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In Alvarez trifft John McGiver auf zwei Frauen, die ihn einst verließen, weil er von seinem schnellen Colt lebte. Er fragt sich, ob sich das Schicksal einen Scherz mit ihm erlaubt, denn jetzt brauchen sie beide seinen Colt ...
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Verdammter Colt
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto / Norma
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0111-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Verdammter Colt
Es ist schon später Abend, als er nach Alvarez kommt, einer kleinen Stadt dicht an der Grenze von Sonora. Die Sonne wirft einen roten Schein gen Himmel und färbt ihn blutrot. In den Häusern und Hütten werden die Lampen und Lichter angezündet, und noch wirkt die kleine Stadt friedlich, still und wie erschöpft ausruhend nach einem langen, hitzeflimmernden Tag.
John McGiver kennt solche Städte. Er weiß, dass sie oft viele Geheimnisse bergen und es in ihnen Leidenschaften gibt, Feindschaften und neben dem Guten auch das Böse.
Als er den Mietstall erreicht, biegt er ein und reitet bis in den Vorraum des Stalls. Nun beleuchtet der Laternenschein sein Gesicht. Es ist ein Gesicht mit tiefen, dunklen Linien und einem hart geschlossenen Mund.
Als er den alten Stallmann auf der großen Futterkiste sitzen sieht, mit vollen Backen kauend und sein Abendessen verschlingend, da erscheint der schwache Hauch eines nachsichtigen Lächelns auf seinem Gesicht und verändert es, nimmt ihm die Härte und lässt es jünger und freundlicher aussehen.
»Ist noch Platz?«, so fragt er.
Der alte Cowpuncher nickt kauend, würgt dann alles hinunter und nickt erneut. »Soll ich das Pferd versorgen, wie es das prächtige Tier verdient nach diesem langen Reiten? Ich wette, Sie sind heute vierzig Meilen geritten, Sir.«
John McGiver nickt wortlos. Er nimmt sein Gepäck vom Tier und wirt einen Dollar auf die Futterkiste. Bevor er geht, murmelt er: »Morgen sehe ich mir den Wallach an. Vielleicht gibt es dann noch einen Dollar.« Nach diesen Worten geht er.
Der alte Windy lässt einen langen Furz in die Hose streichen und macht seinem Spitznamen so alle Ehre.
Dann aber murmelt er: »He, wer ist da gekommen? Das ist einer von den ganz Harten. Oh, was will der hier in Alvarez?«
Aber noch gibt es keine Antwort auf derartige Fragen, die sich Windy bald nicht allein stellen wird – noch nicht.
Mit seinem Gepäck wandert McGiver die Mainstreet von Alvarez entlang und durchquert einige Lichtbarrieren. Denn die Dunkelheit nahm zu. Die Nacht fällt über die Stadt.
Es entsteht nun auch einiges Leben. Reiter und Fahrzeuge kommen herein und lassen erkennen, dass Alvarez hier sozusagen der Nabel der Welt ist, sozusagen die Hauptstadt eines weiten Umlandes, das gewiss nach eigenen Gesetzen lebt. McGiver kennt sich da aus, weil er in solchen Städten seine Zeichen hinterließ, bevor er wieder verschwand mit seinem schnellen Colt.
Und wie wird es diesmal sein? Hier in Alvarez?
Dies fragt er sich voll angespannter Neugier.
Als McGiver das Sonora Hotel erreicht, biegt er ein und tritt an das Anmeldepult.
In der kleinen Empfangshalle sitzt halb liegend ein großer Mann in einem der schweren Ledersessel und liest in einer Zeitung. Der Mann lässt die Zeitung sinken und betrachtet McGiver fest. Und als er die Zeitung noch mehr senkt, da erkennt McGiver den Stern an der Weste des großen Mannes.
Sie betrachten sich einige Augenblicke.
Dann fragt der Marshal: »Was wollen Sie hier, Mister?«
McGivers Stimme klingt sanft, aber es ist eine trügerische Sanftheit, als er sagt: »Das weiß ich noch nicht. Lassen wir es dabei, Marshal. Aber vielleicht sage ich es Ihnen morgen. Sonst noch was?« Seine Stimme wird zuletzt noch sanfter.
Der Town Marshal richtet sich im Ledersessel gerader auf. Er wirkt mit einem Mal sehr wachsam und bekommt schmale Augen. Seine Nasenflügel vibrieren, als hätte er plötzlich eine Witterung in die Nase bekommen, die ihn warnt. Und abermals betrachten sie sich einige Atemzüge lang schweigend. Der Blick des Marshals richtet sich auf John McGivers Revolver. McGiver trägt die Waffe links, und es scheint auf den ersten Blick eine ganz normale Waffe zu sein. Aber der erfahrene Marshal ist davon überzeugt, dass dies da ein ganz besonderer Colt ist mit einem genau angepassten Kolben, ausgewogen, ein Colt ohne Korn und Abzug und wunderbar leicht funktionierend.
