G. F. Unger Western-Bestseller 2362 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2362 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als Les Gannaway im Pecosland zwischen die Fronten der Rancher und Viehdiebe gerät, glaubt er, am Ende seiner Fährte angelangt zu sein. Denn der Revolvermann des Ranchers Tyrel Starr ist der Mörder seines Bruders ...


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Seitenzahl: 158

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Inhalt

Cover

Impressum

Staub im Mondlicht

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6611-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Staub im Mondlicht

Langsam reitet Les Gannaway den sanften Hang hinunter und nähert sich dem Feuer.

Eine Frauenstimme ruft aus der Dunkelheit: »Wer ist dort?«

»Nur ein Tramp«, antwortet Les Gannaway. »Ein Satteltramp, der Hunger hat und ein Essen mit Arbeit bezahlen würde, Ma’am.«

Nach diesen Worten bleibt es eine Weile still. Les wartet geduldig, obwohl sein Magen knurrt. Dann endlich ertönt die Frauenstimme: »In Ordnung! Kommen Sie!«

Er reitet in den rötlichen Lichtkreis des Feuers.

Am Feuer sind zwei Männer. Einer liegt auf einer Decke. Auf seinem nackten Oberkörper erkennt Les einige Pflaster und Striemen. Der Mann schläft.

Les Gannaway nimmt an, dass der Mann vom Pferd gefallen, mit einem Fuß im Steigbügel hängen geblieben und mitgeschleift worden ist.

Der zweite Mann ist ein bulliger Neger, der Cowboytracht trägt, sich aber einen alten Zuckersack als Schürze vorgebunden hat, wie es die Art mancher Treibherdenköche ist.

Die Frau steht etwas abseits vom Feuer beim Hinterrad des Wagens. Sie hält ein Gewehr im Hüftanschlag …

»Bob, sieh dir sein Brandzeichen an«, sagt sie. Ihre Stimme klingt etwas kehlig und hat einen kratzbürstigen Klang.

Sie ist noch jung und offensichtlich gut gewachsen. Das kann Les unschwer erkennen. Vielleicht ist sie noch gar nicht verheiratet, sondern noch ein Mädchen.

Doch ganz gewiss ist sie sehr energisch, an Umgang mit Männern gewöhnt, und kann in fast jeder Situation für sich sorgen. Bei aller Weiblichkeit, die deutlich spürbar von ihr ausgeht, wirkt sie unerschrocken, unerschütterlich und stolz.

Der Schwarze kommt näher an Les Gannaway heran und betrachtet das Brandzeichen des grauen Wallachs.

»Ein fremder Brand, Miss Ann«, spricht er dann mit dunkler und dennoch weicher Bassstimme. Ganz gewiss kann er wunderbar singen, das nimmt man sofort an, sobald man ihn sprechen hört.

»Steigen Sie ab, Fremder«, sagt das Mädchen. »Bob wird Ihnen zu essen geben. Wir haben eine ganze Menge übrig, mehr, als Sie vertilgen können, Fremder.«

Les nickt. Er sitzt langsam ab, und als er dann neben dem Pferd steht, wirkt er beachtlicher als im Sattel. Er ist größer als sechs Fuß, hager und knochig, mit schmalen Hüften und breiten Schultern. In den Schultern wirkt er nicht so hager.

Sein Gesicht ist hohlwangig, dunkel und etwas unregelmäßig. Ganz bestimmt ist es nicht hübsch, doch männlich. Es sind einige harte Linien in diesem Gesicht. Als er nun lächelt, blinken seine Zähne, und er wirkt plötzlich jünger und nicht mehr so hart.

»Danke, Madam«, sagt er. »Ich bin Lesly Fisher und komme …«

»… aus Texas«, unterbricht sie ihn. »Das hört man Ihnen an. Doch es ist uns gleich, woher Sie kommen und wie Sie heißen.«

Er sagt nichts dazu, und er geht mit seinem Pferd zum Wasser, findet eine Stelle, wo er hinunterkann, und versorgt dort das Tier. Er nimmt sich dabei Zeit.

