1,99 €
Am fünften Tag seines Ritts erreicht Morg Bannister jenen Pass, von dessen Wasserscheide er über das Land zu seinen Füßen blicken kann, weit, weit bis zu den Sweetwaters im Norden.
Es ist ein Land mit weiten Senken, mit Creeks und Seen, mit Hügeln, Wald und weiten Grasflächen.
Morg Bannister sitzt locker und gelöst im Sattel seines stämmigen Braunen.
Er ist nicht viel mehr als mittelgroß. Er ist auch nicht besonders breit in den Schultern. Und dennoch verrät sein ganzer Körper eine besondere Kraft, die nicht nur explosiv zur Wirkung kommen, sondern auch unwahrscheinlich ausdauernd sein kann. Seine leuchtend blauen Augen blicken ruhig und kühl und verraten nichts, gar nichts. Er ist rothaarig und trägt sein Haar sehr kurz. Sein schwarzer Stetson hängt am Sattelhorn. Sein Gesicht ist tiefbraun - eine Seltenheit bei Rothaarigen - und es ist auf eine männliche Art sogar fast hübsch. Einige Narben darin sind die Zeichen von Kämpfen ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 164
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Der rote Bannister
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto / Norma
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0516-5
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Der rote Bannister
Am fünften Tag seines Ritts erreicht Morg Bannister jenen Pass, von dessen Wasserscheide er über das Land zu seinen Füßen blicken kann, weit, weit bis zu den Sweetwaters im Norden.
Es ist ein Land mit weiten Senken, mit Creeks und Seen, mit Hügeln, Wald und weiten Grasflächen.
Morg Bannister sitzt locker und gelöst im Sattel seines stämmigen Braunen.
Er ist nicht viel mehr als mittelgroß. Er ist auch nicht besonders breit in den Schultern. Und dennoch verrät sein ganzer Körper eine besondere Kraft, die nicht nur explosiv zur Wirkung kommen, sondern auch unwahrscheinlich ausdauernd sein kann. Seine leuchtend blauen Augen blicken ruhig und kühl und verraten nichts, gar nichts. Er ist rothaarig und trägt sein Haar sehr kurz. Sein schwarzer Stetson hängt am Sattelhorn. Sein Gesicht ist tiefbraun – eine Seltenheit bei Rothaarigen – und es ist auf eine männliche Art sogar fast hübsch. Einige Narben darin sind die Zeichen von Kämpfen …
Etwa zwei Stunden später kommt er aus einem Canyon heraus auf die Ebene und gelangt bald darauf an einen Creek. Auf der anderen Seite der Furt steht eine Weidehütte. Ein Feuer brennt davor.
Die Sonne ist im Westen längst hinter den Bergen versunken. Die Schatten wurden lang und tief.
Morg Bannister reitet in die Furt des Creeks. Er hält an und lässt es zu, dass sein Brauner einige Maulvoll Wasser nimmt.
Er blickt hinüber zum anderen Ufer und auf die Weidehütte. Auf dem Uferrand taucht ein Mann auf, der ein Gewehr unter dem Arm trägt. Und dieser Mann sagt: »Kommen Sie nicht auf diese Seite. Hier beginnt das Land der Diamant-Viehzuchtgesellschaft. Nachts lassen wir keine Fremden auf der Straße durch dieses Land reiten.«
»Aber es ist keine Privatstraße der Diamant-Viehzuchtgesellschaft, nicht wahr?«, fragt Morg Bannister sanft. »Und dort im Norden soll es eine Stadt geben. Ich möchte auf dem kürzesten Wege hin.«
»Bis nach Signal sind es noch dreißig Meilen«, sagt der Mann vom Uferrand wieder. »Und wenn Sie heute den ganzen Tag unterwegs waren, schafft Ihr Pferd das gar nicht mehr. Bleiben Sie nur auf der anderen Seite des Creeks. Wir lassen während der Nacht keine Fremden auf unserer Weide herumreiten. Bleiben Sie drüben. Morgen früh lasse ich Sie durch.«
Morg Bannister erwidert nichts, doch er zieht sein Pferd herum, reitet ans andere Ufer zurück und etwas abseits, wo er sofort einen günstigen Lagerplatz findet.
