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Was ich zuvor meinen Lesern sagen möchte: Damals, in den Jahren 1869 und 1870, als der Rancher Jesse Chisholm die erste Rinderherde nach Kansas getrieben und dem texanischen Rindersegen Absatzmärkte gezeigt hatte, da wurden die bisher völlig wertlosen Rinder plötzlich wieder etwas wert. Es lohnte sich, eine Herde zu sammeln und sie drei oder vier Monate lang nach Norden zu treiben, bis hin zu den Eisenbahnstädten Dodge City und Abilene.
Dort brachte jeder Longhorn-Stier etwa zehn Dollar, später dann sogar noch mehr.
Und ganz Texas war voller Burschen, die nach dem verlorenen Krieg nach einer Chance suchten.
Hunderttausende von Rindern aber waren ohne Brandzeichen. Sie waren im Verlauf der Jahre umhergewandert, hatten sich fast wie Kaninchen vermehrt, waren verwildert und hatten keine Besitzer.
Man nannte diese ungebrannten Rinder »Mavericks«, denn der Großrancher Maverick war damals der erste Rinderzüchter in Texas, der darauf verzichtet hatte, die Nachkommen seiner Rinder mit Brandzeichen zu versehen oder sonst wie zu kennzeichnen. Der Lohn und Unterhalt von Arbeitskräften überwog nämlich damals den Wert der Rinder, die man gebrändet hätte.
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Seitenzahl: 150
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Westlich des Pecos
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Salvador Faba / Norma
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0120-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Westlich des Pecos
Was ich zuvor meinen Lesern sagen möchte: Damals, in den Jahren 1869 und 1870, als der Rancher Jesse Chisholm die erste Rinderherde nach Kansas getrieben und dem texanischen Rindersegen Absatzmärkte gezeigt hatte, da wurden die bisher völlig wertlosen Rinder plötzlich wieder etwas wert. Es lohnte sich, eine Herde zu sammeln und sie drei oder vier Monate lang nach Norden zu treiben, bis hin zu den Eisenbahnstädten Dodge City und Abilene.
Dort brachte jeder Longhorn-Stier etwa zehn Dollar, später dann sogar noch mehr.
Und ganz Texas war voller Burschen, die nach dem verlorenen Krieg nach einer Chance suchten.
Hunderttausende von Rindern aber waren ohne Brandzeichen. Sie waren im Verlauf der Jahre umhergewandert, hatten sich fast wie Kaninchen vermehrt, waren verwildert und hatten keine Besitzer.
Man nannte diese ungebrannten Rinder »Mavericks«, denn der Großrancher Maverick war damals der erste Rinderzüchter in Texas, der darauf verzichtet hatte, die Nachkommen seiner Rinder mit Brandzeichen zu versehen oder sonst wie zu kennzeichnen. Der Lohn und Unterhalt von Arbeitskräften überwog nämlich damals den Wert der Rinder, die man gebrändet hätte.
Es bildeten sich damals viele Mannschaften, die Jagd auf Mavericks machten, Herden sammelten und nach Kansas trieben. Die texanischen Rancher setzten sich natürlich gegen diese Maverickjäger zur Wehr, und es wurden in zunehmendem Maße Gesetze erlassen, die den Maverickjägern die Rinderjagd erschwerten und den Ranchern Möglichkeiten gaben, Ansprüche auf jedes Rind auf ihrer Weide zu erheben.
Doch westlich der Pecos gab es kein Gesetz. Der Pecos war noch viele Jahre nach dem Krieg die traditionelle Grenze von Recht und Ordnung. Selbst die berühmten Texas Ranger wagten sich eine lange Zeit nicht über den Pecos. Und jeder Bandit, der über den Pecos entkommen konnte, war vor dem Gesetz in Sicherheit. Das Land westlich des Pecos wurde von den Banditen beherrscht. Diese Banditen bestimmten die Politik des Landes und setzten Beamte ein, die ihnen willig waren. Sie waren eine Macht im Lande, so wie es mehr als fünfzig Jahre später die Banden der Alkoholschmuggler in den Großstädten des Ostens wurden.
