G. F. Unger Western-Bestseller 2353 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2353 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Die schöne Jennifer Buckmaster hat als Frau keine Chance gegen die mächtige Colorado Overland Line. Doch dann kommt Johnny Laredo ...



Das E-Book G. F. Unger Western-Bestseller 2353 wird angeboten von Bastei Lübbe und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
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Seitenzahl: 155

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Inhalt

Cover

Impressum

Overland Line

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Slavador Faba/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6252-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Overland Line

Es war später Nachmittag, als ich auf meinem müden Red in Canyon City eintraf. Die Sonne schien nicht mehr in den Canyon. Ihr Schein lag bereits oben auf dem Ostrand, so weit stand sie schon im Westen – aber für mein Vorhaben war es noch hell genug.

Ich habe niemals eine Sache auf die lange Bank geschoben. Deshalb ritt ich nicht in die Stadt hinein, sondern schlug einen Halbkreis und gelangte zum Friedhof der Stadt, der auf einem kleinen Hügel lag. Als ich vor die Hütte des Totengräbers kam, reinigte dieser gerade seine Grabwerkzeuge. Er war ein riesiger Bursche, dem man zutrauen mochte, dass er sich einen mittelgroßen Sarg unter den Arm klemmen konnte wie ein Kind einen Schuhkarton. Er sah mich wortlos und ohne Freundlichkeit an.

»Das Grab von Drango Kilham – wo liegt es?«, fragte ich.

Der Totengräber betrachtete mich mit einem schrägen Blick. Dann sah er auf meinen Colt und schließlich auf mein Pferd. »Ganz oben, das vorletzte Grab«, erwiderte er mürrisch.

Ich sah hinauf. Der Friedhof hatte sozusagen zwei Abteilungen. Die noblen Gräber der ehrenwerten Leute lagen auf den Terrassen des Hügels und waren gut zu erreichen. Dort wo der Boden steinig und steil war, lagen jene, die in den Stiefeln starben oder deren Namen man nicht kannte. Banditen, Revolverhelden, Säufer und Selbstmörder waren hier begraben …

Ich nickte dem Totengräber zu, griff in die Tasche und holte ein Fünfdollarstück heraus. »Grab Drango Kilham aus«, sagte ich, »denn ich will ihn mir ansehen.«

Dann warf ich dem Totengräber das Goldstück zu.

Er schnappte es, betrachtete es kritisch, zögerte – und warf es mir blitzschnell zurück. Dass ich es dennoch auffangen konnte, verriet ihm eine Menge. Von hundert Männern hätte es kaum einer geschafft.

»Ich habe Feierabend«, sagte er. »Außerdem soll man Tote ruhen lassen. Ohne eine Anweisung des Stadtrates öffne ich kein Grab.«

»Doch«, sagte ich und glitt aus dem Sattel.

Sein schräger Blick wurde noch tückischer. Der Bursche hielt seinen blanken Spaten fast wie ein Beil umfasst. Ich begriff, dass er versuchen würde, mich mit dem Spaten in zwei Teile zu schlagen, sobald ich rau zu ihm wurde.

Aber ich wollte und konnte nicht lange herumtändeln. Ich musste in das Grab gesehen haben, bevor man von meiner Ankunft erfuhr. Sonst konnte es passieren, dass man den Toten aus seinem Grab holte und irgendwo verschwinden ließ. Dann war es für mich zu spät.

Ich blickte den Totengräber an, und obwohl ich wusste, dass jedes Wort vergeblich war, versuchte ich es dennoch. Ich sagte: »Ich bin in Eile, Freund. Und ich bitte dich um diesen Gefallen. Fünf Dollar sind für dich mehr als ein Tageslohn. Also …«

Er schüttelte stur seinen filzhaarigen Schädel und sagte: »Ich mache dich klein, du großmäuliger Revolverschwinger, wenn du jetzt nicht aufhörst und verschwindest. Geh zum Marshal oder zu einem unserer drei Stadträte. Dort kannst du …«

Ich ließ ihn nicht ausreden, denn ich musste schnell sein. Er war nämlich mächtig auf der Hut. Als ich mein blitzschnell von ihm zurückgeworfenes Geldstück auffing, wusste er Bescheid.

Er wollte mir die scharfe Schneide des Spatens ins Gesicht stoßen. Das war sein Trick. Obwohl es den Anschein hatte, dass er mit beiden Händen einen Hieb von oben nach unten machen würde, stieß er zu.

Aber er erwischte mich nicht. Ich schlug den Spaten zur Seite. Und dann gab ich es ihm.