Bald darauf grast sein Pferd zwischen einigen Bäumen und sein Kochfeuer brennt. Morg Bannister isst ein ziemlich karges Abendbrot. Er raucht dann und trinkt noch Kaffee.
Drüben bei der Weidehütte brennt ein großes Feuer, welches die Furt beleuchtet. Und dies ist sicherlich so gewollt.
Morg Bannister legt sich unter einem Baum zur Ruhe, und sein Pferd kommt herbei, steht noch eine Weile da und streckt sich dann neben ihm aus wie ein treuer Hund.
Morg Bannister schläft ein, weiß er doch, dass ihn sein kluges Pferd bestimmt wecken würde, sollte sich etwas Außergewöhnliches ereignen. Denn dieser Wallach, den Morg Bannister stets mit »Mister Brown« anredet, ist so wachsam wie ein Hund.
Und so vergehen dann einige Stunden. Mitternacht ist längst vorbei.
Dann kracht drüben jäh und scharf ein Schuss.
Für eine Sekunde ist alles still im Land.
Die Coyoten, die den Mond anheulen, verstummen. Irgendwo raschelt es in den Büschen, wo sich all das kleine Nachtgetier herumtreibt. Alles ist still und hält den Atem an, um zu lauschen.
Auch Morg Bannister und sein treuer Mister Brown lauschen.
Und da hören sie es. Auf der anderen Seite, wo noch ganz leise das Prasseln des großen Feuers zu hören ist, stöhnt ein Mann sehr schmerzvoll und bitter. Dann fällt der Mann mit einem deutlich zu hörenden Aufschlag zu Boden.
Morg Bannister springt auf und hält seinen Revolver in der Hand, bleibt jedoch in Strümpfen. Er gleitet von seinen Decken fort und noch mehr unter die Bäume und in deren Schatten. Und so verharrt er dann, lauscht und wartet.
Bald kann er etwas hören. Es kommt schnell näher. Es sind Geräusche, die typisch sind in ihrer Art und die einem Rindermann und Cowboy sofort Aufschluss über das Spiel geben, welches dort drüben gespielt wird – und zwar auf die raue und harte Art.
Es ist eine Herde, die Morg Bannister hört – eine Rinderherde. Diese Herde wird schnell getrieben, denn durch das Getrampel der Hufe und das Gegeneinanderklappern der Hörner kann er das Klatschen der Bullpeitschen und Lassoenden und die scharfen Schreie der Treiber hören.
Er handelt nun schnell. Er zieht die Stiefel an, packt sein Bündel, sattelt sein Pferd und sitzt wenige Minuten später im Sattel. Er hält sich unter den Bäumen verborgen und wartet.
Drüben kommt die Herde heran, biegt um Weidehütte und Feuer und wird von den Treibern den Uferhang hinunter zum Wasser getrieben. Dies alles geht schnell und glatt, denn die Treiber verstehen ihre Arbeit und benutzen mitleidlos die Bullpeitschen.
Es handelt sich um etwa hundertfünfzig Rinder, die von sieben oder acht Reitern getrieben werden.
Als Herde und Reiter schon ein Stück entfernt sind und die Geräusche hinter den nächsten Bodenwellen leiser werden, da kommt noch ein einzelner Reiter durch den Creek. Als er diesseits ist, hält er an und lauscht zurück. Morg weiß, dass dieser Reiter die Nachhut ist und auf Verfolger achtet.
Der Mond scheint hell und silbern, so hell, dass man Zwirn in eine Nadel fädeln könnte.
Und der Reiter nimmt seinen Hut ab und wischt mit dem Hemdsärmel über Stirn und Gesicht. Sein Pferd dreht sich etwas, und so kann Morg Bannister das Gesicht des Mannes erkennen.
Als er es gesehen hat, entschließt er sich sofort.
Er sagt laut: »Eines Tages wird man dich erwischen, Virg! Und das Schlimme daran ist, dass es nicht einmal besonders schade um dich wäre. Nicht wahr?«
Beim ersten Klang von Morgs Stimme riss der Reiter einen Revolver heraus und duckte sich im Sattel. Dann lauschte er.
