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Morgan Garrymore ist wieder in Freiheit, und vier Mächtige, die einmal seine Komplizen waren, zittern um ihr Leben ...
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Die Abrechnung
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Salvador Faba/Norma
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-9741-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Die Abrechnung
Es ist schon fast Nacht, als sich die vier Kings des Four-Fork-Landes beim Red Toro Rock treffen.
Zuerst kommt Bogdan Wittbow. Als zweiter Mann trifft Ed Hickman ein. Dann – nach einer Weile – kommen Joe McCord und Zeke Baldwin. Alle vier Männer sind schon grauköpfig und zwischen fünfundvierzig und fünfzig. Sie sind erfolgreiche Männer. Jeder von Ihnen hat eine große Ranch, ist ein Boss, der keinen seiner Befehle zweimal geben muss.
Als sie versammelt sind, müssen sie noch etwa eine Zigarettenlänge warten. Dann kommt der Mann, der sie herbestellt hat.
Als er anhält, bleibt es eine Weile still. Er bewegt sich nicht, macht auch keine Anstalten, aus seinem Wagen auszusteigen. Schließlich sagt er: »Gentlemen, verzeihen Sie die Verspätung. Die Dunkelheit überraschte mich, aber …«
»Kommen Sie zur Sache, Mister«, sagt Bogdan Wittbow trocken. »Sie ließen uns eine Nachricht zukommen, dass Sie uns Neuigkeiten von einem gewissen Morgan Garrymore mitzuteilen hätten. Was ist das überhaupt für eine Formulierung? Neuigkeiten von Morgan Garrymore und nicht über Garrymore? Wer sind Sie? Wie ich hörte, hängen Sie meist in Four Fork an der Bar herum und saufen dort die mieseste Pumaspucke. Na los, Mann, heraus mit der Sprache! Stehlen Sie uns nicht die Zeit!«
»Mein Name ist Robinson«, sagt der Mann im Wagen. »Andrew Robinson. Ich bin Anwalt. Ich vertrete jetzt und hier Mister Morgan Garrymore, und mein Klient verlangt von jedem der Gentlemen zwanzigtausend Dollar, dazu noch seinen eigenen Anteil, der damals ebenfalls zwanzigtausend Dollar betrug, zusammen also hunderttausend Dollar. Mein Klient meint, dass Sie sich untereinander einigen sollten, wie Sie den Gesamtbetrag aufbringen, ob also einer mehr und ein anderer weniger beisteuert. Er ist nur an der Begleichung der Gesamtschuld interessiert. Nun, Gentlemen, Sie haben die Forderung meines Klienten gehört. Jetzt erwarte ich Ihre Vorschläge.«
Er verstummt wie ein Mann, der mit ehrenwerten Gentlemen ein seriöses Geschäft zu machen beabsichtigt und dazu eine seriöse Forderung stellt, die als Verhandlungsbasis zu betrachten ist.
Die vier Cattle-Kings sagen nicht sofort etwas. Sie schweigen noch. Aber Robinson hört ihr Schnaufen.
Oh, er macht sich Sorgen, große Sorgen.
Denn er kennt ihre Vergangenheit, weiß auch, dass sie immer noch – wenn auch schon grauköpfig – hartbeinige Burschen sind. Jeder von ihnen hat zumindest unsichtbare Kerben an seinem Colt. Er kennt ihre Vergangenheit, weiß, dass sie Banditen waren, die sich oftmals ihren Weg freischossen und ihren Opfern keine Chance ließen.
Ed Hickman bricht schließlich das Schweigen, doch seine Stimme klingt hart und spröde, nicht laut, nein, eher leise. Doch es ist ein Klang in seiner Stimme, der den erfahrenen Andrew Robinson warnt.
»So, der gute alte Morg Garrymore lebt also noch und hat Sie geschickt, Mister Robinson. Sitzt er denn nicht mehr in diesem mexikanischen Zuchthaus neben der berüchtigten Bleimine La Cruelda? Haben sie ihn begnadigt?«
»Er ist frei«, sagt Andrew Robinson. »Wie und weshalb – dies entzieht sich meiner Kenntnis. Er ist frei und beansprucht meine Dienste als Anwalt.«
»Und wo steckt er jetzt?« Zeke Baldwin stellt die Frage fast freundlich.