Gewiss, er war riesig, stark und zäh. Er hatte eine Menge Eigenschaften, die man auch bei einem zähen und gemeinen Maultier findet.

Ich war über sechs Fuß groß, hager und hohlwangig – und wog dennoch angekleidet zweihundert Pfund. Ich war narbig und erfahren wie ein Wolf im besten Alter.

Meinen Namen kannte man aus einigen Geschichten, die schon Legende geworden waren. Ich war nicht einfach nur Johnny Laredo – ich war der Johnny Laredo. Aber ich war gar nicht mehr so stolz darauf, denn mein bitterer Ruhm war nicht gut.

Mit dem riesigen Totengräber von Canyon City kam ich ohne viele Schwierigkeiten zurecht.

Ich gab es ihm, und als er zum dritten Mal zu Boden ging und sich vergeblich mühte hochzukommen, da fragte ich ihn: »Ist es jetzt gut, Hombre? Wollen wir uns jetzt einigen und wieder vertragen?«

Er grunzte und keuchte. Und obwohl er tückisch und verschlagen war wie ein Maultier, benahm er sich jetzt doch fair.

Er schnaufte: »Schon gut, schon gut! Wenn ich sauber und glatt geschlagen werde, dann erkenne ich das an. Es gab bisher nicht viele Burschen, die mich so glatt von den Beinen bekamen. Schon gut! Ich mache Überstunden, Mister.«

Wenige Minuten später arbeitete er schnell und geschickt. Der einfache Sarg lag nicht sehr tief unter der steinigen Oberfläche.

»Für Armengräber gibt es nur zwei Dollar«, sage der Totengräber. »Und dabei arbeitet man auf diesem Teil des Friedhofes viel länger als dort, wo die noblen Plätze sind.«

Ich hörte nicht richtig zu. Denn ich war damit beschäftigt, den Sarg zu öffnen.

Inzwischen war es schon dämmrig geworden, aber das Licht reichte aus. Ich konnte noch gut genug sehen.

Oh, ich war ein harter Bursche! Ich hatte während des Krieges eine Menge scheußlicher Dinge sehen müssen. Deshalb konnte mich so leicht nichts mehr umwerfen.

Doch als ich den Sarg geöffnet hatte, wurde mir übel. In diesen Minuten hoffte ich mit ganzer Kraft, dass ich umsonst hergekommen war und sich alles als Irrtum oder böser Scherz herausstellen würde.

Ich hoffte, dass dieser Mann im Sarg wirklich Drango Kilham war.

Aber nach einer Minute wusste ich, dass der Tote niemals Drango Kilham sein konnte. Das erkannte ich nicht am Gesicht. Eine Doppelladung Indianerschrot hatte es unkenntlich gemacht.

Aber es war nicht Drango Kilham.

Ich brauchte nur den linken Arm des Toten frei zu machen. Da konnte ich das Zeichen sehen. Und das war untrüglich.

Der Tote war mein Bruder Bill!

Es gab keinen Zweifel. Langsam schloss ich den billigen Sarg.

Ich kletterte aus der Grube, wischte mir das Gesicht und strich mir nachdenklich den sichelförmigen Texanerbart.

Ich dachte an viele Dinge zugleich, bekam allmählich wieder die Kontrolle über mich und bezwang meinen Schmerz.

Der Tote war also mein kleiner Bruder Bill, dem ich ein Studium im Osten ermöglicht hatte und den ich von allen miesen Dingen fernhalten wollte, mit denen ich immer wieder zu tun hatte. Bill sollte anders werden als ich – ganz anders. Oh, was war ich stolz auf ihn gewesen! Nachdem er sein Examen als Vermessungsingenieur mit Auszeichnung bestand, ging er zur Union Pacific. Er war an der Vermessung der Trasse und etlicher Brücken maßgeblich beteiligt. Er hatte sich viel Geld zusammensparen können. Zuletzt schrieb er mir, dass er sich an einer kleinen Post- und Frachtlinie beteiligen würde, weil er sich zutraute, aus dieser Linie in wenigen Monaten eine große Sache zu machen.

Aber das war ihm nicht geglückt.

Jetzt lag er dort in der Grube – bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Nur ich, sein Bruder, konnte ihn an dem Zeichen am Arm erkennen.

Auch ich besaß dieses Zeichen. Es war ein »Andenken« ans Apachen-Land. Da die Apachen immer wieder Kinder entführten, um sie zu ihresgleichen zu machen, wurde es unter Weißen des Landes Sitte, ihre kleinen Kinder am Arm mit den Anfangsbuchstaben ihrer Namen zu tätowieren. So war man sicher, dass man die Kinder auch noch nach vielen Jahren wiedererkennen und identifizieren konnte.

