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Das bittere Ende
Die Herzass-Boys kauen emsig. Jim Chester isst langsam und wischt sich vornehm den Mund ab, bevor er aus seinem Bierglas trinkt. Dick Hanson bewegt gleichmäßig die Kinnlade, langsam und stetig wie eine wiederkäuende Kuh. Dabei starrt er auf ein großes Stück kaltes Bratenfleisch. Als Shorty sich die prächtige Scheibe von der Platte holt, wirft Dick ihm einen bösen Blick zu.
Billy Jenkins, der Boss der Herz-Ranch, sitzt am Kopfende des langen Eichentisches. Er beobachtet die schmausenden Boys, und dabei bleiben seine Blicke öfters auf Red Luke haften.
Der junge Cowboy Luke tut nur so, als ob er esse - in Wirklichkeit hat er noch keinen Bissen heruntergeschluckt. Das ist seltsam, denn Luke ist gesund und beweglich, voller Kraft und Temperament. Sein roter Lockenkopf wirkt neben Little Eggs Glatze besonders auffällig.
Auch der lange Charly, der neben Billy Jenkins sitzt und Vormann der Cowboys ist, wird auf Lukes Benehmen aufmerksam. Er wechselt einen Blick mit dem Boss und deutet mit der Gabel auf den Rotkopf. Dann unterbricht er die Stille mit den Worten: "He, Luke! Bist du krank, oder was ist mit dir los?"
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Seitenzahl: 98
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
DAS BITTERE ENDE
DIE RANCH DER VIEHDIEBE - Teil 7
Vorschau
Wissenswertes
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Heinrich Berends
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8197-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Liebe Western-Leser, liebe Unger-Freunde!
Das Werk von G.F. Unger, einem der größten und beliebtesten Wildwest-Autoren über die Grenzen Deutschlands hinaus, ist umfangreich. Dazu zählen auch seine Beiträge zu den Serien BILLY JENKINS, TOM PROX, JOHNNY WESTON und PETE in den 50er-Jahren.
Als »sein« Verlag wollen wir Ihnen – zusätzlich zur Sonder-Edition, in der wir Ungers Taschenbücher ungekürzt im Heftformat auflegen –, in einer Classic-Edition jetzt auch diese Romane präsentieren, die neben ihrem nostalgischen Reiz nichts von ihrer Dramatik verloren haben. Wir beginnen mit seinen Billy-Jenkins-Romanen – 71 Hefte und 8 Leihbücher. Die Serie wurde erstmals im Werner-Dietsch-Verlag in den Jahren 1934–1939 veröffentlicht und zwischen 1951 und 1958 vom Uta-Verlag neu aufgelegt und fortgeführt. G.F. Unger stieg bei Band 50, mit dem wir auch die Classic-Edition begonnen haben, in die Serie ein.
Wir wünschen allen Sammlern und Lesern viel Vergnügen und spannende Unterhaltung bei dieser Zeitreise!
Ihre G.F Unger-Redaktion
PS: Einige Bezeichnungen in den Romanen wie »Neger« gelten heutzutage als diskriminierend. Sie waren zur Zeit der Romanhandlung aber gebräuchlich und sollten im historischen Kontext verstanden werden, weshalb sie im Text belassen wurden.
Das bittere Ende
Nach Berichten des Westmannes Billy Jenkins
Erzählt von G.F. Unger
Die Herzass-Boys kauen emsig. Jim Chester isst langsam und wischt sich vornehm den Mund ab, bevor er aus seinem Bierglas trinkt. Dick Hanson bewegt gleichmäßig die Kinnlade, langsam und stetig wie eine wiederkäuende Kuh. Dabei starrt er auf ein großes Stück kaltes Bratenfleisch. Als Shorty sich die prächtige Scheibe von der Platte holt, wirft Dick ihm einen bösen Blick zu.
Billy Jenkins, der Boss der Herz-Ranch, sitzt am Kopfende des langen Eichentisches. Er beobachtet die schmausenden Boys, und dabei bleiben seine Blicke öfters auf Red Luke haften.