Aber Andrew Robinson lässt sich nicht täuschen. Er schwitzt vor Angst, hört seinen Puls hart in den Ohren hämmern.
»Das weiß ich selbst nicht«, sagt er. »Mister Morgan Garrymore wird sich wieder mit mir in Verbindung setzen. Er sagte mir, dass es besser wäre, wenn er sich verborgen hielte. Denn wenn man mir ein Leid antun würde, ließe er Sie, Gentlemen, hochgehen. Dann würden Sie alle gewiss auch bald als Kettensträflinge arbeiten müssen. Ja, das sagte er mir. Er sicherte mir vollsten Schutz zu. Haben Sie das auch verstanden, Gentlemen?«
»Genau«, sagt Joe McCord. »Und wir wollen wissen, wo sich dieser Hurensohn versteckt hält.«
»Aber ich sagte Ihnen doch soeben …«, beginnt Robinson, und er wollte den Satz gewiss mit »… dass ich es selbst nicht weiß.«, beenden.
Doch nun knurren sie alle vier deutlich hörbar wie Wölfe.
Dann packen McCord und Zeke Baldwin plötzlich wie auf ein geheimes Kommando zu. Sie reißen Andrew Robinson aus dem Wagen.
»Nun rede schon!«, sagt einer zu ihm nieder.
»Gentlemen, ich weiß nichts – gar nichts«, ächzt er.
»Wir sind keine Gentlemen«, sagt eine Stimme. »Wir sind verdammte Hundesöhne, wenn es darum geht, dich weich zu machen …«
Andrew Robinson begreift in diesen Sekunden erst richtig, dass er vier Männern in die Hände fiel, die sich ihre ganze Wildheit bewahrt haben.
Ihre stillschweigende Übereinstimmung, die sich in sofortiges Handeln umsetzt, ist erschreckend in ihrer ganzen Gefährlichkeit. Wütend fallen sie über ihn her. Und sie machen es hart.
Als sie innehalten, rührt sich Robinson nicht mehr.
Sie keuchen etwas vor Anstrengung. Dann zündet sich Bogdan Wittbow eine Zigarre an. Das Flämmchen des Zündholzes beleuchtet sein dunkles, hageres Faltengesicht.
Er sagt dann zwischen zwei paffenden Zügen: »Der wacht gleich wieder auf.« Doch dann beugt er sich über Robinsons Oberkörper.
Nach einer Weile steht er auf und zuckt schweigend mit den Schultern.
Auch die drei anderen Männer schweigen.
Schließlich sagt Zeke Baldwin: »Der hat aber wirklich nicht viel ausgehalten. Der war keiner von der zähen Sorte. Was machen wir nun? Wie erfahren wir nun, wo sich Morg versteckt hat? Verdammt, wenn wir Morg nicht finden, wird er uns noch eine Menge Ärger machen. Denn jetzt weiß er, dass wir uns nicht erpressen lassen. Jetzt muss er sich etwas anderes einfallen lassen oder aufgeben.«
»Der wird nicht aufgeben«, brummt Ed Hickman. »Der hasst uns gewiss schon zwanzig Jahre lang und denkt an nichts anderes als an Rache. Ja, Rache, weil wir unser Wort nicht hielten. Warum eigentlich haben wir unser Wort nicht gehalten? Warum nicht?«
Er stellt die Frage nicht wie ein Mann, der keine Antwort weiß, sondern wie jemand, der diese Antwort auch von den einstigen Kumpanen verlangt.
»Weil wir Morg nicht mochten«, sagt Bogdan Wittbow. »Er war nur zu uns gestoßen, und er war uns in allen Dingen über. Er schnappte uns die schönsten Weiber weg, nahm uns beim Poker das Geld ab, ritt und schoss besser – und ließ uns das alles immer wieder deutlich spüren. Wir mochten ihn nicht, weil wir gegen ihn zweitklassig zu sein schienen.«
»So ist es«, sagt McCord und nickt.