Hier, westlich des Pecos, hatten die Maverickjäger es zwar nicht mit den Texas Rangers und dem Gesetz zu tun, dafür aber mit den Banditen, die sich als die Herren des Landes fühlten und sich den Rindersegen natürlich nicht abtreiben lassen wollten.
Es gab blutige Fehden zwischen den Maverickjägern und den Banditen. Und es gab Männer, die an ihre Kraft und an die Zukunft glaubten und erkannten, dass man nicht immer ernten kann, ohne gesät zu haben.
Und deshalb möchte ich hier von den drei Cowboys berichten, die über den Pecos ritten, um Mavericks zu jagen.
Wir wollen sehen, was aus diesem Vorhaben wird.
G. F. Unger
☆☆☆
Als sie etwa dreihundertfünfzig Rinder beisammen haben, sind sie der Meinung, dass es nun genug wäre. Denn mehr als dreihundertfünfzig Rinder werden sie wahrscheinlich nicht den langen Weg bis nach Kansas treiben und zusammenhalten können, obwohl sich Pill, Sol und Blinky eine ganze Menge zutrauen.
Sie haben ihre Herde in einem Sack-Canyon beisammen, und vor dem Eingang des Canyons brennt ihr Feuer und ist ihr Camp aufgeschlagen. In einem Seilcorral bewegen sich ihre sieben Reservepferde. Ihre Sattelpferde stehen in der Nähe. Denn eine gute Herdenmannschaft hält zu jeder Tages- und Nachtzeit gesattelte Pferde bereit.
Es ist Nacht geworden, eine Nacht mit einem gelben Mond, mit langsam ziehenden Wolken, eine Nacht mit Coyotengeheul und mit der ganzen Einsamkeit der weiten Weide, die irgendwo endet.
Das Feuer beleuchtet die drei Cowboys. Sie sind äußerlich so verschieden, wie es drei Männer nur sein können.
Denn Pilldarlick Blake ist weißblond, hager und lang, ganz so, wie man sich einen Texaner vorstellt.
Sol Nicol ist braunhaarig, nicht ganz so groß, doch viel breiter und gut vierzig Pfund schwerer. Er ist auch sehr gutmütig. Doch wehe, wenn man ihn zu stark reizt und seine Gutmütigkeit umschlägt in einen zerstörerischen Zorn, dann wird er zu einem urigen Riesen!
Blinky Kendall ist klein und drahtig. Obwohl er rothaarig und sommersprossig ist, wirkt er irgendwie hübsch. Und selbst in seiner abgenutzten Weidetracht wirkt er noch sehr adrett.
Er war es, der heute die Abendmahlzeit bereitete. Und er sagt nun bitter zu Pilldarlick Blake: »Pill, ich finde es gar nicht richtig, dass wir uns jeden Tag reihum mit dem Küchendienst abwechseln. Sol isst für drei – also müsste er, wenn er an der Reihe ist, auch drei Tage lang den Koch machen. Und erst dann …«
»Ich esse nur, damit nichts umkommt«, sagt Sol mit seiner Bassstimme.
Bevor zwischen den beiden Freunden ein Streit entstehen kann, hebt Pill Blake seine Hand. Es ist unverkennbar eine Geste, die Schweigen gebietet. Sol und Blinky erkennen, dass Pill lauscht, und als nun auch sie lauschen, hören sie den Hufschlag vieler Reiter.
»Das ist eine Mannschaft«, sagt Pilldarlick Blake ruhig. »Und sie kommt genau auf unser Feuer zu durch die Nacht geritten. Unser Feuer weist ihr den Weg.«
Er erhebt sich, ergreift dabei sein Gewehr und tritt schnell aus dem Lichtkreis des Feuers. Blinky nimmt ebenfalls sein Gewehr und bewegt sich in entgegengesetzter Richtung, bis er dann außerhalb des Feuerscheins bei einem Baum verhält.