Marshal Noel McLeod weiß plötzlich Bescheid.
Aus dem kleinen Office hinter dem Anmeldepult tritt nun leichten Fußes eine Frau.
»Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie warten ließ.« Die Frau lächelt. »Aber ich rechnete gerade eine lange Zahlenkolonne zusammen und hätte sonst noch mal von vorn anfangen müssen. Sie wollen ein Zimmer, Mister?«
McGiver nickt und betrachtet die Frau. Sie ist jung und auf eine gewisse Art mehr rassig als schön, eine Frau mit rabenschwarzem Haar und leuchtend blauen Augen. Ihr Mund, der jetzt lächelt, wirkt sehr lebendig und freundlich. Aber ihr Blick ist forschend, fast scharf und durchdringend.
»Zimmer Nummer fünf«, spricht sie und nimmt einen Schlüssel vom Wandbrett. »Und hier tragen Sie sich bitte ein, Mister …«
»McGiver«, spricht dieser, »John McGiver.«
»Und woher?« Der Marshal fragt es plötzlich und erhebt sich aus dem Sessel. Er ist ein großer schwergewichtiger Mann, der sich dennoch geschmeidig wie ein Mittelgewicht bewegt. In seinem Gesicht sind einige Narben, Zeichen gewiss von Kämpfen. Er tritt neben McGiver ans Anmeldepult und wartet auf eine Antwort. Aber er bekommt keine. McGiver trägt seinen Namen ein, nimmt den Schlüssel und geht zur Treppe, die nach oben führt.
Und der Marshal spricht hart: »He, McGiver, ich habe Sie etwas gefragt!«
Da hält McGiver inne. Er trägt sein Gepäck unter dem rechten Arm. Es ist seine Sattelrolle. Seine Satteltaschen hängen ihm über die rechte Schulter. Und in der rechten Hand hält er sein Gewehr um den Kolbenhals gepasst. Seine Linke jedoch ist frei.
Und wieder ist seine Stimme von trügerischer Sanftheit, als er sagt: »Marshal, woher ich komme, geht Sie nichts an. Sie sollten sich nicht mit mir anlegen.« Nach diesen Worten geht er die Treppe hinauf und verschwindet oben.
Der Marshal und die Frau lauschen wortlos, bis sein Schritt nicht mehr zu hören ist und eine Tür geschlossen wurde. Dann sehen sie sich an.
Ihr vorhin so freundliches Lächeln ist nun hart. Sie presst ihre vollen Lippen fest zusammen, sodass sie schmal und hart werden.
»Ein Revolvermann«, spricht sie dann leise. »Was hat ihn wohl zu uns nach Alvarez geführt? Und er hat dir soeben vor die Füße gespuckt, Noel McLeod. Vielleicht kam er her, um dich zu töten. Der da ist einer von der besonderen Gilde.«
»Das bin ich auch«, erwidert er. »Aber du solltest herausfinden, was ihn zu uns geführt hat, in unsere Stadt. Und weil du so schön und begehrenswert bist, wird dir das gewiss nicht schwerfallen.«
Nach diesen Worten geht er hinaus, um seine erste Runde durch die Stadt zu machen, in der jetzt einiger Betrieb ist. In ihm ist ein böser Zorn. Alvarez ist seine Stadt. Er ist hier sozusagen der Bulle im Corral. Und nun kam ein anderer Bulle, der ihn sofort beim ersten Kennenlernen herausforderte. Nur aus Klugheit nahm er die Herausforderung nicht an.
Denn zuerst will er herausfinden, ob dieser Revolvermann, der sich McGiver nennt, allein gekommen ist.
Als er den Mietstall betritt, da ist Windy mit McGivers Pferd beschäftigt. Indes er das Tier striegelt, spricht er mit ihm. McLeod hört ihn sagen: »Du bist ein Dreihundertdollarpferd, ein Kriegspferd, und du bist weit gelaufen. Ich werde dich verwöhnen, mein Junge, denn ich mag solche Pferde. Sie sind besser als Menschen, sehr viel besser als dieses zweibeinige Raubtier Mensch.«
Und wie zur Bekräftigung seiner Worte lässt er mal wieder einen seiner knatternden Fürze in die Hose los.
