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Mac O'Connor ist nicht groß; er ist fast viereckig und dabei energisch und draufgängerisch, wie man es von einem gebürtigen Irländer kaum erwarten sollte. Er gehört sozusagen zu jenen Leuten, die den Stier am liebsten bei den Hörnern packen.
Als er ins Office stürmt und seinen Hut auf den Tisch knallt, hebt Captain Tom Prox, der hinter dem Schreibtisch sitzt, nur seine Augenbrauen.
Dann pellt sich Tom Prox eine neue Banane ab und schiebt dem rotköpfigen Besucher die Tüte zu: "Sie sollten auch erst einmal eine Banane essen! Das beruhigt ungemein. Und dann erzählen Sie mir, wer Sie hereingelassen hat. Ich habe so im Gefühl, als ob Sie Red Mac aus Oregon sind."
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Seitenzahl: 110
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Vorwort
DREIMAL NOT UND SIEG
GEFÄHRLICHES ABENTEUER
Wissenswertes
Vorschau
Impressum
Liebe Western-Leser, liebe Unger-Freunde!
Das Werk von G.F. Unger, einem der größten und beliebtesten Wildwest-Autoren über die Grenzen Deutschlands hinaus, ist umfangreich. Dazu zählen auch seine Beiträge zu den Serien BILLY JENKINS, JOHNNY WESTON, TOM PROX und PETE in den 1950er-Jahren.
Als »sein« Verlag wollen wir Ihnen – zusätzlich zur Sonder-Edition, in der wir Ungers Taschenbücher ungekürzt im Heftformat auflegen –, in der Classic-Edition auch diese Romane präsentieren, die neben ihrem nostalgischen Reiz nichts von ihrer Dramatik verloren haben. Nach den BILLY-JENKINS-Western und den JOHNNY-WESTON-Leihbüchern folgen nunmehr G.F. Ungers TOM-PROX- und PETE-Romane aus den Jahren zwischen 1951 und 1954 im »Doppelpack« mit zwei Abenteuern pro Heft.
Wir wünschen allen Sammlern und Lesern viel Vergnügen und spannende Unterhaltung bei dieser Zeitreise!
Ihre G.F Unger-Redaktion
PS: Einige Bezeichnungen in den Romanen wie »Neger« gelten heutzutage als diskriminierend. Sie waren zur Zeit der Romanhandlung aber gebräuchlich und sollten im historischen Kontext verstanden werden, weshalb sie im Text belassen wurden.
Die Taten unseres Tom Prox haben zum Schauplatz vorwiegend die Staaten Texas, Neu-Mexiko und Arizona. Die südlichen Hälften dieser Staaten liegen in der subtropischen Zone. Im Sommer brütet Hitze über ihnen, und um den 21. Juni herum steht die Mittagssonne fast im Zenit.
Nach Sonnenuntergang ist die Dämmerung dort kürzer als in unseren Breiten, aber sie ist doch nicht so kurz, wie gar mancher Erzähler behauptet. Es ist nicht wahr, dass kurz nach Sonnenuntergang Dunkelheit eintritt. Das ist nicht einmal in den Tropen der Fall. Wie lang die Dämmerung in Wirklichkeit ist, das können sich unsere Leser leicht selber ausrechnen. Man unterscheidet erste und zweite Dämmerung. Die erste geht zu Ende, sobald man (bei klarem Himmel) im Freien Gedrucktes nicht mehr lesen kann; die zweite endet mit Eintritt völliger Dunkelheit.
Es ist nun festgestellt worden, dass völlige Dunkelheit erst dann eintritt, wenn die Sonne wenigstens 8 Grad unter den Horizont gesunken ist. Bequemerer Rechnung halber wollen wir die Zahl aber bloß mit 7½ Grad annehmen. Bei der scheinbaren Drehung des Himmelsgewölbes braucht die Sonne 24 Stunden zum Durchwandern von 360 Grad, für 15 Grad also eine Stunde. Für 7½ Grad braucht sie mithin eine halbe Stunde.
Steht man auf einem Punkt der Erde, wo man an einem gewissen Tage die Sonne zu Mittag genau über sich hat (was nur in den Tropen der Fall sein kann), so marschiert die Sonne in den Stunden von 12 bis 18 Uhr auf kürzestem Wege zum Horizont und ihre scheinbar durchmessene Bahn steht als Lot senkrecht auf dem Gesichtskreis. Senkrecht sinkt sie auch weiter unter den Horizont und braucht also an diesem Tag eine halbe Stunde, um 7½ Grad tiefer zu stehen als der Horizont — und erst dann tritt völlige Dunkelheit ein. Hieraus ergibt sich, dass nirgends auf der Erde die Dämmerung kürzer sein kann als eine halbe Stunde — wovon fast 20 Minuten auf die erste Dämmerung kommen. Die Angaben gelten für wolkenlosen Himmel und offenes Gelände.
