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Ich hatte mich von Banditen überraschen und mir das Gold abnehmen lassen, das ich nach El Paso bringen sollte. Und ohne die schöne Sue Freeman wäre ich verloren gewesen ...
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Seitenzahl: 154
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Der Weg nach El Paso
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto/Norma
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-9384-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Der Weg nach El Paso
Es war tief in den Catalina-Bergen, als ich Pecos Slim Ringold endlich stellte. Er hatte schon geglaubt, allen Verfolgern entkommen zu sein, und deshalb ein richtiges Camp bezogen. Sein Pferd hatte wohl auch nicht mehr weiter gekonnt.
Meines war vor etwa drei Meilen zusammengebrochen und ich musste zu Fuß gehen. Als ich bereits aufgeben wollte, roch ich den Duft. So rochen Forellen, die man auf heißen Steinen röstet. Ich schleppte mich weiter. Und dann sah ich ihn. Pecos Slim Ringold war ausgeschlafen, hatte sich im Bach gewaschen und alle Strapazen der Flucht getilgt.
Er hatte ja etwa zehn Stunden Vorsprung gehabt. Deshalb war er auch im Vorteil. Er war ein ausgeruhter Mann, der schon eine Forelle gegessen und einen halben Liter starken Kaffee getrunken hatte. Ich dagegen war staubig, müde, hungrig und durstig. Meine Augen brannten.
Ich schlich hinunter zu seinem Camp.
Als er gerade die zweite Forelle nahm, sagte ich hinter einem Baum hervor: »Lass sie für mich übrig, Pecos. Du brauchst keine mehr, denn du wirst nie wieder Hunger haben …«
Er hielt die Forelle in beiden Händen, betrachtete sie bedauernd und wandte den Kopf, um über die Schultern auf mich zu blicken.
Pecos Slim war ein hübscher Bursche, und trotz seiner übermäßigen Länge war er gut gebaut.
Aber er war auch ein Mann, der sich durch Kühnheit behauptete, durch piratenhafte Verwegenheit, der alles wagte, was ein Mann nur wagen kann. Und darum blieb er gleichgültig.
Er grinste und fragte: »Wer bist du, Hombre?«
Er sah, wie ich meinen Colt in der Hand hielt. Als Fachmann konnte er erkennen, dass ich mit der Waffe umzugehen verstand.
»Dir wird das Grinsen schon noch vergehen«, sagte ich. »Der Deputy Sheriff, den du in Santa Cruz umgelegt hast, war mein jüngerer Bruder. Mein Name ist Bracket, Kilhoe Bracket.«
»Black Bracket«, sagte er und grinste nicht mehr, denn er hatte schon von mir gehört. Jetzt wusste er, dass es für ihn nichts mehr zu grinsen gab.
Aber er war nicht lange erschrocken.
Denn er erkannte, dass ich müde und ausgebrannt war, während er sich erholt hatte. Dieser Unterschied musste nach seiner Meinung für ihn genügen. Er war kein kleiner Pinscher, sondern Pecos Slim Ringold mit einer ziemlich langen Abschussliste und einem gewissen Ruf. Deshalb blieb sein Grinsen nur drei oder vier Atemzüge lang fort.
Dann kam es wieder, und es war ohne Freundlichkeit. Es war ein Zähneblinken, das zu den tückisch leuchtenden Augen passte.
Er erhob sich langsam, biss noch einmal in die Forelle und warf sie achtlos zur Seite.
»Du wirst sie nicht fressen«, sagte er grob. »Willst du mich einfach so umlegen? Ist das dein trauriger Stil? Hier …«
Er riss sich das Hemd über der Brust auf und bot sie mir dar.
Ja, er war verwegen und verachtete den Tod. Doch er wusste genau, dass ich einer Gilde angehörte, die nicht töten konnte, ohne dem Gegner eine Chance zu geben. Selbst dass er meinen Bruder getötet hatte, änderte nichts daran.
Ich war kein Mörder. Ich war ein Revolvermann, aber kein Mörder. Ich gehörte jener Gilde an, deren Stolz es nicht zuließ, anders zu handeln.
Ich schob meinen Colt ins Holster.
Da grinste er noch stärker. Er ließ seine Linke langsam sinken, bis sie leicht geöffnet hinter dem Revolverkolben zur Ruhe kam.
»Und warum machst du nicht den Versuch, mich nach Santa Cruz zu bringen, damit sie mich dort hängen?«, fragte er mit kaltem Spott. Er hatte sein Selbstbewusstsein voll wiedergefunden. Er glaubte an sich und daran, dass er wieder einmal davonkommen würde.
