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Ich konnte Cindy nur für mich gewinnen, wenn ich mich von Warloks Revolverreitern lossagte. Doch dann wollte Warlok meine Hilfe und drohte Cindy zu entführen, wenn ich mich weigerte ...
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Seitenzahl: 153
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Abtrünnig und ausgestoßen
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Salvador Faba/Norma
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-9744-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Abtrünnig und ausgestoßen
Es war eine Stadt an der Grenze. Diesseits lag das Arizona-Territorium – auf der anderen Seite lag Sonora. Ich kam von Norden her. Und eine halbe Meile vor der Stadt traf ich auf das Rudel. Es war ein Rudel Hartgesottener, Sattelstrolche von jener Sorte, die überall gehasst und gefürchtet wurde.
Sie hockten um ein großes Feuer und starrten auf einen Jungstier, den zwei von ihnen über der Glut drehten. Alle warteten auf das Garwerden des Bratens. Sie waren hungrig wie Wölfe nach einem wochenlangen Blizzard. Und sie sahen sofort, dass ich einer von ihrer Sorte war – ein abgerissener Tramp auf einem schlechten Pferd.
Eigentlich hätte ich verschwinden sollen, aber ich hatte zwei Tage und Nächte nichts gegessen. Nein, ich konnte nicht weiterreiten, ich hatte Hunger.
Ich bemühte mich, nicht wie ein Wolf zu schlingen.
Von Osten her krochen die Schatten der Nacht heran und fraßen das Rot der Sonne vom Himmel fort. Dann kamen zwei Reiter. Sie hielten an der Grenze des Feuerscheins.
Es waren keine Satteltramps wie wir. Sie saßen auf erstklassigen Tieren in wertvollen Sätteln. Ihre Weidekleidung war zwar nicht neu, doch von bester Qualität. Gegen uns sahen sie nobel aus.
Einer sagte laut: »Ich brauche ein Dutzend Reiter! Und ich zahle zehn Dollar pro Mann für diesen Ritt!«
Er hatte die Stimme eines Mannes, der es gewohnt ist, Befehle zu erteilen. Ja, er hatte ganz und gar die Ausstrahlung eines Bosses …
Und er war älter als wir alle. Er war gewiss um die vierzig Jahre, also ein gestandener Mann, wie man so sagt.
Zehn Dollar konnte jeder von uns verdienen.
Zehn Dollar?
Das war gewaltig viel! Das kam jedem von uns wie ein Vermögen vor.
Und so beeilten wir uns. Auch ich.
Ich war der siebte Reiter, der vor dem uns noch unbekannten Mann in die Reihe ritt. Und kurz darauf waren wir zwölf.
Er hob die Hand und scheuchte die anderen fort. Sie taten es murrend. Einer rief böse: »Mister, warum geben Sie nicht auch uns eine Chance?«
»Weil ihr die langsamsten von allen seid«, erwiderte er trocken.
Er betrachtete uns.
Er sagte zu mir: »Kann dein Gaul noch zehn Meilen laufen?«
Ich erwiderte ruhig. »Er wird es versuchen. Vielleicht läuft er noch ein paar Meilen mehr.«
»Das braucht er nicht«, sagte er und ließ sein Pferd mit einer leichten Körperbewegung weitergehen. Er saß auf eine geschmeidige Art im Sattel – und ich wusste plötzlich, dass er ein Mann sein musste, der einen Kriegsnamen besaß, ein Mann, von dem man schon gehört hatte.
Als er mit seiner Musterung fertig war, ritt er zu dem älteren Mann zurück und nickte ihm zu.
Daraufhin drehte der Mann, der nun unser Boss war, sein Pferd und sagte dabei: »Na, dann kommt mal, Jungs! Mein Name ist Warlok, Jed Warlok. Dies ist Phil Nueces. Wahrscheinlich habt ihr schon von uns gehört.«
Er machte eine Pause und fuhr dann fort: »Jungs, auf der anderen Seite der Hügelkette lagern ein paar mexikanische Pferdediebe mit einer Pferdeherde. Es sind meine Pferde. Paco Hermosillo hat sie mir mit ein paar Bandoleros gestohlen. Ihr kämpft also für eine gute Sache. Wir werden überraschend kommen und wenig Mühe haben. Also vorwärts.
Er fragte nicht, ob wir jetzt noch bereit waren, für zehn Dollar gegen mexikanische Pferdediebe zu kämpfen. Solch eine Frage war wahrhaftig unnötig.