Als er dann zum Feuer kommt, hat der Koch das Essen für ihn bereit.

Er hockt sich nieder und betrachtet dann kauend den verwundeten oder vielmehr verletzten Mann, der ihm gegenüber auf der Decke liegt und manchmal vor Schmerzen stöhnt.

Es handelt sich offenbar um einen Mann in seinem Alter, also noch unter dreißig. Er ist kräftig gebaut, muskulös. Sein Gesicht ist von einigen Pflastern fast völlig verdeckt. Sein Kopf ist verbunden.

»Hatte er einen Unfall?«, fragt Les Gannaway, der sich hier unter einem falschen Namen vorstellte, sich Lesly Fisher nannte.

Er erhält nicht sogleich Antwort, doch er spürt, wie ihn das Mädchen sorgfältig und sehr abschätzend betrachtet.

»Ja, er hatte einen Unfall – so kann man es nennen«, sagt sie dann. »Es ist Clay Moore, mein Verlobter. Wir verloren unsere Mannschaft, und wenn Sie Arbeit suchen, so können Sie die sofort bekommen. Das hier sind vierhundert Rinder, und sie sind noch etwa dreißig Meilen von der Heimatweide entfernt. Wir zahlen Ihnen pro Tag drei Dollar für die Arbeit als Treiber. Aber vielleicht wird es eine gute Prämie geben, wenn Sie nicht fortlaufen wie unsere drei anderen Treiber. Ja, Sie können sich eine gute Prämie verdienen, wenn Sie durchhalten bis zur Moore Ranch. Und Sie sehen so aus, als könnten Sie auch dann noch durchhalten, wenn es etwas rau wird.«

Sie erwartet offensichtlich noch keine Antwort von ihm, denn sie bewegt sich nun, geht zu einem Pferd und sitzt auf. Sie trägt einen geteilten Reitrock, der ihr Bewegungsfreiheit gestattet. Sie reitet im Herrensitz in die Nacht hinaus.

Les Gannaway sah noch nie eine Frau geschmeidiger und leichter aufsitzen. Sie muss schon als Kind im Sattel gesessen haben, noch bevor sie lesen und schreiben konnte.

Mit einem Gewehr im Sattelschuh reitet sie ganz selbstverständlich in die Nacht hinaus, um nach der Herde zu sehen, die auf der anderen Seite des Sees lagert, weil das Ufer dort flacher und auch etwas schlammig ist, sodass sich die Rinder im Schlamm wälzen können, da die Büffelmücken in dieser warmen und windstillen Nacht besonders frech sind.

Hier am Feuer ist es nicht so schlimm.

Les betrachtet den schwarzen Cowboykoch. Der Schwarze ist keiner von diesen unterwürfigen Negern, die gewöhnt sind, zweitklassige Arbeit zu verrichten. Der Schwarze blickt frei und fest, und sein ganzes Benehmen wirkt ungezwungen, selbstbewusst – doch dabei bescheiden und bestimmt nicht großspurig.

Er hat seine Hosen in die Stiefel gesteckt. Im linken Stiefel steckt ein Revolver.

Eine Weile betrachten sich die beiden Männer schweigend.

Dann nimmt der Schwarze Les Gannaways leeren Blechteller und füllt ihn nochmals.

Der Verletzte auf der Decke bewegt sich etwas und stöhnt wieder. Es scheint, als sei sein Schlaf zu einem gewissen Teil Bewusstlosigkeit. Vielleicht hat man ihm ein Schlafmittel gegeben.

Les leert auch den zweiten Teller. Dann fragt er: »Was ist denn hier los, Mister Black?«

»Ich bin Bob Marmaduke«, sagt der Schwarze ruhig. »Man nennt mich in diesem Land entweder Nigger, schwarzer Hundesohn oder Bob. Und wenn Sie etwas wissen wollen, Mister, dann fragen Sie Miss Ann Sheridan.«

In seiner Stimme klingt keine Bitterkeit. Sie klingt auch nicht unfreundlich, nur schlicht und sachlich. Er spricht wie ein Mann, der eine gute Schulbildung erhielt. Es gibt gewiss nur wenige weiße Männer in diesem Land, die ihre Muttersprache so gut sprechen wie dieser Schwarze.