»Das schaffe ich nicht«, sagte ich. »Denn ich bin jetzt schon den vierten Tag hinter dir her und bekam keine vier Stunden Schlaf in den drei Nächten. Wenn ich mich hinlege und die Augen zumache, bin ich für acht oder zehn Stunden wie tot. Dich aber kann man selbst schwer gefesselt keine zehn Stunden unbeaufsichtigt lassen.«
»Das stimmt«, sagte er.
Und dann schnappte er seinen Colt heraus.
Er war schnell.
Aber so müde und ausgebrannt ich auch war, er konnte mich nicht schlagen. Als ich ihn traf, fetzte seine Kugel nur durch mein aufgebauschtes Hemd über dem Gürtel. Bevor er noch einmal abdrücken konnte, traf ich ihn ein zweites Mal.
Dann ging ich zu ihm hin und kniete bei ihm nieder.
Er war noch nicht tot, aber er würde es bald sein. Meinen Bruder konnte das nicht mehr lebendig machen. Aber ich war auch nicht hinter Pecos Slim Ringold her, um meinen Bruder zu rächen.
Ich wusste längst, dass Rache und Hass in die Hölle führen.
Ich war hinter ihm her, weil ich verhindern wollte, dass er auf seinen rauchigen Fährten noch mehr Menschen umbringen würde – Männer wie meinen Bruder, der Frau und Kind in dieser Welt zurücklassen musste.
Pecos Slim Ringold sah zu mir auf.
Er grinste abermals. Er fürchtete sich nicht vor dem Sterben.
Er sagte: »Gut gemacht, Hombre. Ich glaubte, ich könnte dich schlagen. Danke, dass du mir eine Chance gegeben hast. Jeder andere Kopfgeldjäger hätte mich von hinten erledigt oder …«
Er musste sich erst ausruhen und Kraft sammeln.
Ich aber sagte zu ihm: »Ihr wart drei Banditen bei dem Überfall auf das Postbüro. Nur dich erkannte man. Wer waren die beiden anderen? Ihr trenntet euch, damit sich auch das Aufgebot teilen musste. Wo wolltest du dich mit den beiden Partnern treffen, um die Beute zu teilen?«
Sein Grinsen wurde verkrampft, und ich glaubte schon nicht mehr, dass er mir etwas sagen würde.
»Gib mir eine Chance, wie ich dir eine gab«, sagte ich.
Er schloss die Augen, sammelte noch einmal Kraft und sagte dann: »Unser Treffpunkt war Santa Catalina. Und meine beiden Partner waren Socorro Pascal und …«
Den zweiten Namen konnte er mir nicht mehr verraten.
Von Santa Catalina hatte ich schon gehört. Dieser Ort war aus zweierlei Gründen bemerkenswert.
Der Ort lag hoch über dem San Pedro Valley in den Santa-Catalina-Bergen. Es führten ein halbes Dutzend Wege zu ihm und man konnte von ihm aus weiter nach Westen durch die Berge bis zum Santa Cruz River und über diesen hinweg in die Gila-Wüste.
Diesen Weg nahmen oft genug Geächtete und Verfolgte.
Santa Catalina war sozusagen die letzte Station für flüchtende Geächtete vor dem großen Wagnis durch die Gila-Wüste.
Rings um den Ort gab es ein Dutzend Goldminen. Ihnen verdankte Santa Catalina seine Existenz. Manche dieser Minen bestanden schon seit der Spanierzeit. Auch der Ort war einst von den Spaniern gegründet worden, die hier eine Mission erbauten.
Das wusste ich alles.
Eine kleine Postlinie endete in Catalina. Von dem Ort aus konnte man mit Wagen nur noch wenige Meilen tiefer in die Berge hinein, gerade noch bis zu den Minen.
Ich konnte mir gut vorstellen, dass sich Pecos Slim Ringold in Santa Catalina mit seinen Kumpanen treffen wollte, um mit ihnen und der Beute weiter nach Westen zu reiten.
Deshalb machte ich mich auf den Weg, nachdem ich Pecos Slim beerdigt hatte. Ich ritt auf seinem Pferd. Das Tier war wieder ausgeruht. Ich brachte am ersten Tag nur wenige Meilen hinter mich. Schon bald hielt ich an einem guten Platz an und legte mich zur Ruhe.
Ich konnte einfach nicht mehr.