Der junge Cowboy Luke tut nur so, als ob er esse – in Wirklichkeit hat er noch keinen Bissen heruntergeschluckt. Das ist seltsam, denn Luke ist gesund und beweglich, voller Kraft und Temperament. Sein roter Lockenkopf wirkt neben Little Eggs Glatze besonders auffällig.
Auch der lange Charly, der neben Billy Jenkins sitzt und Vormann der Cowboys ist, wird auf Lukes Benehmen aufmerksam. Er wechselt einen Blick mit dem Boss und deutet mit der Gabel auf den Rotkopf. Dann unterbricht er die Stille mit den Worten: »He, Luke! Bist du krank, oder was ist mit dir los?«
Die Männer stellen jetzt ihre Kaubewegungen ein und starren auf ihren Kameraden.
Red Luke zuckt zusammen. Seine blauen Augen blicken von einem Gesicht zum andern, verlegen, unsicher und etwas beschämt. Dann starrt er sekundenlang auf seinen Teller und reibt die harten Hände zwischen den Knien. Plötzlich haut er beide Fäuste auf den Tisch und springt auf. »Heiliger Rauch!«, brüllt er los. »Ich muss es euch ja doch sagen, Boys! Ich kann’s nicht mehr für mich behalten! Well … ich heirate in acht Tagen! Jawoll! Und wenn einer von euch dämlich grinsen sollte, dann …«
Der lange Charly unterbricht ihn: »Ruhig, Luke! Nur immer langsam und ruhig, Brüderchen … nicht durchdrehen! Der beste Mann wird irgendwann mal von einer Fee eingefangen und ist rettungslos verloren. Immer ruhig Blut, mein Junge! Wir grinsen nicht – keine Angst!«
»Wir drücken dir nur unser tiefstes Beileid aus!«, krächzt der kleine Shorty, und über sein Baumrindengesicht zittert ein verhaltenes Schmunzeln.
Red Luke starrt auf den Ranchboss: »Billy! Ich muss euch leider verlassen und …«
»Langsam, Luke! Wir reden noch darüber!«, mahnt Billy Jenkins. »Wer ist denn die Glückliche?«
»Jenny Elsen! Sie hat ’ne Ranch geerbt! Deshalb müssen wir rasch heiraten und …«
Ein vielstimmiges Gebrüll bricht los. Jenny Elsen ist die junge hübsche Lehrerin von Bluetown, und nicht nur die Herzass-Mannschaft schwärmt von ihr.
»Du sommersprossiger Rostschädel hast uns die hübsche Jenny weggeschnappt?«, ruft Blinky fassungslos. Er ist ein hübscher Bursche und sehr hinter den Schürzen her. Bei Jenny Elsen hatte er leider nie eine Chance. »Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich!«
»Mann o Mann!« Auch Jim Chester schüttelt den Kopf, »Ausgerechnet dich hat sie ausgewählt? Da musst du aber schwer einen ausgeben, mein Junge!«
Red Luke winkt ab. Ein stolzes Lächeln huscht über sein frisches Gesicht. »Well, Jenny weiß einen richtigen Kerl zu schätzen, Boys! Sicher gebe ich einen aus – das is’ ja klar! Leider müssen wir gleich nach der Hochzeit abreisen. Es ist ein weiter Weg. Acht Tage zu reiten … keine Bahnlinie! ›Kreuz-im-Kreis-Ranch‹ heißt unsere Farm und liegt im Distrikt von Valley Hill. Wir müssen …«
»Okay, Luke«, sagt Billy Jenkins. »Ich gebe dir drei Boys mit. Sie werden deine kleine Herde treiben. Sagen wir: fünfhundert gute Rinder und ’n Dutzend Pferde. Es ist dein Anteil am Ertrag der Herz-Ranch. Zufrieden?«
»Herzlichen Dank, Billy! Aber ich möchte erst einmal mit meiner Frau allein hinreiten und die Lage peilen. Also … die Ranch soll nicht sehr groß, aber gut in Schuss sein. Dreitausend Rinder und gute Weide und …«
»Well, Luke, wenn du lieber Geld hast, verkaufen wir die fünfhundert im Herbst und schicken dir das Geld zu. Wir werden dich besuchen, sobald der Round’up hier beendet ist.«
»Danke, Billy! Ihr seid mir also nicht böse, dass ich so –«
»– heimlich, still und leise unser Idol weggeschnappt hast!«, kichert Little Egg.
