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In der Entlassungszelle des Fricoer Zuchthauses sitzen zwei Männer. Matt Cameron sieht eigentlich gut aus, obwohl er aufreizend rote Haare auf seinem schmalen Schädel hat. Aber das stört bei ihm nicht - er wirkt wie ein Vollblut-Mann, auch jetzt noch, nachdem er sechs harte Jahre Strafgefangener war.
Der andere Mann ist dunkelhaarig, nicht so breitschultrig wie der muskulöse Cameron, dafür aber gut zehn Pfund schwerer, einen Kopf größer und trotzdem beweglicher, geschmeidiger. Sein Gesicht wirkt sogar einnehmend, anziehend in seiner Männlichkeit.
Die beiden Männer haben sich erst gestern in der Entlassungszelle kennengelernt, kaum drei Worte miteinander gesprochen und sich nur stumm und abwägend betrachtet.
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Seitenzahl: 109
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Vorwort
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EINE TOLLE JAGD
Wissenswertes
Vorschau
Impressum
Liebe Western-Leser, liebe Unger-Freunde!
Das Werk von G.F. Unger, einem der größten und beliebtesten Wildwest-Autoren über die Grenzen Deutschlands hinaus, ist umfangreich. Dazu zählen auch seine Beiträge zu den Serien BILLY JENKINS, JOHNNY WESTON, TOM PROX und PETE in den 1950er-Jahren.
Als »sein« Verlag wollen wir Ihnen – zusätzlich zur Sonder-Edition, in der wir Ungers Taschenbücher ungekürzt im Heftformat auflegen –, in der Classic-Edition auch diese Romane präsentieren, die neben ihrem nostalgischen Reiz nichts von ihrer Dramatik verloren haben. Nach den BILLY-JENKINS-Western und den JOHNNY-WESTON-Leihbüchern folgen nunmehr G.F. Ungers TOM-PROX- und PETE-Romane aus den Jahren zwischen 1951 und 1954 im »Doppelpack« mit zwei Abenteuern pro Heft.
Wir wünschen allen Sammlern und Lesern viel Vergnügen und spannende Unterhaltung bei dieser Zeitreise!
Ihre G.F Unger-Redaktion
PS: Einige Bezeichnungen in den Romanen wie »Neger« gelten heutzutage als diskriminierend. Sie waren zur Zeit der Romanhandlung aber gebräuchlich und sollten im historischen Kontext verstanden werden, weshalb sie im Text belassen wurden.
Dieses Vorwort ist eigentlich ein Nachwort; ausnahmsweise sollte es erst nach der Erzählung gelesen werden. All das Tolle, das im vorliegenden Hefte geschieht und erlebt wird, fesselt den Leser bis zum letzten Worte — doch sollte über all der Spannung nicht vergessen werden, dass die Entwicklung der Ereignisse auch eine bemerkenswerte Lehre enthält.
Nämlich die Wahrheit, dass ein Mensch selten bis zum Grunde seiner Seele hinab schlecht ist. Im Verbrecher — selbst im Gewaltverbrecher! — lebt meistens noch ein Rest von Menschlichkeit, und wer Verbrechen oder Verbrecher bekämpft, der darf nicht vergessen, nach diesem Reste zu forschen, ihn freizulegen und als Keim neu zum Aufleben zu bringen.
Freilich ist hier mit gütlichem Zureden nur selten etwas getan, und sei es noch so gut gemeint. Die im und am Leben Gescheiterten muss man bei Empfindungen und Gefühlen packen, die ihnen naheliegen; man muss ihnen zeigen, dass auch in ihm — trotz allem — sittliche Werte verkörpert sind und dass diese Werte nicht nur von ihren Mitmenschen anerkannt werden, sondern von eben diesen Mitmenschen notfalls sogar verteidigt werden.
Wie das gemeint ist, das lässt Prox verhalten erkennen: wie er den alten Zuchthäusler in der Stunde der Gefahr ehrlich und mit eigener Lebensgefahr verteidigt, ihn bei der Kameradschafts-Ehre packt, zum echten Kameraden gewinnt, ihn sich gleichstellt und als natürliche Folge auf den rechten Weg des Ehrenmannes zurückführt.
G.F. Unger
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Ein Abenteuer aus dem Wilden Westen,berichtet von G.F. Unger
In der Entlassungszelle des Friscoer Zuchthauses sitzen zwei Männer. Matt Cameron sieht eigentlich gut aus, obwohl er aufreizend rote Haare auf seinem schmalen Schädel hat. Aber das stört bei ihm nicht — er wirkt wie ein Vollblut-Mann, auch jetzt noch, nachdem er sechs harte Jahre Strafgefangener war.
