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Ein höllischer Rindertrail lag hinter uns. Doch das alles war nur ein Zuckerschlecken gegen das, was uns in Longhorn City erwartete ...
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Drei Tiger in der Falle
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Salvador Faba / Norma
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0112-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Drei Tigerin der Falle
Jos Kehoe saß am Tisch und zählte sein Geld. Er tat das schon zum vierten Mal, und auch jetzt sagte er wieder: »Vierhundert Dollar. He, die sind daheim in Texas so groß wie vierhundert Wagenräder! Dafür müsste ich daheim in Texas zwei lange Jahre arbeiten. Vierhundert Dollar! Aber, wenn ich es mir so richtig in Erinnerung rufe, dann sind sie mir gewiss nicht geschenkt worden – oder?«
»Nein, ganz gewiss nicht«, sagte Hogan Carmike.
Ich nickte nur stumm, denn ich gehörte zu der Sorte, die nie allzu viel sagt.
Auch Hogan Carmike und ich hatten unser Geld schon gezählt, wenn auch nur einmal. Jeder von uns besaß jetzt vierhundert Dollar.
Und zurzeit befanden wir uns in einem Dreibettzimmer des Longhorn Hotels in Longhorn City.
Die Stadt war schlecht, denn es war eine Treibherdenstadt. In Longhorn City konnte man alle Sünden kaufen. Die Stadt war geldgierig, ohne jede Moral, treulos, kaltherzig, verlogen. Sie glich gewissermaßen einer großen Falle, in der jedem Hammel das Fell geschoren wurde.
Oha, wir wussten damals noch nicht, wie sehr wir in der Falle saßen. Denn die Dinge kamen ja gerade erst richtig in Gang und das Schicksal spielte mit uns ein ganz besonderes Spiel …
Weil die Badeanstalt im Hof des Barbiers überfüllt war, hatten wir uns eine Badewanne aufs Zimmer bringen lassen. Der Hausneger, der für uns das heiße Badewasser schleppte, war auch ein guter Barbier. Jetzt kam er, räumte die Badewanne aus dem Zimmer und ließ uns allein.
Ich stand noch nackt da, denn ich hatte zuletzt gebadet. Ich trocknete mich ab und besah mir im Spiegel die Narbe einer Pfeilwunde. Sie war noch nicht sehr alt. Indianische Pferdediebe hatten mir das Ding verpasst, als wir mit der Herde am Cimarron lagerten in einer schwarzen Nacht.
Die Tür ging auf. Unser Boss trat langsam ein. Er hielt einen Packen Briefe in der Hand und grinste zufrieden.
»Hallo, Jungs«, sagte er. »Ihr seid aber schlau. Im Hof des Barbiers prügeln sich zwei Mannschaften um die Badefässer. Ihr habt es hier besser. Wollt ihr nicht noch mal ein Treiben mit mir machen? Ohne euch hätte ich das alles nicht so leicht geschafft. Ihr wart meine besten Reiter. Und jeder von euch könnte bald selbst eine Treibherde führen.«
Seine Worte waren wirklich ein großes Lob, denn er war ein harter Mann.
Jos Kehoe grinste.
»Nein, danke, Boss«, sagte er. »Ich kehre heim zu meiner Mary. Mein Betriebskapital ist groß genug. Wenn ich mit vierhundert Dollar heimkomme, borgt mir die Bank den gleichen Betrag. Und dann geht’s los! In zehn Jahren habe ich zumindest drei Söhne, eine Tochter und dazu noch eine schuldenfreie Ranch. Ich treibe nur noch eigene Rinder!«
Er verstummte zufrieden, denn er dachte jetzt an seine Mary und wünschte sich bestimmt, dass er sich auf der Stelle in einen Vogel verwandeln könnte. Denn dann würde er die fünfzehnhundert Meilen schneller hinter sich bringen können, die ihn von seiner Mary trennten.
Unser Boss nickte. Er war kein Mann, der betteln konnte oder andere Männer mit Überredungskünsten umzustimmen versuchte.
Er erinnerte sich plötzlich an etwas anderes.
Und so sagte er: »Aaah, da fällt mir ein, dass Post für euch gekommen ist – für dich, Jos, und auch für dich, Hogan. Hier. Die Briefe lagen schon einige Wochen im Post Office und warteten auf eure Ankunft. Du hast keine Post, Ben Maddebow.«
Seine letzten Worte galten mir, denn Ben Maddebow, das ist mein Name.
Ich zog mir soeben die neue Unterhose an und grinste schief.
