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Die Sonne nähert sich schon den Zacken der Sierra Tarahumare. Ihr Schein lässt das Schienenpaar aufglühen, das sich durch die trostlose Landschaft zieht. Das Eisen beginnt jetzt zu vibrieren und zu singen, und dann kommt der Zug um die Felsen herum. In atemraubendem Tempo rast er vorbei. Die mit Öl geheizte Lokomotive zieht einen Express-Güterwagen, einen Gepäck-Postwagen, zwei lange Wagen zweiter Klasse, einen langen Wagen erster Klasse und einen Schlafwagen hinter sich her.
In der einen Ecke des Erste-Klasse-Wagens sitzen drei Männer, deren Äußeres stark von dem der übrigen Passagiere absticht. Sie tragen amerikanische Cowboyhüte, Reithemden und Reithosen, und an ihren Stiefeln klingeln Sporen.
"Jetzt hat er einen ganz schönen Zahn drauf!", sagt der athletische Dick Hanson, und auf seinem breiten Gesicht zeigt sich ein anerkennendes Grinsen. "Wenn er so weitermacht, sind wir pünktlich an der nächsten Station. Wie lange haben wir dort Aufenthalt, Jim?"
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Seitenzahl: 101
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
RAMONAS BANDE
DIE ABRECHNUNG - Teil 5
Vorschau
Wissenswertes
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Heinrich Berends
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-7632-6
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Liebe Western-Leser, liebe Unger-Freunde!
Das Werk von G.F. Unger, einem der größten und beliebtesten Wildwest-Autoren über die Grenzen Deutschlands hinaus, ist umfangreich. Dazu zählen auch seine Beiträge zu den Serien BILLY JENKINS, TOM PROX, JOHNNY WESTON und PETE in den 50er-Jahren.
Als »sein« Verlag wollen wir Ihnen – zusätzlich zur Sonder-Edition, in der wir Ungers Taschenbücher ungekürzt im Heftformat auflegen –, in einer Classic-Edition jetzt auch diese Romane präsentieren, die neben ihrem nostalgischen Reiz nichts von ihrer Dramatik verloren haben. Wir beginnen mit seinen Billy-Jenkins-Romanen – 71 Hefte und 8 Leihbücher. Die Serie wurde erstmals im Werner-Dietsch-Verlag in den Jahren 1934–1939 veröffentlicht und zwischen 1951 und 1958 vom Uta-Verlag neu aufgelegt und fortgeführt. G.F. Unger stieg bei Band 50, mit dem wir auch die Classic-Edition begonnen haben, in die Serie ein.
Wir wünschen allen Sammlern und Lesern viel Vergnügen und spannende Unterhaltung bei dieser Zeitreise!
Ihre G.F Unger-Redaktion
PS: Einige Bezeichnungen in den Romanen wie »Neger« gelten heutzutage als diskriminierend. Sie waren zur Zeit der Romanhandlung aber gebräuchlich und sollten im historischen Kontext verstanden werden, weshalb sie im Text belassen wurden.
RAMONAS BANDE
Nach Berichten des Westmannes Billy Jenkins
Erzählt von G.F. Unger
Die Sonne nähert sich schon den Zacken der Sierra Tarahumare. Ihr Schein lässt das Schienenpaar aufglühen, das sich durch die trostlose Landschaft zieht. Das Eisen beginnt jetzt zu vibrieren und zu singen, und dann kommt der Zug um die Felsen herum. In atemraubendem Tempo rast er vorbei. Die mit Öl geheizte Lokomotive zieht einen Express-Güterwagen, einen Gepäck-Postwagen, zwei lange Wagen zweiter Klasse, einen langen Wagen erster Klasse und einen Schlafwagen hinter sich her.
In der einen Ecke des Erste-Klasse-Wagens sitzen drei Männer, deren Äußeres stark von dem der übrigen Passagiere absticht. Sie tragen amerikanische Cowboyhüte, Reithemden und Reithosen, und an ihren Stiefeln klingeln Sporen.