»Ja, genau«, pflichtet Baldwin bei. »Und wir wollten nicht noch mal nach Mexiko reiten und unseren Hals riskieren, keiner von uns. Nicht für Morg. Wir hatten den großen Coup gemacht und wollten nur noch für uns selbst etwas wagen. Denn in Mexiko wartete der Henker auf uns. Dass man Morg nicht aufknüpfte, hing wohl damit zusammen, dass man hoffte, er würde uns noch verraten, ließe man ihn erst lange genug schmoren. Nun, suchen wir also nach Morg in den nächsten Tagen, bis wir ihn haben. Wenn wir nur wüssten, wie er jetzt aussieht. Vor fast zwanzig Jahren sahen wir alle etwas anders aus, nicht wahr?«
»Sehr viel anders«, brummt Hickman. »Der kann sich in zwanzig Jahren so verändert haben, dass ihn die eigene Mutter nicht mehr erkennen würde. Er war zwanzig Jahre Kettensträfling und arbeitete einige Jahre in der Bleimine. Der hat sich bestimmt sehr viel mehr verändert als wir.«
Sie schweigen eine Weile, stehen bei dem Toten und blicken auf ihn nieder.
Indes sie so bei dem Toten stehen, erinnern sie sich an die Zeit des Beutemachens, Jagens, Raubens, Kämpfens und Tötens, an ihren großen Coup.
Dann sind sie nach Norden gegangen, haben ihre Fährten verwischt und sich in diesem Land als Eroberer gefühlt. Sie haben die Indianer verjagt, ihre Ranches gegründet und Nachbarn an ihren Grenzen geduldet. Unter ihrem Schutz ist aus einer Poststation eine kleine Stadt entstanden, ihre Stadt.
Bogdan Wittbow hat zuerst geheiratet. Doch er ist nach einigen Jahren Witwer geworden.
Ed Hickman holte sich in all den Jahren immer wieder Frauen auf seine Ranch, lebte mit ihnen eine Weile zusammen und jagte sie irgendwann wieder davon.
Joe McCord ist noch verheiratet und hat zwei Söhne.
Zeke Baldwin lief die Frau davon. Sie ließ ihm die Tochter zurück. Und Betsy Baldwin wuchs auf der Ranch wie ein Junge auf. Außer ihr gab es nie wieder auf der B Ranch ein weibliches Wesen. Wenn es Zeke Baldwin danach ist, geht er in Four Fork zu China Mary Hopkins ins Heaven House. Dort hat er für sein Geld die Auswahl.
Er ist es, der jetzt fragt: »Und was machen wir? Und wie machen wir’s?«
»Ja, was ist mit ihm?« Joe McCord stößt den Toten leicht mit der Stiefelspitze an. »Lassen wir ihn einfach hier verschwinden, hier draußen auf der Weide?«
Sie überlegen. Dann blicken sie auf Bogdan Wittbow. Denn wenn sie gemeinsam handeln, übernimmt zumeist er die Führung. Seine Ideen sind die besten.
Und auch jetzt hat er solch eine Idee.
»Setzen wir ihn in seinen Wagen«, sagt er. »Das Pferd findet allein den Weg zum Stall zurück. Und dann lassen wir den Toten beobachten – von seiner Ankunft in Four Fork angefangen bis ins Grab. Vielleicht gibt es jemanden, der sich für ihn interessiert. Das wäre dann ein Anhaltspunkt. Überdies senden wir unsere Reiter aus. Sie werden sich umhören und überall nachforschen, wo Fremde vor kurzer Zeit ins Land gekommen sind. Diese Fremden müssen wir uns ansehen. Und wenn einer dabei ist, der so aussieht, wie Morg jetzt aussehen könnte, dann müssen wir uns diesen Fremden vornehmen. Versteht ihr? Wer ist denn eigentlich in letzter Zeit in Four Fork zugezogen?«
Sie denken nach.
