G. F. Unger Western-Bestseller 2375 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2375 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Weil Lee Ames das Versteck des Goldschatzes kannte, ließ der korrupte Sheriff Bill Ironwood ihn gnadenlos zusammenschlagen. Doch Lee war ein Kämpfer und er besaß einen unbezwingbaren Stolz ...

***

G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben.

Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.

Bastei Western-Bestseller - seit Jahrzehnten auf Erfolgskurs. Woche für Woche stehen begeisternde Western voller Spannung von G.F. Unger auf dem Programm.

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Seitenzahl: 158

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Inhalt

Cover

Impressum

Gefährlicher Stolz

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Salvador Faba/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6844-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Gefährlicher Stolz

Es ist kein Zufall, dass sich Lee Ames und der Bandit Abe Sturges begegnen. Der Weg führt nur aus zwei Richtungen über diesen Pass. Als Abe Sturges’ Pferd auf der Wasserscheide breitbeinig stehen bleibt und den Kopf senkt, weil es restlos erledigt ist, stößt der Bandit ein heiseres Krächzen aus. Er sagt: »Hilf mir, Lee Ames – denn sie sind hinter mir her und ich bin am Ende. Ich und mein Pferd sind am Ende.«

Als er wieder husten muss, hat er Blut auf den Lippen. Sein Hemd ist blutgetränkt. Es ist ein Wunder, dass er nach solch einem höllischen Ritt noch im Sattel sitzt.

Lee Ames reitet neben ihn. »Wer ist hinter dir her?« fragt er.

Doch er bekommt keine Antwort. Abe Sturges bringt nur noch ein verzerrtes Grinsen zustande. Dann schwankt er und krallt seine sehnigen Finger in die struppige Mähne seines zähen Pintos.

Lee Ames gleitet aus dem Sattel und fängt Abe Sturges auf. Er trägt ihn in den Schatten einer Felsnase. Es dauert einige Minuten, bis er festgestellt hat, dass Abe Sturges eine Kugel in den Rücken bekam, die seinen Körper durchschlug und offenbar die Lunge verletzte.

Wie viele Meilen mochte der vom Tod gezeichnete Abe Sturges wohl geritten sein? Waren seine Verfolger noch hinter ihm her? Warum bekam er den Schuss in den Rücken?

Der Bandit kommt bald wieder zu sich.

Sein Mund verzerrt sich, die Augenlider zucken. Als er die Augen öffnet, die von Fieber glänzen, kann Lee Ames die Schatten des nahenden Todes darin erkennen …

»Gib mir dein Pferd, Lee Ames«, ächzt Abe Sturges. »Auf deinem Pferd könnte ich …«

»Nein, du würdest es nicht schaffen. Selbst wenn niemand hinter dir her wäre, würdest du keine hundert Schritte mehr auf einem Pferd bleiben können. Abe, mach dir nichts mehr vor.«

Lee Ames, der im Krieg war und schon mehr als einen Mann sterben sah, sagt es mit jenem Ernst, der von Mitgefühl, Bitterkeit und von der Erkenntnis der Unabänderlichkeit geprägt wird.

Abe Sturges, der bis jetzt nicht daran glauben wollte, der nicht aufgeben kann, solange noch ein Funke Leben in ihm ist, sieht nun ein, dass er am Ende ist.

Sein hagerer, zäher Körper entspannt sich und wird schlaff. Er atmet ächzend aus, als wäre es ihm recht, sich endlich in sein Schicksal ergeben zu können.

Für einen Moment schließt er nochmals seine Augen. Aber dann öffnet er sie weit, als hätte er Furcht, Zeit zu verlieren.