Mein Bruder und ich hatten die Zeichen BL, und JL und die Jahreszahl unserer Geburt eintätowiert bekommen.

Am Arm des Toten hatte ich lesen können: BL 40.

Ich trug JL 35, und jetzt schrieben wir das Jahr 1870. Mein Bruder war dreißig Jahre alt geworden. Ich war jetzt fünfunddreißig.

Ich sah den Totengräber an, der mich schweigend beobachtete. Er hatte von meinen Fäusten eine geschwollene Nase, ein gerötetes Kinn und ein noch weiter zuschwellendes Auge.

Doch es war keine Feindschaft mehr in ihm.

Er glich wahrhaftig einem Maultier, das seinen Herrn und Meister anerkannte und nun keine Schwierigkeiten mehr machte.

Ich sagte zu ihm: »Das ist nicht Drango Kilham. Das ist mein Bruder Bill Laredo. Ich bin Johnny Laredo. Und ich will, dass mein Bruder dort unter den noblen Gräbern einen guten Platz bekommt.«

Er nickte.

»Da müssen Sie zum Marshal«, sagte er. »Einem der Deputys untersteht die Friedhofsverwaltung. Er führt auch das Register und – oho, da hat man also den falschen Mann für Drango Kilham gehalten und erschossen? Es waren fünftausend Dollar Belohnung für Drango Kilham ausgesetzt. Und ich weiß, dass sie ausgezahlt wurden.«

»An wen?«, fragte ich.

Er zögerte und kratzte sich am Hinterkopf.

Aber dann starrte er an mir vorbei in die Abenddämmerung. Ich wandte den Kopf und erkannte einen Mann, der lautlos um einen der Felsen herumgekommen war und dann verhalten hatte.

Die Antwort auf meine Frage erhielt ich nicht vom Totengräber, sondern von diesem Mann. Er kam dabei gemächlich näher, doch geschmeidig und lässig.

»An mich wurde die Belohnung ausgezahlt«, sagte er. »Und was nun?«

Er war näher herangekommen. Drei Schritte trennten uns nur noch. Ich konnte ihn ansehen.

Und plötzlich kam mir alles unwirklich vor. Ich hoffte einen Moment, dass dies nur ein verrückter Traum wäre und ich bald erwachen würde. Aber diese Hoffnung war nur ein flüchtiger Gedanke.

»Sie haben ihn erschossen?«, fragte ich langsam und mühte mich, ruhig und kalt zu bleiben und die Erregung zu unterdrücken, die in mir aufsteigen wollte. Und da ich inzwischen ein erfahrener Wolf geworden war, gelang mir das auch.

»Es war Drango Kilham«, sagte der Mann. »Er war aus dem Gefängnis ausgebrochen, in dem er auf den Henker wartete. Er hielt die Postkutsche nach Grand Mesa an, weil er nur mit dieser Postkutsche schnell genug fortkommen konnte. Er war ohne Pferd. Ich saß in der Kutsche und bewachte das Gold und das Silber. Als er die Tür öffnete und den Revolver auf mich richtete, schoss ich. Schließlich war er ein rechtmäßig zum Tode verurteilter Mörder, der schon etliche Kutschen überfallen und mehr als ein Dutzend Männer dabei getötet hatte. Sollte ich mich von ihm umlegen lassen?«

Ich schüttelte den Kopf.

»An der Sache ist nur ein Haken, Mister …«

»Mein Name ist Slater. Ernest Slater. Und war für ein Haken ist an der Sache?«

»Der Mann, den Sie als Drango Kilham erschossen haben, war nicht Drango Kilham. Es war mein Bruder Bill. Und mein Name ist Laredo, Johnny Laredo. Ich glaube, dass hier etwas gewaltig zum Himmel stinkt. Ich glaube auch, dass Sie, Slater, genau gewusst haben, was Sie taten. Wahrscheinlich hatten Sie jedoch einige Zeugen, die beschworen, dass der Mann, den Sie erschossen haben, wahrhaftig Drango Kilham war. Nachher konnte das ja kein Mensch mehr erkennen. Na schön, Slater. Ich werde Ihnen schon noch die Haut abziehen, Ihnen und Ihren Hintermännern. Warum sind Sie überhaupt hier?«

Er grinste kalt. Er war ein Mann von meiner Statur, groß und hager, dabei schnell wie ein Wüstenwolf.

