G. F. Unger Western-Bestseller 2490 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2490 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Zuerst hatten wir meinen Bruder Kirby nach El Tuma geschickt. Da wir kein Geld mehr besaßen, mussten wir ihm etwas von dem Goldstaub mitgeben, den wir aus unserer Mine geholt hatten. Wir wussten genau, dass es zu beiden Seiten der Grenze gefährlich war, auch nur einen Fingerhut voll Gold zu zeigen.
Aber Kirby war einer von der Sorte, die einen überfüllten Saloon blitzschnell leerfegen konnten.
Nun, als wir ihn nach El Tuma schickten, damit er mit dem Goldstaub einige notwendige Einkäufe für uns machte, glaubten wir, dass er in drei Tagen wieder bei uns sein würde. Wir warteten also auf Kirbys Rückkehr ‑ auf Unterzeug, Tabak, Brandy und all die vielen anderen Dinge, die wir so dringend benötigten.
Als drei Tage herum waren, dachten wir, dass Kirby sich in El Tuma mit einem Mädchen vergnügen würde. Nun, das gönnten wir ihm. Am vierten Tag kam er immer noch nicht. Da glaubten wir an ein langes Pokerspiel, denn Kirby hatte schon mal drei Nächte und zwei Tage ohne Pause gepokert. Aber als er nach fünf Tagen immer noch nicht zur Mine kam, begannen wir uns um ihn zu sorgen. Und am sechsten Tag machte ich mich mit meinem Bruder Tom auf den Weg ...


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Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Townwölfe

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto / Norma

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0603-2

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Townwölfe

Zuerst hatten wir meinen Bruder Kirby nach El Tuma geschickt. Da wir kein Geld mehr besaßen, mussten wir ihm etwas von dem Goldstaub mitgeben, den wir aus unserer Mine geholt hatten. Wir wussten genau, dass es zu beiden Seiten der Grenze gefährlich war, auch nur einen Fingerhut voll Gold zu zeigen.

Aber Kirby war einer von der Sorte, die einen überfüllten Saloon blitzschnell leerfegen konnten.

Nun, als wir ihn nach El Tuma schickten, damit er mit dem Goldstaub einige notwendige Einkäufe für uns machte, glaubten wir, dass er in drei Tagen wieder bei uns sein würde. Wir warteten also auf Kirbys Rückkehr – auf Unterzeug, Tabak, Brandy und all die vielen anderen Dinge, die wir so dringend benötigten.

Als drei Tage herum waren, dachten wir, dass Kirby sich in El Tuma mit einem Mädchen vergnügen würde. Nun, das gönnten wir ihm. Am vierten Tag kam er immer noch nicht. Da glaubten wir an ein langes Pokerspiel, denn Kirby hatte schon mal drei Nächte und zwei Tage ohne Pause gepokert. Aber als er nach fünf Tagen immer noch nicht zur Mine kam, begannen wir uns um ihn zu sorgen. Und am sechsten Tag machte ich mich mit meinem Bruder Tom auf den Weg ...

Wenn unserem guten Kirby etwas zugestoßen sein sollte, dann war Tom genau der richtige Mann, um eine verfahrene Sache wieder in Ordnung zu bringen. Tom war mit seinen dreißig Jahren der älteste männliche Starret. Während des Krieges hatte er es bis zum Captain in der Texas-Brigade gebracht, und wenn er auch so hart und stark wie Kirby war, so galt er doch als der Ruhigste und Bedächtigste von uns, ein Mann also, der erst einmal in Frieden klarzukommen versucht.

Als er fort war, wurden mir die Tage lang und die Nächte noch länger. Aber ich hatte immer Toms Worte im Ohr, die er sprach, bevor er auf seinem narbigen Maultier fortritt, um nach Kirby zu sehen.

