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Zwei Trümpfe
"Das begreife ich nicht! Warum laufe ich immer die Außenkanten meiner Stiefel ab? Ja, wenn ich krumme Beine hätte, dann ..."
Dick Hanson sitzt auf dem Bett seines Hotelzimmers und betrachtet verwundert und traurig seine alten Reitstiefel. Er ist nur mit der Hose bekleidet. Deshalb kann er sich mühelos mit einer Hand in dem Haarpelz kratzen, der seine Brust ziert.
"Und einen Floh habe ich auch!", knurrt er verärgert. "Das Biest ist bestimmt so dick wie 'ne Maus!"
Jim Chester prustet vor der großen Waschschüssel, nimmt dann den Kopf aus dem Wasser und trocknet sich ab. "Stell doch 'ne Mausefalle auf!", rät er. "Du kannst das Ding an die Büsche und Bäume binden, die auf deiner Brust wachsen."
"Einen Floh kann man doch nicht mit 'ner Mausefalle fangen!", sagt Dick sanft und starrt wieder trübsinnig auf seine abgenutzten Stiefel.
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Seitenzahl: 101
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
ZWEI TRÜMPFE
JOHN KÄMPFT UM SEIN RECHT - Teil 6
Vorschau
Wissenswertes
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Heinrich Berends
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8723-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Liebe Western-Leser, liebe Unger-Freunde!
Das Werk von G.F. Unger, einem der größten und beliebtesten Wildwest-Autoren über die Grenzen Deutschlands hinaus, ist umfangreich. Dazu zählen auch seine Beiträge zu den Serien BILLY JENKINS, TOM PROX, JOHNNY WESTON und PETE in den 50er-Jahren.
Als »sein« Verlag wollen wir Ihnen – zusätzlich zur Sonder-Edition, in der wir Ungers Taschenbücher ungekürzt im Heftformat auflegen –, in einer Classic-Edition jetzt auch diese Romane präsentieren, die neben ihrem nostalgischen Reiz nichts von ihrer Dramatik verloren haben. Wir beginnen mit seinen Billy-Jenkins-Romanen – 71 Hefte und 8 Leihbücher. Die Serie wurde erstmals im Werner-Dietsch-Verlag in den Jahren 1934–1939 veröffentlicht und zwischen 1951 und 1958 vom Uta-Verlag neu aufgelegt und fortgeführt. G.F. Unger stieg bei Band 50, mit dem wir auch die Classic-Edition begonnen haben, in die Serie ein.
Wir wünschen allen Sammlern und Lesern viel Vergnügen und spannende Unterhaltung bei dieser Zeitreise!
Ihre G.F Unger-Redaktion
PS: Einige Bezeichnungen in den Romanen wie »Neger« gelten heutzutage als diskriminierend. Sie waren zur Zeit der Romanhandlung aber gebräuchlich und sollten im historischen Kontext verstanden werden, weshalb sie im Text belassen wurden.
Zwei Trümpfe
Nach Berichten des Westmannes Billy Jenkins
Erzählt von G.F. Unger
»Das begreife ich nicht! Warum laufe ich immer die Außenkanten meiner Stiefel ab? Ja, wenn ich krumme Beine hätte, dann …«
Dick Hanson sitzt auf dem Bett seines Hotelzimmers und betrachtet verwundert und traurig seine alten Reitstiefel. Er ist nur mit der Hose bekleidet. Deshalb kann er sich mühelos mit einer Hand in dem Haarpelz kratzen, der seine Brust ziert.
»Und einen Floh habe ich auch!«, knurrt er verärgert. »Das Biest ist bestimmt so dick wie ’ne Maus!«
Jim Chester prustet vor der großen Waschschüssel, nimmt dann den Kopf aus dem Wasser und trocknet sich ab. »Stell doch ’ne Mausefalle auf!«, rät er. »Du kannst das Ding an die Büsche und Bäume binden, die auf deiner Brust wachsen.«
»Einen Floh kann man doch nicht mit ’ner Mausefalle fangen!«, sagt Dick sanft und starrt wieder trübsinnig auf seine abgenutzten Stiefel.
»Dann musst du ihm Salz auf den Schwanz streuen!«, meint Jim grinsend. »Die Biester fressen gern Salz. Wenn du ’n bisschen Gift darunter mischst, ist der Floh hin.«
»Wieso?«, fragt Dick. Er hat nicht richtig zugehört.