Und nun richtet er sich wieder auf, späht hinüber in das Dunkel unter den Bäumen und sagt halblaut: »Morg, wenn du das bist, dann war es sehr unvorsichtig und überdies noch ein schlechter Scherz.«
Morg Bannister reitet langsam aus dem Schatten heraus und nähert sich dem Viehdieb. Er hält sein Pferd erst an, als er dicht bei ihm ist, und ihre Pferde stehen nun so, dass sie sich gegenseitig die Schweife um die Nasen schlagen können.
Morg blickt den Mann an, der sein Bruder ist.
»Wir haben uns eine Weile nicht gesehen, Virg, nicht wahr?«, murmelt er.
Virg Bannister steckt seinen Revolver endlich fort. Und er zeigt lautlos lachend zwei blitzende Zahnreihen. Er ist ein dunkler Typ, verwegen und indianerhaft.
»Es ist länger als ein Jahr her«, sagt er. »Und es war drüben in den Schwarzen Bergen, in Deadwood, nicht wahr?«
Dann schweigen die beiden Brüder einige Sekunden lang, betrachten sich und denken nach. Sie besitzen jeder für sich eine Art Ruhm, nur ist dieser Ruhm bei Virg bitter und fragwürdig.
Virgil Bannister, genannt Black Bannister, befindet sich schon lange nicht mehr innerhalb des Gesetzes.
Und sein älterer Bruder Morgan, genannt Red Bannister, besitzt den ebenfalls fragwürdigen Ruf eines Revolverkämpfers und Kopfgeldjägers, der seinen Revolver auch manchmal für einen hohen Betrag an bestimmte Auftraggeber vermietet. Aber Morg steht nicht außerhalb des Gesetzes. Auf seinen Namen wurden noch keine Steckbriefe ausgestellt.
»Bist du zufällig in diesem Land?«, fragt Virg schließlich.
»Nein«, erwidert Morg ernst. »Mir wurde ein Angebot gemacht. Wessen Vieh stiehlst du eigentlich, Virg? Das der Diamant-Viehzuchtgesellschaft oder das der kleinen Rancher?«
Als er es gefragt hat, zeigt sein wilder Bruder wieder auf seine lautlose Art lachend die Zähne.
»Vieh ist Vieh«, sagt Virg dann. »Aber wenn sich die kleinen Rancher gegen die mächtige Viehzüchtergesellschaft behaupten wollen, werden sie sich mit mir verbünden müssen. Sie haben keine andere Wahl. Wusstest du, dass ich hier in diesem Land bin, Morg?«
Dieser nickt leicht. »Man schrieb es mir. Man teilte mir mit, dass du hier eine Bande führst und immer schlimmer wirst. Manche Menschen hier halten dich für eine Plage Gottes, und sie gäben viel dafür, wenn du aus dem Land reiten würdest.«
»Sie würden dir das ›Viele‹ geben, nicht wahr?«, fragt Virg, und nun liegt ein aufsässiger und herausfordernder Spott in seiner Stimme. »Sie haben meinen großen Bruder hergerufen, damit er mich aus dem Land jagt?«
»So ähnlich denken sich die Leute die Sache«, nickt Morg. »Und es ist gut, dass ich dich gleich hier bei meiner Ankunft treffe. Der Mann dort drüben ist wohl tot?«
»Er hätte uns mit seinem Gewehr schaden können«, erwidert Virg mit etwas heiserer Stimme. »Jesse Scoggins hat ihn wohl getötet.«
»Eines Tages«, murmelt Morg, »wird Jesse Scoggins an einem Strick hängen. Und einige seiner Freunde werden neben ihm hängen. Denn Jesse Scoggins ist ein besonders schlimmer Mordbandit. Du reitest immer noch mit ihm, Virg? Ich warnte dich schon vor Jahren vor Scoggins. Wenn man ihn hängt, wirst du neben ihm baumeln.«
»Vielleicht«, erwidert Virg kalt. »Doch zuvor ist das Leben noch voll schöner Dinge. Was ist sonst noch, Morg?«
»Ich weiß nicht, ob ich den Auftrag annehmen werde«, spricht Morg Bannister ruhig. »Die kleinen Rancher wollen meine Hilfe. Wenn ich mich auf ihre Seite stelle, werde ich es dich wissen lassen, Bruder. Und von dieser Stunde an wirst du meinen Auftraggebern auf keinerlei Weise mehr irgendwelchen Schaden zufügen.«
Er verstummt.
