G. F. Unger Western-Bestseller 2489 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2489 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es war an einem Spätnachmittag, als ich die beiden Weaver-Brüder beim County Sheriff ablieferte. Sie waren die letzten Mistkerle einer Bande, hinter der ich länger als ein halbes Jahr her gewesen war. Denn sie hatten sich getrennt. Ich musste sie Mann für Mann aufspüren.
Nur die beiden Weaver-Brüder waren beisammen geblieben.
Ich hatte sie anschießen müssen, aber sie hatten noch reiten können. Sonst hätte ich sie quer über den Sätteln transportieren müssen.
Aber das hätte mir nichts ausgemacht, denn sie waren Mörder, hatten meine Familie ausgelöscht, und nur weil ich sie hängen sehen wollte, lieferte ich sie lebendig ab.


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Seitenzahl: 153

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Aufgebot des Teufels

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Salvador Faba / Norma

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0602-5

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Aufgebot des Teufels

Es war an einem Spätnachmittag, als ich die beiden Weaver-Brüder beim County Sheriff ablieferte. Sie waren die letzten Mistkerle einer Bande, hinter der ich länger als ein halbes Jahr her gewesen war. Denn sie hatten sich getrennt. Ich musste sie Mann für Mann aufspüren.

Nur die beiden Weaver-Brüder waren beisammen geblieben.

Zwar hatte ich sie angeschossen, doch sie hatten noch reiten können. Sonst hätte ich sie quer über den Sätteln transportieren müssen.

Aber das hätte mir nichts ausgemacht, denn sie waren Mörder, hatten meine Familie ausgelöscht, und nur weil ich sie hängen sehen wollte, lieferte ich sie lebendig ab.

Wir hockten noch in den Sätteln vor dem Office des County Sheriffs.

Die beiden Weavers fluchten. Sie verwünschten mich, wie man einen Mann nur verwünschen konnte, der einen zum Henker brachte.

Bill Weaver sagte heiser: »Wenn wir im Jenseits sind, werden wir nicht nur auf dich spucken, sondern auch auf dich warten. Eines Tages wirst auch du in der Hölle landen. Darauf kannst du dich verlassen. Dein Hass wird dich in die Hölle bringen.«

Sein Bruder Jim aber sagte: »So wird es kommen, Bruder Bill, so wird es kommen. Der ist von seinem Hass vergiftet. Das bringt ihn eines Tages um.«

Indes hatten sich einige Neugierige versammelt.

Und der County Sheriff Jedson Ballard trat aus dem Office.

Er warf einen Blick auf die beiden Weavers und sah dann zu mir hoch. »Das sind die letzten der Bande, nicht wahr, Noah Hall?«

So fragte er mich. Und Noah Hall, dies war der Name, den ich trug.

Ich nickte stumm und ließ die Enden der beiden Leinen fallen, an denen ich die Pferde der Weavers mitgezogen hatte. Dann setzte ich mein Pferd in Richtung Mietstall in Bewegung. Mein Wallach und ich, wir waren müde und ausgebrannt. Ich hatte drei Tage und drei Nächte kaum ein Auge zugemacht.

In mir war eine bittere Genugtuung. Gewiss, ich hatte meine Frau und meine beiden Söhne nicht lebendig machen können durch die Vernichtung der Bande. Doch auch die beiden letzten dieser Mörder würden nun baumeln. Mein Hass würde sich legen. Und so würde ich eines Tages gewiss wieder ein normaler Mensch werden.

Der Stallmann nahm mir wortlos das Pferd ab. Als ich ging, murmelte er hinter mir her: »Gut gemacht, Mister Hall, gut gemacht.«

Ich wandte mich nicht um, ging aus dem Hof des Mietstalls und erreichte nach etwa hundert Schritten das Hotel.

Sarah Dillinger stand hinter dem Anmeldepult. Sie hatte auf mich gewartet und reichte mir nun den Schlüssel zu einem Zimmer.

»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Noah?«, fragte sie ruhig. Ihre Stimme hatte einen kehligen Klang. Sie war eine rassige Frau in meinem Alter, die das Leben kannte, und immer wenn ich in ihre Augen sah, erkannte ich, dass ich sie hätte haben können, wenn ich es nur gewollt hätte.

Doch sie hatte sich nie angeboten, zumal sie ja auch wusste, dass ich meine Frau liebte und zwei Söhne hatte.