☆☆☆
Wir kamen durch eine Hügellücke und sahen das Camp zu unseren Füßen. Um das Feuer lagen einige Gestalten. Es waren sechs.
Ein oder zwei Wächter würden bei den Pferden sein.
Nun war mir klar, warum Jed Warlok nicht mehr als zwölf Mann gewollt hatte. Wir befanden uns damit reichlich in der Übermacht.
Plötzlich war ein wilder Kampf im Gang. Auch ich schoss auf einige Mündungsfeuer, und wahrscheinlich traf ich auch. Dann kam ein Reiter auf mich zu. Er schoss immer wieder. Es war einer der Mexikaner. Er war irgendwie in den Sattel gekommen und versuchte, sich den Fluchtweg freizuschießen.
Eine seiner Kugeln zupfte an meiner Schulterspitze.
Dann traf ich ihn. Er schwankte im Sattel. Sein Pferd rannte an mir vorbei.
Ich schoss nicht mehr.
Ich konnte nicht auf einen Mann schießen, der sich nicht mehr zu verteidigen vermochte.
Ich ließ ihn entkommen. Es war ein gefühlsmäßiges Handeln aus dem Augenblick heraus. Dann war er auf seinem schnellen Pferd auch schon vorbei, und ich wünschte ihm sogar, dass er sich im Sattel halten konnte und nicht irgendwo zu Boden fiel. Ich wünschte ihm, dass ich ihn nicht zu schlimm angeschossen hatte.
Der Kampf war beendet.
Eine Weile hatten wir noch damit zu tun, die Pferdeherde unter Kontrolle zu halten. Denn sie hatte durchgehen wollen.
Ich stieg endlich von meinem Tier. Denn nun konnte es mich nicht länger mehr tragen.
Jed Warlok kam an mir vorbeigeritten. Er sagte: »Nun, jetzt hast du die Auswahl unter den überzähligen Sattelpferden. Oder willst du den armen Bock noch länger quälen?«
Er hatte recht.
Ich sah mich um. Da und dort lagen leblose Körper. Auch wir selbst hatten Verluste erlitten, denn die mexikanischen Pferdediebe hatten verzweifelt gekämpft. Ich hörte auch Verwundete stöhnend fluchen.
Ja, es waren ein paar Sattelpferde frei geworden.
Sollte ich? Oha, ich wäre ein Narr gewesen, wenn ich es nicht getan hätte. Es war zu jener Zeit nun mal so. Wir hatten gekämpft und gesiegt – und die Sieger teilten sich die Beute oder nahmen die Hinterlassenschaft der eigenen Gefallenen. Es war wie seit alten, alten Zeiten.
Ich fand einen braunen Wallach mit einem guten Sattel. Er schnupperte in meiner Hand, und er schien mir ein gut geschultes Rinderpferd zu sein, denn er stand auf dem Fleck inmitten des Durcheinanders, nur weil seine Zügelenden am Boden lagen.
Ich nahm meinem alten Tier den Sattel und das Zaumzeug ab und warf es fort. Dann saß ich auf.
Als die Morgensonne die Nebel fraß, hielten wir jenseits eines Creeks an.
Jedson Warlok blickte auf unserer Fährte zurück. Er wartete offenbar auf Phil Nueces, der zurückgeblieben war.
Ich betrachtete diesen Jed Warlok nun bei Sonnenlicht.
Er war ein harter, scharfgesichtiger Bursche mit klaren Augen, die einen starken Willen ausströmten.
Wir waren nur noch zehn Mann, wenn auch Phil Nueces wieder bei uns sein würde. Wir hatten also zwei Mann verloren bei der Sache. Dies wurde mir jetzt klar.
Für je zehn Dollar waren zwei von uns auf der Strecke geblieben.
Ich sah wieder auf Jed Warlok. Er nahm seinen Blick aus der Ferne zurück, ließ ihn über uns und die Herde gleiten und richtete ihn dann auf mich.
»Na, ist das Pferd besser?«, fragte er und hatte ein schmales Lächeln auf den harten und doch sehr männlichen Lippen.
Ich nickte und fragte dann: »Zwei fehlen von uns, nicht wahr?«
Er sah mich hart an. »Man muss immer einen Preis zahlen«, sagte er.
»Mit Toten?« Das fragte ich trocken zurück.
Er nickte. »Und sie alle sterben einsam. Es ist oft ein Glück, wenn es schnell vorbei ist.«
☆☆☆
Wir trieben die Pferde Stunde um Stunde und Meile um Meile.
Bei Sonnenuntergang kamen wir nach Socorro.
Wir trieben die Pferde in einen Corral.