Der andere Mann ist dunkelhaarig, nicht so breitschultrig wie der muskulöse Cameron, dafür aber gut zehn Pfund schwerer, einen Kopf größer und trotzdem beweglicher, geschmeidiger. Sein Gesicht wirkt sogar einnehmend, anziehend in seiner Männlichkeit. Die beiden Männer haben sich erst gestern in der Entlassungszelle kennengelernt, kaum drei Worte miteinander gesprochen und sich nur stumm und abwägend betrachtet.
»He, Nr. 4700! Wie heißt du eigentlich?«, fragt Cameron endlich nach vielen Stunden.
»Tom – Tom Rox. Und du?«
»Mattias – Matt Cameron.«
»Ab morgen, Matt!«
»Häh?«
»Na ja, jetzt bist du noch Nr. 5344 – ab morgen sind wir wieder freie, prächtige, nette, gute Bürger Onkel Sams. Tja!«
»Weshalb bist du hier gewesen, Tom?«
»Ich frage dich auch nicht, ob du mal in deiner Jugend Keuchhusten hattest, Matt.«
»All right.«
Stunden vergehen. Den Entlassungs-Anwärtern wird das Essen in die Zelle gebracht. Dann wird es dunkel und der Abteilungsaufseher schaltet draußen das Licht an. Matt Cameron liegt bereits auf seiner Schlafpritsche und legt sich seine nervige Hand über die Augen. Tom Rox sitzt auf dem Schemel unter dem Fenster.
Draußen auf dem Gang hallen die Schritte zweier Aufseher und klirren Schlüsselbunde. Matt Cameron hört, wie sich die beiden Aufseher unterhalten, nachdem ihre Schritte verstummt sind. Er weiß, dass sich die beiden Uniformierten jetzt über das Geländer der Gangbühne lehnen.
»Wer sitzt denn in der Entlassungszelle, Bill?«, fragt eine Stimme. Matt kann die Worte gut verstehen.
»Der Revolvermann Tom Rox – ganz scharfer Hund, kann ich dir sagen!«
»Revolvermann? Aaaah! Kein Gorilla einer Gang, vielmehr einer aus dem Wilden Westen! Well, jetzt erinnere ich mich. Saß in der anderen Abteilung, well. Soll ja in Arizona 'ne Menge Wirbel gemacht haben – mit seinen Kanonen!«
»Sicher! 'n Weidekrieg, 'ne Ranchsfehde, Viehdiebstahl oder alles zusammen – was weiß ich! Er soll die halbe Mannschaft der Gegenpartei zusammengeschossen haben. Er und sein Rancher wurden wegen Landfriedensbruch eingesperrt – na ja! Jetzt kommt er raus und wird bald für'n anderen Auftraggeber den Killer machen.«
»Und der andere? Wer is'n der andere, Bill?«
»Hoho, das ist Matt Cameron, einer der besten Tresorknacker. Der kann 'n Panzerschrank mit 'ner Büroklammer öffnen! Na, der blöde Hund hat sich damals mit 'ner Bande Langreiter eingelassen. Die konnten zwar kein einfaches Türschloss öffnen, dafür aber bedeutend besser reiten und schießen. Deshalb entkamen sie mit der Beute, nachdem sie Cameron eins verpasst hatten, weil er nicht schnell genug reiten konnte und den anderen hinderlich war. Nee, er war aber nicht tot. Die Verfolger brachten ihn zum Doc, und dann hatte er Gelegenheit, seine Strafe abzusitzen. Seine Kumpane erfreuen sich ihres Raubes noch heute. Man hat sie nicht gefasst und Cameron hat sie auch nicht verraten. Dieser Idiot!«
»Vielleicht will er sich selber rächen!«
»Quatsch! Er als Mann aus dem Osten hat doch im Wilden Westen keine Chance. Er ist dort ein hilfloses Greenhorn.«
»Wie hoch war denn die Beute?«
»Achthunderttausend Dollar!«
»Alle Wetter!«
»Jawohl! Und alles Staatsgelder!«
»Hahaha! Also dafür zahlen wir unsere Steuern, dass solche Hundesöhne...«
Matt Cameron hört dieses Gespräch und erkennt, was er sich übrigens schon selber gesagt hat: Als Mann aus der Großstadt hat er im Wilden Westen keine Chance.
Vor dem Türgitter tauchen jetzt die beiden Aufseher auf. Bill Burke, der Aufseher, wird von den Strafgefangenen nur »Der blutige Bulle« genannt. Er ist jähzornig, gemein und schlägt gern und oft, obwohl's verboten ist.