Noel McLeod, der hinter ihn trat, ohne von ihm bemerkt zu werden, spricht böse: »Eines Tages wird jemand ein Zündholz an deinen Hosenboden halten. Und dann wirst du mit einem gewaltigen Knall gen Himmel sausen und aus großer Höhe wieder auf den Boden krachen. Dann ist es aus mit dir, Windy.«
Dieser wendet sich erschrocken um und stottert: »Ich kann doch nichts dafür, Marshal, Sir. Die Bohnen wirken bei mir stärker als bei anderen Menschen, Sir.«
»Dann friss doch keine Bohnen mehr.« McLeod grinst. Doch dann stellt er die Frage: »Wer kam noch außer diesem Fremden mit dem Dreihundertdollarpferd?«
»Kein anderer Fremder, Sir«, erwidert Windy.
»Und woher könnte er gekommen sein?«
»Nicht aus der Gila-Wüste, Sir«, erwidert Windy. »Nein, kein Staub von dort war auf dem Fell. Es ist El-Paso-Staub. Ich kenne ihn, denn ich habe früher dort Wildpferde gejagt, Sir.«
»Gut«, nickt McLeod und wendet sich zum Gehen. »Jetzt kannst du weiterfurzen, Windy«, knurrt er.
Der kleine Excowboy verharrt, bis McLeod verschwunden ist. Dann aber flüstert er: »Oha, ich habe schon so manchen großen Burschen stürzen sehen. Und der da macht sich Sorgen. Er hat den Fremden gesehen und macht sich nun Sorgen. Wie schön, dass auch die Großen und Mächtigen mal Sorgen haben!«
Indes macht Noel McLeod weiter seine Runde durch die Stadt.
Als er in den Sonora Saloon tritt, sitzen dort wie immer seine drei Partner am runden Tisch in der Ecke neben der Treppe nach oben. Als er sich zu ihnen setzt, beginnt Fat Cat Lorne die Karten zu mischen und auszuteilen.
McLeod nimmt seine fünf Karten auf und sieht, dass er nur Kreuze bekommen hat, und das auch noch in Reihenfolge. Ja, es ist ein richtiger Royal Flush. Und noch nie in seinem ganzen Leben hatte er beim Poker eine solche Karte.
Er betrachtet das als gutes Omen und sagt: »Es kam ein Revolvermann in die Stadt, nein, kein Revolverschwinger, kein Revolverheld. Ich meine ein Revolvermann, versteht ihr? Und nun frage ich mich, was er hier will und ob ihn jemand kommen ließ. Vielleicht bekommt Tessa es heraus. Er ist in ihrem Hotel abgestiegen und wird jetzt wohl dort zu Abend essen. Wir werden sehen.«
Nach diesen Worten legt er seine Karten verdeckt auf den Tisch und wartet, bis er seinen Einsatz machen und dann auch noch erhöhen kann.
George Morgan sagt nach einer Weile: »Tessa wird es schon herausfinden. Die kann jeden Mann um ihre schönen Finger wickeln.«
☆☆☆
Im Restaurant sind nur wenige Gäste. John McGiver schmeckt das Abendessen. Es gibt Hammelbraten, mexikanisch zubereitet, und er liebt die scharf gewürzte Kost. Als er beim Nachtisch ist, kommt Tessa Bowles in den Raum, der nun fast völlig leer ist von anderen Gästen. Sie setzt sich zu ihm an denn Tisch und betrachtet ihn fest.
»Hallo, John«, sagt sie leise. »Du lebst also immer noch trotz deines verdammten Colts. Er war also stets der schnellste Colt. Was willst du hier? Warst du überrascht, mich zu sehen?«
Er probiert erst den Apfelkuchen und nimmt dazu einen Schluck Kaffee. »Du bist noch schöner und begehrenswerter geworden, Tessa«, murmelt er. »Wie viele Jahre sind es schon her?«
»Fünf«, erwidert sie. »Ich war damals ein junges Ding, das Sicherheit suchte. Aber du hattest nur einen schnellen Colt zu bieten. Das war mir nicht genug. Ich konnte dich lange nicht vergessen, sehr lange nicht.«
»Und jetzt gehört dir das Hotel?« So fragt er. »Hast du keinen Mann?«
»Ich hatte einen – einen guten«, erwidert sie. »Er war hier der Bürgermeister. Seit mehr als einem Jahr ist er tot. Und so wurde ich eine wohlhabende Witwe. Mir gehört hier nicht nur das Hotel. Warum bist du hier? Und warum hast du Noel McLeod so herausgefordert? Bist du mit deinem schnellen Colt hergekommen, um die Machtverhältnisse in dieser Stadt und in diesem Land zu verändern? Das war doch immer dein Revolverjob – oder?«
Er gibt ihr darauf keine Antwort. Dafür sagt er: »Der Apfelkuchen ist gut. Das ganze Essen war gut. Ich freue mich, Tessa, dass es dir gut geht. Wie starb dein Mann?«
»Er hatte einen Revolverkampf mit Jim Logan. Sie erschossen sich gegenseitig mit dem ersten Schuss. Beide trafen sich mitten ins Herz. Es war wohl ihr Schicksal. Und so gibt es noch eine Witwe in unserem Land. Hat vielleicht Jessica Logan dich kommen lassen?«
Er lächelt nachsichtig.