»Nein, ich habe gewiss keine Post«, sagte ich. »Auf dieser Erde gibt es keinen Menschen, der mir einen Brief schreiben würde.«
Er sah mich an. »Keine Angehörigen, Ben?«
»Nein«, sagte ich kühl.
Da zog er sich mit seiner Neugierde zurück. Er wandte sich um und ging. An der Tür sagte er noch über die Schulter: »Viel Glück, Jungs! Und passt auf! Diese Stadt ist mies.«
Wir waren wieder allein. Jos und Hogan öffneten ihre Briefe.
Ich kleidete mich indes fertig an und beobachtete sie. In mir war ein wenig das Gefühl von Neid. Denn ich hatte niemanden, der mir einen Brief schreiben würde. Doch dann sah ich, dass beide Briefe keine guten Nachrichten enthalten konnten.
Ja, es war deutlich zu sehen.
Jos Kehoe schluckte mehrmals mühsam, und unter seiner braunen Gesichtsfarbe wurde er fahl. Dann las er den Brief noch einmal, als hätte er die Hoffnung, dass er ihn beim ersten Lesen nicht richtig verstanden haben könnte.
Bei Hogan Carmike war es ähnlich. Er starrte lange auf den Brief. Dann begann er, ihn langsam und bedächtig in kleine Stücke zu reißen. Er tat es wie ein Mann, der zugleich etwas Endgültiges tut.
Ich fragte nichts, gar nichts.
Jos Kehoe machte aus seinem Brief einen kleinen Papierball, den er schließlich in die Tasche steckte.
Sein Blick begegnete dem meinen. Er sagte: »Mary wartet nicht mehr auf mich. Sie schrieb mir, dass ich mich wegen ihr mit meiner Heimkehr nicht zu beeilen brauchte. Denn sie wäre mit einem Mann nach New Orleans gereist. Sie wünscht mir Glück und bittet mich, ihr nicht böse zu sein. Denn in New Orleans ließe es sich bestimmt besser leben als auf einer kleinen Ranch in den Antilopenhügeln. Dabei hätte ich alles für Mary getan alles. Na schön!«
Er sprach die beiden letzten Worte trotzig.
Und ich wusste, dass er jetzt gefährlich war wie ein angeschossener Tiger. Jawohl, so war es! Er fühlte sich schlimm verwundet. Beim geringsten Anlass würde er explodieren. Ich kannte ihn gut genug, um dies zu wissen.
Hogan Carmike hob den Zeigefinger. Er saß auf dem Bettrand.
»Diese Weiber«, sagte er, »taugen wahrscheinlich alle nicht viel. Nimm’s nicht so schwer mit deiner Mary, Jos. Was mich betrifft, so ist das gewiss schlimmer. Meine Mom konnte die Ranch nicht länger halten. Es war ja nur eine kleine Ranch. Wir hatten Steuerrückstände. Ich war im Krieg wie ihr. Mein Vater starb an einer Blutvergiftung. Mom wartete auf meine Heimkehr. Und die Steuereintreiber der Yankees setzten ihr zu. Die Bank lieh keinem von uns Geld. Meine Mom ist gestorben. Und die Ranch kam zur Versteigerung. Meine vierhundert Dollar hätten für die Steuerschulden gelangt. Aber jetzt werden sie nicht mehr gebraucht. Meine Mom ist längst schon unter der Erde. Und die Ranch gehört einem Yankee-Syndikat, das schon Dutzende solcher kleinen Ranches zusammengekauft hat bei Versteigerungen. Wahrscheinlich arbeiten diese Geier mit den Steuereintreibern zusammen. Versteht ihr?«
Oha, wir verstanden gut.
Denn wir wussten genau, was im Süden los war.
Die Union war als Besatzungsmacht gekommen. Texas gehörte zu den Besiegten. Und die Blaubäuche plünderten es aus.
Ich konnte mich jetzt eigentlich glücklich fühlen. Denn ich hatte nichts zurückgelassen in Texas. Gar nichts. Jos und Hogan waren schlechter dran. Die hatten nun das verloren, was ihnen am meisten bedeutet hatte.
Auch Hogan war tief in seinem Kern verwundet.
Ich wusste, er hasste die Yankees jetzt noch mehr. Sie hatten ihn schon als Kriegsgefangenen schlimm behandelt. Er war in einem berüchtigten Lager gewesen, in dem die Gefangenen wie die Fliegen starben.
Ich war angekleidet und setzte mich auf die Fensterbank, sah meine Sattelgefährten an. Ja, wir waren Freunde geworden unterwegs auf dem Trail. Aber wir hätten uns hier getrennt. Jos und Hogan wären heim nach Texas gegangen. Ich aber wollte weiter nach Norden. Denn im Norden war ich noch nie gewesen. Ich hatte noch keinen Sioux gesehen. Und in Montana wurde eine Menge Gold gefunden.