Bei uns in Deutschland marschiert die untergehende Sonne nicht senkrecht auf den Horizont zu, sondern erreicht diesen in einem spitzen Winkel und nähert sich dem Gesichtskreis daher langsamer als in Tropen und Subtropen. Sie braucht daher auch längere Zeit, bis sie um 7½ Grad gesunken ist, und um so viel länger ist dann die Dämmerung bei uns.
Je weiter man im Sommer zum Norden kommt, umso länger ist die Dämmerung. Für die Städte Bergen, Oslo, Stockholm, Leningrad (die alle vier auf annähernd derselben Breite liegen), gibt es von Anfang Mai bis Ende August überhaupt keine wirkliche Nacht mehr. Kommt man bis zum Polarkreis und darüber hinaus noch nördlicher, so gibt es dort Tage, Wochen und Monate (je nach nördlicher Lage), wo nicht einmal Dämmerung eintritt — weil die Sonne nämlich auch nachts über dem Gesichtskreis bleibt und überhaupt nicht untergeht. Im Winter, wenn die Sonne zur südlichen Halbkugel gewandert ist, gilt alles Gesagte umgekehrt. Nicht nur die Tage sind kürzer, sondern auch die Dämmerung — und hoch im Norden hat man überhaupt bloß noch Nacht: Polarnacht!
B.O.
DREIMAL NOT UND SIEG
Ein Abenteuer aus dem Wilden Westen,berichtet von G.F. Unger
Mac O'Connor ist nicht groß; er ist fast viereckig und dabei energisch und draufgängerisch, wie man es von einem gebürtigen Irländer kaum erwarten sollte. Er gehört sozusagen zu jenen Leuten, die den Stier am liebsten bei den Hörnern packen.
Als er ins Office stürmt und seinen Hut auf den Tisch knallt, hebt Captain Tom Prox, der hinter dem Schreibtisch sitzt, nur seine Augenbrauen.
Dann pellt sich Tom Prox eine neue Banane ab und schiebt dem rotköpfigen Besucher die Tüte zu: »Sie sollten auch erst einmal eine Banane essen! Das beruhigt ungemein. Und dann erzählen Sie mir, wer Sie hereingelassen hat. Ich habe so im Gefühl, als ob Sie Red Mac aus Oregon sind.«
»Bin ich!«, knurrt Mac O'Connor und wirft einen verächtlichen Blick auf die Bananen. Er greift in die Brusttasche, holt eine pechschwarze Zigarre hervor und stößt alsbald mächtige Qualmwolken aus, schlimmer, als ein alter Missouri-Dampfer es tun könnte.
»Wenn Sie nur hergekommen sind, um mir die Bude vollzuqualmen, brauchten Sie sich nicht so zu beeilen.« Tom Prox grinst. Er hat über Mac O'Connor genug gehört, um jetzt in dessen Sprache sprechen zu können.
»Ich glaube, dass wir uns schnell verstehen werden – obwohl Sie mit Ihrem schönen Schlips fast wie ein Filmheld aussehen«, bellt Mac O'Connor und beobachtet flüchtig eine Fliege, die infolge des Qualms seiner schwarzen Zigarre auf Toms leerer Schreibtischplatte sämtliche Beine ausstreckt und stirbt.
Auch Tom beobachtet die Fliege.
Dann sagt er: »Wenn ich nicht irre, sind Sie Abgeordneter und Mitglied des Polizeiausschusses von Oregon – oder reisen Sie jetzt in Fliegenvernichtungsmitteln?«
Mac O'Connor schießt einen wilden Blick ab. Er, der einstige Treibherdenboss, und Tom Prox, der frühere Weidereiter, der schon tausend Campfeuer auf der weiten Weide angezündet hat, diese beiden verstehen einander ausgezeichnet.
»Ich erfuhr schon durch Leute, die es wissen müssen: Ihre Klappe ist nicht zu schlagen!«, knurrt er Tom an. »Und obschon Sie Bananen essen, scheinen Sie mir doch der richtige Mann für uns zu sein!«
»Lassen Sie hören, altes Haus! Die Gespenstergarde macht zurzeit eine Saure-Gurken-Zeit durch, denn alle bösen Giftpilze halten Ferien und es passiert nichts, was uns aus dem Sommerschlaf wecken könnte. Und zudem: Ich höre mir gern ein paar nette Witze an.«
Tom pellt nach diesen Worten zufrieden eine weitere Banane ab und wirft die Schalen in den Papierkorb.