»Lee Ames«, sagt er, »wir sind alte Kameraden. Wir waren fast den ganzen Krieg zusammen. Du warst ein guter Sattelgefährte. Es ist sicherlich mehr als nur ein Zufall, dass gerade du mir hier oben begegnet bist. Das sollte so sein. Ich wüsste wirklich keinen anderen Menschen, dem ich mein Erbe lieber überließe – ein großes Erbe! Hörst du? Glaub nicht, dass ich im Fieber rede. Wir kamen vor Tagen mit dem Kriegsschatz von General Paco Catalina über den Rio Grande: Gold, Juwelen, Geld in mehreren Währungen – viel Geld! Alles, was General Paco Catalina von seinen Banditensoldaten zusammenrauben ließ, nahmen wir ihm. Nach Maximilians Tod war Catalina auf der Flucht. Er wurde vom General zum Banditen, auf dessen Kopf Benito Juarez einen hohen Preis aussetzen ließ. Wir töteten Paco Catalina, nahmen seine Beute und entkamen seinen Männern. Denn wir hatten zu ihnen gehört.«

Sturges verstummt und schließt die Augen. Lee Ames betrachtet ihn, und seine Gedanken jagen sich. Er bemüht sich, das zu begreifen, was Abe erzählt.

Die Sache ist einfach.

Paco Catalina war einer der Banditengeneräle, die nach Kaiser Maximilians Tod gegen Benito Juarez Revolution machten. Wahrscheinlich war das nur ein Vorwand, um mit einigen Anhängern rauben zu können.

Abe Sturges hat gewiss zu jenen amerikanischen Abenteurern gehört, die kurz nach dem Sezessionskrieg nach Mexiko gingen, um dort wie angeworbene Landsknechte für irgendwelche Herren zu kämpfen.

Dann aber ist in den Wirren alles anders gekommen. Er hat mit einigen Kumpanen zuletzt zu General Paco Catalinas Bande gehört. Am Ende haben sie es fertiggebracht, sich mit der Kriegsbeute des Generals aus dem Staub zu machen.

Ihr großer Raub hat ihnen wenig Glück gebracht. Offenbar sind sie unterwegs in einen Hinterhalt geritten.

Bevor Lee Ames weiter darüber nachdenken kann, öffnet Abe Sturges wieder die Augen. Es ist ein wilder, verzweifelter Trotz in seinem Blick.

»Sie waren von San José aus hinter uns her«, murmelt er. »Irgendwie hatten sie herausbekommen, dass wir Paco Catalinas Schatz bei uns hatten. Sie jagten uns auf frischen Pferden. Nur ich entkam ihnen – mit dem Schatz. Nur, ich! Lee, damals im Bürgerkrieg gegen den Norden nahmst du mich zu dir aufs Pferd, weil …«

»Schon gut, Abe«, unterbricht ihn Lee Ames, »schon gut! Ich glaube aber nicht, dass ich diesen Schatz haben will.«

»Sei doch kein Narr!«, stößt Abe Sturges hervor. »Soll denn das Zeug im tiefen See beim El Capitan verrotten? General Paco Catalina hat nicht Buch darüber geführt, wem er die Juwelen und das Geld stahl. Es ist unmöglich, die Dinge ihren Eigentümern zurückzugeben. Viele von ihnen sind auch tot. Es ist herrenloses Zeug. Hol es dir, mein Junge! Aber hüte dich vor den Leuten aus San José. Die …«

Sturges sprach mit letzter Energie, immer wieder von Hustenreiz unterbrochen, den er keuchend unterdrückte.

Nun kann er nicht mehr.

Lee Ames tut für ihn, was er kann. Abe Sturges sieht ihn noch einmal dankbar an, dann ist es aus mit ihm.

Lee Ames erhebt sich und blickt den Reitern entgegen, die inzwischen auf Abe Sturges’ Fährte den Pass heraufgekommen sind.

Bill Ironwood, der vollbärtige, eisenharte Sheriff von San José, führt das Aufgebot an. Vom Sattel seiner grauen Stute aus betrachtet er den Toten mit einem schrägen Blick.

Als er Lee Ames ansieht, wird sein Blick kieselhart und bekommt ein kaltes, gefährliches Glitzern. Dass dieser Mann einen Sheriffstern auf der Weste trägt, bedeutet nicht, dass er ein Diener des Gesetzes ist.