»El Tuma ist ein böses Pflaster. Doch es ist die einzige Stadt weit und breit, in der wir uns mit allen notwendigen Dingen versorgen können. Kirby wird irgendwelche Schwierigkeiten bekommen haben. Und wenn auch ich länger als vier Tage ausbleibe, dann werde ich wahrscheinlich die gleichen Schwierigkeiten wie Kirby erleben. Dann pass gut auf, Kleiner! Komm nur nicht wie ein Hammel nach El Tuma und frag nach deinen Brüdern! Denn wenn die Hombres dort deinen Brüdern etwas angetan haben sollten, dann brauchst du nur das Maul aufzumachen und zu sagen, dass du ein Starret bist, um sofort Verdruss zu bekommen. Zum Glück siehst du nicht so aus wie Kirby und ich. Wenn man dich sieht, fragt man sich wirklich, ob wir dieselben Eltern haben. Aber ich weiß noch genau, wie Mom dich bekam. Und du hast auch von unserm Dad das Mal auf der linken Schulter – genau wie er. Du bist also kein Kuckuck, den uns jemand ins Nest gelegt hat.«

Lachend ritt er nach diesen Worten davon. Er ärgerte mich oft genug damit, dass ich so anders aussah als alle übrigen Starrets. Meine Brüder waren richtige Texaner: blond, blauäugig und etwas sommersprossig.

Ich dagegen war dunkel wie ein Comanche, schwarzhaarig und hatte graugrüne Augen.

Nun, ich wartete vier lange Tage und dachte immer wieder an Toms Worte.

Dann machte ich mich auf die Socken – das heißt, ich setzte mich auf meinen Pinto und ritt los.

Zuerst musste ich zum Rio Grande, denn die alte Spanier-Mine, aus der wir das Gold holten, lag in Mexiko. Sie gehörte uns auch nicht.

Ich folgte Kirbys und Toms Spuren. Diese konnte man dann und wann erkennen, und man fand sie immer wieder, weil man ja die Richtung kannte. Außerdem war ich im Spurenlesen so gut wie ein Comanche. Andere Männer hätten kaum noch etwas erkennen können.

Als ich dann nach einem langen Ritt an den Fluss kam, war es Nacht geworden. Drüben auf der anderen Seite war Texas. Die Lichter von El Tuma leuchteten zu mir herüber.

Ich wusste, dass meine beiden Brüder an dieser Stelle den Fluss durchfurtet hatten.

Ich zog mein Pferd zur Seite und ritt flussabwärts. Nach etwa fünf Meilen glaubte ich eine Stelle entdeckt zu haben, an der ich es wagen konnte, den Fluss zu durchqueren. Es war gar nicht so einfach, so einen Platz zu finden, denn der Strom war an vielen Stellen schlammig oder voller Treibsand. Beides war schlimm.

Als ich meinen Pinto ins Wasser lenkte, schien schon der Mond und ließ den Rio Grande glitzern. Ich ritt auf meinem Pinto etwa fünfzig Yards weit in den Fluss.

Dann kamen ein paar Reiter zum Wasser gejagt, und eine scharfe Stimme befahl mir auf Spanisch, umzukehren.

Ich aber dachte nicht daran, sondern trieb mein Pferd schneller vorwärts. Es hatte noch Grund unter den Hufen, obwohl dieser Grund schlammig war und das Tier nur mühsam vorwärts kam.

Als der Kerl hinter mir seinen Befehl wiederholte, rief ich über die Schulter, dass man mir den Buckel rauf- und runterrutschen solle und dass ich nicht der Dummkopf wäre, der sich von Banditen ausplündern ließe.

Als die ersten Kugeln kamen, warf ich mich schnell von meinem Gaul ins Wasser.

Dabei hörte ich, wie eine Kugel in mein Pferd einschlug.

In dem schlammigen Fluss zu schwimmen war gar nicht so einfach.

Dabei zischten die Kugeln um mich her.

Ich tauchte unter und entledigte mich meines Waffengurtes und meiner Stiefel. Desgleichen verzichtete ich auf die vier Pfund Goldstaub, unsere gesamte Ausbeute, die ich mitgenommen hatte, weil ich nicht wusste, ob ich jemals wieder nach Mexiko zurückgehen würde.