»Jetzt hat er einen ganz schönen Zahn drauf!«, sagt der athletische Dick Hanson, und auf seinem breiten Gesicht zeigt sich ein anerkennendes Grinsen. »Wenn er so weitermacht, sind wir pünktlich an der nächsten Station. Wie lange haben wir dort Aufenthalt, Jim?«
Der schwarzhaarige, schlanke und drahtige Jim Chester verzieht sein hübsches Spaniergesicht zu einem Gähnen, dann sagt er mit gespielter Gleichgültigkeit: »Dreißig Minuten! Muss ja den Gegenzug dort abwarten, da die Strecke eingleisig ist. Jedenfalls für dich Zeit genug, um dir den Bauch mit guten Sachen zu füllen!«
»Das wird aber auch bald Zeit!«, knurrt Dick. In Gedanken an die ihn erwartenden Genüsse schmunzelt er: »Eigentlich allerhand, was die Chinesenwirte auf den mexikanischen Bahnhöfen so bieten … ’ne dicke Suppe, Beefsteak mit geröstetem Reis, Salat, gepfefferte Bohnen, Gulasch, Brötchen und noch ’n Glas Wasser mit Eis … und das alles für fünfzig Centavos …«
»Da kannst du dich ja für einen Peso mal ordentlich vollschlagen, Dicker!«, spottet Jim.
Der hochgewachsene, blondhaarige Billy Jenkins meint lächelnd: »Ich glaube, Dick wird drei Pesos fürs Abendessen ausgeben, Jim.«
Jim Chester schielt den Gang entlang nach einer jungen Dame, die gelangweilt zum Fenster hinausstarrt. Neben ihr sitzt ein älterer Herr. Er hält eine Zeitung in der Hand, liest aber nicht, sondern schnarcht sanft. »Hübsches Baby!«, flüstert Jim. »Der Alte ist sicher ihr Vater oder Onkel!«
Jims Blicke gleiten über die restlichen neun Passagiere. Es sind protzige Amerikaner oder geschniegelte Kreolen.1)
Dick zieht wieder seine goldene Uhr hervor, die er in Mexiko-City von einem begeisterten Hidalgo geschenkt bekam, der Dicks Kraftleistungen bewundert hatte. »Bald sechs Uhr!«, brummt er.
»Steck bloß das Ding weg!«, mahnt Jim. »Diese goldene Zwiebel wird dir noch ein Loch im Kopf eintragen, Dicker! Was glaubst du, wie die Bandoleros hier hinter so was her sind!«
»Denkst du, dass sie den Zug überfallen?«, grinst Dick. »Im ersten Wagen sind zwölf Soldaten und ’n Leutnant als Bewachung.«
»Was ich schon davon halte!«, brummt Jim verächtlich. »Du kennst doch die Banditen hierzulande, Dick. Die greifen auch bewachte Züge an! Deine goldene Uhr? Ich weiß nicht …«
Dicks Stirn runzelt sich. »Meine Uhr kriegen sie bestimmt nicht, sag ich! Jetzt hast du mir ’nen Floh ins Ohr gesetzt, Jimmy!« Er steht auf, zieht einen Ledersack aus dem Gepäckhalter und holt die Patronengürtel mit den daran hängenden Revolvern hervor.
»Lass das!«, sagt Billy Jenkins scharf. »Wir wollen hier nicht provozierend wirken!«
»Erstens …«, brummt Dick und schnallt seinen Patronengürtel um, »… sieht es niemand, und zweitens ist Vorsicht die Mutter der Porzellankiste! Meine Uhr kriegen sie nicht!« Er reicht den Freunden ihre Waffengürtel: »Bindet sie um, sag ich!«
Grinsend folgen die beiden Dicks Wunsch. »Nun sorg aber auch für das übrige Programm, Dicker!«, lacht Jim. »Wo bleibt der Überfall?«
»Mal den Teufel nicht an die Wand!«, mahnt Billy, eine Zigarette anzündend.
Der Zug rast jetzt durch eine breite Schlucht. Rechts ragen Felsenwände auf, links droht ein Abgrund. Dann wird die Fahrt langsamer. Es geht in eine Kurve. Plötzlich kreischen jäh die Bremsen. Die Wagen tanzen auf den Schienen, stoßen hart gegeneinander, wanken und krachen in allen Fugen. Druckluft zischt aus den Ventilen. Der Zug steht.
Dick sitzt nicht mehr auf seiner Bank, sondern auf dem Boden. Seine Stirn ziert eine große Beule. »Ay caramba!«, ächzt er.
Draußen hämmern jetzt Maschinengewehre in rasendem Stakkato. Billy und Jim stehen schon mit gezogenen Revolvern an den Fenstern und suchen etwas von den Vorgängen zu erspähen, aber eine Felsennase verhindert die Sicht auf die ersten Wagen, die hinter der Kurve stehen. Von dort her gellt das Angstgeschrei der Fahrgäste. Frauen kreischen entsetzlich, und Kindergeschrei mischt sich dazu. Plötzlich gibt es einen gewaltigen Krach.