☆☆☆
Zwölf Stunden später war alles besser. Ich war wieder frisch, ausgeruht und hatte meinen rasenden Hunger gestillt. Denn auch ich hatte mir aus dem Creek ein paar Forellen gefangen und auf heißen Steinen gebraten.
Alles in allem hatte ich eine Menge Glück gehabt. Nicht nur gegen Pecos Slim Ringold, sondern überhaupt. Dieses Land war nur scheinbar so menschenleer und friedlich. Besonders vor streifenden Apachen musste man sich hüten. Aber es gab auch gemischte Banden von Weißen, Indianern und Mexikanern. Sogar Neger waren dabei. Sie alle wollten auf irgendeine Art leben, waren Jäger und Gejagte zugleich.
Ich musste mich also vorsehen. Deshalb hatte ich auch am Vortag einen anderen Ort als Campstelle gesucht, so müde ich auch war.
In den drei folgenden Tagen ritt ich stetig auf mein Ziel zu. Oft dachte ich an meinen jüngeren Bruder, der nun schon eine Weile unter der Erde lag. Ich dachte an meine Schwägerin und an ihr Kind.
Mein Bruder hatte den Posten eines Deputy Sheriffs angenommen, um etwas Bargeld zu verdienen, bis die kleine Ranch-Farm, die sie vor der Stadt hatten, mehr Gewinn abwarf. Vorher hatte sein Frau als Lehrerin das Geld verdient, während er die Siedlerstätte vergrößerte. Aber als dann das Kind kam, änderte sich alles für das junge Paar.
Jetzt war sie allein.
Wahrscheinlich würde sie die Ranch-Farm verkaufen und zu ihren Eltern gehen, die in Santa Fe einen Store betrieben. Das war sicherlich für sie und das Kind gut.
Ich dachte in diesen Tagen auch immer wieder über mich selbst und mein ruheloses Leben nach. Ich war ein Revolvermann, befähigt zum Zerstören, zum Vernichten, zur Menschenjagd.
Aber ich beschützte auch.
Und wenn ich auch oft auf böse Weise Gutes tat, so war es immerhin Gutes.
Aus diesem Grund war ich jetzt nach Santa Catalina unterwegs, um Socorro Pascal und den anderen Banditen zu finden, dessen Namen mir der sterbende Pecos Slim nicht mehr hatte nennen können.
Am vierten Tag – es war am späten Nachmittag – sah ich endlich den Ort. Er wirkte friedlich und freundlich im Schein der Nachmittagssonne, die durch einen Bergeinschnitt ihr schon etwas rötliches Licht auf die Häuser und Hütten warf. Die meisten Häuser waren aus Stein oder Adobe gebaut und weiß getüncht. Die alte Mission stand etwas abseits auf einem kleinen Hügel.
Viele Wege führten aus den umliegenden Tälern und Canyons herbei.
Auf diesen Wegen waren Fahrzeuge und Packtiere, Reiter und Fußgänger unterwegs.
Es gab am Creek auch eine Erzmühle neben einem Stampfwerk.
Ich ritt hinunter und ließ mich von dem aus der Ferne so friedlichen Anblick der kleinen Stadt nicht täuschen.
Ich wusste ja, dass Santa Catalina ein böses Nest war.
Hier lebten keine Engel, nicht einmal gutartige Menschen. Die Leute waren hart und nochmals hart, misstrauisch, wachsam und nur auf ihren Vorteil bedacht. Anders hätten sie sich auch seit der Spanierzeit nicht inmitten dieser rauen Umwelt behaupten können.
Die Sonne sank bereits hinter den Bergen, und die Dämmerung kam mit blauen Schatten von Osten her aus den Canyons gekrochen, als ich endlich in die Stadt ritt und Slim Ringolds müdes Pferd an die Haltestange des Catalina Saloons stellte.
Ich ging hinein, trat an den Schanktisch, bestellte einen Schnaps und ein Bier, trank und sah mich dabei um.
Man studierte mich genau. Ich war ein Fremder. Es befanden sich mehr als ein Dutzend Gäste im Raum. Sie betrachteten mich mehr oder weniger auffällig. Ich lehnte mit dem Rücken am Schanktisch und erwiderte ihre Blicke.
Zwischendurch trank ich einen Schluck aus dem Bierglas.
Als auch der letzte Mann meinem Blick auswich und so tat, als interessierte ich ihn nicht mehr, wandte ich mich wieder um. Ich trat zum Freiimbisstisch und bediente mich. Es gab kaltes Bratfleisch, gekochte Eier, Gurken und geröstete Maiskolben.
Ich aß langsam und wartete.