»Nichts, Sarah, nichts können Sie jetzt für mich tun«, murmelte ich über die Schulter zu ihr zurück, indes ich die Treppe nach oben stieg. »Ich muss hundert Jahre schlafen.«

»Gut, Noah, gut«, hörte ich sie leise hinter mir sagen. »Schlafen Sie lange, Noah. Und dann beginnen Sie Ihr Leben neu.«

Aber ich gab ihr keine Antwort, erreichte das Zimmer mit der Nummer fünf und trat ein. Nach drei Schritten erreichte ich das Bett und ließ mich, so wie ich war, bäuchlings darauf fallen.

Und indes ich in bodenlose Tiefen fiel, hörte ich noch einmal ihre Worte: »Schlafen Sie lange, Noah. Und dann beginnen Sie Ihr Leben neu.«

Aber würde ich das können?

Nun, ich fiel also in bodenlose Tiefen.

✰✰✰

Als ich erwachte, fiel die Morgensonne schräg durch das Fenster in mein Zimmer. Es musste etwa acht Uhr sein. Also hatte ich fünfzehn Stunden geschlafen.

Ich erinnerte mich, dass ich mitten in der Nacht mal wach wurde und mich im Halbschlaf noch auskleidete, um es bequemer zu haben.

Nun lag ich im Unterzeug im Bett.

Sarah Dillinger kam herein, trug ein Tablett mit dem Frühstück vor sich her und setzte es auf dem Tisch ab.

»Ich dachte mir, Noah«, sprach sie, »dass Sie jetzt wach sein müssten. Denn kein Mann kann hundert Jahre schlafen. Stehen Sie auf. Frühstücken wir zusammen.«

Sie sagte es sehr entschlossen.

Doch ich erwiderte: »Sarah, ich stinke gen Himmel. Ich kam eine Woche lang nicht aus meinen Zeug heraus. Ich stinke auch nach Pferd. Warum wollen Sie das ertragen?«

Sie lachte leise. »Ja, Sie riechen wie ein Mann, der von einer langen Fährte endlich heimgekommen ist. Das ist natürlich. Es kann gar nicht anders sein. Aber für mich stinken Sie nicht. Sie riechen wie ein Mann nach einem langen Reiten. Stehen Sie auf. Ich habe hier Kaffee, frische Biskuits, Eier mit Speck und Ahornsirup. Oder haben Sie keinen Hunger?«

Ich setzte mich auf und schwang die Beine aus dem Bett. Dann hielt ich inne und sah auf Sarah.

»Was wollen Sie?«, fragte ich.

Sie ließ mich einige Atemzüge lang auf ihre Antwort warten.

Doch dann erwiderte sie: »Ich will dir helfen, Noah, dein Leben neu zu beginnen. Es muss immer mal ein Ende und einen neuen Anfang geben. Ich will dir helfen. Oder willst du mich nicht? Du kannst mich haben, ohne mir danach etwas schuldig zu sein. Du hast immer gewusst oder zumindest gespürt, dass du mich haben konntest. Doch das konnte nicht geschehen, weil du deine Frau liebtest. Doch jetzt ist sie tot. Du hast sie und deine Söhne gerächt. Es ist vorbei. Fange neu an! Ich will dir beim Vergessen helfen. Also?«

Sie fragte es zuletzt hart.

Ich erhob mich endlich vom Bettrand und stand in meinem roten Unterzeug vor ihr. Sie betrachtete mich fest und ließ erkennen, dass mein Anblick ihr nichts ausmachte. Sie wollte mich tatsächlich so, wie ich war. Und da begriff ich, dass sie mir wirklich helfen wollte bei einem Neubeginn.

Was vorbei war, war vorbei.

Und so trat ich an den Tisch und setzte mich auf den zweiten Stuhl.

Nun spürte ich beim Anblick des Frühstücks auch meinen gewaltigen Hunger.

Sarah goss mir Kaffee ein. Sie hatte grüne Augen und schwarze Haare. Auf ihrer Nase und den hohen Wangenknochen gab es ein paar Sommersprossen. Ihre Lippen waren voll und lebendig. Dieser Mund konnte viele Empfindungen ausdrücken oder erkennen lassen. Sie war prächtig gewachsen. Ja, sie war eine Frau, von der fast alle Männer träumten.

Und ich würde sie bekommen.

So einfach war das plötzlich.

✰✰✰

Es war fast schon Nachmittag, als ich Sarah Dillingers Hotel verließ und mich auf dem Weg zum County Sheriff Jedson Ballard machte. Denn ich wusste, ich hatte noch ein Protokoll zu unterschreiben. Und auch ein Kopfgeld konnte ich kassieren. Dieses Kopfgeld war auf die Bande schon vor langer Zeit ausgesetzt worden, also noch vor dem Tag, da sie meine Ranch überfielen während meiner Abwesenheit und meine Familie umbrachten, nachdem sie zuvor meine Frau vergewaltigten.