Eigentlich hatte ich die Idee, dass unser Kirby einen Saloon zertrümmert und ein halbes Dutzend Burschen verprügelt hatte und dass die Sache mit einer hohen Strafe aus der Welt geschafft werden könnte.

Um es kurz zu machen, in jener silbrigen Mondnacht hatte ich eine Menge Pech. Nachdem ich mein Pferd verlor, musste ich, um in dem Schlammfluss nicht zu ertrinken, alles fahren lassen, was mich in dieser flüssigen Pampe behinderte.

Ich kam davon. So sehr sie sich bemühten, ihre Kugeln trafen mich nicht. Vielleicht hatten sie sogar herausgefunden, dass ich von einer alten Mine kam und etwas Gold bei mir haben musste.

Aber sie bekamen es nicht.

Der Fluss bekam es.

Als ich endlich drüben war, befand ich mich nicht nur fünf Meilen, sondern gewiss acht Meilen von der Stadt entfernt.

Das war mir recht, denn ich musste alles beseitigen, was darauf schließen ließ, dass ich über den Fluss gekommen war.

Eine Meile später stieß ich auf eine leere Fischerhütte.

✰✰✰

Als ich mich am späten Nachmittag von Norden her El Tuma näherte, sah man mir nicht mehr an, dass ich in der Nacht ausgiebig gebadet hatte. Ich war staubig und trug Sandalen an meinen nackten Füßen. Ich ähnelte einem heruntergekommenen Tramp.

Gleich am Stadteingang stieß ich auf einen Mann von besonderer Art. Er aß von einem gerösteten Maiskolben, kaute mit offenem Mund, dessen aufgeworfene Lippen sich auch im Ruhestand nicht schließen ließen, und betrachtete mich aus lackschwarzen Knopfaugen.

Der Mann war kaum kleiner als ich, jedoch bestimmt an die zwanzig Pfund schwerer. Sein kleiner Kopf war dicht mit gekräuseltem Haar bewachsen. An der schmutzigen Weste hing ein rostiger Marshalstern.

»Nun, wer kommt denn da – wen haben wir denn da?«, fragte dieser Bursche kauend.

»Sir«, erwiderte ich höflich, wie es einem Tramp zukommt, »ich bin Jim Jones, und mir ging unterwegs mein Pferd an einer Krankheit ein, die ich nicht kenne.«

Er blickte auf meine nackten Füße, die in alten Fischersandalen steckten, und er konnte sehen, dass ich noch nicht lange barfuß in Sandalen ging, denn dann wären meine Füße hornhäutig und ledern gewesen. Er musste mir schon glauben, dass ich zu der Sorte der Reiter gehörte. In diesem Land teilte man die Menschen in zwei Klassen ein, in jene, die stolz im Sattel ritten, und in jene, die zu Fuß gingen.

»Na schön«, brummte er, »jeder Narr kann sein Pferd verlieren. Ich hatte mal einen Hund. Der ging plötzlich ein, und man wusste nicht, warum. Aber wir lassen nicht jeden Strolch in unsere Stadt. El Tuma ist wie eine feine Lady oder Señorita, die keine Läuse bekommen möchte. Oder hast du am Ende gar Geld, um für deinen Unterhalt zu sorgen?«

Als er mich nach Geld fragte, begannen seine schwarzen Knopfaugen zu funkeln.

Ich grinste und öffnete mein Hemd.

Da sah er an einem Goldkettchen ein goldenes Zwanzigdollarstück auf meiner haarigen Brust baumeln.

»Das war bisher mein Talisman«, erklärte ich ihm. »Ich hatte immer wieder so ein Ding – und immer wieder musste ich es klein machen, weil das Leben so wechselhaft ist wie die Laune einer schönen Frau. Darf ich nun in diese noble Stadt, Sir?«

Da er sehen konnte, dass ich unbewaffnet war, ließ er mich mit einem gnädigen Nicken passieren.

Mein Magen knurrte laut, als ich genau neben dem Marshal war.