Nur Sol Nicol bleibt am Feuer und vertilgt erst noch die letzten Reste des Abendbrotes.
Die Reiter kommen nun im Schritt näher. Es sind gewiss mehr als ein Dutzend. Sie halten an, und eine harte Stimme sagt trocken: »Ihr bekommt Besuch, Jungs! Werdet nur nicht nervös! Ich bin Amos Lee von den Texas Rangers. Ich komme jetzt mit Mister William Haggerty zu euch ans Feuer. Es ist alles gesetzlich!«
Nach diesen Worten kommen zwei der Reiter aus der Nacht auf das Feuer zu, halten an und sitzen ab.
Einer der Männer ist massig und sehr schwer, aber er bewegt sich sehr geschmeidig und leicht. Es ist der Texas Ranger Amos Lee. Die drei Cowboys kennen ihn.
Der andere Mann ist klein, drahtig und schon bejahrt. Er trägt einen weißen Spitzbart und hat ein verwittertes Geiergesicht. Dieser Mann ist der Großrancher William Haggerty.
Er drängt jetzt ungeduldig: »Fangen Sie an, Mister Lee! Fangen Sie an!«
Der Ranger sagt nichts zu diesen Worten. Er wartet ruhig, bis Blinky Kendall und Pilldarlick Blake langsam hinzutreten. Er blickt die drei Cowboys der Reihe nach an und sagt schließlich sanft: »Es tut mir leid, Jungs. Doch der Viehzüchter-Verband hat hier in diesem County einige Verordnungen durchdrücken können. Es darf hier niemand mehr Mavericks jagen, der nicht zumindest drei Jahre als Rinderzüchter ansässig ist und nachweisbar über eine Stammherde verfügt. Ab sofort dürfen nur noch die ansässigen Rancher ungebrändete Rinder jagen oder jagen lassen. Die Rancher-Vereinigung hat dieses Land hier in Bezirke aufgeteilt. Für diesen Bezirk hat Mister William Haggerty das Recht auf jedes Rind. Er konnte nachweisen, dass er noch vor dem Krieg die ersten Rinder hier weiden ließ. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass sämtliche Mavericks Nachkommen seiner Stammherde sind. Daran ist nichts zu ändern, Jungs! Ihr habt eure Herde dort widerrechtlich auf der Weide von Mister Haggerty zusammengetrieben und …«
»Aber als wir das taten, war die Maverickjagd doch noch frei. Ein Maverick galt als besitzlos, und jeder Mann, der es einfing, konnte ihm seinen Brand aufbrennen!«
Blinky Kendall ruft die Worte empört, denn es entspricht seiner Art, sehr schnell hitzig und streitlustig zu werden.
»Die Verordnung in diesem County ist rückwirkend«, sagt der Texas Ranger ruhig. »Es ist noch nicht gesagt, dass sie lange Bestand und Gültigkeit haben wird, doch zurzeit ist sie hier Gesetz. Ihr müsst Mister Haggerty eure Rinder übergeben.«
»Und ich habe genügend Jungs mitgebracht, um sie mir auch mit Gewalt zu nehmen«, sagt Haggerty hart.
»Oh, zum Teufel …«, beginnt Blinky heftig und will auf William Haggerty los. Doch Sol Nicol hält ihn am Arm fest und brummt: »Nur ruhig, Blinky Boy, nur ruhig! Wenn die Rancher in diesem County hier stark genug waren, um solch ein schuftiges Gesetz zur Geltung bringen zu lassen, dann werden sie auch stark genug sein, um es auf einen Krieg mit den Maverickjägern ankommen zu lassen. Sie haben das Gesetz auf ihrer Seite. Sieh, dort steht Amos Lee, ein berühmter Texas Ranger, der nun zum Handlanger der Rinderkönige wird, die den Rindersegen nur unter sich allein aufteilen und mit keinem hungrigen Cowboy teilen wollen.«
Sol Nicols Stimme klingt spöttisch, bitter und fast höhnend. Und als er sagt: »Sieh, dort steht Amos Lee, ein berühmter Texas Ranger …«, da ist sogar ein Klang von Verachtung hörbar in seiner Stimme.