Aber Virg fragt hart: »Oder?«
Morg bewegt sich im Sattel. »Nun, ich will dir etwas sagen, Virg, etwas, was du wissen und nicht vergessen solltest. Du taugst nichts, gar nichts! Und vor einigen Jahren, da hast du mich bestohlen und belogen. Wärst du nicht mein kleiner Bruder gewesen, hätte ich dich getötet. Vielleicht hätte ich es sogar dennoch getan, wenn ich dich sogleich gefunden hätte. So aber vergingen Monate, und mein Zorn kühlte sich ab. Als ich dich später traf, habe ich dich nicht einmal verprügelt. Doch das bedeutet nicht, dass ich dir verziehen habe. Was du mir damals antatest, kann kein Mann verzeihen. Und deshalb hüte dich, Virg. Ich reite meinen Weg. Bleib mir aus diesem Weg. Du bist nicht unschuldig daran, dass ich so wurde, wie ich jetzt bin. Hast du mich genau verstanden?«
Virg nickt. »Es sprach der große Bruder«, sagt er. »Doch merk dir eines, Rotkopf! Ich war schon vor dir hier! Du bist in mein Revier gekommen. Wenn du etwas in Gang bringst, was meinen Interessen zuwider ist oder mir aus irgendwelchen Gründen nicht gefällt, nun, dann …«
Er spricht die Drohung nicht bis zu Ende aus. Doch seine Rechte fällt klatschend auf den Oberschenkel nieder.
Dann lauscht er einige Sekunden lang über den Creek, zieht sein dunkles Pferd herum und reitet ohne ein weiteres Wort davon. Er folgt der Herde, deren Geräusche längst hinter den Hügeln verklangen.
Morg blickt dem jüngeren und so wilden Bruder nach. Und nun steigt all die Bitterkeit wieder in ihm auf. Er denkt an jene Zeit zurück, da er mit Virg zusammen eine kleine Ranch besaß und heiraten wollte. Oh, das ist nun schon mehr als sechs Jahre her. Wenn er etwas Glück gehabt hätte, wäre er heute ein gar nicht so unbedeutender Rancher. Und er hätte vielleicht sogar schon Kinder. Reva wäre seine Frau. Er denkt manchmal noch an Reva, die fast seine Frau geworden wäre.
Was aber ist er jetzt?
Ein Revolvermann!
Nein, er kann Virg nicht die Schuld geben, dass er ein Revolvermann wurde. Denn jeder Mensch ist sein eigener Hüter.
Und doch – was wurde damals aus Reva Payne?
Er bricht seine Gedankengänge ab und reitet durch den Creek. Er sitzt am anderen Ufer ab und untersucht den Mann, der nicht weit von der Hütte entfernt am Boden liegt.
Als er herausfindet, dass der Mann noch lebt, zögert er nicht länger. Er geht in die Hütte hinein und holt eines der beiden Bettgestelle heraus. Er stellt es neben das Feuer und in den Schutz der Hütte. Denn die Nacht ist klar und lind. In der Hütte aber ist es muffig und dumpf. Ein verwundeter Mann liegt besser in der warmen Nachtluft des Wyoming-Sommers.
Morg Bannister tut, was er kann. Es ist nicht viel, und doch rettet er dem Niedergeschossenen gewiss das Leben. Denn er bringt die Blutung zum Stillstand. Er verstopft Ein- und Ausschussloch und legt den ersten Notverband an.
Dann blickt er zum Himmel im Osten, und dort erscheint nun das Grau der Morgendämmerung.
Morg Bannister kocht Kaffee, und er findet in der Hütte Speck, Brot und Salz. Als er mit dem Frühstück fertig ist, wartet er immer noch und raucht. Einmal seufzt der Verwundete, erwacht jedoch immer noch nicht aus der Bewusstlosigkeit.
Endlich, als die Sonne aufgeht, hört Morg Hufschlag. Es ist eine ganze Mannschaft, und sie kommt auf der Fährte der Rinderdiebe daher wie eine Hundemeute auf der Jagd nach dem Fuchs.