Bill Burke schließt die Tür auf.
»Na, will keiner von euch Hundesöhnen Meldung machen?«
Matt Cameron steht neben seiner Schlafpritsche.
Tom Rox erhebt sich langsam.
»Mir war vor Freude die Spucke weggeblieben«, sagt er sanft.
»Freude, weil sie dich wieder auf die Menschheit loslassen, nicht wahr?«
»Nein, Sir! Freude vielmehr, weil heute Sie Dienst haben und ich hierdurch in die freudige Lage versetzt bin, Ihr Gesicht noch einmal betrachten zu können, damit ich es für immer und ewig in Erinnerung behalte. Ach, man vergisst ja im Allgemeinen so schnell.«
»Soll das eine Drohung sein?«
»Aber nein, Sir!«
Der Ton macht die Musik. Bill Burke versteht die Worte durchaus richtig. Er weiß, Tom Rox meint genau das Gegenteil. Er braucht ja nur in das spöttische und zugleich drohende Gesicht des Insassen zu blicken, um Bescheid zu wissen.
Langsam schiebt er sich in die Zelle. Der blutige Bill wiegt etwas mehr als zwei Zentner. Es sind zwei Zentner Muskeln und Knochen. Sein Kinn schiebt sich so weit vor, dass man daran einen Hut aufhängen könnte.
»Dich großspurigen Hundesohn haben sie in den vier Jahren wohl noch nicht kleingekriegt, was?«
»Nein, Sir – nie!«
Bill Burke wendet schnell den Kopf und wirft seinem Kollegen einen kurzen Blick zu, kneift dann ein Auge zu. Der andere nickt, nimmt seine Dienstpistole aus dem Futteral und baut sich breitbeinig in der Tür auf.
»Über dich habe ich mich schon immer geärgert, als ich noch drüben in der anderen Abteilung Dienst machte. Und jetzt wirst du auch noch frech, was?«
»Vor der Entlassung werde ich untersucht«, warnt Tom Rox leise. »Und es ist doch keine Frechheit, wenn ich sage, dass ich meinen prächtigen Aufseher noch lange vermissen und nie vergessen werde. Oder?«
Bill Burke ist jähzornig. Deshalb schießt er seine schwere Rechte ab. Aber durchaus nicht, um ein Loch in die Mauer zu stoßen, sondern um den Kopf des Zuchthäuslers zu treffen. Später hätten er und sein Kollege dann behauptet, der Gefangene wäre widersetzlich gewesen. Dann wäre Tom Rox wohl auch noch nicht entlassen worden.
Aber Bill Burke trifft nicht den spöttisch lächelnden Mund – er knallt seine Riesenfaust vor die Betonmauer! Dann stöhnt er auch schon, steckt sich die Rechte unter die linke Achselhöhle und wendet sich taumelnd.
Er weiß, dass schon der erste Schlag hätte sitzen müssen. Wenn die Gefangenen jetzt Krach schlagen, so kommt bestimmt der Oberaufseher – und Burke hat schon einige Verwarnungen wegen Gefangenenmisshandlung auf dem Kerbholze.
»Oh, du Misthund«, stöhnt er vor Schmerz und verschwindet. Sein Kollege schließt die Tür wieder ab und wirft einen langen, seltsamen Blick auf Tom Rox. Dieser sitzt schon wieder auf seinem Schemel und grinst.
»Tja, er hat es schon zweimal mit mir gemacht, aber dieses Mal war ich darauf vorbereitet. Ich wusste, dass er mir zum Abschiede noch eins auf die Schnauze geben wollte. Er und ich, wir zwei beide, ja, wir konnten uns eben von Anfang an nicht leiden. Na, morgen werde ich entlassen.«
»Du meinst, dass er keine Meldung macht?«
»Nee, der Direktor weiß, dass er immer wieder die Gefangenen verprügelt und...«
Es ist Nacht, schon lange nach Mitternacht. Tom Rox benutzt die obere Schlafpritsche. Er hört, wie sich unter ihm Matt Cameron schlaflos herumwälzt. Plötzlich hört er Camerons Stimme: »He, Tom! Tom! Schläfst du?«
»Schon vorbei. Ich bin aufgewacht. Weißt du, ich bin aus langer Gewohnheit schon beim ersten Laut hellwach – das lernt man draußen auf der Arizonaweide, in den Bergen oder wo auch sonst ein Campfeuer brennen mag.«
»Tom, du bist Langreiter?«
»Oh, sagen wir: ein reitender Gentleman, der ein wenig mit Colts umgehen kann. Jawohl, ich war freier Reiter und werde es bald wieder sein.«
»Hast du schon ein festes Ziel?«
»Nein, aber das findet sich. Was störst du überhaupt meine Nachtruhe? Besonderer Grund?«
»Ich will dir ein Geschäft vorschlagen – weil ich im Rinderland bloß Greenhorn bin. Ich bin sonst nicht auf den Kopf gefallen, aber...«
Die beiden Gefangenen flüstern bis zum ersten Tageslicht.