Dann sagt Ed Hickman: »Mir fällt nur einer ein, unser Doc Neville Mayfield, ja, unser Doc, den wir seit einiger Zeit in Four Fork haben. Aber könnte der unser guter, lieber alter Morg sein?«
Sie denken darüber nach, versuchen, sich Morgan Garrymore vorzustellen, so wie er vor fast zwanzig Jahren aussah, als sie noch zusammen ritten, raubten und kämpften.
»Selbst wenn der Doc unserem Morg sehr ähnlich sehen würde – glaubt ihr, dass aus Morg in einem mexikanischen Zuchthaus und in einer Bleimine ein Doc geworden sein könnte? Und Neville Mayfield ist ein Doc, daran gibt es keinen Zweifel. Er hat erst vorige Woche einem meiner Reiter den vereiterten Blinddarm herausgeholt. Der Mann läuft schon wieder umher und wird bald reiten können. Nein, der Doc ist wirklich ein Doc. Und deshalb kann er nicht Morg sein.«
Sie nicken. Denn sie können sich wirklich nicht vorstellen, wie aus ihrem einstigen Kumpan, den man in Mexiko als Kettensträfling zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt hat, ein richtiger Doc geworden sein soll.
Sie bewegen sich nun, setzen den Toten in den Wagen und binden die Zügelenden am Peitschenhalter fest. Dann schlägt einer dem Pferd auf die Hinterhand, nachdem sie es mitsamt dem Wagen in Richtung Stadt ausrichteten.
Das Tier trottet willig davon. Und selbst wenn es unterwegs einige Male anhalten sollte, wird es doch den Weg zum Mietstall finden.
☆☆☆
Es ist dann schon Mitternacht, als man den Doc vom Pokertisch im Saloon wegholt, damit er sich einen Mann ansieht, der wahrscheinlich schon so tot wie ein Stein ist.
Der Tote liegt beim Schreiner und Sargmachers, der zugleich der Leichenbestatter von Four Fork ist.
Bei dem Toten sind außer dem Leichenbestatter auch noch Sheriff Jago Lassenger und die beiden Rancher Bogdan Wittbow und Ed Hickman.
»Ich habe die Gentlemen als Zeugen der Leichenschau aus dem Hotel gebeten«, sagt Sheriff Lassenger ruhig. »Von Ihnen möchte ich nur den Totenschein, Doc. Ich denke, dass der Tote draußen auf der Weide unter eine Stampede geriet, noch mit eigener Kraft in den Wagen klettern konnte und dann unterwegs an inneren Verletzungen starb. So können Sie das wohl formulieren, Doc, nicht wahr? Innere Verletzungen vermutlich durch eine Stampede, die zum Tode führte.«
Der Doc betrachtet den Toten, beginnt diesen flüchtig zu untersuchen.
Doc Neville ist grauköpfig und backenbärtig. Er trägt eine Nickelbrille und wirkt hager, fast hohlbrüstig und so, als brauchte er selbst einen Doc. Sein Alter ist schwer zu schätzen. Er mag fünfzig, sechzig oder noch mehr Jahre zählen. Die Männer betrachten ihn.
Wittbow und Hickman versuchen sich vorzustellen, wie dieser Mann vor zwanzig Jahren ausgesehen haben mag – aber was sie sich auch vorstellen, es wird ein Bild, das dem von Morgan Garrymore nicht ähnlich ist. Denn Morg Garrymore war ein dunkelhaariger, indianerhafter Bursche, der an einen schwarzen Panther denken ließ, geschmeidig, muskelbepackt am Oberkörper, mit einer schmalen Taille und langen, etwas gekrümmten Reiterbeinen.
Dieser Doc da kann niemals so ausgesehen haben. Nein, das glauben sie nicht.
Und so entspannen sie sich wieder, zumal sie sonst nichts an diesem Doc erkennen können, was über berufliche Aufmerksamkeit und Anteilnahme hinausgeht.