Westlich vom Pecos River gibt es noch kein Gesetz. Selbst die Texas Ranger sind in dem Gebiet machtlos. Dieses Land gehört mehr oder weniger den Banditen und Geächteten. Es gibt hier zurzeit nur Sheriffs und andere Beamte, die den wahren Machthabern dieses Landes genehm sind oder sogar von ihnen in ihre Ämter gebracht wurden.

Westlich des Pecos ist alles anders.

Lee Ames weiß das genau.

Dazu kommt, dass er von Bill Ironwood schon gehört hat und ihn nach der Beschreibung sofort erkennt. Er weiß, dass er nun Verdruss bekommen wird, denn Bill Ironwood hat sich mithilfe von Freunden und Gefolgsleuten zum Sheriff dieses Landes gemacht, um es zu beherrschen.

Lee erwidert ruhig den harten Blick des Sheriffs, und niemand kann ihm ansehen, wie wachsam und angespannt er ist.

Lee Ames ist ein großer, hagerer Bursche, dem man bei aller Lässigkeit eine außergewöhnliche Schnelligkeit zutraut. Ein abgenutzter Colt mit einem einfachen Holzkolben hängt tief an seiner linken Seite. Bemerkenswert an Lee Ames sind seine intensiv blauen Augen. Sein Haar ist dunkel. Obwohl er noch recht jung ist – etwa fünfundzwanzig –, haben die harten Kriegsjahre und die Zeit danach einige dunkle, tiefe Linien in sein etwas unregelmäßiges Gesicht gezeichnet.

»Nun, was sagte er, bevor er starb?«, fragt Bill Ironwood gedehnt.

»Nichts mehr«, erwidert Lee Ames. »Als ich bei ihm ankam, war er vom Pferd gefallen. Ich trug ihn zur Quelle und tat, was ich konnte. Doch er wachte nicht mehr auf. Er starb mir unter den Händen. Ein Wunder, dass er es mit diesen beiden Wunden überhaupt noch bis zur Wasserscheide schaffte.«

In Bill Ironwoods Augen glitzert es nach diesen Worten stärker.

»Ja, er war ein zäher Bursche«, stellt er fest, »und wie zäh bist du eigentlich, mein Junge? Name?«

»Ames, Lee Ames.«

»Lee? Wieso Lee? Verwandt mit General Lee?«

»Nein! Es gibt noch eine ganze Menge anderer Leute, die Lee heißen und Paten sein können. Aber das geht Sie nichts an, Sheriff.«

»Oho!«, sagt dieser. »Da haben wir ja einen stolzen Jungen. Na schön, dann machen wir erst mal eine Rast. Wir werden uns schon noch näher und besser kennenlernen. Ich bin Bill Ironwood. Schon von mir gehört?«

»Der Sheriff von San José«, murmelt Lee Ames.

»Na also! Dann wirst du auch gehört haben, Lee Ames, dass ich jede harte Nuss butterweich bekommen kann. Absitzen! Wir legen eine längere Rast ein, bevor wir zurückreiten.«

Seine letzten Worte gelten dem Aufgebot.

Lee Ames betrachtet die Männer. Er sieht sechs harte Nummern, zäh, dunkel und schweigsam, hartäugig und scharfgesichtig. Das sind echte Sattelfalken. Mit diesen Hombres sorgt Bill Ironwood in seinem »Revier« auf seine Art für Recht und Ordnung.

Lee Ames kümmert sich nun erst um sein Pferd. Sie lassen ihn gewähren.

Als sie später beim Essen rings um das Kochfeuer sitzen, lädt Bill Ironwood ihn mit einer Handbewegung ein, sich niederzusetzen.

Lee Ames hockt bald darauf zwischen ihnen, schlürft den starken Kaffee und isst Speck und Pfannkuchen. Eine Weile kauen sie schweigend. Dann sagt der Sheriff: »Jetzt hast du lange genug nachdenken können, Lee Ames. Weißt du, ich bin keiner von diesen neumodischen Sheriffs, die das Gesetz streng nach den Regeln der Legalität ausüben. Ich bin etwas altmodisch und mache eine Menge auf meine Art. Willst du diese Art mal kennenlernen?«

»Nein«, murmelt Lee Ames und sieht ihm fest in die harten Augen.