Les sagt nichts mehr. Er nimmt sein Bündel und zieht sich in den Schatten eines Busches zurück. Dort bereitet er sein Lager und ist wenig später schon eingeschlafen.

☆☆☆

Als er am Morgen das Mädchen am Feuer hantieren hört, erhebt er sich, wäscht sich, sattelt sein Pferd und bindet es in der Nähe des Feuers an. Dann tritt er ans Feuer und sagt: »Ich nehme den Job an, denn ich bin so abgebrannt, dass ich jeden Dollar gebrauchen kann.«

Er deutet auf Clay Moore, der immer noch auf der Decke beim Feuer liegt und offenbar noch schläft.

»Was ist ihm zugestoßen?«

»Er wurde mit Bullpeitschen bearbeitet und dann an einem Lasso ein Stück über den Boden geschleift«, spricht sie. Nun klingt ihre Stimme spröde und klirrt wie etwas, das bei der nächsten Gelegenheit zerspringen wird.

»Und Ihre Treiber bekamen Angst und ritten davon?«, fragt Les langsam.

Das Mädchen nickt. Sie kommt um das Feuer herum bis dicht zu ihm. Nun kann er sie im grauen Morgenlicht genauer ansehen. Er hält den Atem an, denn er glaubt, dass er noch niemals solch ein Mädchen sah. Sie ist auf eine herbe, dunkle und dennoch so klare Art von aparter und rassiger Schönheit.

Sie hat grüne Augen, die etwas schräg gestellt sind.

Diese Augen betrachten ihn ernst.

Ihre vollen Lippen sind fest zusammengepresst. Er begreift, dass ihr Mund sonst sehr ausdrucksvoll ist und sehr viel von dem verraten kann, was dieses Mädchen fühlt und denkt.

»Ja«, sagt sie, »unsere Treiber bekamen Angst und ritten davon. Doch es waren durchschnittliche Burschen, die wir nur für diesen Trail angeworben hatten. Sie, Lesly Fisher, sind kein durchschnittlicher Bursche. Ich glaube nicht, dass Sie so leicht fortlaufen können.«

»Vielleicht täuschen Sie sich, Ann Sheridan«, murmelt er, und er wird sich immer mehr ihrer reizvollen Nähe bewusst. Zugleich begreift er, dass dies ihre Absicht ist.

Oh, sie ist ganz bestimmt kein Flittchen! Er hält sie für sehr stolz. Doch sie muss sehr in Not sein, so sehr, dass sie nun sogar mit den Waffen einer zu allem entschlossenen Eva zu kämpfen beginnt.

»Laufen Sie nicht fort«, sagte sie. »Helfen Sie uns, die Herde auf die Weiden der Moore Ranch zu bringen. Sie werden es nicht zu bedauern haben.«

In ihren Augen glaubt er nun etwas zu erkennen, das er als ein Versprechen deuten kann.

Plötzlich möchte er wissen, wie weit sie zu gehen bereit wäre. Er fasst sie an den Schultern, beugt sich nieder und küsst sie.

Zuerst ist sie starr vor Schreck.

Dann versucht sie, ihn etwas spüren zu lassen, das in ihr für ihn gar nicht vorhanden ist.

Dann reißt sie sich los und schlägt ihm klatschend ins Gesicht.

»Nein«, sagt sie. »Ich kann es doch nicht! Scheren Sie sich zum Teufel, Lesly Fisher, oder wie Sie sonst heißen mögen! Ich brauche Ihre Hilfe nicht!«

Seine stoppelbärtigen Wangen brennen, denn sie schlug ihn kräftig rechts und links. Sie ist ein Mädchen, das bei aller reizvollen Weiblichkeit auch kämpfen kann.