»No, Luke!«, sagt der Ranch-Boss »Niemand ist dir böse. Im Gegenteil freuen wir uns alle mit dir, dass du dein Glück gefunden hast, mein Junge!«
Jim Chester hebt sein Glas: »Three cheers für Red Luke und seine Braut Jenny Elsen!«
Die Boys brüllen, dass die Fensterscheiben klirren, und lassen Luke und seine Braut hochleben.
Acht Tage später feiern die Herzass-Boys mit dem jungen Paar in Bluetown. Und am nächsten Tag begleiten sie das neugebackene Ehepaar bis an die Grenzen des Ranchgebietes. Dann nehmen sie Abschied. Lange blicken sie den Abreitenden nach, und Luke und Jenny wenden sich immer wieder im Sattel um, winken und jodeln den Erkennungsruf der Herz-Ranch. Dann reiten die Neuvermählten um eine Felsenecke, und kurz darauf verschwindet auch der Schwanz des letzten Packtieres.
»Eeeeh jipiiiiieh!«, rufen die Herzass-Boys noch einmal, dann wenden sie ihre Pferde und reiten zur Ranch zurück.
Sieben Monate vergehen. Die Herzass-Boys haben ihren Round’up beendet. Von Luke und Jenny haben sie bisher noch kein einziges Lebenszeichen erhalten. Billy Jenkins macht sich schon Sorgen und spricht mit Jim und Dick über seine Absicht, Luke einen Besuch abzustatten.
Am nächsten Tag kommt ein Brief aus dem Valley-Hill-Distrikt.
Als Billy Jenkins gelesen hat, runzelt er die Stirn und presst die Lippen fest zusammen. Dann blickt er in die Runde. Die Boys starren ihn erwartungsvoll an. Billy erhebt sich von den Verandastufen und blickt sekundenlang in die Ferne, dann sagt er: »Luke ist in großen Schwierigkeiten, Jungs! Man hat ihn schwer angeschossen! Diesen Brief schrieb Jenny. Es gibt keinen Sheriff in dem Valley-Hill-Distrikt. Die Rancher machen da alles unter sich aus. Luke hat keine Mannschaft mehr. Seine Herde ist weg. Man will ihn aus dem Lande jagen. Er hat sich verzweifelt mit Weidepiraten herumgeschlagen. Nun ist er fertig, restlos fertig …«
»Warum hat er denn nicht eher geschrieben?«, fragt Blinky.
»Zwei Boten, die er weggeschickt hat, wurden abgeschossen. Diesen Brief hat ein fahrender Händler mit viel Glück durchgeschmuggelt.«
»Muss ja ’ne feine Gegend sein!«, brummt Black Phil.
»Wann reiten wir?«, ruft Dick und rollt die breiten Schultern.
»Sofort!«, sagt Billy Jenkins entschlossen. »Wir satteln sofort. Acht Mann nehme ich mit, und zwar Jim, Dick, Phil, Lin, Len, Blinky, Shorty und Little Egg. Wir nehmen Reservepferde und drei Packpferde voll Proviant und Munition mit. Klar? Charly, du wartest sechs Wochen auf Nachricht! Wenn du bis dahin keine kriegst, lässt du hier alles steh’n und liegen und kommst mit der gesamten Mannschaft nach!«
»Okay, Billy!«, nickt Charly Skinner.
Eine halbe Stunde später verlassen neun Reiter die Herz-Ranch. Es ist die schön oft bewährte Kampf-Mannschaft der Herzass-Boys. Es sind die besten Reiter und gefährlichsten Scharfschützen der Arizona-Weide. In langer Reihe verschwinden sie in den Blue Canyons.
Das kleine, schmucke Ranchhaus der »Kreuz-im-Kreis«-Ranch ist aus klobigen Kiefernstämmen errichtet. Es weist nur drei Räume auf, aber diese genügen an sich völlig für das junge Ehepaar. Der Küchenherd steht wegen der Brandgefahr nicht im Hause, sondern etwas abseits von dem Blockhaus unter einem von vier Pfählen getragenen Dach.