»Es war wundervoll mit dir, Tessa, damals vor fünf Jahren«, spricht er ruhig. »Ich würde mit dir gerne nochmals die Nächte verbringen. Und vielleicht erzähle ich dir dann, was mich in diese Stadt geführt hat. Willst du? Wenn du schon länger als ein Jahr Witwe bist, dann hast du vielleicht …«
»Fahr zur Hölle mit deinem verdammten Colt«, faucht sie, erhebt sich und verlässt ihn. Er aber trinkt seinen Kaffee und raucht eine selbst gedrehte Zigarette. Nachdenklich sitzt er als letzter Gast im Speiseraum des Hotels. Als er Tessa vorhin am Anmeldepult des Hotels wieder begegnete, da tat sie so, als würde sie ihn nicht kennen. Sie zeigte auch keine Überraschung, ihn so plötzlich wiederzusehen. Doch sie hatte ihn vielleicht schon aus ihrem kleinen Office heraus betrachten und auch hören können. Vielleicht musste sie sich erst wieder fassen und kam deshalb so spät zum Vorschein. Er aber hatte sich bei ihrem Anblick vom ersten Sekundenbruchteil an unter Kontrolle. Als er begriff, dass sie ihn vor dem Marshal nicht kennen wollte, da ging er darauf ein. Und nun fragt er sich: Gehört sie etwa diesem schwergewichtigen Sternträger? Durfte sie nur durch dessen Gnade hier alles behalten?
Er erhebt sich plötzlich und tritt hinaus in die Nacht.
Es ist eine helle Nacht mit Sternen und einem Silbermond. Er macht sich auf den Weg, um die Stadt bei Nacht zu erforschen.
Irgendwann taucht er auch im Sonora Saloon auf und sieht die vier Männer in der Ecke neben der Treppe am Pokertisch sitzen. Sie wirken irgendwie wie ein Triumvirat der Macht – nur dass sie zu viert sind und nicht zu dritt. Denn ein Triumvirat, das ist ja ein Bund von drei Mächtigen zu gemeinsamer Herrschaft. Und dieser Bund da – er ist deutlich zu spüren, weil das von ihnen ausgeht – besteht aus vier Männern.
Er tritt an den langen Schanktisch und bestellt sich ein Bier.
Der Mann neben ihm ist ein Cowboy. Sie kommen ins Gespräch. Nach dem zweiten Drink fragt er den Cowboy: »Die vier Männer da in der Ecke am Pokertisch – den Marshal kenne ich schon. Aber wer sind die drei anderen?«
Der Cowboy grinst bitter: »Das sind die vier großen Bullen«, spricht er. »Der Dicke ist Fat Cat Lorne. Ihm gehören drüben in Sonora ein Dutzend Schafherden. Man sagt, dass es hunderttausend Schafe wären. Der graue Falke ist George Morgan. Er besitzt einige Silberminen im Umkreis von fünfzig Meilen. Seine Frachtwagenzüge versorgen das Land auf hundert Meilen in der Runde. Und der letzte Mann heißt Bac Landon und ist seit einem Jahr hier in Alvarez der Bürgermeister. Die vier da beim Poker waren vor gut einem Jahr noch zu fünft. Aber dann …« Der Cowboy bricht ab, und sein Blick wird misstrauisch.
McGiver aber spricht ruhig: »Was ist dabei, wenn Sie mir erzählen, was hier wahrscheinlich alle Leute wissen? Gewiss, ich bin ein Fremder. Aber Fremde sind immer neugierig. Ginge es Ihnen nicht auch so, wenn Sie in eine fremde Stadt kämen und gerne wissen möchten, wie dort alles so läuft?«
Der Cowboy nickt. Dann leert er das Glas. Als er es auf den Schanktisch stellt, sagt er: »Nun gut, dann geben Sie mal einen Drink aus. Wenn ich Ihnen alles erzählen soll, was hier so läuft, dann sollten Sie spendabel sein, Fremder.«
»Ich zahle alle Drinks.« McGiver nickt. »Das ist doch selbstverständlich.«
Der Cowboy blickt noch einmal zu ihm hoch. Er ist einen Kopf kleiner als McGiver und noch ziemlich jung.