Durch die offene Tür konnte ich draußen im hinausfallenden Lichtschein das Pferd stehen sehen, mit dem ich gekommen war. Es war Pecos Slims Pferd. An ihm hing meine ganze Hoffnung. Denn Socorro Pascal und auch der andere Bandit, dessen Namen ich noch nicht wusste, mussten es kennen. Pecos Slim war ihr Partner. Vielleicht würden sie sich bei mir nach ihm erkundigen. Oder sie benahmen sich, wenn sie das Pferd sahen, irgendwie auffällig.
Diese Hoffnung hatte ich. Ich trank noch einen Schnaps und ein zweites Bier.
Dann zahlte ich und ging hinaus. Ich spürte die scharfe Neugierde und Wachsamkeit der anderen Gäste. Ich hörte einen von ihnen den Barmann fragen: »He, Dick, kanntest du den?«
»Nein«, sagte der Barmann. »Aber ich bin sicher, dass wir ihn alle kennen würden, hätte er uns seinen Namen genannt. Das war ein narbiger Wolf.«
Ich grinste bitter. Der Barmann war ein Menschenkenner.
Langsam band ich das Pferd los und führte es schräg über die Straße zur Einfahrt des Mietstalles. Ein paar Erzwagen mit Minenarbeitern, die etwas Spaß haben wollten, rollten in die Stadt. Es kamen auch Reiter allein oder in Gruppen.
Der Stallmann sah mich auf eine Art an, die mir bewies, dass er mich kannte. Er war ein alter Bursche mit einem Stelzbein. Er leckte sich über dem Schnurrbart über die trockenen Lippen.
»Sir«, sagte er, »sind Sie gekommen, um einen Goldtransport zu begleiten?«
Ich ließ mir meine Überraschung nicht anmerken, sondern fragte kühl: »Wieso kommen Sie zu dieser Vermutung, Oldtimer?«
Er grinste und zeigte seine Zahnstummel.
»Ich bin Windy Rock«, sagte er. »Ich kenne Sie, Mister Bracket. Damals, als Sie den Goldtransport von Canyon City nach Denver brachten, bekamen Sie auf der Sunset Station von mir ein frisches Sechsergespann. Ich besaß zu der Zeit noch zwei Beine und trug keinen Bart. Sie brachten damals den Goldtransport der Wells Fargo sicher nach Denver, obwohl zwei Banditenbanden unterwegs ihr Glück versuchten. Und weil von hier aus auch ein großer Goldtransport abgehen soll, dachte ich …«
Er verstummte und sah an mir und meinem Pferd vorbei zum offenen Stalltor. Ich wandte den Kopf und sah einen Mann im Halbdunkel des Hofes. Man konnte ihn nicht richtig erkennen, und er ging auch schnell davon.
Aber seine Beine steckten in mexikanischen Hosen, deren Silberknöpfe im Lampenschein blinkten. Es war ein großer, hagerer Mann mit einem großen Hut.
»Wer war das?«, fragte ich den Stallmann.
Der zuckte mit den schmalen Schultern.
»Es sind viele Fremde hier«, sagte er. »Sie kommen und verschwinden wieder in irgendwelchen verborgenen Camps. Ich kenne ihn nicht. Werden Sie den Goldtransport begleiten, Sir?«
»Und wenn?«, fragte ich langsam, während ich mein Pferd in eine leere Box führte und den Sattelgurt öffnete.
Windy Rock begann, das Tier abzureiben.
»Drüben im Postbüro«, sagte er, »liegt eine Menge Gold. Es muss fort. Die Minen werden von El Paso mit allen notwendigen Dingen versorgt. Aber sie haben ihre Konten, von denen sie ihre Lieferfirmen bezahlen, längst überzogen. Außerdem brauchen sie Lohngelder, die sie ebenfalls nur gegen Gold bekommen. Und vor einigen Monaten war ein Steuereintreiber der Regierung hier und legte die Höhe der Zahlungen und die Zahlungstermine fest. Die Minen bekommen eine Menge Ärger, die Arbeiter erhalten keinen Lohn, und es fehlt ihnen bald an den notwendigsten Dingen, wenn sie das gewonnene Gold nicht endlich zum Versand bringen. Aber das wissen auch die Banditen hier in der Gegend. Die ganze Sache wird spannend. Deshalb dachte ich, dass man wieder einmal einen Experten wie Sie, Mister Bracket, um Hilfe bat.«
»Vielleicht – vielleicht auch nicht.« Ich grinste.
Wer würde es mir schon glauben, hätte ich es abgestritten.