Aber er grinst.

»Das wäre geklärt«, sagt er. »Sie können mich also nur mit Geld bezahlen. Und ich verlange tausend Dollar. Das ist mein Preis! Für tausend Dollar bringe ich die Herde dreißig Meilen weit auf die Weide der Moore Ranch.«

Sie sieht ihn an. Nun kann sie ihn im ersten Morgenlicht besser betrachten als im Mondlicht oder beim Feuerschein.

Heute kann sie auch in seinen Augen etwas erkennen, das ihr alles über diesen Mann sagt, denn sie kennt sich aus mit Männern jeder Sorte. Sie hat ihr ganzes Leben unter mehr oder weniger harten Männern verbracht, bis auf wenige Jahre, die sie auf einer feinen Schule im Osten war.

Mit dreizehn Jahren hat sie mit einer Schrotflinte gegen wilde Apachen kämpfen müssen. Zumindest zwei dieser Apachen hat sie damals tödlich getroffen.

Als sie nun den Fremden ansieht, da weiß sie plötzlich, dass er nicht einfach nur ein hartbeiniger Satteltramp ist.

Ihre Nasenflügel vibrieren, als wenn sie eine Witterung bekommen hätte. Oh, sie weiß mit einem Mal, dass sie sich für tausend Dollar einen Revolvermann anwerben kann.

Sie zögert nicht.

»Ich zahle Ihnen diese Summe«, sagt sie. »Sie zweifeln doch nicht, dass ich zahlen kann? Ich bin nicht arm. Nur Clay Moore ist es. Doch er wollte von mir keinen Cent annehmen. All seine Ersparnisse stecken in der Herde. Wenn er sie verliert, wird er so stolz sein, mich nicht zu heiraten. Verstehen Sie das? Er will mich nur heiraten, wenn es ihm gelungen ist, Rancher zu werden. Erst will er sich neben den beiden Großen in diesem Land behauptet haben. Er ist so stolz.«

Les nickt.

»Und nun sagen Sie mir nur noch, wer die beiden Großen sind«, sagt er langsam.

Sie sieht ihn an, etwas staunend, so als könnte sie nicht begreifen, dass er solch eine Frage stellt.

»Einer ist mein Vater, John Sheridan«, sagt sie, »und der andere Mann ist Tyrel Starr …«

»… dessen Antrag Sie abgelehnt haben, weil Sie lieber Clay Moores Braut wurden?« Mit dieser Frage unterbricht er sie.

Sie schweigt und nickt.

Da weiß er auch schon alles.

So einfach und klar ist es.

Ein großer Mann will seine Tochter einem anderen Mann geben, keinem Hungerleider. Doch die Tochter ist stolz und starrsinnig. Sie will sich ihren künftigen Mann selbst auswählen.

Deshalb wurde dieser Mann gestern zerbrochen.

Les fragt sich, ob Clay Moore weitermachen wird, wenn er erst wieder gesund genug ist, um sich entscheiden zu können.

Doch darauf kommt es jetzt nicht an.

Ann Sheridan will weitermachen.

Und er kann sich tausend Dollar verdienen!

Mit tausend Dollar aber kann er wieder längere Zeit unabhängig sein und seiner Aufgabe nachgehen.

»Fangen wir an«, sagt er zu Ann. »Sie fahren wohl den Wagen. Wir legen Clay Moore hinein, nicht wahr?«

☆☆☆

Es ist eine verteufelt schwere Arbeit, vierhundert Rinder zu treiben, wenn man nur einen einzigen Gehilfen dabeihat.

Der schwarze Bob Marmaduke ist ein erstklassiger Cowboy. Noch niemals sah Les solch einen schwarzen Cowboy.

Aber sie sind dennoch zwei Mann zu wenig.