»Du bist stolz, doch Stolz kann sehr gefährlich sein. Er kann einen Mann dazu zwingen, mitten durch die Hölle zu gehen. Nun, Freund Ames? Jetzt wollen wir uns mal vernünftig unterhalten.«

Ironwood gießt den Kaffeesatz aus seinem Zinnbecher ins Feuer. Seine Bewegung macht deutlich, dass es mit dem gemütlichen Beisammensein am Feuer vorbei ist.

»Ich glaube nicht daran, dass der Bursche einfach so gestorben ist, ohne vorher noch etwas zu sagen. Ich glaube es nicht, und ich bin entschlossen, eine Menge Chips darauf zu setzen. Ames, mein Junge, wir sind hier ganz unter uns. Willst du nicht lieber freiwillig reden?«

»Was soll ich denn reden?«, fragt Lee Ames bitter. Er ist ein guter Schauspieler. Sein Gesicht drückt genau die rechte Mischung von Bitterkeit, Zorn, Aufsässigkeit, Stolz und Ratlosigkeit aus, die man von einem Mann seiner Sorte in solch einer Situation erwarten kann.

Bill Ironwood streicht nur seinen struppigen Bart und grinst. Er zeigt kräftige Zähne.

»Mich kannst du nicht rasieren, Amigo«, sagt er, und dann schnippt er mit den Fingern.

Lee Ames reagiert schnell. Er wirft sich aus seiner hockenden Stellung über das Feuer, rollt über eine Schulter ab und schnellt dann hoch.

Die Burschen wollten sich über ihn werfen wie ein Rudel Wölfe auf einen verwundeten Artgenossen, dessen Blutgeruch sie nach langer Hungerszeit verrückt macht.

Es spricht für Lees Schnelligkeit und Erfahrung, dass er ihnen entkommen und noch über das Feuer hechten kann. Er gehört zu jener Sorte, die instinktiv und richtig zu handeln versteht.

Vorher hat er schon seinen Colt unauffällig gelockert. Als er nun nach seinem Vorhechten die Rolle über die Schulter dreht, verliert er die Waffe. Aufspringend will er danach schnappen, doch er findet sie nicht mehr im Holster. Seine schnelle Linke bleibt leer.

Und da haben sie ihn!

Er kann sich nur noch mit Fäusten und Füßen wehren.

Aber gegen sechs Mann von ihrer Sorte hat er nicht die geringste Chance. Sie sind gierig nach dem Schatz, und sie glauben daran, dass der Sterbende ihm etwas verraten hat.

Sonst wäre für sie alles umsonst gewesen.

Sie geben es ihm und machen ihm klar, was ihn noch erwarten wird, wenn er nicht endlich aufgibt, sich nicht unterwirft und seinen Stolz fahren lässt.

Sie hören erst auf, als sie nicht mehr können und er bewusstlos wird.

Nach einer Weile kommt er zu sich. Sie lassen ihn gewähren, als er auf Händen und Knien zu der Quelle kriecht und sich mit dem kühlen Wasser Linderung verschafft.

Aber sie beobachten ihn lauernd, er spürt ihr mitleidloses Starren.

Als er sich erholt hat, lehnt er ihnen zugewandt mit dem Rücken an dem Felsen. Seine Augen schwellen immer mehr zu, aber er kann sie noch gut beobachten. Sie sind ein böses Rudel, dessen Anführer den Stern eines Sheriffs trägt.

Was bedeutet in diesem Land schon ein Blechstern! Jeder, der die Macht hat, kann sich hier solch einen Stern anstecken.

Lee Ames sagt: »Ihr Schufte! Wahrscheinlich werdet ihr mich totschlagen, denn ich weiß nichts – gar nichts. Ihr aber glaubt das nicht. Was wollt ihr denn wissen? Gebt mir doch einen Anhaltspunkt, damit ich wenigstens lügen kann. Was soll es denn sein? Ihr seid eine verdammte Piratenbande, und es ist geradezu ein Hohn, dass euer Boss den Stern eines Gesetzesmannes trägt. Ha!«

Er verstummt bitter, und in seinem »Ha!« liegt all seine Verachtung.