Der große Ranger Amos Lee runzelt auch sofort die Stirn. Sein breites, kantiges und sehr hart wirkendes Gesicht bekommt aber einen grimmigen Ausdruck. Er sagt aber noch sanfter als zuvor: »Ich kann eure Bitterkeit verstehen Jungs. Aber ihr solltet gegen mich nicht unfair werden. Geht zum Gouverneur oder zur gesetzgebenden Versammlung des Countys. Beschwert euch nur dort!«
»Kommen wir zur Sache«, sagt William Haggerty herrisch und ungeduldig. Er wendet sich an Pilldarlick Blake, der bis jetzt noch kein einziges Wort sagte, sondern nur dabei stand und zuhörte. Aber irgendwie wirkt dieser große, sehnige und hagere Texaner dennoch als der wichtigste und beachtenswerteste Mann dieses Cowboy-Kleeblatts. Seine schweigsame Zurückhaltung wirkt bedrohlich und warnend.
William Haggerty spürt das. Und so wendet er sich angriffslustig zu ihm und sagt: »Meine Leute übernehmen eure Herde. Es sind zwar ungebrannte Tiere, doch sie sind ganz logisch die Nachkommen meiner Stammherde. Ich übernehme mein Eigentum!«
Pill Blakes Stimme klingt lässig und schleppend.
»Man könnte sich darüber streiten, Mister. Man könnte fragen, warum Sie erst jetzt kommen, um diese Herde zu übernehmen. Warum kamen Sie nicht schon vor einigen Wochen, als wir nur wenige Tiere beisammen hatten? Warum ließen Sie uns erst wochenlang diese höllisch schwere Arbeit umsonst verrichten? Mister Haggerty, denken Sie, dass wir diese Arbeit umsonst verrichtet haben sollen?«
Seine Stimme wird zum Schluss noch sanfter, noch lässiger, noch schleppender. Ja, er ist der typische kühle und so gefährliche Texaner. Und seine Haltung wirkt nun gar nicht mehr lässig, sondern lauernd und bereit wie eine gespannte Stahlfeder.
William Haggerty betrachtet ihn schärfer, zögert einige Sekunden und entschließt sich dann: »Nein«, sagt er kurz, »ich will nobel sein. Ich will diese Sache nicht als Rinderdiebstahl ansehen. Ich will es so ansehen, als hättet ihr in meinem Auftrag die Rinder zusammengetrieben. Ich will euch Cowboylohn zahlen – den gleichen Lohn, wie ich ihn meinen Spitzencowboys zahle. Ich will keine Gewalttätigkeiten. Hier ist der Lohn für drei Männer, die zwei Monate gearbeitet haben.«
Er tritt vor und lässt einige Zwanzig-Dollar-Stücke in den leeren Kaffeekessel fallen, der neben dem Feuer steht. Es sind etwa fünf oder sechs Goldstücke, also hundert oder hundertzwanzig Dollar …
Ein Golddollar ist zu dieser Zeit in Texas so groß wie ein Wagenrad.
Aber die drei Maverickjäger können dennoch nicht zufrieden sein. Denn sie geben die Möglichkeit auf, dreitausend solcher Dollars verdienen zu können.
Pilldarlick Blake blickt William Haggerty an.
»Sie machen recht gute Geschäfte, Mister«, sagt er. »Sie haben das Gesetz hinter sich und kaufen für hundert Dollar ein, was in Kansas dreitausend Dollar wert ist. Es sind überall Maverickjäger tätig. Auf diese Art bekommen Sie eine große Treibherde zusammen, Mister.«
»Ich bin noch anständig.« Haggerty grinst. »Ich bezahle euch noch für eure Arbeit. Doch jetzt habe ich genug geredet! Gebt den Weg frei! Meine Leute übernehmen die Herde. Reitet lieber fort!«
Sol Nicol und Blinky Kendall blicken auf Pilldarlick Blake. Dies beweist, dass er in solchen Situationen ihr Führer ist, dass sie sich auf sein Urteil verlassen und sich seiner Entscheidung fügen. Ja, er ist der Kopf des Kleeblatts.