»Hier, Hombre!«, sagte er scharf und warf mir blitzschnell den schon zur Hälfte abgenagten gerösteten Maiskolben zu. Um das Ding nicht ins Gesicht zu bekommen, musste ich es aus der Luft greifen. Es war eine rein instinktive Bewegung.

Aber der Marshal grinste so, dass sein aufgeworfener Mund wie eine große Wunde klaffte. Seine Augen funkelten abermals.

»Na schön, solange du Geld hast, darfst du in der Stadt bleiben«, sagte er. »Und den Maiskolben kannst du essen.« Den letzten Satz sprach er gönnerhaft wie ein Wohltäter.

Aber ich wusste, dass ich ihn beleidigen würde, wenn ich nicht in das Ding hineinbeißen würde.

So tat ich ihm den Gefallen. Er konnte sehen, wie ich gierig meine Zähne in den Maiskolben grub, und das war Balsam für sein Selbstgefühl.

Da ich herausfinden wollte, was mit meinen Brüdern geschehen war, musste ich mich im größten Saloon der Stadt umsehen. Ich kannte Kirby zu gut. Der war ganz bestimmt in den größten, nobelsten Saloon gegangen, um hier außer einem scharfen Schluck auch noch einigen anderen Spaß zu haben.

Es war Abend geworden. Die Lichter in den Häusern und Hütten wurden angezündet, und selbst die Kamine der kleinsten Adobehütten begannen zu rauchen. Vor dem Saloon, von dem ich glaubte, dass er Kirbys Ansprüchen genügt haben könnte, standen einige Sattelpferde und zwei leichte Wagen. Beim Frachtwagenhof vor der Stadt hatte ich einen ganzen Wagenzug gesehen.

Es waren schon fast zwei Dutzend Gäste im Saloon, als ich mich durch die Pendeltür schob und mich umsah.

Oha, alles war recht nobel! Das war keine zweitklassige Spelunke. Hier waren die Wände weiß getüncht, und es gab alte spanische Leuchter, Schmiedearbeiten, mexikanische Teppiche – weiß gescheuerte Tische, Stühle und Bodendielen. Auf den Dielen war weißer Sand gestreut.

Von dem großen Gastraum gelangte man in Nebenräume, in denen jedes Spiel gespielt werden konnte.

Ich hatte vorerst nur Interesse für den Freiimbiss.

Im Vorbeigehen bestellte ich mir an der langen Theke ein Bier, nahm es und holte mir vom Freiimbisstisch einen Puterschenkel. An so einem Schenkel ist nicht wenig dran, doch für mich war er nicht größer als ein mageres Taubenbein.

Als ich wieder zulangte, kam ein Rauswerfer. Ich wusste das sofort, denn er sah wie ein ehemaliger Preiskämpfer aus – gezeichnet von vielen Kämpfen und dennoch hart genug, um sich nicht vor einer Prügelei zu fürchten.

»Zeig dein Geld, Amigo!«, sagte er.

Ich grinste ihn an, ich wollte keinen Streit. Deshalb öffnete ich wieder mein Hemd und ließ ihn das Zwanzigdollarstück sehen.

»Na schön«, knurrte er. »Viel ist das ja nicht. Du siehst mir ganz so aus, als könntest du für dreißig Dollar in dich hineinstopfen. Bleib nur bescheiden! Dieser Freiimbiss ist nicht dafür gedacht, dass du dich für einen Monat satt essen kannst. Verstanden?«

»Si«, sagte ich höflich, obwohl es in mir kochte. Ich hätte ihn zu gerne nach meinen Brüdern gefragt. Doch ich traute mich nicht. Ich hatte das sichere Gefühl, dann den größten Verdruss zu bekommen. Aber einen Kampf konnte es hier nicht gegeben haben. Ich hatte schon mehr als einen Saloon gesehen, in dem mein Bruder Kirby Kleinholz gemacht hatte. Deshalb wusste ich, wie es da selbst Tage später noch aussah.

