streicht sich über den Bauch.
»Vielleicht kriegst du auch nur blaue Bohnen, Dicker!«, meint Jim und deutet auf das Haus. »Die haben sich verschanzt!«
Auch Dick und Billy sehen nun, dass Jim recht hat. Die schweren Holzläden der Fenster sind verschlossen, und durch die schießschartenähnlichen Schlitze drohen zwei Gewehrläufe.
Ein großer Hund steht mitten im Hof.
Die Reiter zügeln ihre Pferde unter dem Querbalken des Tores.
»Hallo! Farmer!«, ruft Billy.
»Verschwindet, ihr Banditen!«, klingt es dumpf zurück.
»He, Mann! Was soll der Unsinn?«, brüllt Dick wütend.
»Seid ihr immer so gastfreundlich zu Reitern, die aus der Wüste kommen?«, ruft Billy Jenkins.
Eine Weile vergeht, dann fliegt die Tür des Blockhauses auf, und ein großer Mann wird sichtbar. Er hält eine Jagdflinte in den Händen. Seine roten Haare leuchten in der Sonne, und seine hellen Augen beobachten die fremden Reiter scharf und misstrauisch.
»Zeigt die Brandzeichen eurer Gäule! Aha – sehe schon, dass Wüstenstaub auf den Fellen liegt! Well, der ›Stern-im-Kreis-Brand‹ ist’s auch nicht! Okay, Leute! Leider kann ich euch keine Gastfreundschaft anbieten. Bin nicht darauf eingerichtet. Reitet lieber weiter. Bis nach Pickletown sind’s nur zehn Meilen.«
Der Farmer will sich eben abwenden, da hält ihn Billy mit der Frage zurück: »Sagen Sie, Farmer: Erwarten Sie Kummer?«
»Was sonst! Wenn die Sonne untergeht, passiert hier allerhand! Aber ich werde kämpfen! Ich brauche nicht auf Frauen und Kinder Rücksicht nehmen wie meine Nachbarn. Ich habe nur noch zwei Söhne. Und wir lassen uns nicht vertreiben! Wir werden dieser Bande schon die Hölle heißmachen. Verschwinden Sie lieber! Heute bin ich an der Reihe – in den nächsten Tagen werden es andere sein. So long!«
Billy gleitet rasch aus dem Sattel. Der Hund will ihn anspringen, doch ein Pfiff des Farmers hält das Tier zurück.
»Wir tränken nur unsere Pferde am Brunnen!«, sagt Billy lässig.
»Habe nichts dagegen!«, erwidert der Farmer. Er wendet sich aber nicht ins Haus zurück, sondern bleibt mit der Flinte im Arm an der Tür stehen.
Die Freunde lösen ihren Pferden die Gebisse und schöpfen Wasser in den Tränktrog. Während die Tiere saufen, löschen die Reiter ihren Durst mit der großen Schöpfkelle.
»Aaaah!« Dick stöhnt vor Wonne. »Ich könnte es immerzu in mich hineinlaufen lassen. Mein Korpus saugt alles auf wie ’n Schwamm!« Nachdem er getrunken hat, wendet er sich an den Farmer: »Vielleicht können Sie uns doch ’n paar Eierchen verkaufen, Mister?«