»Sie haben den Wagen der Militäreskorte in die Luft gesprengt und werden gleich hier sein!«, sagt Billy. »Duckt euch hinter die Sitze! Wenn sie hier hereinkommen, geben wir ihnen Pfeffer!« Er tritt seinen Zigarettenstummel aus.
»Meine Uhr kriegen sie nicht!«, knurrt Dick und duckt sich.
Die vordere Tür des Wagens wird aufgerissen. Wildverwegene Gestalten drängen herein. Billy, der über die Sitzlehne schielt, sieht, dass es keine zerlumpten Indios sind, sondern Vaqueros2), hochgewachsene Männer mit intelligenten Augen. Alle tragen sie breitrandige Filz-Sombreros und schwarze Charro-Anzüge aus Leder. Schwarze Tücher bedecken den unteren Teil ihrer Gesichter. In den Händen halten sie Revolver oder Gewehre. Es kann nicht daran gedacht werden, auf sie zu schießen, da die Passagiere des Wagens mit erhobenen Händen in der Schusslinie stehen.
»Adelante! Vorwärts! Raus aus dem Wagen!«, herrscht ein riesiger Vaquero die angstzitternden Fahrgäste an. »Wer nicht sofort gehorcht, wird erschossen!«
Mit schlotternden Gliedern drängen sich die Überfallenen hinaus. Zwei Banditen bleiben zurück, reißen das Gepäck aus den Haltern und werfen es zum Fenster hinaus. Die beiden Kerle tragen Gewehre auf dem Rücken und Revolver am Gürtel.
»Los!«, zischt Billy. Er eilt geduckt durch den Gang. Da draußen immer noch ein toller Lärm herrscht, sind Billys rasche Schritte nicht zu hören. Die Vaqueros sind gerade dabei, schwere Koffer herunterzuheben. Während Billy dem einen von hinten die Revolver aus den Futteralen zieht, ist auch Jim heran und hat den anderen schon entwaffnet, ehe zwei Sekunden vergangen sind. Als die Überrumpelten die Koffer fallen lassen und herumzucken, starren sie in die Mündungen ihrer eigenen Waffen.
»Per todos los santos!«, warnt Billy. »Gebt keinen Laut von euch, Muchachos, sonst geht es euch dreckig!«
Als der riesige Bandit seinen ersten Schreck überwunden hat und gerade den Mund zu einem gellenden Warnungsschrei öffnen will, kracht Dicks mächtige Faust gegen sein Kinn, und wie vom Blitz getroffen stürzt er bewusstlos zu Boden. Im nächsten Augenblick trifft seinen Kumpan das gleiche Schicksal.
»Fesseln! Nehmt die Kofferriemen!«, zischt Billy, einen beobachtenden Blick durchs Fenster werfend. Draußen krachen wieder Schüsse, und das Schreien der Frauen und Kinder lebt verstärkt auf. Ein gellender Pfiff übertönt den Lärm, und sofort verstummt die Schießerei.
»Wir müssen hier raus!«, mahnt Billy. Er steckt die Revolver der Banditen in den Ledersack. »Die Brüder nehmen wir mit! Wer weiß, zu was es gut ist! Und die beiden Karabiner können wir gut gebrauchen!«
Gemeinsam schleifen sie ihre Gefangenen durch die Zwischentür und öffnen die Waggontür, die nach der Seite des Abgrundes führt. Ungesehen gelangen sie hinunter und legen sich an den Rand des Abgrundes hinter die Räder des Waggons.
Fast schlagartig ist die Dunkelheit hereingebrochen. Auf der anderen Seite des Zuges lodert ein mächtiges Feuer auf, das von den Banditen mit Holzteilen aus dem zerstörten Waggon und den geleerten Koffern genährt wird. Im Schein der Flammen können die Freunde sehen, was die Banditen treiben.
Die Zugpassagiere sind in einer schmalen Seitenschlucht zusammengetrieben worden. Mit den ärmlichen Fahrgästen der zweiten Klasse halten sich die Banditen nicht lange auf. Gewissenhafter werden die besser Gekleideten und die Amerikaner durchsucht.