Und Jed Warlok verhandelte mit ein paar Männern. Er schickte uns in die Bodega voraus und sagte, dass wir uns auf seine Kosten ein Essen und einen Drink bestellen könnten.
Als Jedson Warlok und Phil Nueces eine Stunde später in die Sättel stiegen, um noch in dieser Nacht ein paar Meilen zwischen sich und diesen Ort zu bringen, da waren noch sechs Mann bei ihnen. Auch ich gehörte dazu.
Und nur vier Narren blieben zurück.
Die Nacht war hell erleuchtet. Mond und Sterne leuchteten.
Die Pferde, die wir in den Corral getrieben hatten, waren schon wieder daraus verschwunden. Also hatte auch der Aufkäufer mit seinen Pferden rasch gehandelt.
Wir ritten nach Norden. Wohin, das wussten nur Warlok und Nueces.
Wir anderen ritten mit, denn es sollte weitere Dollars für jeden von uns geben.
Wir kamen in das Tal des Spanish Bit Creek und hielten an bei dem Ort gleichen Namens. Der Ort bestand nur aus einem halben Dutzend Häusern.
Im Store gab es einen Raum, der als Gastraum eingerichtet war und in dem man sich mit Tequila oder Whisky füllen konnte. Auch Bier gab es, und alles war selbst gebrannt oder selber gebraut.
Wir hatten schon vor den letzten Hügeln aus gesehen, was es hier für Probleme gab. Ein paar riesige Schafherden hatten das Tal von jeglichem Grün befreit und das Gras bis zu den Wurzeln abgefressen. Ganz sicherlich war die Grasnarbe beschädigt.
Vor dem großen Canyonmaul im Norden stauten sich die Herden.
Der aufsteigende Canyon führte zu einem Pass hinauf.
Während wir im Gasthaus aßen und tranken, verhandelte Warlok mit ein paar Männern, die zehn Meilen gegen den Wind nach Schafen stanken. Diese Männer waren recht einfach gekleidet. Aber sie hatten dicke goldene Uhrketten an den Westen. Ringe blitzten an ihren Fingern. Einer trug einen Ohrring.
Es waren die Schafzüchter, die Besitzer der Herden.
Jed Warlok verhandelte ziemlich lange mit ihnen am Tisch in der Ecke.
Endlich kam er zu uns. Er bekam aus der Küche sofort einen gefüllten Teller. Indes er zu essen begann, sagte er knapp und trocken: »Also, wir müssen es gleich machen. Ihre Schafherden finden kein Futter mehr und hungern schon zwei Tage. Wir müssen den Canyon und den Pass nach Norden in die Green Valleys freikämpfen. Dafür gibt es hundert Dollar pro Mann, wenn es noch diese Nacht geschieht.«
Nun staunten wir.
Hundert Dollar pro Mann. Das war ja gewaltig.
»Wer sperrt denn den Pass?« Dies fragte schließlich jemand.
»Ach, nur ein alter Mann mit seinen sieben Söhnen«, erwiderte Warlok. »Er hält Rinder in den Green Valleys und will keine Schafe darin sehen. Das kann ich gut verstehen. Aber er zahlt uns keine hundert Dollar. Wir reiten gleich nach dem Essen und bringen es hinter uns.«
☆☆☆
Im Canyon war alles schwarz, so schwarz wahrscheinlich wie unsere Seelen. Der Himmel hatte noch keine Sterne. Auch der Mond war noch hinter fernen Bergen verborgen.
Als dann die Felswände näher zusammentraten und der Anstieg zur Wasserscheide steiler wurde, da war die Dunkelheit noch intensiver.
Wir saßen ab und sahen die Mündungsfeuer, erkannten die Positionen der Gegner und machten uns an die Arbeit.
Ich kletterte nach rechts hinauf, fand ein Felsband und folgte ihm. Von dort oben war ein Mündungsfeuer nach unten gezuckt.
Bald feuerte der Mann wieder. Die Kugel fuhr neben meinem Kopf in den Felsen und ließ Splitter gegen meine Wange spritzen. Ich schoss im selben Sekundenbruchteil zurück, und das Mündungsfeuer diente mir als Ziel für meinen Schnappschuss.
Ich hörte den Schrei meines Gegners. Dann entfiel ihm das Gewehr. Ich musste noch ein knappes Dutzend Schritte weiter. Dann fand ich ihn.
Er stöhnte, und er hatte den ersten Schock schon so weit überwunden, dass er es nun mit dem Colt versuchen wollte. Mehr instinktiv handelte ich richtig, als ich mit dem Revolverlauf zuschlug.