Morg Bannister steht ruhig an der Ecke neben der Hütte und erwartet sie. Es sind ein Dutzend, und sie sind hartbeinig und rau. Und sie werden angeführt von einem Vormann, der so wirkt, als könnte er es mit drei Männern zur gleichen Zeit aufnehmen und als tränke er Whisky zum frühen Morgen und brauchte auch im kältesten Winter keine warme Jacke.
Von diesem Mann hat Morg schon gehört. Wess Meredith hat sich als Herdenführer auf dem Chisholm Trail einen Namen als harter und unbezwingbarer Bursche gemacht, der keinem Kampf aus dem Weg geht und einige Dutzend wilder Burschen mit der bloßen Faust bändigen kann.
Er betrachtet Wess Meredith.
Und dieser betrachtet ihn vom Sattel aus und wirft einen schnellen Blick auf das hier draußen aufgestellte Bett mit dem Verwundeten darauf.
Dann fragt er kurz: »Was ist das?«
Morg erklärt es ihm. »Ich wollte gestern über den Creek. Doch ich durfte nicht. Der Wächter ließ mich nicht herüber. Ich lagerte dort drüben. Später hörte ich einen Schuss, und eine Rinderherde kam durch den Creek. Ich hatte mich in den Schatten der Bäume zurückgezogen. Als es ruhig wurde, kam ich herüber. Ich fand diesen Mann noch lebend und sorgte für ihn. Ich dachte mir, dass bald jemand kommen würde. Er muss zu einem Arzt. Ich konnte die Blutung nur stillen. Aber er wird Wundfieber bekommen. Die Wunde wird sich vielleicht auch entzünden.«
Wess Meredith nickt.
»Name?«, fragt er barsch.
Doch dann zwinkert er kurz mit den Augen, als Morg ruhig zu ihm sagt: »Morgan Bannister ist mein Name, Wess Meredith. Sonst noch etwas?«
Wess Meredith starrt vom Pferd aus auf Morg nieder, hart und kalt. Sein Blick gleitet bis zu Morgs Stiefelspitzen und wieder herauf. Er bleibt einen Moment auf Morgs Revolver gerichtet.
Dann sagt Wess Meredith ruhig: »Wenn es so ist, Morg Bannister, dann bleiben Sie sicherlich im Land, nicht wahr? Und dann sehen wir uns ja noch.«
Er beachtet ihn nun nicht mehr, sondern gibt zwei Reitern den Befehl, für den Verwundeten zu sorgen. Dann reitet er mit seinem Rudel zum Creek hinunter und folgt der gestohlenen Herde.
Die beiden zurückbleibenden Cowboys nicken Morg Bannister zu.
»Da hat Tim Jacks aber Glück gehabt«, sagt der eine Mann langsam. »Die Bande hat ihn also zusammengeschossen und ihn liegen lassen. Er wäre verblutet.«
Dann schweigen sie, betrachten Morg, und dann fragt der andere Mann ruhig und höflich: »Wenn Sie Morg Bannister sind, nun, dann sind Sie Red Bannister und Virg Bannisters Bruder, nicht wahr?«
Morg nickt. Er geht zu seinem Pferd, zieht den Sattelgurt fester, sitzt auf und reitet davon.
Die beiden Cowboys der Diamant-Viehzuchtgesellschaft blicken ihm schweigend nach. Erst als er hinter einer Bodenwelle verschwunden ist, sagt einer: »Wenn der im Land bleibt, werden einige Leute eine Menge Kummer bekommen. Das ist Red Bannister, der große Bruder von Virg Bannister, den sie Black Bannister nennen. Sie mögen sich nicht, die beiden Brüder. Es gibt da einige Geschichten – na, ich möchte wissen, aus welchem Grund Morg Bannister ins Land gekommen ist.«
☆☆☆
Morg erreicht die Stadt Signal am späten Mittag.
Er reitet bis zum Ende der Mainstreet und findet dort neben einer Schmiede den Mietstall. Er stellt sein Pferd unter, nimmt sein Bündel und geht zum Hotel. Wenig später geht er zum Barbier, lässt sich die Haare schneiden und rasieren und steigt dann für eine halbe Stunde in eine Holzwanne voll heißen Wassers.
Als er am späten Nachmittag wieder auf die Straße tritt, trägt er ein frisches grünes Hemd.