»Johnny Laredo«, sagte er und ließ meinen Namen genießerisch auf der Zunge zergehen. »Sie können jetzt gleich hier einen Kampf mit mir haben, Laredo.« Er strömte plötzlich eine unnachgiebige Härte und Gefahr aus. »Ich bin hier, weil ich mir vor dem Abendrummel stets etwas die Füße vertrete. Es zieht mich dann in diese Richtung, denn auf diesem Friedhof liegen schon vier Männer, die durch meine Hand starben. Wollen Sie mit Ihrem Bruder in derselben Gruft liegen, Laredo?«

In seiner Stimme lagen schneidender Hohn und eine kalte Herausforderung.

Oh, es juckte mich! Ich wollte gerne! Aber natürlich nicht das, was er mich fragte. Ich wollte nicht mit meinem armen Bruder Bill in der gleichen Grube liegen. Nein, ich wollte Slater töten. Nur das wollte ich.

Aber es gelang mir, mich zu beherrschen.

»Vielleicht brauche ich dich noch, Ernest Slater«, sagte ich. »Denn durch dich …«

Ich kam nicht weiter, denn er zog.

Die Dämmerung war schon sehr stark geworden. Obwohl wir nur drei Schritte voneinander entfernt waren, konnte ich den Beginn seines Ziehens nicht erkennen.

Aber mein Instinkt sagte es mir.

Während ich selbst zog – es war nur ein Reflex –, duckte ich mich und drehte ihm meine linke Schulter zu.

Denn ich war Linkshänder. Ich zog links.

Er schoss einen Sekundenbruchteil früher als ich. Er hatte mich mit dem Ziehen doch etwas überrumpeln können. Aber seine Kugel zupfte nur an meinem Oberarm, weil ich meine Schulter gedankenschnell vorgeschoben hatte. Dort, wo die Kugel meinen Oberarm streifte, war noch vor einem Sekundenbruchteil meine Brust gewesen.

Ich traf Ernest Slater mit meiner Kugel, und als er schwankte, wusste ich, dass er noch einmal feuern würde. Ich sprang vorwärts und rammte ihn so, dass er sich rücklings überschlug. Er blieb bewegungslos liegen.

Ich atmete keuchend aus.

Der Totengräber sagte: »Mann, auf diese Art machen Sie sich nicht gerade beliebt. Alle Leute sind nicht so wie ich. Die nehmen es übel, wenn man sie umlegt – sei es mit den Fäusten oder mit dem Colt.«

Ich schnaufte nur.

Dann ging ich zu Ernest Slater und sah, dass ich ihn nur in die Schulter getroffen hatte.

Da lag der Mann, den ich für den Mörder meines Bruders ansehen musste.

Und was nun?

Oh, ich wusste, was zu tun war. Und ich durfte keine Minute verschwenden. Ich musste die Sache in Gang gebracht haben, bevor Kräfte wirksam wurden, die alles vertuschen wollten.

Ich holte mein Pferd und lud den Bewusstlosen auf.

Dann machte ich mich auf den Weg.

In der Minenstadt Canyon City waren jetzt überall die Lampen und Laternen angezündet worden. Sogar brennende Teerfässer standen an den Ecken der Hauptstraße.

Canyon City war dabei, für eine lange und sündhafte Nacht in Gang zu kommen. Alles quirlte durcheinander. Längs der Plankengehsteige waren Wagen abgestellt. An den Haltebalken standen Pferde. Fast jedes zweite Haus beherbergte einen Saloon, eine Tanz- oder Spielhalle. Aus vielen größeren Tingeltangels lärmten Musikkapellen um die Wette.

Ich suchte mir mit meinem Pferd den Weg durch all das Gewirr und hielt dabei meine Augen auf.

Es war klar, dass ein Mann wie Ernest Slater hier Freunde und Auftraggeber haben musste.

Würde ich ihn noch in eine Zelle bringen können?

Auf jeden Fall würde auch der hiesige Marshal Farbe bekennen müssen, sich erklären, auf welcher Seite er stand.

Es lohnte sich, das herauszufinden.

☆☆☆

So merkwürdig es klingen mag, aber es war tatsächlich so, dass ich mit meinem Pferd und dessen Last kaum Aufmerksamkeit erregte. Vielleicht war man es gewöhnt, dass hier Betrunkene auf diese Art transportiert wurden – oder auch Tote. Vielleicht hatte die wilde Minenstadt jede Nacht ihre Toten und regte sich darüber nicht mehr auf.

Ich kannte mich in solchen Städten aus, und ich wusste Bescheid. Die Guten, die Harmlosen, die Schwachen und die Kleinen bildeten keine Gemeinschaft. Jeder von ihnen war nur mit sich selbst beschäftigt. Sie hatten keine Anführer und glichen einer führungslosen Hammelherde.