»Ach«, sagt er, »das Problem in diesem Land ist, dass es hier eine Menge Wasserstellen und Creeks auf einer guten Weide gibt. Und drüben in Sonora sind mehr als hunderttausend Schafe. Sie sollen herüber und weiter nach Norden gebracht werden. Aber für dieses lange Wandern müssten sie sich erst mal wieder was anfuttern. Und so sollen die Herden hier eine Weile bleiben. Drüben haben sie längst schon die Weide kahl gefressen und hungern. Wenn die Schafzüchter – und das ist eigentlich nur dieser Fat Cat Lorne – ihre Herden nicht verlieren wollen, dann müssen sie in den nächsten Tagen die Invasion beginnen. Aber die Rinderzüchter hier lassen sich ihre gute Weide nicht ruinieren. Wo Schafe eine Weide kahl gefressen und ihren stinkenden Dung hinterlassen haben, da frisst in den nächsten Jahren kein Rind mehr auch nur einen einzigen Halm. Die Stadt hier steht auf der Seite der Schafzüchter. Ihr früherer Bürgermeister wurde von den Schafzüchtern gekauft. Er und der Anführer der Rinderzüchter waren Feinde. Sie trugen ein Duell aus und schossen sich gegenseitig mitten ins Herz. Nun sind die beiden Witwen Todfeinde. Und keiner von uns Cowboys und Rinderleuten wird sich bald mehr in diese Stadt wagen können. Es wird bald Krieg sein.«
Der junge Cowboy leert das Glas, das der Barmann ihm auf einen Wink von McGiver hinschob.
»Nun wissen Sie alles, Fremder«, sagte er.
McGiver nickt. »Und für welche Ranch reiten Sie, mein Freund?«
»Es gibt hier nur eine große Ranch«, erklärt ihm der Cowboy. »Das halbe Dutzend anderer Ranches zählt nicht, denn es sind kleine Ranches mit nur ein oder zwei Cowboys. Ich reite für die große Logan Ranch, die L-im-Kreis. Und nun werde ich heimreiten.«
Er will sich vom Schanktisch abstoßen. Doch als er sich umwendet, da prallt er gegen einen Mann, der in diesem Moment hinter ihn trat.
»Oh, du Kuhschwanz«, spricht der Mann kalt, »was erlaubst du dir denn. Bist du blind? Warum glaubst du dass du mir auf die Zehen treten kannst?«
Der kleine Cowboy weicht bis zum Schanktisch zurück, bis er ihn mit den Rücken berührt. »Mister Murdoch, ich entschuldige mich«, spricht er heiser. »Ich habe Sie nicht bemerkt.«
Er stößt sich abermals vom Schanktisch ab. Nun sieht man an seinen Bewegungen, dass er mehr als nur zwei oder drei Drinks gekippt hat. Der letzte Drink, den McGiver ihm spendierte, hat wohl sein Maß überschritten.
Mit unsicheren Bewegungen will er um diesen Murdoch herum.
Aber er schafft es nicht. Jener Murdoch, vor dem der kleine Cowboy so deutlichen Respekt erkennen lässt, tritt ihm die Beine unter dem Körper weg wie mit einem Keulenrundschlag.
Der Cowboy fliegt zu Boden. Und da tritt Murdoch mehrmals zu. Seine Stiefelspitze stößt dem kleinen Cowboy immer wieder gegen die Rippen.
Und als er endlich innehält, hört man im still gewordenen Saloon nur noch das schmerzvolle Stöhnen des Cowboys.
Dann aber spricht Murdoch klirrend: »Kuhschwanz, wenn du heimkommst, dann sag all den anderen Kuhschwänzen auf eurer verdammten Ranch, dass sich keiner von euch mehr hier in Alvarez blicken lassen soll. Die Stadt ist ab sofort für Kuhschwänze verboten. Hau ab! Kriech raus hier!«
Und wahrhaftig, der kleine Cowboy beginnt zu kriechen, so schwer es ihm auch fällt.
Es ist immer noch still im Saloon.
Und alle erleben mit, wie ein kleiner Mann zerbrochen wird, wie er sich erniedrigt – wahrscheinlich deshalb, um am Leben bleiben zu können.
Also muss dieser Murdoch ein Killer sein.