Ich ging hinaus, überquerte die staubige Straße und erreichte das Hotel.
Dabei ahnte ich, dass ich in eine viel größere Sache hineingeraten war, als ich bisher glaubte. Es konnte durchaus sein, dass Pecos Slim Ringold, Socorro Pascal und der Dritte mir noch unbekannte Mann sich aus dem Postbüro von Santa Cruz nur das Betriebskapital für diese Sache hier geholt hatten.
Es konnte sein, dass sie sich deshalb in Santa Catalina treffen wollten, sobald sie ihre Spuren verwischt und alle Aufgebote abgeschüttelt hatten.
Ich begann zu ahnen, dass hier etwas ganz Gewaltiges im Gange war.
Bevor ich ins Hotel eintreten konnte, kam von links ein großer Bursche auf dem Plankensteig entlang. Er rempelte mich leicht an, um vor mir ins Hotel zu gelangen, und wandte sich nicht einmal um. Er hatte es eilig und bewegte sich wie ein wütender, gereizter Mann, der eine bestimmte Sache im Kopf hat und nicht nach links oder nach rechts blickt.
Zorn stieg in mir auf, aber ich beherrschte mich, trat langsam ein und ging zum Anmeldepult. Ich wollte die Hand nach der Glocke ausstrecken, als ich eine erregte Mädchenstimme sagen horte: »Lass mich los, Tom Slade! Du tust mir weh! Selbst wenn du mir alle Knochen brichst, du kannst meinen Entschluss nicht ändern!«
Die Stimme gefiel mir, obwohl sie zornig war. Sie hatte etwas Tapferes, Entschlossenes. Dieses Mädchen war mutig. Ich erkannte es an der Stimme.
Dann hörte ich den Mann mit grimmiger Sturheit sagen: »Ich werde dich quer vor mir auf dem Pferd heimbringen. Dein Vater und deine Brüder haben dich mir versprochen. Und das gilt, basta! Du kannst nicht einfach wie eine streunende Katze in die Welt laufen. Du gehörst mir. Und deine Familie will es so. Hast du das endlich begriffen? Oder muss ich dir erst den Hintern versohlen wie einer eigensinnigen Squaw?«
Das hörte ich also aus dem Aufenthaltsraum, während ich am Anmeldepult auf den Hotelmann wartete. Der hatte sich wahrscheinlich irgendwohin verzogen, um nicht dabei sein zu müssen, wie ein wilder Bursche ein Mädchen mitnehmen wollte, das offenbar davongelaufen war.
Ich hörte den wilden Burschen dort drinnen plötzlich wild und schmerzvoll fluchen, und ich dachte mir, dass ihm das Mädchen kräftig vor die Schienbeine getreten haben musste.
Er jagte sie offenbar um den Tisch herum.
Sie rief: »Wenn du jetzt nicht aufhörst, du Narr, dann schreie ich laut um Hilfe, sobald wir auf der Straße sind! Du bekommst mich nicht auf dein Pferd. Ich schwöre es dir. Wenn ich um Hilfe rufe, werden ein paar Dutzend Minenarbeiter kommen, um mir zu helfen. Hör jetzt auf, Tom Slade!«
Er jagte sie nun nicht mehr um dem Tisch, aber er schnaufte grollend und sagte: »Was hast du gegen mich, Georgia? Deine Familie hat dich mir versprochen, und ich bin ein prächtiger Bursche, der …«
»Du bist ein Halbaffe!«, unterbrach sie ihn. »Und meine Familie ist eine wilde Horde. Wenn ich bei euch bliebe, würde es mir nicht anders ergehen als meiner Mutter. Die hat arbeiten müssen wie ein Muli und ist bei der dreizehnten Geburt gestorben. Ich will nicht länger mit Banditen, Schnapsbrennern, Säufern und Spielern, Revolverhelden …«
Sie kam nicht weiter. Er fluchte böse und jagte sie wieder um den Tisch herum.
Aber er bekam sie nicht. Sie flitzte aus der offenen Tür, befand sich nun wie ich in der Empfangshalle und flüchtete hinter das Anmeldepult. Der zweibeinige Bulle kam hinter ihr her.
Es war der Bursche, der mich vor der Tür angerempelt hatte. Er schenkte mir nur einen bösen Seitenblick. Seine Augen waren rot vor Zorn.
Als er das Mädchen greifen wollte, sagte ich: »Jetzt ist es genug, du wilder Affe! Jetzt hörst du damit auf. Glaubst du denn, du wärst immer noch im Käfig unter deiner Affenhorde?«