»Na – der Floh leckt sich den Schwanz ab, kriegt das Gift mit in die Schnauze und krepiert! Klar?«
»Pfhh – Flöhe haben doch gar keine Schwänze!«, murmelt Dick traurig.
Jim macht ein verblüfftes Gesicht, dann lacht er und sagt: »Typischer Fall von Anthropogenie. Dein Hirn ist der erste Beweis. Die Stiefel sind der zweite Beweis.«
»Was denn für’n Beweis?«, fragt Dick und runzelt die Stirn.
»Dass dein Großvater noch ’n richtiger Menschenaffe war!«, murmelt Jim und zieht sich einen astreinen Scheitel.
»Hä? Was hast du da eben gesagt, Jim?«
»Nicht wild werden, Dick!«, sagt Jim eifrig. »Ich will dir das mal klarmachen, ganz schlicht und allgemeinverständlich klarmachen. Also: Du bist behaart wie ’n Gorilla. Du hast keine Haut, sondern ein Fell. Außerdem läufst du auf den Außenkanten deiner Füße, was ja die Stiefel beweisen. Das aber tun nur Menschenaffen! Wenn ich dich da so sitzen sehe, das Vollmondgesicht mit dem tierisch-dummen Ausdruck … dann tust du mir eigentlich leid, Dick. Sag, verspürst du nicht manchmal den Wunsch …«
»Jawoll! Jetzt wieder!« Dick erhebt sich grollend. Gewaltige Muskeln spielen unter der braunen Haut seines unbekleideten Oberkörpers. »Ich habe den brennenden Wunsch, dich in mehrere Teile zu zerreißen, zu Insektenpulver zu zerreiben und mit diesem Gift meinem Floh nachzustellen! Damned! Das werde ich jetzt tun!«
Jim Chester eilt im Rückwärtsgang durch das Zimmer und wedelt mit dem Handtuch, als sei er ein Torero und Dick ein wilder Stier. Dabei erläutert Jim seine Behauptung mit theatralischen Gesten: »Hör mal zu, Dicker! Es ist doch wissenschaftlich erwiesen, dass der Mensch von einem rattenähnlichen Säugetier abstammt. Aus diesem Vieh entwickelten sich alle Säugetiere. Den Gipfel dieser Entwicklung bilden die Primaten mit den Halbaffen, den Breitnasenaffen und Schmalnasenaffen …«
»Gleich habe ich dich!«, grollt Dick und stürmt vor.
»Haste gedacht!«, grinst Jim, als er den gewaltigen Armen gewandt entwischt und sich hinter den Tisch rettet. »Die Gruppe Menschenaffen und Affenmenschen entwickelte das größte Gehirn und …«
»Gleich werde ich dich entwickeln und auseinander schrauben!«, droht Dick.
»Von dem Affenmenschen stammen wir alle ab, Dick! Bei meinen Ahnen geschah die Entwicklung zum Menschen rascher als bei deinen Ahnen, Dicker! Da brauchst du dich gar nicht darüber aufzuregen! Da kannst du ja nichts für! He, Dick! Du wirst doch nicht …«
»Ich werde! Aus diesem Zimmer kommst du heute nur mit zwei blauen Augen heraus!« Dick schießt um den Tisch herum.
»Dick! Du kannst doch meine schönen dunklen Augen nicht …«
»Und deine giftige Klappe werde ich auch reparieren, Jim!«
»Dick! Du weißt doch, dass ich ’ne Freundin in Idaho-Falls habe. Ich kann doch nicht mit blauen Augen zu dem Baby geh’n! Sie hat übrigens ’ne hübsche Freundin, die Kleine! Dick! Ich werde dich mit zu den beiden Mädels nehmen, dann …«
»Ich werde dich mit den beiden Mädels im Krankenhaus besuchen, du Giftpilz!«, schnaubt Dick und greift zu.
Jim kann in letzter Sekunde unter den Armen Dicks wegtauchen und bückt sich. Seine Hände ergreifen den schmalen Läufer, der die Dielen zwischen Bett und Tisch bedeckt. Mit einem Ruck zieht er, und Dick setzt sich unsanft hin. Aber er springt sofort wie ein Gummiball auf und stürmt vorwärts.