Die Cowboys haben in einer Hütte gewohnt, die, fünfzig Meter vom Blockhaus entfernt, mit der Scheune, dem Stall und zwei Schuppen zusammen die Hinterfront des Ranchhofes nach den Bergen zu abschließt. Die Wohnhütte steht jetzt allerdings leer, denn die letzten beiden Cowboys haben es vorgezogen, diese gefährliche Gegend zu verlassen, nachdem ihre Kameraden im Kampfe fielen.
Jenny steht unter dem Küchendach und schöpft heißes Wasser aus dem Kessel in eine Schüssel. Die kleine Frau hat sich während ihres Aufenthaltes auf der Ranch sehr verändert. Schwerlich würde man in ihr die nette, hübsche Lehrerin wieder erkennen, die in Bluetown das Ideal der Cowboys war.
Statt schöner Kleider trägt sie den unter Farmern üblichen Overall. Unter dem Kopftuch drängt sich das dunkle Haar in Strähnen hervor; denn sie hat in den letzten Tagen keine Zeit gehabt, sich zu pflegen. Über ihrer Schulter hängt die Flinte. Jenny muss jeden Augenblick mit einem Überfall rechnen.
Als sie sich jetzt mit der Schüssel zum Gehen wendet, wirft sie instinktiv einen Blick über das weite Prärieland. Sie runzelt dabei die Stirn, und auch in den Winkeln ihrer grauen Augen bilden sich viele kleine Fältchen. Ihr braungebranntes Gesicht wird einen Schein blasser, als sie in der Ferne vier Punkte erkennt, die vor einer Staubwolke hertanzen.
»Sie kommen!«, stößt Jenny hervor und eilt mit der Schüssel ins Haus.
Hinter sich riegelt sie ab, stellt das Gefäß weg und legt den schweren Querbalken vor die Tür. Dann eilt sie in den Nebenraum. Hier liegt Luke im Bett. Er ist fieberfrei und schläft seit langer Zeit zum ersten Mal ruhig. Er wird durchkommen, doch Jenny weiß, dass er sein ganzes Leben lang ein steifes Bein behalten wird. Die gefährlichere Schulterwunde ist gut verheilt. Luke ist über den Berg.
Aber wie wird er es aufnehmen, wenn er erkennt, dass er mit seinem steifen Bein ein Krüppel ist?, denkt Jenny, und eine Träne rollt über ihre Wange. Ihre Sorge wird verdrängt durch die größere der nahenden Gefahr.
Hastig tritt Jenny an die scheibenlosen Fenster und legt überall die dicken Holzläden von innen vor. Durch die schmalen Schießscharten fällt nur noch wenig Licht herein. Als Jenny hindurchspäht, sieht sie die vier Reiter schon beträchtlich nahe.
Luke ist durch die Geräusche aufgewacht. »Was ist los, Jenny? Warum verdunkelst du?«, fragt er hastig.
»Sie kommen, Luke! Vier Mann!«, stößt Jenny hervor.
»Immer ruhig Blut, Mädchen! Glaubst du, dass sie uns hier abschlachten werden? Hahaha … sie werden es nicht wagen, sich an uns zu vergreifen!«
»Du nimmst es zu leicht, Luke!«, warnt sie. »Alle kleinen Farmer ziehen es vor, die Gegend zu verlassen. Gestern sind die Daniels weggezogen – mit Kind und Kegel. Die ganze Sippe hat das Land verlassen. Wir sind die letzten, die noch aushalten. Steward Barding wird nicht eher ruhen, bis …« Sie unterbricht sich, denn Hufschlag dröhnt vor dem Hause. »Da sind sie schon!«
Jenny blickt durch die Schießscharte.
Vier Reiter lassen im Hof ihre Pferde steigen, hocken dann lässig in den Sätteln und grinsen satanisch. Einen von ihnen kennt Jenny schon. Es ist Monty Cree, der Vormann der »B-im-Viereck-Ranch«.
Monty Cree hat dicke schwarze Augenbrauen, eine kleine breite Nase und wulstige Lippen. Die Stirn ist niedrig, aber das starke Kinn springt scharf vor. Hätte er nicht die weiße Haut, so könnte man ihn für einen Neger halten. Tatsächlich hat er keinen Tropfen Negerblut in den Adern.