Aber die Bösen, die Hartgesottenen, die Hungrigen und Gnadenlosen, die hatten sich längst organisiert und besaßen die Macht. Denn sie handelten geschlossen, standen sich gegenseitig bei und wurden gefürchtet. Sie waren wie ein Wolfsrudel rings um eine Herde.

Ich wusste das alles.

Es war überall so in den Städten mitten in der Wildnis, überall dort, wo man Gold oder Silber fand, wo sich aus allen Himmelsrichtungen der Abschaum sammelte, um von der Hammelherde zu leben.

Ich erreichte endlich das Stadtgefängnis, in dem sich auch das Marshal’s Office befand.

Ein junger Deputy Marshal trat gerade heraus, um wahrscheinlich eine Runde durch die Stadt zu beginnen.

Im Lichtschein der über dem Eingang hängenden Laterne betrachtete er die regungslose Gestalt auf meinem Pferd.

»He, ist das nicht Ernest Slater?«, fragte er. »Was ist mit ihm geschehen?«

»Ja, das ist er«, sagte ich. »Und er hat eine Kugel in der Schulter und wird gleich zur Besinnung kommen. Ist der Marshal dort drinnen?«

»Nein«, erwiderte der Deputy und starrte auf Ernest Slater, der wie ein Sack quer über meinem Pferd lag. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als gefiele es dem jungen Deputy Marshal, Ernest Slater so zu sehen.

Aber dann sagte er: »Der Marshal sitzt beim Abendbrot im Peking Restaurant. Das weiß jeder Mensch in Canyon City. Was ist geschehen?«

»Ernest Slater hat einen Mann ermordet«, sagte ich. »Ich erhebe gegen ihn Anzeige wegen Mordes. Der Marshal wird dich verfluchen, junger Freund, wenn du ihn auch nur eine Minute zu spät holst. Und vergiss nicht, einem Doc Bescheid zu sagen. Ich bringe Slater inzwischen in eine Zelle. Du glaubst gar nicht, mein Junge, wie wichtig Slater ist. Lauf schon, wenn du deinem Boss einen Gefallen erweisen möchtest!«

Er zögerte, denn er war ein stolzer Bursche, ehrgeizig und von jener Sorte, die sofort störrisch wird, wenn jemand ihrer Selbstherrlichkeit nicht genug Respekt zollt.

»Wer bist du, Hombre?«, fragte er.

»Mein Name ist Laredo, Johnny Laredo«, sagte ich.

Er zuckte zusammen. Doch er hielt einen Moment die Luft an und starrte auf mich. Dann begriff er, dass ich auf jeden Fall eine Nummer zu groß für ihn war und es besser war, seinen Boss zu holen. Er eilte davon.

Auf den Marshal von Canyon City war ich selbst neugierig.

Ich nahm Slater vom Pferd und trug ihn hinein. Er war fast so schwer wie ich. Aber ich konnte mit einem fast zweihundert Pfund schweren Mann umgehen.

Dennoch schwitzte ich, als ich ihn in einer der Gitterzellen auf der Schlafpritsche liegen hatte. Ich öffnete seine Jacke, die Weste und das Hemd und sah nach seiner Wunde. Er hatte meine Kugel nicht in der Schulter, sondern es war ein glatter Durchschuss.

Ich fand im Office einen Verbandskasten und tat für Slater, was ich konnte. Dabei wurde er wach, starrte mich an und begriff allmählich, was geschehen war.

Als er seine Erinnerung wieder voll besaß, sagte er von Herzen: »Oha, du Hundefloh, was hast du doch für ein Glück gehabt! Aber jetzt ist es vorbei – fort – einfach futsch und weg.«

»Wir werden sehen«, sagte ich. »Und wir können eine Wette abschließen. Ich wette, dass ich dich hängen sehen werde.«

Wir konnten uns nicht mehr unterhalten.

Denn jetzt kann der Marshal von Canyon City.

Als ich ihn sah, wusste ich, wer in dieser Stadt das Heft in der Hand hielt.

Es konnte nur die Interessengemeinschaft der Saloon- und Tingeltangel-Besitzer, der Spieler und Barmänner, der Amüsiermädchen und all jener Leute sein, die sich abmühten, den Hammeln die Wolle zu scheren, die Dummköpfe zu rasieren und diese Stadt möglichst wild und sündhaft zu halten. Denn in einer hemmungslosen Stadt rollt der Dollar leichter.