»Da ist das hübsche Baby!«, wispert Jim. »Seht ihr sie? Sie und ihr Vater werden abgesondert und weggeführt. Holla, sieht fast so aus, als wollte man die beiden als Geiseln mitnehmen …«
»Der Alte ist vielleicht ’n Millionär, von dem man sich ’n dickes Lösegeld verspricht!«, knurrt Dick und schlägt dem riesigen Vaquero, der eben die Augen öffnete, die Faust auf den Kopf, worauf der Kerl seinen unfreiwilligen Schlaf fortsetzt.
»Guckt mal da rechts ’nüber!«, zischt Billy. »Da hält der Anführer der Bande auf einem Prachtpferd! Man bringt den Alten und das Mädel zu ihm. Eeeeh! Der Anführer ist ja ’ne Frau! Das Tuch vor ihrem Gesicht kann mich nicht täuschen!«
»Klar ist das ’n Weib!«, stimmt Jim zu. »Sie hat zwar Hosen an, aber trotzdem sieht man’s! Eeeh, jetzt bringen die Scheiche ihre Pferde an. Seht, Packpferde haben sie auch dabei … für die reiche Beute …«
»… und für ihre Maschinengewehre!«, vollendet Billy. »Zwei Stück hatten sie mit. Haben sie wahrscheinlich gut in den Felsen versteckt gehabt und die Soldaten damit zusammengeschossen …«
Zehn Minuten später haben die Banditen ihre Beute verladen. Ein Pfiff gellt. Die Bande schwingt sich auf die Pferde und reitet durch die Seitenschlucht davon.
»Wieviel waren’s?«, fragt Dick.
»Ich habe fünfundsechzig gezählt!«, erwidert Jim. »Sie haben den Alten und das Mädchen mitgenommen.«
»Stimmt!«, bestätigt Billy. »Sonst haben sie alle Fahrgäste in Ruhe gelassen. Schätze, dass der ganze Überfall nur dem Alten und seiner Tochter gegolten hat!«
»Starke Behauptung!«, widerspricht Jim. »Sie haben höchstwahrscheinlich doch die Gepäckwagen geplündert und auch sonst alle Wertsachen …«
»… außer meiner Uhr!«, wirft Dick mit erhobenem Zeigefinger ein.
»Sie haben auch Beute auf reiterlose, gesattelte Gäule verteilt!«, sagt Billy. »Also haben sie außer den beiden Scheichen hier noch weitere Tote. Höchstwahrscheinlich haben sie die einfach in den Abgrund geworfen, um sich nicht zu belasten. Ein Menschenleben gilt diesen Bandoleros nicht viel. Das sieht man schon daran, dass sie gar nicht nach den beiden Kerlen hier geforscht haben.«
»Sie werden gar nicht gemerkt haben, dass die zwei fehlen«, meint Jim. »Glaube kaum, dass sie jedes Mal ’n Appell abhalten wie beim Militär. Sie werden’s erst merken, wenn sie in ihrem Schlupfwinkel ankommen, schätze ich.«
»Die sind kaltschnäuzig«, bestätigt Billy. »Wer auf den Pfiff nicht reagiert, muss seh’n, wo er bleibt. Rücksichten kennen sie nicht.« Billy erhebt sich. »Jim, komm mit! Wollen mal gucken, wie es steht! Dick, du bleibst hier bei den beiden Kerlen!«
Jim und Billy kriechen unter dem Waggon durch und eilen nach vorn. Der Wagen, in dem sich die Militäreskorte befand, ist nur noch ein Trümmerhaufen, aus dem das Stöhnen Schwerverwundeter herausdringt. Das Zugpersonal und einige Fahrgäste sind dabei, zu den Verletzten vorzudringen. Vor der Lokomotive liegt ein großer Felsblock. Die Gepäckwagen sind aufgebrochen und ausgeraubt, aber Billy fällt auf, dass nur wirklich wertvolle Dinge von der Bande mitgenommen wurden.
»Das ist wirklich keine gewöhnliche Räuberbande!«, sagt Jim nachdenklich. »Diese mexikanischen Bandoleros nehmen doch sonst stets alles mit, was nicht niet- und nagelfest ist … plündern die Leute bis auf die Haut aus …«
»Die haben überhaupt nur geplündert, um keinen Verdacht zu erregen«, meint Billy. »Schätze, die hatten’s nur auf den Alten und seine Tochter abgesehen! Na, wir werden bald klüger sein …«
»… wenn wir uns die beiden Brüder vorknöpfen!«, grinst Jim.