Übrigens: Bill Burke, der jähzornige Gefangenenaufseher, bekommt aus der Staatskasse ein ziemlich hohes Schmerzensgeld und nach seiner Gesundung einen längeren Urlaub. Nur solch ein Viechskerl wie Bill Burke konnte mit Absicht seine Faust gegen Beton stoßen, obwohl er schon vorher wusste, dass er sich einige Finger dabei brechen würde.
Warum das sein musste?
Nun, Gefangene im Zuchthaus sind misstrauisch. Matt Cameron ist besonders misstrauisch, zumal er allein die Namen seiner ehemaligen Kumpane kennt, die den Staat um achthunderttausend Dollar geschädigt haben. Er muss mit Spitzeln rechnen, die ihm das Geheimnis entlocken wollten. Man hat ihm ja im Laufe seiner Haftzeit einige Spione als Zellengenossen gegeben, die jedoch nichts aus ihm herauslocken konnten.
Ein Mann, dessentwegen sich ein Aufseher seine Hand bricht, ist bestimmt kein Spitzel. Das sagt sich Matt Cameron. Er ist überzeugt, dass sein neuer Partner viele Jahre abgesessen hat und nur zufällig mit ihm zusammen entlassen wird. Und weil er einen Westmann braucht, der das Rinderland kennt und viele andere Dinge, vertraut er Tom Rox.
Tom Rox aber heißt in Wirklichkeit Tom Prox und ist Captain beim F.B.I. Er soll dafür sorgen, dass der Staat wenigstens einen Teil des Bankraubes zurückbekommt.
So und nicht anders steht die Sache.
Am anderen Tag verlassen die beiden so ungleichen Männer das Zuchthaus.
»Ich weiß«, sagt Matt Cameron, »ich weiß, wo ich die Misthunde finden kann, die mich damals so schäbig reingelegt haben. Wir werden sie ausquetschen und halbpart machen, Partner.«
»Well, well«, stimmt Tom zufrieden zu, denn er meint, auch die anderen Bankräuber müssten endlich ihre verdiente Strafe bekommen.
Das Städtlein Blacktown heißt wahrscheinlich so, weil alle Bewohner dieses Ortes mehr oder weniger schwarze Seelen besitzen – oder dunkle Flecken auf ihren ohnehin schon schmutzigen Westen haben.
Der Ort liegt zwischen dem Colorado und dem Virgin River. Auf zweihundert Meilen im Umkreise gibt es nur Rinder, Berge, Reiter und keinen Sheriff. Man muss über die Grenze nach Utah gehen, um auf einen Vertreter des Gesetzes zu stoßen.
Früher gab es mal in Blacktown einen Sheriff. Aber der hatte sich bescheiden zurückgezogen – seine Beerdigung war ein Freudenfest aller Ortsbewohner.
Dann gab es keinen Sheriff mehr – weil es keine lebensmüden Männer in diesem Distrikte gibt. Die Leute hier sind sehr lebensfreudig und gebrauchen eifrig ihre Colts, um sich ihr Leben zu erhalten. Auch Wölfe beißen sich untereinander.
Um Blacktown herum gibt es einige Ranchs. Die Reitermannschaften dieser Betriebe sind keine richtigen Cowboys: Sie sind rücksichtslose Schießer, die sich die Rancher halten müssen, um wenigstens für sich selber einige Kälber behalten zu können.
Man lebt also im Blacktown-Distrikt von Viehzucht, Viehdiebstahl und gewinnbringenden Ausflügen nach Utah – dort liegen nämlich einige kleine Städte, die abwechselnd von ungebetenen Gästen besucht werden.
Blacktown ist also ein böses Nest.
Und in dieses Nest reiten Tom Rox und Matt Cameron zwei Wochen nach ihrer Entlassung ein. Sie kommen bescheiden und unauffällig und erregen dennoch einiges Aufsehen – weil Matt Cameron bereits von verschiedenen Leutchen erwartet wird, weil sie sich ausrechnen konnten, wann er wieder in Freiheit war.