Dieses Kopfgeld hatte ich mir verdient. Und ich würde es nehmen. Ich hatte die Bande ein halbes Jahr gejagt und zuvor meine kleine Ranch unter Wert verkauft, um frei zu sein für eine lange Jagd.

Ja, ich hatte ein Recht auf die Prämie.

Als ich eintrat ins Office, saß der Sheriff hinter seinem narbigen Schreibtisch. Sein alter Deputy stand an einem Tisch in der Ecke und reinigte die Gewehre, von denen ein ganzes Dutzend in einem Regal stand.

Der Sheriff deutete auf den Stuhl und sprach ruhig: »Da sind Sie ja, Noah Hall. Ich habe das Protokoll schon fertig. Sie können unterschreiben. Wollen Sie die ausgesetzten Prämien?«

»Sicher, die will ich«, erwiderte ich ruhig. »Ich hatte ein halbes Jahr kein Einkommen, nur Ausgaben. Allein fünf Pferde verlor ich unterwegs. Ja, ich will das Geld.«

Er nickte stumm.

Als ich unterschrieben hatte, schob er mir fünfhundert Dollar über den Tisch. Ich musste den Erhalt quittieren.

»Für die drei anderen Burschen der Bande haben Sie auch kassiert«, sprach er. »Ein armer Teufel sind Sie nicht.«

Er sah mir dann an, was mir auf der Zunge lag.

Und da hob er die Hände, zeigte mir seine Handflächen.

»Vergeben Sie mir, Noah Hall«, murmelte er. »Ich weiß, Sie haben mehr verloren, als man mit Geld aufwiegen kann. Meine Worte waren unklug. Ich sprach sie jedoch aus einem anderen Gedanken heraus. Männer wie Sie, die alles verloren und deshalb angefüllt sind mit Hass, werden Kopfgeldjäger. Sie verdienen dabei eine Menge Geld und können überdies noch Rache ausüben. Oder hassen Sie nicht all diese Burschen, die so sind wie die Weaver-Bande?«

Ich nickte stumm, steckte das Geld ein und wollte mich erheben, um zu gehen.

Er aber sagte: »Bleiben Sie noch sitzen, Noah Hall.«

Ich gehorchte und sah ihn fest an.

Und da sprach er langsam: »Noah Hall, ich habe einen Job für Sie.«

Ich schwieg und sah ihn wartend an. Und da sagte er es mir ganz ruhig: »Ich habe keinen Deputy mehr im Clearwater-Land. Man hat ihn dort erschossen – von hinten. Wollen Sie den Job? Er bringt nur achtzig Dollar ein im Monat. Und Sie bekämen eine Menge Ärger. Aber Sie können als Gesetzesmann aufräumen und wären kein Kopfgeldjäger.«

Ich zuckte mit den Schultern.

»Clearwater, das ist an die hundert Meilen weit von hier. Ich wäre verdammt allein, nicht wahr? Auf Sie könnte ich wohl nicht groß zählen?«

»Nein«, erwiderte er. »Ich habe hier am Pecos alle Hände voll zu tun. Ich kann nicht noch hundert Meilen von hier das Gesetz vertreten. Das müssten Sie tun. Der Distrikt gehört zu meinem County. Ich ließe Ihnen freie Hand. Wollen Sie?«

Er griff in die Schublade seines Schreibtisches und brachte einen Stern zum Vorschein, auf dem man die eingestanzten Worte lesen konnte:

DEPUTY SHERIFF

CLEARWATER DISTR.

Er sagte: »Das ist etwas anderes als Kopfgeldjäger. Noah Hall, ich rette Ihre Seele, versuche es zumindest.«

Ich starrte in seine Augen und erkannte in seinem Blick, dass er es wirklich so meinte. Denn ich wusste, wie man im Südwesten über Kopfgeldjäger dachte. Sie waren für viele Menschen Killer, die sich bezahlen ließen für die Menschenjagd.

Wollte er wirklich meine Seele retten?

Ich glaubte es ihm plötzlich.

Und so nahm ich den Stern, betrachtete ihn nochmals eingehend und steckte ihn mir an.

Dann erhoben wir uns. Denn ich musste nun den Eid schwören.

Eigentlich war alles ganz einfach. Jedenfalls sah es hier und jetzt so aus. Aber ich wusste längst, dass die scheinbar so einfachen Dinge mitunter gar nicht so einfach sind.

Aber vielleicht brauchte ich solch eine Herausforderung.

Und ich würde nicht hier in Pecos Bend bei Sarah Dillinger bleiben.