Doch plötzlich war das anders geworden.
Ich ahnte, dass ich die beiden verwundeten Tiger jetzt nicht allein lassen konnte. Oh, ich wusste, dass sie gleich losgehen würden, weil sie ihren Kummer vergessen wollten.
Und da brauchten sie gewiss einen Freund, der einen klaren Kopf behielt.
Ich war kaum zu dieser Erkenntnis gekommen, als Joe Kehoe auch schon sagte: »Nun brauche ich die vierhundert Dollar nicht mehr. He, wie viel Pumaspucke und Weiber kann man sich für vierhundert Dollar kaufen? Das will ich mal ausprobieren! Ja, Weiber kaufen! Das ist wohl die richtige Art, wenn man eine Frau haben will. Was man sich kauft, kann man auch wieder wegwerfen. Oder? Also, worauf warten wir noch? Willst du nicht auch ein wenig Wirbel haben, Hogan?«
»Ich will«, sagte der. »Und sollte ich einen Yankee treffen, dann werde ich ihm auf die Zehen treten. He, ich freue mich schon darauf.«
Wir gingen bald schon. Und mir war gar nicht wohl. Denn ich ging mit zwei Burschen, die enttäuscht wurden von dieser Welt. Jetzt wollten sie dieser Welt zeigen, was sie von ihr hielten.
In dieser wilden Stadt konnte das eigentlich gar nicht gut gehen. Denn solch eine wilde Stadt wurde gewiss von einer Interessengruppe beherrscht. Das ist immer so dort, wo der Dollar rollt. Auf der ganzen Welt ist das so.
Wenn wir hier die wilden Tiger spielten, dann wurde diese Stadt zu einer Falle für uns. Jawohl, so konnte es kommen.
Wir gingen also aus dem Hotel und gehörten bald schon zu dem Strom von Burschen, der sich über den Plankengehsteig schob und von einem Tingeltangel zum anderen bewegte, von einem Spiel-Saloon zum nächsten – von all den vielen anderen Spelunken gar nicht erst zu reden.
Longhorn City war voller Herdentreiber. Ein Dutzend Herden warteten in der Umgebung der Stadt, in den Verladecorrals und in den langen Viehzügen. Es wurde Tag und Nacht verladen.
Außer den Herdentreibern waren noch eine Menge Menschen hier zum Beispiel die Verlademannschaften, die in drei Schichten arbeiteten, die Eisenbahner, die Viehaufkäufer und Pferdehändler. Dazu kamen viele Satteltramps, Abenteurer, Spieler und Geschäftemacher.
Longhorn City war keine seriöse Stadt, sondern ein modernes Babylon der Kansasprärie.
Ein Stück von unserem Hotel entfernt war der Longhorn Bee Saloon. Was mit Longhorn-Bienen gemeint war, blieb uns ein Rätsel.
Wir gingen hinein.
Jos Kehoe stieß gleich zwei Burschen rechts und links zur Seite und erreichte so den Schanktisch. Als einer der Burschen was sagen wollte, knurrte Hogan Carmike ihn mit den Worten an: »Mach das Maul zu, Bruder. Oder du wirst daran ersticken!«
Ich bekam ein banges Gefühl in der Magengegend.
Jos und Hogan waren zwei Narren geworden.
Wir bekamen bald darauf unser Feuerwasser. Und an der Art, wie Jos und Hogan sich das Zeug in den Hals schütteten und sofort nachfüllten, erkannte ich, wie sehr sie sich betäuben wollten, um den Schmerz vergessen zu können.
Ich hielt mich deshalb etwas zurück, denn einer von uns musste ja wohl einen klaren Kopf behalten.
Wir tranken ziemlich schnell die erste Flasche leer, aber Jos und Hogan füllten ihre Gläser bis zu den Rändern und tranken doppelt so viel wie ich. Und weil wir all die Wochen unterwegs auf dem Trail keinen einzigen Tropfen Feuerwasser bekommen hatten, wurden sie gewiss auch schneller betrunken als sonst. Ich erkannte das an ihren funkelnden Augen, ihren dunklen Gesichtern.
Die Kapelle spielte einen Tanz. Und die Tanzmädchen drehten sich mit ihren Tänzern. Man musste sich eine Tanzkarte kaufen, um mit einem Mädchen tanzen zu können. Wir hatten keine Karten.
Und dennoch wandten sich Jos und Hogan bald von der Bar ab und traten zum Rand der Tanzfläche. Sie tippten jeweils einem der Tänzer auf die Schulter.