Pill blickt den Texas Ranger Amos Lee an, und er kennt diesen harten Gesetzesmann. Amos Lee hat einen besonderen Namen als Kämpfer. Er steht auch in der Rangordnung der Ranger ganz oben und ist für diesen Teil des Ein-Stern-Staates verantwortlich.
Pilldarlick weiß, dass er die ganze Rangertruppe gegen sich und seine Freunde haben würde, wenn er diesem Ranger-Lieutenant Amos Lee Schwierigkeiten macht.
Pilldarlick Blake entschließt sich. Er nickt: »Wir packen zusammen und reiten fort. Es dauert nicht lange. Aber drängt uns nicht! Tretet uns nicht länger auf den Zehen herum, sondern wartet, bis wir fertig sind.«
William Haggerty schnauft, und man hört eine gewisse Erleichterung aus diesem Schnaufen.
Er sagt dann: »Niemand bedrängt euch, nachdem wir uns geeinigt haben. Ich lasse vier meiner Reiter hier, die die Herde übernehmen. Und ich selbst reite mit meiner Mannschaft und Lieutenant Amos Lee weiter. Wenn es euch etwas tröstet, so nehmt zur Kenntnis, dass die Maverickjägermannschaft am Rosalia Creek in einigen Stunden ihre Herde an mich übergeben wird, genauso wie ihr hier. Es kommt niemand davon.«
Er geht nach diesen Worten zu seinem Pferd, sitzt auf und ruft einige Befehle.
Pill, Sol und Blinky aber betrachten den Ranger-Lieutenant Amos Lee. Der Ranger will schon fortreiten. Doch dann drängt er sein Pferd näher an die drei Maverickjäger heran. Er sagt vom Sattel aus zu ihnen: »Westlich des Pecos River gilt das Maverickgesetz nicht. Dort gibt es keinen Ranger, der dem Viehzüchterverband angeschlossen ist. Der Pecos River ist die Grenze. Westlich des Pecos ist die Maverickjagd noch frei. Und es sind genug Rinder dort drüben! Es werden in den nächsten Wochen viele Maverickjägermannschaften den Pecos durchfurten. Und wer zuerst kommt, nimmt sich das beste Jagdrevier. Viel Glück, Jungs!«
Er reitet nach diesen Worten davon. Er folgt William Haggerty und dessen Reitern, die schon davongeritten sind.
Vier Reiter der Haggerty-Mannschaft bleiben zurück. Sie halten sich abseits.
Sol Nicol blickt von Blinky auf Pill und von Pill auf Blinky.
»Man hat uns recht glatt und leicht reingelegt«, sagt er grimmig. Er geht zum Kaffeekessel, hebt ihn auf und nimmt das Geld heraus.
»Hundertzwanzig Dollar sind es – wie nobel!«, brummt er. »Man hat uns eine schwere Arbeit verrichten lassen, hat gewartet, bis sich die Sache lohnte. Und dann kam man mit einem Ranger und zog uns das Fell sauber und glatt über die Ohren.«
Er blickt Pill an: »Warum haben wir nicht gekämpft? Warum haben wir es den Schuften nicht gezeigt? Sind wir alte, kranke und zahnlose Hunde geworden, denen man einen mühsam erbeuteten Knochen stehlen darf, ohne dass sie auch nur einmal bellen oder es wagen, richtig zu knurren?«
Er hat sich nun richtig in Zorn geredet.
Blinky Kendall ist dies nur recht. Er wendet sich in die Richtung der vier wartenden Reiter der Haggerty-Mannschaft und öffnet schon den Mund, um etwas loszulassen, was bestimmt Verdruss gebracht hätte.