Mac O'Connor mustert ihn scharfäugig: Ein großer, schlanker, lässiger, doch offenbar geschmeidiger Mann, an dem eine Menge dran ist, was eines zweiten Blickes wert ist. Natürlich: Tom Prox ist nicht ohne Grund Chef der Gespenstergarde geworden, deren Angehörige allesamt eine Menge auf dem Kasten haben.
»All right«, knurrt er und fragt dann: »Kennen Sie die mistige Star Company?«
Tom legt den Finger an die Nase und zählt auf: »Besitzt in mehreren Staaten insgesamt ein Dutzend Großranches, eine Million Rinder, zehntausend Pferde, zwanzigtausend Schafe. Außerdem noch Goldminen, Ölquellen und...«
»Ganz recht, diese Company meine ich«, unterbricht O'Connor. »Und jetzt wollen sie in Oregon eine Großranch aufmachen«, bellt er und schlägt die harte Faust auf den Tisch.
Tom erkennt auf dem Handrücken dieser Faust einige Narben – Narben, wie ein gleitendes Lassoseil sie hinterlässt. An ihnen erkennt man den Rindermann, wie man den alten Boxer an den Blumenkohlohren erkennt.
»Und weshalb sollen die keine Ranch aufmachen?«, erwidert er sanft. »Wenn die Leute das Land gut bezahlen und Kühe darauf züchten, so ist dagegen doch wohl nichts einzuwenden. Oder...?«
Mac O'Connor haut abermals die Faust auf den Tisch.
»Nun, ich werde Ihnen mal was erzählen! Wo sich die Star Company breitmachen will, gibt es lauter Klein-Rancher – vor zehn Jahren noch hungrige Siedler, aber jetzt haben sie es geschafft. Nun ja, sie haben noch 'ne Menge Schulden, aber wenn sie diesen Herbst – zum ersten Male – Vieh verfrachten, dann sind sie gemachte Leute! Da alle nur kleine Herden besitzen, wird aus diesen eine große Herde gebildet und nach der Bahnstation getrieben. Kommt die Herde gut an, nun, so ist natürlich alles gut – geht sie jedoch unterwegs irgendwie zum Teufel, so...«
»Sie sind hier nicht am richtigen Ort, O'Connor«, unterbricht Tom trocken. »Für solche Fälle ist die allgemeine Polizei zuständig.«
»O Hölle! Heiliger Rauch und Schneegestöber!«, explodiert der ehemalige Rindermann und jetzige Abgeordnete. »Das weiß ich selber! Aber was ist damit getan, wenn wir ein paar Viehdiebe und ähnliche Hundesöhne in Staatspension nehmen! Die Hintermänner sind's – die müssen erledigt werden! Und diese Hintermänner stehen an der Spitze der Star Company. Wenn die Klein-Rancher nicht in diesem Herbst zu Bargeld kommen, dann wird die Company, weil sie alle Schuldscheine aufgekauft hat, die Leute aus dem Lande jagen.«
Tom nickt verständnisvoll. »Ach so! Gut, ich werde mir die Sache durchs Köpfchen gehen lassen. Wenn Sie mir aber die ganze Bude vollqualmen, so komme ich ins Krankenhaus. Meine schwachen Lungen halten so etwas auf die Dauer nicht aus...«
Als Tom Prox zehn Tage später in Cattleville die Pendeltür der Gastwirtschaft »Zum Pfannkuchen« aufstößt, trägt er keinen schönen Schlips. Ein alter Stetson, ein fadenscheiniges Hemd, eine ärmellose Lederweste, ein rotes Halstuch und alte, sehr alte Leder-Chaps bedecken an den ihnen zukommenden Stellen seinen Körper. Unter den Chaps trägt er eine noch ältere Cordhose. Seine Reitstiefel sind älter, als sie sein dürften. Außerdem trägt er – welch ein Wunder in diesem Land! – keine Sporen.
Dafür ist sein Waffengurt gut gefettet, und die Messinghülsen der Patronen glänzen wie mit Sidol geputzt. Sein tiefhängender Colt sieht richtig gut aus; nicht protzig, aber wie der Colt eines Mannes, der sich mit solch schwerem Stück nicht aus Eitelkeit abschleppt.