Ich hörte Jos laut sagen: »Junge, du musst mal 'nen Bach machen gehen!« Und dabei nahm er ihm die Tänzerin ab.
Der Mann war ebenfalls einer von der hartbeinigen und haarigen Sorte. Letzteres erkannte man an seiner haarigen Brust unter dem offenen Hemd. Er stieß sofort einen begeisterten Ruf aus und schoss die rechte Faust nach Jos’ Kopf ab.
Weil Jos aber seinen Kopf wegnahm, traf die Faust das arme Mädchen. Es war ein wirklicher Unglücksfall, ungewollt und unvorhersehbar.
Aber eines der anderen Tanzmädchen hatte gesehen, welches Pech ihre »Schwester« hatte. Und so begann sie auch schon loszukreischen.
Ich verstand etwa: »… Betty geschlagen! Der Hurensohn hat Betty geschlagen! Zur Hölle mit euch allen, wenn ihr jetzt schon Ladys aus den Latschen haut!«
So etwa kreischte sie, riss sich von ihrem Tänzer los und ging mit zu Krallen gekrümmten Fingern deren Nägel wirklich sehr lang waren auf den Mann los, der Jos treffen wollte und das Mädchen traf.
Die Getroffene hing indes bewegungslos in Jos Kehoes Armen, und Jos machte einen Moment ein recht dämliches Gesicht.
Ich hätte auch gerne gelacht, obwohl mir das arme Mädchen leidtat. Aber Jos Kehoes Gesicht sah zu dämlich aus.
Einen Moment später jedoch brach die Hölle los.
Denn das kreischende Mädchen hatte all ihre »Schwestern« alarmiert. Und so kreischten auch diese los. Vielleicht war in ihnen ohnehin schon eine Menge Unmut angestaut aus irgendwelchen Gründen.
Die männlichen Tänzer aber teilten sich sofort in zwei Parteien.
Da gab es die Partei der Mädchen-Beschützer und die andere Partei, die einen bezahlten Tanz auch restlos auskosten wollten.
Die Keilerei war sofort im Gang.
Jos hielt immer noch die Bewusstlose in seinen Armen. Wir sprangen zu ihm. Aber an Hogan Carmike hing ein kleiner Bursche, dem er fast zu gleicher Zeit die Tänzerin abgenommen hatte. Er stieß ihm den Ellbogen ins Gesicht und half mir, Jos und das Mädchen zu begleiten. Denn Jos konnte sie doch nicht einfach auf den Boden fallen lassen.
Bald schon mussten wir unsere Fäuste gebrauchen.
Eines der Mädchen kreischte nämlich: »Sie wollen Betty entführen! Diese Hurensöhne wollen Betty wegbringen! Kratzt ihnen die Augen aus! Oh, Jungs, helft uns gegen die Mädchenräuber!«
Es war alles völlig verrückt. Mit wenigen Worten hätte alles erklärt werden können. Doch eine verrückte und zu einem erheblichen Teil schon betrunkene Menge ist mit vernünftigen Worten nicht mehr zu beruhigen.
Joes Kehoe tat dann etwas, was man sicherlich als klug, oder besser gesagt, als clever bezeichnen konnte.
Er warf nämlich einem Mann, der ihn angreifen wollte, die bewusstlose Süße zu und brüllte dabei: »Fang auf!«
Der Mann fing das Mädchen auch wirklich auf.
Jos hatte nun auch die Hände frei. Zu dritt schafften wir es bis zum Ausgang.
Und dann hatten wir gewonnen.
Denn die Doppelschwingtür war nicht breit genug, um mehr als zwei Mann zugleich herauszulassen. Wir standen draußen und schlugen die Jungs alle wieder in den Saloon zurück. Ein paar lagen dann auch am Boden und erschwerten den anderen den Ausgang.
Jos und Hogan jauchzten vor Vergnügen. Die Sache war für sie sozusagen das Überdruckventil, durch das sie den übermäßigen Dampf ablassen konnten.
Ich rief ihnen zu: »Wenn wir jetzt nicht bald absausen, bekommen wir es gleich mit dem Marshal zu tun! Wollt ihr euch mit Longhorn City anlegen?«
Sie besaßen tatsächlich noch einen Rest von Vernunft.
Und so verschwanden wir schon bald um die nächste Ecke in einer Gasse, liefen durch einige Höfe und gerieten in den Hof eines besonderen Etablissements.