Doch Pilldarlick Blake sagt hart: »Nun Schluss damit! Packt die Sachen zusammen! Wir reiten nach Rosalia und schlafen in richtigen Betten. Wir werden uns dort vergnügen, nicht wahr?«
Er hat genau das Richtige gesagt. Obwohl er selbst einen bitteren und heißen Zorn spürt, den er nur schwer unter Kontrolle halten kann, obwohl er selbst keinerlei Wünsche nach Vergnügung und Spaß hat, die ihnen eine Stadt wie Rosalia bieten kann, hat er seinen beiden Freunden genau die richtige Idee in die Köpfe gesetzt.
Denn sie hatten schon seit vielen Monaten keinen Spaß mehr. Sie wissen schon gar nicht mehr, wie der Whisky schmeckt, wie ein Kartenspiel aussieht und wie das Lachen eines Mädels klingt.
Sie sind hungrig nach einigen kleinen Sünden.
☆☆☆
Sie reiten schon am anderen Morgen bei Sonnenaufgang aus der Stadt Rosalia.
Sol Nicol und Blinky Kendall sitzen nicht so in den Sätteln wie sonst. Sie wirken schief und krumm. Sie sind erst eine Stunde zuvor ins Hotel gekommen, haben also ihre Betten in dem Dreibettzimmer überhaupt nicht benutzt. Ihnen blieb nur ein wenig Zeit, ihre Köpfe in die mit kaltem Wasser gefüllten Waschschüsseln zu stecken, um wieder einigermaßen zu Verstand zu kommen.
Pill Blake sagte dazu kein Wort, und Sol und Blinky wussten, dass es besser für sie war, wenn sie den Mund hielten. Denn sie dachten daran, dass um Mitternacht in eine Saloonschlägerei gerieten, bei der eine Menge zu Bruch ging.
Der Marshal war schon wenig später bei Pill gewesen, und der hatte sein letztes Geld herausrücken müssen, sonst hätten seine beiden Freunde ein paar Wochen im Jail geschmort, wo sie schon saßen, nachdem der Marshal sie mit einem Dutzend Männern gebändigt hatte.
Pill hatte sie also freigekauft. Dennoch waren sie nicht mit ihm ins Hotel gegangen, sondern aus Zorn in einen anderen Saloon. Offenbar hatte Blinky nicht sein ganzes Geld herausgerückt, als es ans Bezahlen des Schadens ging.
Sie reden auch den ganzen Tag kein Wort.
Sie folgen Pilldarlick Blake jedoch, ohne zu zögern, und achten darauf, dass die sieben Reservepferde und das Packpferd nicht verloren gehen.
Als sie dann kurz vor Anbruch der Nacht an einem Bach anhalten und ein Camp aufschlagen, sagt Pill knapp: »Ihr werdet für die nächsten drei Monate abwechselnd Küchendienst machen. Ich habe es mir verdient, dass ihr mich drei Monate lang bedient wie den Präsidenten der Nation. Habt ihr etwas einzuwenden?«
Sie sind noch viel zu zerknirscht, viel zu müde und viel zu froh, in Freiheit zu sein, als dass sie protestieren.
Nur Sol fragt ganz zaghaft: »Wohin reiten wir überhaupt? Du hast uns den ganzen Tag nach Westen geführt. Dort vor uns muss der Pecos River fließen, nicht wahr?«
»Wir durchreiten ihn«, sagt Pill ruhig. »Wir gehen auf die andere Seite und jagen wieder Mavericks. Der Ranger Amos Lee gab uns einen guten Tipp. Wir versuchen es noch einmal! Oder habt ihr etwas dagegen? Oder seid ihr schlauer als ich und wisst von einer anderen Möglichkeit, Geld zu verdienen?«
Sie schütteln die Köpfe.
Und Pill sagt dann noch: »Wenn wir noch dieses Jahr eine Herde nach Kansas bringen, so werde ich euch dann, wenn wir sie verkauft haben und das Geld in unseren Taschen klimpert, Ringe durch die Nasen ziehen und Leinen daran befestigen, die ich nicht aus der Hand gebe.«
»Oh, wenn ich mich wieder einmal an ein Mädel ranmache«, knirscht Sol, »dann …«