Der Colt entfiel ihm und glitt zwischen meine Füße. Ich nahm die Waffe und warf sie irgendwohin in die Dunkelheit. Auch das Gewehr schleuderte ich fort.
Unten wurde immer noch geschossen.
Und mir gegenüber schoss ein Gewehr nach unten. Ich sandte drei Kugeln hinüber und zielte stets auf das Mündungsfeuer. Dann blieb es still.
Ich kletterte wieder hinunter. Jemand zündete ein Feuer an. Wieder hatte es zwei Mann von uns erwischt.
Bei einem kniete ich nieder. Er lag im Sterben und murmelte irgendwelche Worte.
Wir hatten jeder für hundert Dollar das Leben riskiert, und zwei von uns hatten das Spiel verloren.
Jed Warloks Stimme erteilte Befehle. Wir begannen die Barriere wegzuräumen, mit der die Engstelle des Passes gesperrt war.
Plötzlich wurden die Sterne heller, und der Mond stieg über die fernen Berge, ließ bleiches Licht zur Erde nieder sickern – Totenlicht, wie mir schien.
Wir hörten das Kommen der ersten Schafe. Sie kamen hinter einem zweirädrigen Hirtenwagen, hinter einigen Reitern und einem eisgrauen und hageren Oberhirten und dessen zwei Hunden.
Obwohl wahrscheinlich keiner von uns Schafe mochte, hatten wir ihnen gegen Rinderleute den Weg freigekämpft.
Für hundert Dollar Revolverlohn pro Mann.
Einhundertzehn Dollar besaß ich nun insgesamt. Heiliger Rauch, was für ein Vermögen schien mir das damals zu sein!
Drei Tage später kamen wir nach Dolores. Es war ein kleiner Ort im Mesaland, der schon von den alten Spaniern gegründet worden war.
Aber viele Häuser waren verlassen. Es war nur etwa jedes zweite Haus bewohnt.
Das Gasthaus hieß hier: Dolores’ Fonda.
Und die Besitzerin war ein Rasseweib, obwohl sie schon nicht mehr jung war für unsere Begriffe.
Für Jed Warlok war sie jung. Gewiss war sie fast zehn Jahre jünger als er. Und an der Art, wie sie sich begrüßten und er sie küsste, wussten wir sofort, dass sie ihm gehörte und wahrscheinlich immer nur darauf wartete, dass er sich mal wieder bei ihr blicken ließ.
Es gab einen Store und einen Barbier.
Es verging keine Stunde, dann hatte ich zwar einige Dollars weniger, doch sah ich nun so aus, wie ich es mir in den letzten Wochen immer stärker gewünscht hatte.
Ich trug nun endlich eine Zivilhose. Dazu kaufte ich mir ein grünes Flanellhemd, eine Lederweste, eine Kordjacke, einen schwarzen Stetson und gute Stiefel.
Ich kam mir wie ein Fürst vor, als ich so angezogen und mit gestutztem Haar in die Fonda zum Essen ging.
☆☆☆
Zuerst dachte ich, dass die Bedienung eine Señorita mexikanischer Abstammung wäre. Denn sie hatte schwarzes Haar. Es war rabenschwarz. Sie trug das Tablett mit den Speisen vor sich her und hielt den Kopf gesenkt.
Doch dann sah sie mich kritisch an.
Und da sah ich, dass ihre Augen grün waren.
Heiliger Rauch, es traf mich tief bis in meinen innersten Kern hinein.
Und dann sagte sie in einem Yankee-Englisch: »Sie kommen spät, Mister! Es ist nicht mehr viel da – nur die Reste.«
Inzwischen hatte sie in meine Augen sehen können.
Was sie darin erkannte, beruhigte sie. Denn ich war nun mal ein Bursche von jener Sorte, auf die eine Frau sich zumindest so verlassen konnte wie auf einen guten Bruder.
So hatte uns Buckmaster-Jungs unsere Mom erzogen.
Sie stellte mir wortlos das Essen hin.
Ich sagte indes: »Wissen Sie, ich hatte schon sehr lange nicht die Gesellschaft eines schönen Mädchens. Könnten Sie nicht mit mir zusammen essen? Das wäre für mich ein richtiges Fest. Und ich habe allen Grund, ein Fest zu feiern. Seit Jahren trage ich wieder eine ordentliche Zivilhose. Ist das kein Grund?«
Sie lächelte, sagte jedoch nichts. Sie verließ mich wortlos, und ich wurde schon etwas wütend.