✰✰✰

Am nächsten Morgen saß ich noch einmal mit Sarah beim Frühstück. Noch einmal hatten wir die Nacht miteinander verbracht und uns gegenseitig mit allen Zärtlichkeiten beschenkt. Dann war sie in meinem Arm eingeschlafen, hatte sich am Morgen jedoch davongeschlichen und das Frühstück heraufgeholt.

Das Frühstück war prächtig, und dennoch schmeckte es mir nicht.

Sie las den Grund in meinen Augen und lächelte, wie nur eine erfahrene Frau nachsichtig lächeln kann. Dann sagte sie: »Ich habe mich dir gern geschenkt. Ja, ich wollte es, weil ich spürte, dass du dein Leben neu beginnen willst. Du bist mir nichts schuldig und kannst nun deines Weges reiten. Ich war einige Stunden glücklich in deinen Armen. Vielleicht sehen wir uns mal wieder.«

Nach diesen Worten erhob sie sich und ging hinaus.

Ich aber verspürte ein starkes Bedauern in mir und dachte einen Moment daran, bei ihr zu bleiben. Doch dann wurde mir klar, dass dies nicht meinem Charakter entsprochen hätte. Ich hätte mich wie eine Art Kuckuck in einem warmen Nest gefühlt. Nein, ich konnte nicht bleiben. Ich musste zu meinem neuen Job reiten.

Und so beendete ich das Frühstück allein und packte meine Siebensachen zusammen. Ich hatte mich am Vortag schon neu eingekleidet, mir auch vom Barbier die Haare schneiden lassen.

Eigentlich sah ich recht ordentlich aus, einem Sheriff angemessen.

Als ich mit meinem Gepäck – zwei vollen Satteltaschen und einer Sattelrolle – das Hotel verließ, da war Sarah unten nicht zu sehen.

Ich ging zum Mietstall.

Und dann ritt ich aus Pecos Bend nach Westen.

Ein Wagenweg führte zu den Sacramento Mountains hin. Und irgendwo in diesen Bergen lag Clearwater am Clearwater Creek.

Die knapp hundert Meilen konnte ich in zwei Tagen schaffen, wenn ich zäh genug ritt und jeden Tag zwölf Stunden im Sattel zu bleiben vermochte. Aber daran war ich gewöhnt, ebenso mein Wallach.

Ich befand mich nun westlich des Pecos, und der Fluss war zu dieser Zeit noch die Grenze von Recht und Ordnung. Denn westlich des Pecos herrschte das Gesetz des Stärkeren. Und so kam es darauf an, ob ich mit meinem Stern stark genug sein würde.

Nun, während ich den ganzen Tag ritt, dachte ich über dieses Land nach.

Sheriff Jedson Ballard hatte mir da etwas aufs Auge gedrückt, verdammt! Und er musste gewusst haben, dass ich nicht kneifen würde.

✰✰✰

Es war dann fast schon Abend, als ich Clearwater endlich zu Gesicht bekam. Der Ort lag in einem schönen Tal, in das aus allen Himmelsrichtungen Schluchten ihre Mäuler öffneten.

Und der Clearwater Creek durchfloss das Tal. Er kam aus einer Schlucht und verließ das Tal durch eine andere.

Alles war schön zu sehen im letzten Sonnenschein.

Ich verhielt auf dem Pass-Sattel eine Weile und sah mir von oben alles an. Es sah schön und friedlich aus. Reiter strebten auf Wegen der kleinen Stadt zu. Das Tal war fast kreisrund. Der Durchmesser mochte an die zehn Meilen betragen.

Ich würde erst in etwa einer Stunde unten sein können. Dann war die Sonne längst hinter den Bergen verschwunden. Die Lichter der kleinen Stadt würden mir den Weg weisen.

Was erwartete mich dort unten?

Das fragte ich mich jetzt.

Meinen Vorgänger hatte man von hinten erschossen. So viel wenigstens hatte mir der County Sheriff gesagt. Aber sonst hatte er mich nicht weiter informiert.

Ich zögerte immer noch, wollte nicht anreiten. Mein Instinkt warnte mich. Vielleicht sollte ich umkehren, dachte ich plötzlich.

Doch dann regte sich in mir der Trotz.

Ich hatte noch niemals gekniffen, war niemals weggelaufen, wenn es mulmig zu werden schien. Denn ich hatte längst begriffen, dass ein Wegläufer immer wieder weglaufen würde. Und das konnte kein Leben sein für einen Mann mit Stolz.

Und Stolz besaß ich, verdammt ja.