Vor der Hintertür stand ein betrunkener Cowboy und hämmerte mit den Fäusten dagegen. Dabei rief er immer wieder bittend: »Lasst mich ein! Oh, ihr könnt mich doch nicht ohne meinen Zwanzig-Dollar-Hut rauswerfen! Ich will meinen Hut haben, verdammt noch mal! Ihr könnt meine Unterhose behalten. Aber den Hut muss ich haben. Sonst reiße ich das ganze Ding hier ein!«
Er war betrunken wie fast alle Gäste dieser Stadt um diese Zeit. Und er trat gegen die Tür, dass es nur so krachte.
Dann wurde die Tür geöffnet. Eine dicke Frau erschien im Lichtschein. Sie warf ihm einen Hut zu wie eine sich drehende Scheibe.
»Du Laus«, sagte sie dann, »wenn du noch einmal einen solchen Krach schlägst vor meiner Hintertür, drehe ich dir die Nase aus dem Gesicht. Verstanden, du Pfeife?«
Sie wollte sich abwenden würdig und ohne Hast. Und sie war eine bombastisch mit glitzernden Spitzen- und Brokatzeug gekleidete Frau von zweihundertfünfzig Pfund.
Dann entdeckte sie uns am Rand der Lichtbahn.
»Aaah, da sind ja noch …«, begann sie und stellte die Frage: »Gehören Sie zu diesem Verlierer oder sind Sie Gentlemen, die unsere lieben Gäste werden möchten?«
Als sie die letzten Worte sprach, veränderte sich ihre Stimme und bekam einen süßlich flötenden Tonfall.
Jos trat vor, zog seinen Hut und verbeugte sich wie ein spanischer Grande.
»Oh, Lady«, sagte er, »wir haben schon unterwegs während des Treibens von Ihnen und den Schönen gehört. Da ritten eine Menge Jungs heim nach Texas, die noch immer verzückt die Augen verdrehten und mit den Zungen schnalzten. Sie sind doch die sagenhafte Angel Mom, nicht wahr?«
»Die bin ich«, sagte Angel Mom Durrante, denn sie war wahrhaftig schon bis nach Texas bekannt, weil ihre Bienen jedem Burschen, der in ihre Hände fiel, gnadenlos den letzten Dollar nahmen.
Sie lachte geschmeichelt und hielt die Tür weit offen.
»Dann kommt herein, Jungs«, sagte sie. »Ich sehe gleich, wenn ich es mit noblen Gents zu tun habe. Meine Honeys sind verrückt nach wirklichen Caballeros aus dem Süden. Denn nur sie allein wissen alle guten Dinge der Frauen zu würdigen. Kommt nur, meine Freunde!«
Wir sahen uns nach dem Cowboy um, der sich indes den Hut aufgesetzt hatte. Aber es war gewiss nicht sein Hut, denn nur die Ohren hielten ihn. Doch er merkte das gar nicht. Er sah uns unter der Krempe hervor nur mitleidig an und sagte. »Psalm siebenundzwanzig! Alles liegt in Gottes Hand. Und so werdet ihr vielleicht auch einigermaßen heil aus diesem Nest der Sünde wieder herauskommen. Ihr müsst immer an die Spinnen denken. Immer an die Spinnen! Die fressen nachher ihre Männchen auf.«
Er begann betrunken zu lachen. Einen richtigen Anfall bekam er.
Dann verschwand er unter dem zu großen Hut in der Nacht.
Wir traten ein.
☆☆☆
Nun, lieber Leser meiner Geschichte, es gäbe sicherlich eine Menge zu erzählen von Angel Mom Durrante und ihren Honeys. Aber über solche intimen Dinge wird ein Texaner sich niemals Fremden gegenüber äußern. Und so will ich nur das hier erzählen, was nötig ist für den Fortgang meiner Geschichte.
Wir flogen etwa zwei Stunden nach Mitternacht raus.
Denn wir wollten uns nicht ausnehmen lassen wie Fische. Wir waren noch nicht betrunken und dumm genug, um uns unsere vierhundert Dollar abnehmen zu lassen.
Angel Mom und deren Honeys hatten Hilfe geholt.
Deshalb sah das Etablissement nachher ziemlich ramponiert aus. Sie würde es für ein paar Nächte schließen müssen.
Wir aber trollten uns durch die dunklen Höfe.
Sogar Kugeln folgten uns.
Und Angel Moms Stimme keifte hinter uns her: »Das werdet ihr mir noch bezahlen! Darauf könnt ihr wetten! Eure Haut wird noch in dieser Nacht abgezogen!«
Wir stolperten durch die schwarz gewordene Nacht, und auch ich war nun ziemlich betrunken, wenn auch nicht ganz so schlimm wie Jos und Hogan.