Aber dann kam sie mit einer Kaffeekanne, zwei Tassen, Milch und Zucker.
Sie setzte sich wahrhaftig zu mir und schenkte sich eine Tasse ein.
Es war seltsam mit uns. Wir saßen uns gegenüber, sahen uns an, und es war so, als würden wir uns schon sehr lange kennen. Es ging ein Strom von ihr aus, der mich deutlich traf. Und vielleicht ging es ihr umgekehrt ebenso.
Schließlich sagte ich: »Mein Name ist Ben – Ben Buckmaster. Vor gut einem halben Jahr war ich hoch in einem Gefangenenlazarett in Georgia. Ich bin etwas ungeübt, was schöne Mädchen betrifft. Wie heißen Sie denn? Ich wette, Sie haben einen schönen Namen.«
»Cindy«, sagte sie, »ich heiße Cindy, Cindy Lassiter. Und ich komme aus Boston, wie Sie ja wohl schon an meinem Yankee-Englisch bemerkt haben.«
»Aus Boston – wahrhaftig aus Boston«, staunte ich. »Wie kommt ein so schönes Mädchen aus Boston in dieses Nest? Wie kommen Sie hier ins Mesaland?«
Sie wollte lächeln. Ihre Mundwinkel zuckten schon, und ihr Mund wollte sich öffnen. Es war ein ausdrucksvoller Mund. Wenn man auf diesen Mund und in ihre Augen sah, da konnte man ihre Gefühle klar erkennen.
Aber sie lächelte dann doch nicht. Ich erkannte die Bitterkeit in ihr.
»Ach«, sagte sie, »das ist eine lange Geschichte. Und ich möchte Sie nicht damit belästigen, Ben Buckmaster.«
Sie hatte plötzlich etwas in ihrem Blick und auch in ihrer Stimme, was abweisend war. Ja, und dann erzählte sie mir doch ihre ganze Geschichte.
Nach dem Krieg wollte ihr Bräutigam seinen alten Job wieder übernehmen und die Mesa-Station aufbauen. Cindy fuhr ihm nach. Aber ihr Bräutigam war schon von Apachen ermordet worden.
Sie erhob sich nach diesen Worten, sah auf mich nieder.
»Ben«, murmelte sie. »Ich danke für die Pause an Ihrem Tisch. Doch jetzt muss ich noch eine Menge tun.«
Sie ging in die Küche zurück.
Ich aber schlang das Essen ohne Appetit hinunter.
Ich verspürte ein tiefes und starkes Bedauern.
Verdammt, was war das für ein Mädchen? Wahrscheinlich würde es sich lohnen, mit ihr zu irgendeinem Anfang zu kommen, um sie zu werben, ja sogar zu kämpfen.
Oder war ich verrückt wie ein Jüngling, der es zum ersten Mal mit einer Frau zu tun bekommt und dessen Verstand deshalb – wie man so sagt – im Eimer ist?
☆☆☆
Wir blieben drei Tage und drei Nächte in Dolores und in Dolores’ Fonda.
Doch ich konnte in diesen drei Tagen und drei Nächten nur zweimal kurz mit Cindy sprechen. Sie hatte immer viel Arbeit – aber vielleicht schützte sie diese auch nur vor.
Am vierten Tag dann – als wir ziemlich verkatert beim Frühstück saßen – kam Phil Nueces, den wir die ganze Zeit nicht zu Gesicht bekamen, weil er sich in einem Haus am Ortsende verwöhnen ließ, zu uns an den Tisch.
»Es gibt tausend Dollar zu verdienen«, sagte er. »Wollt ihr mitkommen? Tausend Dollar insgesamt! Wir sind sechs. Ihr bekommt jeder hundertundfünfzig, Warlok und ich je zweihundert. Na?«
Wir sahen uns an.
Nun, wir waren alle einverstanden – auch ich.
Denn es war wohl gut für mich, endlich von hier wegzukommen.
Vielleicht konnte ich diese Cindy dann schneller vergessen.
Aber dann sah ich Cindy aus der Gaststube treten.
Sie winkte nicht – sie sah uns nur nach. Und ich wusste, dass sie ihren Blick auf mich gerichtet hielt.
Ich schwenkte meinen Hut.
Und ich rief: »Cindy, ich komme wieder!«
Aber sie winkte immer noch nicht.
Da wurde ich wütend und sah nicht mehr zurück, nur noch vorwärts.
☆☆☆
Wir ritten nach El Capitan. In der Ferne konnten wir den El Capitan Peak sehen.
El Capitan war ein Ort kaum größer als Dolores.