Er geht in den Rancher Saloon, denn ein Schild, welches neben der Schwingtür befestigt ist, verkündet, dass es hier kalten Frei-Imbiss gibt, wenn die Zeche nicht unter Ein-Dollar-Fünfzig liegt.
Morg bedient sich am Imbisstisch. Er nimmt kaltes Bratfleisch, Brot, zwei gekochte Eier und eine eingelegte Gurke.
Es ist still geworden. Die Gäste betrachten ihn. Er nimmt sich Zeit und tritt an den Schanktisch. Dort legt er zwei Dollar hin und verlangt ein Bier und eine gute Zigarre, trinkt das Bier und geht dann wieder hinaus. Nun schlendert er wieder durch die Stadt Signal. Er sieht sich alles an, prägt sich die Lage der Häuser ein und folgt auch einigen Gassen bis zu deren Ende.
Die Sonne sinkt. Er kehrt zum Hotel zurück. Und als er sich den Schlüssel zu seinem Zimmer vom Brett nimmt, taucht der Portier auf und sagt: »Mister, Sie werden gebeten, ins Hinterzimmer zu kommen. Man erwartet Sie dort.«
Morg nickt. Er dachte sich schon, dass jene Leute, die ihn kommen ließen, inzwischen auf ihn warten würden.
Er folgt dem Portier und tritt bald darauf in das Hinterzimmer ein. Vier Männer erheben sich höflich und betrachten ihn. Sie nickten ihm zu und nehmen wieder Platz.
»Ich bin Lige Graham«, sagt einer der vier Männer. »Ich war es, der Ihnen die langen Briefe schrieb. Und dies ist Jim Britt. Das ist Sam Angus. Und dieser Gentleman ist Sullivan Lombard, der hier die Bank besitzt.«
Er macht eine Pause und sagt dann, nachdem sich die Männer zugenickt haben: »Sie sind schnell gekommen, Mister Bannister. Und ich möchte noch einmal wiederholen, was wir von Ihnen erwarten und was wir für Ihre Dienste zu geben bereit sind, wenn Sie den Job annehmen.«
Morg Bannister nickt leicht. Er setzt sich, faltet die Hände im Schoß und dreht langsam die Daumen untereinander.
»Nun gut«, sagt er. »Die Diamant-Viehzuchtgesellschaft will auch auf diese Seite des Creeks. Sie will sich noch weiter ausdehnen. Man hat versucht, Sie, Gentlemen, aufzukaufen. Doch Sie wollten nicht. Sie alle möchten Ihre Ranches behalten, und Sie denken auch nicht daran, Ihre Wasser- und Wegerechte abzugeben. Sie wollen sich nicht von der Gesellschaft aus dem Lande drücken lassen. Doch Sie sind den Revolvermännern der Viehgesellschaft nicht gewachsen. Ihre Reiter kündigen den Dienst, und das Übergewicht der Diamant wird immer größer. Und nun wollen Sie mich anwerben, damit ich das Gleichgewicht der Kräfte im Land wiederherstelle. Sie glauben daran, dass Red Bannister ein ganzes Rudel Revolverschwinger ausgleichen könnte. Und Sie erwarten von mir, dass ich auch meinen jüngeren, wilden und missratenen Bruder davon abhalten kann, dass er Ihr Vieh stiehlt. Sie haben genügend Ärger mit der Diamant und möchten nicht auch noch mit den Viehdieben Kummer haben. Das ist doch wohl so ziemlich alles, was Sie von mir erwarten?«
Sie nicken nacheinander.
Dann sagt Lige Graham ruhig: »Und wir zahlen Ihnen auch den Preis dafür. Wir überschreiben Ihnen jeder ein Stück Land. Auch die Bank besitzt Land und beteiligt sich an dieser Übereignung. Wir besetzen dieses Land auch mit Rindern, pro Hektar etwa mit einem Dutzend Tieren. Wir machen Sie zu unserem Nachbarn, und so kämpfen Sie nicht für Revolverlohn, sondern wie wir alle um …«
»Schon gut«, unterbricht ihn Morg. »Ich komme morgen zu Ihnen hinaus und sehe mir das Land an, welches Sie mir übereignen wollen. Bis dahin treffe ich noch keine Entscheidung.«