Sie grinsen. Der Sheriff sagt trocken: »Ich deutete schon an, dass ich mein Amt etwas außerhalb der Legalität ausübe und ein bisschen altmodisch bin. Oha, was glaubst du, mein Junge, wie viel auf dieser Welt außerhalb der Legalität geschieht! Was wir hier machen, ist nur ein kleiner Fisch. Überhaupt gelten in diesem Land ganz andere Regeln und ungeschriebene Gesetze als dort, wo schon Zivilisation und Ordnung herrschen. Aber das weißt du ja genauso wie wir. Nun gut, ich will dir endlich glauben, Lee Ames. Aber du musst mit nach San José kommen.«

»Warum?«, fragt Lee Ames scharf.

Alle grinsen ihn an.

»Wegen des Protokolls«, sagt der merkwürdige Sheriff ganz ruhig. »Du musst doch das Protokoll unterschreiben, in dem genau berichtet wird, wie und wo wir den Toten fanden. Du musst schon mit, Amigo!«

Lee Ames erwidert nichts. Doch er weiß nun, dass er immer noch der Gefangene dieser Bande aus San José ist.

☆☆☆

Natürlich durchsuchten sie den Toten und dessen Satteltaschen. Sogar den Sattel schnitten sie auf. Aber sie fanden nichts, gar nichts, was auf die Beute eines großen Raubes schließen lassen könnte.

Nun reiten sie auf Abe Sturges Fährte zurück. Es ist eine ziemlich klare Fährte, denn der schwer verwundete Abe Sturges hatte nicht mehr die Übersicht und ritt oft lange Strecken in halber Bewusstlosigkeit. Er war nicht mehr in der Lage, seine Fährte zu verwischen.

Überall dort, wo an den Spuren zu erkennen ist, dass sein Pferd verhielt und er eine Rast einlegte, untersuchen die Männer die Umgebung besonders sorgfältig. Sie wälzen sogar große Steine beiseite und reißen die Büsche aus, unter denen etwas vergraben sein könnte.

Lee Ames denkt dann stets an Abe Sturges, der ihm sagte, dass er den Schatz in den See beim El Capitan Creek geworfen hat. Diesen kleinen, fast kreisrunden See kennt Lee Ames. Er war schon zwei- oder dreimal dort, aber das war vor dem Krieg, als er mit einigen Freunden hier herumstreifte.

Lee Ames bemüht sich, nichts von seinen Gedanken zu verraten. Es fällt ihm leicht, denn sie haben ihn so schlimm verprügelt, dass sein Gesicht angeschwollen ist und sich von Stunde zu Stunde verfärbt. Von seinem Gesicht ist nichts abzulesen.

Es wird Nacht, bevor sie den El Capitan Creek erreichen. Sie halten an und schlagen auf der Fährte das Camp auf. Nicht einen Schritt lässt Bill Ironwood weiterreiten.

Lee Ames ist dankbar für die Rast. Sein ganzer Körper schmerzt.

Die Bande lässt ihn zufrieden, obwohl ihre Stimmung nicht gut ist. Alle sind missgelaunt, weil ihnen der Gehetzte ein Schnippchen geschlagen hat und sie um die Beute betrügen konnte, die sie ihm abjagen wollten.

Als sie den starken Kaffee und das Essen fertig haben, sagt Bill Ironwood rau über die Schulter: »Nun komm schon, Ames! Wir lassen dich nicht hungern oder frieren. So sind wir nicht. Oder bist du jetzt zu stolz, nachdem wir dich verprügelt haben?«

»Nein! Ich bin überhaupt nicht stolz«, murmelt Lee Ames. Sie beobachten ihn, wie er sich ans Feuer hockt. Es entgeht ihnen nicht, wie mühsam er sich bewegt.