Als ich eine halbe Stunde später schon halb unten war, da stieß von rechts ein schmaler Reitweg – mehr ein Pfad – auf den Wagenweg, der mich abwärts führte.

Eine Reiterschar kam in der Dämmerung herangejagt. Sie tauchte plötzlich um eine Felsengruppe herum auf. Sie ritten offensichtlich um die Wette und stießen scharfe Schreie und Pfiffe aus. Vielleicht ging es darum, wer dort unten in der Stadt zuerst an der Theke stand.

Ich riss mein Pferd zurück, denn sonst hätten sie mich umgeritten mit ihrer Masse. Es waren sieben Reiter.

Einer brüllte im Vorbeijagen: »Mach Platz, du Arsch!«

Sie waren also eine raue Mannschaft, der man nicht in den Weg kommen durfte, wollte man keinen Ärger und Verdruss.

Ich ließ sie reiten. Wahrscheinlich würde ich früher oder später als Sheriff mit ihnen zu tun bekommen.

In mir stieg wieder Bitterkeit auf.

Langsam ritt ich weiter. Ich hörte noch lange ihre wilden Schreie und gellenden Pfiffe.

Nach einer Weile erreichte ich endlich die Talsohle. Es war nun fast schon Nacht. Vor mir waren die Lichter von Clearwater.

Ich ritt auf die Lichter zu und erreichte die ersten Hütten und Weidekoppeln, dann die Häuser und Corrals.

Der Mietstall mit dem Wagenhof lag rechts des Wagenwegs, der durch die kleine Stadt zur Mainstreet wurde.

Ich bog in die offene Einfahrt ein und hielt dann im Laternenschein vor dem offenen Stalltor.

Ein Mann kam heraus, der mit dem linken Bein hinkte.

Er fragte zu mir hoch: »Stallbox oder Corral für das Tier?«

»Stall«, erwiderte ich. »Und es muss gut abgerieben und versorgt werden.«

»Das kostet einen halben Dollar«, erwiderte er. »Sie sind fremd hier?«

»Noch«, erwiderte ich und saß ab. »Aber das wird sich schnell ändern.«

Als ich vor ihm stand, da staunte er mich an im Laternenschein.

Ich fragte: »Wer war die wilde Mannschaft, die vor mir in die Stadt ritt?«

»Und wer will das wissen?«, fragte er störrisch zurück.

Ich öffnete meine Jacke, schlug die linke Seite auf.

Und da sah er den Stern.

»Oooh«, stöhnte er, »wieder ein Sheriff! Auf unserem Friedhof liegen schon zwei. Das ist kein guter Job hier für einen Gesetzesmann.«

Ich grinste ihn an im Laternenschein, und ich wusste, wenn ich so grinste, da wirkte ich ganz und gar nicht freundlich. Leute, die ich so angrinste, die machten sich plötzlich Sorgen.

Das tat auch der Stallmann. Und als ich ihn fragte, wo das Sheriff's Office wäre, da beeilte er sich mit der Antwort und fügte hinzu: »Sir, da ist alles abgeschlossen. Doch unser Erster Stadtrat – es ist der Storehalter - hat den Schlüssel. Und die wilde Mannschaft, nach der Sie fragten, das ist Guy Savage mit seinen Jungs. Die leben auf der S-im-Kreis-Ranch in einem Seitental. Sonst noch Fragen, Sir?«

In seiner Stimme war ein Klang von Nachsicht, so als täte ich ihm leid und hätte er nicht um alles in der Welt in meiner Haut stecken wollen.

Ich sagte nichts mehr, nahm mein Gepäck und auch das Gewehr von meinem Pferd, verließ den Hof und wandte mich auf der Straße nach rechts.

Es gab einige Geschäfte, zum Beispiel die Sattlerei, den Barbierladen, den Schreiner und Leichenbestatter, ein Hotel – und dann erreichte ich den Store.

Schräg gegenüber war der Sacramento Saloon. Dort an der Haltestange standen die Sattelpferde der Savage-Mannschaft. Drinnen war Lärm, in den sich auch die Stimmen von Frauen mischten. Ein Klavier begann zu hämmern.

Ich verhielt einige Sekunden und witterte in die Runde. Ja, es war ein Wittern, man konnte es nicht anders bezeichnen.

Dies hier war jetzt meine Stadt, und sie war mir noch fremd. Ich kannte ihre Geheimnisse noch nicht, aber ich wusste, es gab welche. Denn jede Stadt, in der schon zwei Sheriffs starben, die hatte Geheimnisse.

Und so witterte ich also, versuchte die Strömungen zu spüren.

Doch bis auf den Lärm im Saloon war nichts, was außergewöhnlich auf mich wirkte.