Jim Chester wirft sich mit aller Macht gegen die Tür, die in ein Nebenzimmer führt, da die Tür zum Korridor für ihn unerreichbar ist.
»Haste gedacht!«, lacht Dick. »Die Tür ist zu!«
Jim will seitlich wegtauchen, doch da haben ihn die gewaltigen Arme bereits gepackt. Unter gellendem Lachen will Jim sich freimachen, doch Dick hält ihn fest wie in einem Schraubstock.
Ringend taumeln die beiden Freunde gegen die Tür, und als Dicks athletischer Körper dagegenkracht, fliegt die Tür auf. Engumschlungen taumeln die Männer hindurch und landen gemeinsam mit Poltern und Krachen auf dem Teppich.
Als sich die Freunde lösen und verblüfft aufrappeln wollen, sehen sie zuerst zwei unwahrscheinlich kleine rote Pantöffelchen, dann einen leuchtenden Morgenrock und darüber ein zorniges Gesicht. Ein hübsches Näschen rümpft sich verächtlich, und ein voller, roter Mund bläst eine braune Locke aus der hohen Stirn. Und dann sagt eine Stimme, die trotz böser Worte melodisch klingt: »Ha! In das Zimmer einer Dame … Geh’n Sie sofort raus, sonst lasse ich Sie einsperren!«
Dick wackelt vor Staunen mit dem Kopf und erhebt sich schnell. Er legt die großen Hände auf die haarige Brust, als schäme er sich seiner Nacktheit. Dabei lallt er: »Aaaaah … Miss … Miss Lady! Wir haben … wir wollten … ich wollte doch nur …«
»Raus!«, gellt jetzt die Stimme des schönen Mädchens: »Ich rufe um Hilfe, wenn Sie nicht sofort verschwinden!«
Dick zieht sich eilig zurück und macht im Rückwärtsgang drei tiefe Verbeugungen, als entferne er sich vom Thron einer Königin.
Jim Chester steht rank und schlank da und strahlt wie ein großer Lausejunge. »Sie haben mir eben das Leben gerettet und …
»Raus!«, ruft das Mädchen und blitzt ihn mit ihren grüngrauen Augen zornig an.
Bevor Jim erklären kann, dass er keine Schuld trage, meldet sich eine sonore Stimme hinter ihm: »Verschwinde, Jim! Zum Teufel! Kann man euch nicht mal drei Minuten allein lassen?«
Ein großer, blonder Mann, in dessen scharf geschnittenem Wikingergesicht blaugraue Augen spöttisch blicken, steht im Türrahmen. Er packt Jim am Arm und zieht ihn aus dem Zimmer. Dann wendet er sich zu dem Mädchen: »Entschuldigen Sie bitte, Miss! Diese beiden Exemplare sind in der Wildnis aufgewachsen. Es wird nicht wieder vorkommen!«
Billy Jenkins nickt dem Mädchen noch einmal beruhigend zu und schließt die Tür. Hinter ihm dreht sich der Schlüssel der Nachbarin im Schloss.
Dick sitzt verlegen auf seinem Bett. »Das ist aber ’n schönes Kind!«, murmelt er. »Und wir kommen wie die Viecher zu ihr …«
»Sie ist selbst schuld«, sagt Jim. »Warum hat sie nicht abgeschlossen! Aber ich werde doch noch ihre Bekanntschaft machen. Dann werde ich ihr schon erklären, dass du nichts dafürkannst, Dicker, weil du ’n bisschen …« Jim tippt sich an die Stirn.
Dick will gerade wieder grollend aufspringen, da sagt Billy Jenkins: »Stopp! Packt euren Krempel! Ihr reitet noch in dieser Nacht über den Snake-River. In spätestens fünf Tagen müsst ihr in Goldlucky sein. Das liegt am Salmon-River. Ihr werdet verdammt hart reiten müssen!«
»Warum schickst du uns nicht gleich nach Alaska?«, brummt Dick.
»Nie gehört, dass es ein Kaff namens Goldlucky gibt?«, murmelt Jim nachdenklich.
»Auf der Golden Hill Plain wachsen noch mehr Ortschaften aus dem Boden«, erklärt Billy lächelnd. »Außerdem ist dort der Teufel los! Ich bin soeben zum Sheriff von Goldlucky ernannt worden!«
»Wieso? Warum hat man dich degradiert?«, forscht Jim.