Lee Ames trinkt und isst bedächtig.

Nach einer Weile fragt Bill Ironwood: »Lee Ames heißt du also? Nun, wer bist du? Warum reitest du hier im Land herum?«

»Ich komme von Socorro herüber«, murmelt Lee Ames. »Dort ritt ich auf den Ranches Pferde zu.«

»Aaah, ein Bronco-Buster.« Der Sheriff grinst. »Und warum bist du von Socorro fort?«

»Das geht niemanden etwas an«, murmelt Lee Ames.

Einer der Männer fragt: »Sollen wir ihn noch mal klein machen, Bill?«

»Aber nein«, sagt Ironwood, »er ist viel zu klug und weiß genau, dass es in diesem Land leicht ist, seine Fährte zurückzuverfolgen. Deshalb hat er auch gleich zugegeben, dass er aus Socorro kam.«

Er beugt sich vor, starrt Lee Ames an und fragt: »Frauengeschichten oder Revolverkampf?«

»Beides«, murmelt Lee Ames. »Ja, ihr würdet es schnell herausfinden. Da war die junge Frau eines alten Ranchers – und da war ein Revolverheld, dem der Rancher hundert Dollar zahlte.«

Nun grinsen sie alle.

»Und was wurde mit dem Revolverschwinger?«, fragt einer heiser.

»Wenn er sparsam ist, langen seine hundert Dollar, bis er wieder einigermaßen bei Kräften ist«, murmelt Lee Ames. »Der Doc in Socorro ist nicht sehr teuer. Lasst mich reiten! Und gebt mir endlich meinen Revolver zurück. Ich weiß immer noch nicht genau, was es mit diesem Toten, dem ihr auf der Fährte wart, für eine Bewandtnis hat. Offenbar sucht ihr etwas, was er fortgeworfen oder versteckt haben könnte. Ich sage euch, dass ich nichts davon weiß.«

»Sicher«, murmelt Bill Ironwood, und seine Augen glitzern im Feuerschein. »Wir glauben dir, mein Junge. Du kommst ja auch nur mit, um das Protokoll zu unterschreiben. Und deinen Colt – nun, Jorge, gib ihm seine Kanone wieder. Ich kann verstehen, dass er sich ohne Revolver nackt fühlt. Ah, war die junge Frau des alten Ranchers sehr schön?«

Lee Ames nickt. »Sehr«, sagt er.

Wieder grinsen sie. »Und mannstoll?«, fragt einer der Kerle.

Doch seine Antwort enttäuscht sie. Er sagt nämlich: »Ich habe alles vergessen. Ihr habt mich zu schlimm geschlagen, ihr Bastarde. Ihr könnt zur Hölle gehen!«

Nun wollen sie wieder böse werden.

Wahrscheinlich hätten sie Lee Ames eine zweite Abreibung gegeben und ihn nochmals klein gemacht, denn sie sind eine raue, wilde Horde.

Aber Bill Ironwood winkt ab.

»Lasst ihn zufrieden«, sagt er. »Dieser blauäugige Indianer hat so viel Stolz, dass er sich lieber totschlagen lässt, als nachzugeben. Lasst ihn zufrieden. Ich weiß nun, zu welcher Sorte er gehört. Sie ist selten. Ich brauchte eine Weile, um ihn zu erkennen.«

Sie gehorchen. Er ist ihr Boss.

Als Lee Ames später in seinen Decken liegt und noch einmal über seine Erlebnisse nachdenkt, hegt er keinen Zweifel daran, dass Bill Ironwood eine Menge mit ihm vorhat.

Ihm fällt der alte Rancher bei Socorro ein, der sich ein Flittchen aus dem Saloon zur Frau genommen hatte.

Ihretwegen musste ich reiten und geriet in diese Klemme, denkt er bitter.

☆☆☆

Am frühen Nachmittag erreichen sie den El-Capitan-See.

Der kleine, fast kreisrunde See ist nichts anderes als ein winziges Kraterloch, das von einem Bach gespeist wird. Nach Westen zu gibt es einen Ablauf.