Als er sich aufrichtet, nickt er dem Sheriff zu.
»Ja, der ist tot«, sagt er. »Ich würde auch sagen, dass er unter eine Stampede geraten sein könnte und von Huftritten innerliche Verletzungen zugefügt bekam. Ja, das wird im Totenschein stehen, Sheriff. Kann ich jetzt wieder zu meiner Pokerrunde zurück?«
Der Sheriff nickt.
Der Doc streift die beiden schweigend dabeistehenden Rancher mit einem schrägen Blick.
»Gentlemen«, sagt er, »ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mich in Ihrer Stadt und in Ihrem Land dulden. O ja, ich weiß, dass hier niemand bleiben kann, der Ihnen nicht genehm ist. Aber ich bin lange genug in der Welt herumgereist, um eine Stadt wie diese zu finden, in der es noch keinen Doc gab. Wenn Sie mal etwas plagt, Gentlemen ich bin ein wirklich guter Doc.«
Nach diesen Worten geht er.
Auch die anderen verlassen die Leichenkammer.
Draußen besteigen Hickman und Wittbow ihre Pferde und reiten gemeinsam aus der Stadt.
Aber dann trennen sich ihre Wege. Wittbow muss am Ostarm des Four Fork Creek entlang. Hickman aber am Westarm. Zwischen ihnen am Nordwest- und Nordostarm liegen die Weiden von Baldwin und McCord.
Bei der Stadt Four Fork, wo der Hauptarm endet, treffen sich die vier Furchen – oder umgekehrt gesagt, dort bei der Stadt Four Fork teilt sich der Hauptcreek in vier Arme. Es kommt halt darauf an, ob man bergwärts oder talwärts blickt.
☆☆☆
Drei Tage und drei Nächte vergehen, und nichts geschieht im Land oder in der Stadt, das anders wäre als sonst auch.
Fremde kommen in die Stadt, Reiter, Reisende in Postkutschen. Frachtwagenzüge fahren durch, rasten für eine Nacht, entladen einige Wagen. Aber niemand ist bei all diesem Kommen und Gehen, dem Durchfahren oder Rasten, der Morgan Garrymore sein könnte.
Draußen auf der weiten Weide wird Vieh gestohlen wie schon so oft. Die Reiter der großen Ranches können ihre weiten Weiden und die dort umherziehenden Rinderrudel gar nicht gründlich bewachen. Und vielleicht haben die Viehdiebe Spione und Helfer unter den Ranch-Mannschaften, die ihnen genaue Informationen zukommen lassen.
In diesen drei letzten Nächten haben es die Viehdiebe sogar leichter als sonst, denn die vier Kings lassen viele ihrer Reiter im weiten Umkreis nach einem Fremden suchen, den sie etwa so beschrieben haben: Älter als fünfzig aussehend. Etwa sechs Fuß groß. Graue Augen. Wahrscheinlich graue, früher dunkle Haare.
Mehr können sie nicht beschreiben. Alles sonst vergaßen sie längst und trifft gewiss auch nicht mehr zu.
Dennoch: Männer, auf die diese Beschreibung passt, gibt es nicht sehr viele im Land. Denn sie müssten ja erst in letzter Zeit ins Land gekommen sein.
Trotzdem ist die Suche erfolglos.
Es ist in der vierten Nacht, als Bogdan Wittbow aus seinem Ranch Office tritt, wo er die Lohnliste der Reiter für den nächsten Lohntag vorbereitete und auch einige Briefe schrieb. Er ruft über den Hof nach einem Reiter, und als dieser aus dem Bunkhouse auftaucht und über den Hof gelaufen kommt, übergibt er ihm die Briefe und sagt: »Sieh zu, dass du sie noch der Mitternachtspost mitgeben kannst, Ollie. Auf was wartest du noch?«
Der Reiter nimmt die Briefe, verbirgt sie unter dem Hut und eilt mit klingenden Sporen zu den Corrals.