Ann Sheridan hilft ihnen jedoch dadurch etwas, dass sie mit ihrem Wagen langsam an der Spitze fährt und somit den Vorreiter ersetzt. Die beiden Männer treiben die Rinder ziemlich rau und benutzen die Bullpeitschen. Sie können es nicht anders machen, müssen diese Herde eisern unter Kontrolle halten. Sie brächten die Rinder sonst keine vier Meilen weit. Doch Les möchte mit der Herde etwa zehn Meilen pro Tag schaffen.

Es ist eine schlechte Herde, alles nur magere Mischrinder, die gewiss sehr billig waren. Les hat es nicht anders erwartet, als er sich bei Tag die Rinder ansah. Ein Mann wie Clay Moore, der mit seinen Ersparnissen Rinder kauft, um möglichst viel Weide damit besetzen zu können, der legt zuerst einmal Wert auf die Menge.

Mehrmals an diesem Tag denkt Les über diesen Clay Moore nach.

Was mag er für ein Mann sein? Ist er wirklich so stolz? Hat er großen Mut?

Aber er kann sich nicht vorstellen, dass Ann Sheridan sich in einen Mann verliebt hätte und dessen Frau werden wollte, der nicht von besonderer Art ist. Clay Moore muss schon ein besonderer Mann sein. Zu diesem Schluss kommt Les Gannaway immer wieder.

Es ist ein langer Tag für die beiden Treiber. Am späten Nachmittag beginnt Bob Marmaduke nachzulassen. Er ist restlos erschöpft. Les Gannaway jedoch zeigt keinerlei Müdigkeit. Auch sein hagerer Wallach, dem er nur einmal eine Pause von zwei Stunden gönnte, scheint von einer besonderen Substanz zu sein.

Les Gannaway mag ein Revolvermann sein, gewiss er ist zugleich auch durch und durch ein Rindermann. Er treibt Rinder mit einer spielerisch wirkenden Lässigkeit, die nur für den Unkundigen etwas bequem wirkt, weil er keine einzige Bewegung zu viel macht oder dies seinem Pferd zumutet. Doch er kann sich in einen wilden Teufel verwandeln, wenn einer der Stiere auszubrechen versucht und ein Rudel Kühe mitnehmen will. Dann bekommt er sie alle unheimlich schnell unter Kontrolle.

Bob Marmaduke hat das schon sehr bald erkannt. Als er einmal beim Wagen das Pferd wechselt, sagt er zu Ann Sheridan: »Miss Ann, er ist der beste Treiber, den ich jemals sah. Sein grauer Wallach scheint denken zu können wie ein Mensch.«

Aber dies alles hat das Mädchen schon vom Wagen aus selbst beobachten können.

So vergeht also der Tag. Es ist ein heißer Tag, doch er ist nicht besonders staubig. Vor nicht langer Zeit gingen Regenfälle nieder. Die Hügel in der Runde sind grün. Es ist ein recht unübersichtliches Land mit tausend verborgenen Winkeln und Verstecken, mit Hügelketten und gewundenen Tälern, Waldstücken und mit Buschwerk gefüllten Senken.

Sie halten die Rinder rechts und links eines Reit- und Fahrweges, der von Radfurchen und Hufspuren geprägt wurde.

Am späten Nachmittag lassen sie die Herde an einem Creek für eine Stunde rasten. Dann treiben sie noch fast zwei Meilen bis zum Anbruch der Nacht. Sie finden eine geeignete Senke, wo sie die Herde leicht unter Kontrolle halten können, stellen den Wagen am südlichen Rand der Senke auf und erreichen das Camp.

Les bleibt bei der Herde.

Bob beginnt zu kochen, nachdem er Holz herbeischaffte.

Das Mädchen kümmert sich um das Gespann und die Reservepferde. Sie tut dies geschickt und kennt sich aus.

Sie nimmt sich dann ein Sattelpferd und kommt zu Les geritten.

»Ich löse Sie ab«, sagt sie knapp.