Billy lässt sich neben Dick auf dem Bett nieder, rollt sich eine Zigarette und sagt: »Goldrun auf der Golden Hill Plain! Einige tausend Goldsucher und viele Banditen verteilen sich auf die vier Ortschaften der Ebene und bemühen sich auf verschiedene Art um das Gold. Den ersten Sheriff von Goldlucky hat man erschossen. Der zweite war eines Tages spurlos verschwunden, und der dritte wurde erschlagen. Nun fand sich keiner mehr, der den Sheriff machen wollte. Da aber kein Bezirk ohne Sheriff sein kann, setzt die Regierung einen ein – und das bin ich. Mir unterstehen die Orts-Sheriffs von Benson, Tube und Scoria. Da die Sheriffs dort noch am Leben sind, ist anzunehmen, dass es in Goldlucky am tollsten zugeht.«
»Wir werden also auf einen schönen Kranz für dich sparen müssen!«, murmelt Jim.
»Möchtest du Musik bei deiner Beerdigung haben?«, fragt Dick.
»Ich möchte keinen Kranz und auch keine Beerdigung mit Trauermusik …«
»Willst du am Ende verbrannt werden?«, fragt Dick.
»… haben!«, beendet Billy seinen Satz. »Und deshalb werdet ihr schon vor mir in Goldlucky sein. Führt euch dort gut ein! Ihr kennt mich nicht, aber müsst mir unauffällig den Rücken decken. Auf das, was von vorn kommt, achte ich schon selbst, savvy? Es sind acht normale Tagesreisen bis Goldlucky. Ich will in sieben Tagen dort eintreffen. Ihr müsst es in fünf Tagen schaffen.«
»Aha, du hast ’n Flugzeug für uns bestellt?«, fragt Jim.
»Kauft euch ’n paar gute Ersatzpferde, damit ihr ständig wechseln könnt! In zehn Minuten will ich euch beide hier nicht mehr vorfinden! Alles klar?«
Dick zieht wieder seine alten Stiefel an. »Überflüssig, dass du nach Goldlucky gehst, Billy!«, sagt er. »Wir beide werden so mordswütend dort ankommen, dass wir das ganze Nest mitsamt den Krebsen darin fertigmachen!«
Jim zieht sich schon die alten Chapareijos über die Cordhosen. Er grinst und sagt zu Dick: »Leg dir ’n Federkissen auf den Sattel! Jetzt wird geritten! Dein hässlicher Zwiebelbock wird auf halbem Weg zusammenbrechen, und ich werde allein in Goldlucky einzieh’n!«
»Abwarten, Bruderherz!«, knurrt Dick böse.
Sechs Tage später sitzen die beiden Polizeireiter Jim und Dick auf einer großen Kiste vor dem Generalstore in Goldlucky und lassen sich von der Sonne durchwärmen.
Dick verdreht dauernd die Augen und beobachtet eine Schmeißfliege, die mit monotonem Brummen um seinen Kopf kreist. Als sich die Fliege auf seine Nase setzt, schiebt er nur die Unterlippe vor und bläst den Brummer weg. Der Gewaltritt steckt den beiden Männern noch derartig in den Gliedern, dass sie sich kaum bewegen.
Jim beobachtet die Straße, die eigentlich gar keine Straße ist, sondern ein ausgetrocknetes Schlammbett. Auf dieser Straße bewegen sich Reiter, Packesel, Wagen und Menschen. Den Häusern sieht man es an, dass sie sozusagen über Nacht errichtet wurden. In der Hauptsache dienen sie als Kneipen, Spielhallen, Stores und Speiselokale. Die Männer auf der Straße sind Goldgräber, Cowboys, Spieler und Tramps. Nur wenig Frauen und einige Kinder sind zu sehen. Vielen der Männer sieht man es an, dass sie früher andere Berufe hatten und in der Großstadt lebten. Auch Männer in Seemannstracht sind unter den Passanten.
»Was wohl die Seelords hier hergetrieben bat?«, nuschelt Dick und gähnt faul.
»Vielleicht wollen sie einen Fährbetrieb aufmachen, wenn der nächste Regen die Straße in einen Schlammfluss verwandelt«, sagt Jim lässig.