Bogdan Wittbow bleibt noch auf der Veranda vor der offenen Tür des Ranch Office stehen. Dass es schon so spät ist, stört ihn nicht. Er arbeitet oft bis tief in die Nacht, wenn er wieder mal den ganzen »Krempel« aufarbeiten muss, wie er die Schreib- und Büroarbeit nennt.
Er hört dann den sich langsam in der Ferne verlierenden Hufschlag des Pferdes seines schnellen Boten. Er holt eine Zigarre aus der oberen Hemdtasche und zündet sie an.
Als er den dritten Zug gemacht hat, will er sich umdrehen, um wieder ins Haus zu gehen. Er ist im herausfallenden Lichtschein gut zu erkennen.
Und da kracht zwischen den Stallungen ein schweres Gewehr. Die Kugel trifft Bogdan Wittbow wie ein Huftritt. Sie stößt ihn durch die offene Tür ins Büro hinein, und er fällt dort krachend auf die Bretter.
Auf der Ranch wird es laut.
Die beiden einzigen noch zur Verfügung stehenden Cowboys sind zuerst beim Rancher. Sie halten sich nicht lange auf.
Sie laufen zu den Corrals, und als sie in den Sätteln sitzen, reitet einer nach Four Fork, um den Doc zu holen.
Der andere macht sich auf die Verfolgung.
Denn der verklingende Hufschlag eines galoppierenden Pferdes verrät, wohin der heimtückische Schütze flüchtet.
Der Reiter, der den Doc holen soll, hat unerwartetes Glück. Denn kaum hat er den Reit- und Fahrweg erreicht, kommt ihm im Mond- und Sternenschein ein leichter Wagen entgegen, ein zweirädriges Ding mit einem Lederdach.
»He, Doc«, ruft der Reiter, »sind Sie das?«
»Sicher, mein Sohn«, erwidert Doc Neville Mayfields ruhige Stimme. »Warum bist du denn so aufgeregt? Ist etwas passiert? Ich bin nach Lonely Lake unterwegs. Dort ist ein Kind …«
»Sie müssen zur Wittbow Ranch, Doc«, unterbricht ihn der Reiter. »Unser Boss wurde von einer schweren Büffelgewehrkugel böse erwischt. Ich wette, unsere Leute dort auf der Ranch können das Blut nicht …«
Der Doc hört nicht mehr länger zu, sondern treibt sein Pferd an.
Und wenige Minuten später schon erreicht der Doc die Ranch und eilt in Bogdan Wittbows Schlafzimmer, wo man den stöhnenden Rancher aufs Bett legte.
Der Doc beginnt Befehle zu geben und die Helfer in Bewegung zu bringen.
»Zieht ihn aus – entkleidet ihn! Ich brauche heißes Wasser! Habt ihr eine Flasche hochprozentigen Schnaps? Los, bewegt euch, Leute! Oder wollt ihr eurem Boss nicht helfen?«
☆☆☆
Es ist schon grauer Morgen, als Bogdan Wittbow erwacht.
Auf dem Nachtschränkchen neben seinem Bett brennt eine Lampe, und als sich die Schleier vor seinen Augen endlich lichten, erkennt er im Lampenschein den Mann neben sich am Bett.
Er möchte sagen: »He, Doc!«, aber er bekommt nur ein mühsames Krächzen heraus.
Der Doc lässt ihn aus einer Schnabeltasse trinken. Und erst nachdem er getrunken hat, kann er verständlich reden.
»Werde ich es schaffen, Doc?« So fragt er.
Doch Doc Neville Mayfield schüttelt den Kopf.
»Nein«, sagt er, »du schaffst es nicht, Boggy.«
Bogdan Wittbow zuckt zusammen, und der Schmerz in seiner Brust macht ihn fast wieder bewusstlos.
Denn der Doc sagte Boggy zu ihm. Boggy, so wie damals vor zwanzig Jahren jener Morg immer.
Wittbows Augen werden groß.
»Du bist es also doch?« So fragt er flüsternd.
Der Doc nickt.
»Aber – aber, du bist doch ein richtiger Arzt geworden. Wie kann man als Kettensträfling …«