Kurz: Es ist also alles vollkommen in Ordnung mit Tom. Er wirkt wie einer der vielen hartbeinigen, scharfgesichtigen, diamantharten und selbstbewussten Reiter dieses Landes. Nur erfahrene Kenner, die ihm einen zweiten Blick schenken, würden seine Sonderklasse erkennen.
Vor dem langen Büfett stehen hohe Hocker, auf denen einige Männer sitzen. Am anderen Ende – dort ist das Büfett zugleich Schanktisch – stehen noch mehr Männer, Verehrer eines scharfen Whiskys.
Tom ist ein erfahrener Mann. Er kennt sich unter diesen Leuten gut aus, denn in dieser Luft ist er aufgewachsen. Deshalb spürt er binnen Sekunden: Hier herrscht dicke Luft! Er lächelt flüchtig, gleitet geschmeidig durch den Raum und setzt sich neben einem kleinen krummbeinigen, hakennasigen Kerl auf einen Hocker.
So klein sein linker Nachbar auch ist, dessen Klappe ist größer als der ganze Kerl – groß wie ein Walfischmaul. Und seine Zunge ist schärfer als jedes Rasiermesser.
Tom kennt diese Sorte giftiger Wurzelzwerge recht gut. Manche sind gefährlicher als eine angezündete Dynamitstange in der Hand.
Hinter dem Büfett brät ein langer dürrer und nicht gerade freundlicher Mann Pfannkuchen, immer drei Stück auf einmal.
»Mir auch«, sagt Tom sanft, »und 'n Schluck Kaffee dazu.«
Der lange Pfannkuchenbrater nickt, und seine Ohren wackeln wie die eines Kaninchens. Nachdem er genügend Teig in seine drei Pfannen geschlagen hat, gießt er aus einer großen Kanne einen halben Liter tiefschwarzen Kaffee in einen Becher und schiebt ihn Tom zu.
Und da spricht die kleine Giftkröte zu seiner Linken: »Nachbar, der Kaffee schmeckt nach Teer und nach Petroleum – und die Pfannkuchen nach Schmierseife und Pferdeäpfeln. In diesem verlausten Kaff hier gibt es nichts, was einem ehrlichen Herdentreiber gefallen könnte. Hier haben sogar schon die Wanzen die Schwindsucht!«
Bevor Tom etwas erwidern kann, meldet sich sein rechter Nachbar. Es handelt sich bei ihm um einen aufrechtgehenden Walfisch von einem Mann, sicherlich doppelt so groß und dreimal so schwer wie der Kleine.
»Lange ertragen wir deine Reden nicht mehr, du giftiger Gartenzwerg! Wir haben schon mehr solcher Treibherdenmannschaften hier gehabt, die nur kamen, um sich 'n Vergnügen zu machen – und die haben wir alle hinausgeworfen! Und ihr werdet auf den Brustwarzen rauskriechen, wenn du deine Klappe nicht zumachst!«
Tom erkennt, dass er zwischen zwei Parteien sitzt. Links von ihm eine streitlustige Treibermannschaft, die sicherlich ihre Herde in der Nähe stehen hat und nur auf kurzen Besuch hier ist. Rechts von ihm stehen Einheimische am Schanktisch. Haben sicherlich schon eine Menge geschluckt und sind nun auf dem Punkt angekommen, den ein überhitzter Dampfkessel erreicht, wenn der Zeiger des Manometers den roten Strich übersteigt.
Tom bekommt seine Pfannkuchen. Kauend betrachtet er sich die Boys zur Linken.
Du liebe Güte, was für ein Rudel!, denkt er. Denen hängen die Rinder mächtig zum Halse heraus. Die sind wild wie bissige Hunde, wenn sie in einen fremden Zwinger kommen. Und sie sind gewiss so hart, dass sie Niespulver als Schnupftabak benutzen. Vielleicht gehören die Boys zu der großen Sammel-Herde, die ich nun schon seit zwei Tagen suche.
Nach diesen Gedankengängen nimmt er sich einen zweiten Pfannkuchen vor und betrachtet kauend die Männer zur Rechten.
O la la, denkt er jetzt, diese Sorte Pilger kenne ich auch! Diese Knaben leben in diesem Ort nur, weil er am Treibherdenweg nach Osten liegt. Ich könnte wetten, dass jede Treibherde hier einige Dutzend Rinder verliert.
Als er zum dritten Pfannkuchen greift, grinst ihn der Kleine zur Linken an.