Er nickt, zieht seinen Wallach herum und will zum Camp. Doch da sagt sie plötzlich: »Sie verstehen sich gut auf Rinder, Les. Sind Sie auf allen Gebieten so gut?«

Er zögert und sitzt entspannt im Sattel. In seiner müden Stimme ist jedoch ein leicht ironischer Ton, als er antwortet: »Sie wollen doch wissen, ob ich mit dem Colt so gut bin wie beim Rindertreiben. Ich kann Sie beruhigen.«

Nach diesen Worten reitet er davon.

Als er ins Camp kommt, hat Bob das Abendessen fertig. Sie essen schweigend und blicken sich nur manchmal an. Dann spricht Bob Marmaduke: »Es gibt hier in diesem Land einige besondere Nummern, denen Clay Moore einfach nicht gewachsen ist. Haben Sie schon von Henry McLeod gehört?«

Er stellt die Frage überraschend, und er beobachtet Les Gannaway dabei sehr aufmerksam.

Doch Gannaways Gesicht bleibt ohne besondere Zeichen. Er nickt und erwidert: »Gewiss, wer kennt ihn nicht, ich meine, wer hat noch nicht von diesem Revolverhelden gehört? Ich kenne ihn nicht persönlich, weil ich bisher stets auf einer anderen Weide war als er. Was tut Henry McLeod hier in diesem Land?«

Bob Marmaduke grinst. »Er schießt dann und wann einen Mann tot, der glaubt, den beiden Großen dieses Landes trotzen zu können. Passen Sie auf, dass nicht auch Sie von ihm erwischt werden. Ich musste Sie darauf aufmerksam machen – aus Gründen der Fairness, verstehen Sie, Mister?«

Les Gannaway nickt langsam.

Er blickt zum Wagen hin, in dem Clay Moore liegt. »Wie geht es ihm?« So fragt er ruhig.

Bob Marmaduke hebt die Schultern. »Er ist bei Besinnung, doch er stellt sich sehr krank. Er wurde vor den Augen seiner Braut grausam verprügelt, und er war bisher ein recht stolzer Bursche …«

Der Schwarze verstummt gedehnt, und er braucht auch gar nichts mehr zu sagen, denn Les versteht Clay Moores Problem sofort.

Nun fragt er Bob: »Und warum hat man dir nichts getan, Marmaduke?«

Dieser grinst breit: »Ich bin ein Nigger«, sagt er. »Meine Mutter war Ann Sheridans Amme. Dafür schickte mich John Sheridan auf eine gute Schule. Das war nobel. Ich reite für ihn und achte auf seine Tochter. Ich tue, was sie mir sagt. Sie ist ihrem Vater ausgebrochen, und dieser Vater ist sehr froh, dass ich bei ihr bin. Ich stehe sozusagen unter John Sheridans Schutz. Jeder weiß das. Deshalb tut man mir nichts. Bei Ihnen ist das anders, Mister. Sie sind an Clay Moores Stelle getreten. Für tausend Dollar. Sie hätten übrigens zehntausend verlangen können. Auch diesen Preis hätte Ann Sheridan gezahlt. Sie ist reich. Ihre Tante hat ihr eine Million vererbt. Sie ist reicher als ihr Vater und Tyrel Starr zusammen – jedenfalls, was das Geld betrifft. John Sheridan und Tyrel Starr halten mit ihren Rindern viel Land besetzt. Wenn sie dieses Land und die Rinder verlieren, sind sie gar nicht mehr so groß und reich. Verstehen Sie das?«

Les Gannaway nickt.

»Es ist das alte Spiel«, sagt er. »Es ist das alte, raue, harte Spiel. Die Großen lassen keine Kleinen hochkommen. Wenn sich die Kleinen zusammenschließen, gibt es einen Krieg. Nun gut, ich bin froh, dass Ann Sheridan die tausend Dollar wird zahlen können.«

Mehr sagt er nicht. Er ist nun fertig mit dem Essen und erhebt sich.

»Ich werde Ann bei der Herde ablösen«, sagt er und streckt seine sattelmüden Glieder, lockert Schultern und Arme und schüttelt sich geschmeidig.