Ich trank noch ein zweites Bier und wagte dann das erste Glas Feuerwasser. Meinen ärgsten Hunger hatte ich getilgt und hatte eine Unterlage. Weil wir schon viele Wochen keinen Schnaps mehr gehabt hatten, fuhr mir das Zeug, das ich bekam, wie brennendes Öl durch die Kehle bis in den Magen hinunter.

Aber danach wurde ich recht unternehmenslustig.

Ich nahm das Goldstück von meiner goldenen Halskette und wechselte es. Von der Seite her trat ein großer, dunkler und schlanker Mann herbei. Er sah aus wie ein spanischer Don, ein edler Hidalgo – wie ein Überbleibsel der Conquistadores.

Er sah zu, wie der Barmann mir für das Goldstück eine Menge kleiner Münzen gab. Dann – als ich das Kleingeld wegsteckte – sagte der Don zu mir: »Ich bin Socorro Concho, der Besitzer. Dass Sie noch ein solches Goldstück haben, Amigo, ist in dieser schlechten Zeit geradezu ein Wunder. Haben Sie noch mehr von der Sorte?«

Er fragte scherzend. Doch in seinen dunklen Augen war ein Ausdruck von gespannter Wachsamkeit.

Ich gab mir Mühe, möglichst dumm zu grinsen.

»Ach«, sagte ich, »es wäre schön, wenn ich noch einige dieser Dinger besäße, Mister Concho. Oder soll ich Señor sagen?«

»Ich bin Amerikaner«, antwortete er. »Zu mir sagt man Mister Concho. Ja, wer hätte nicht gern eine Menge davon.«

»Es war ein Erbstück«, sagte ich wiederum möglichst dumm, »und wenn ich zu Geld kommen soll, dann hoffe ich, dass Ihr Angestellter es mir zurückverkaufen wird, damit ich es wieder an die Kette hängen kann – hier, meine ich.«

Ich zeigte ihm wieder die nackte Brust. In meinem Haarurwald, der da wuchs, funkelte die goldene Halskette, und er konnte daran erkennen, dass ich auch dann noch einige Dollar wert war, wenn mein Geld fort sein sollte.

Er machte eine einladende Handbewegung.

»Mein Haus steht Ihnen offen, Freund! Noch ist hier wenig Betrieb. Doch das ändert sich schnell. Bald gibt es hier eine Menge Leben. Den Höhepunkt des Abends bildet meine Schwester Dolores, wenn sie für uns ihre Lieder singt.«

Damit verließ er mich. Ich war mit meinen zwanzig Dollar und der dünnen goldenen Kette ein kleiner Fisch für ihn. Den überließ er seinen Jungs, und er hatte nicht wenige in seinem Laden, haarige Nummern, richtig hart.

Das fand ich schnell heraus, als ich durch die Räume bis in den großen Spielraum schlenderte. Hier wartete ein knappes Dutzend Bankhalter, Croupiers und Kartenausteiler auf das Spiel fürs Haus und gegen die Gäste.

Mit meinen wenigen Silberdollars strich ich von Spieltisch zu Spieltisch, und allmählich füllte sich der große Raum. Es kamen Cowboys, Frachtfahrer, Minenleute und eine ganze Menge Gäste, deren Geschäfte man nur vermuten konnte. Die meisten dieser Burschen hatten sich über den Pecos hinweg vor dem Gesetz in Sicherheit gebracht.

Aber es kamen auch viele Gäste aus Mexiko herüber, die es danach juckte, dass man ihnen das Fell über die Ohren zog. Es waren Schmuggler, Banditen und die Söhne von reichen Haciendados.

El Tuma war die einzige Stadt auf fünfzig Meilen in der Runde, die all diesen Typen etwas bieten konnte.

Ich strich also mit meinen wenigen Silberdollars herum, setzte da mal und riskierte dort mal einen Wurf mit den Würfeln. Beim Faro konnte ich dann mein kleines Kapital verdoppeln. Ich besaß etwa sechsunddreißig Dollar und ging damit zu einem Rouletttisch.

Oha, mir brannte er Boden unter den Füßen! Ich hätte am liebsten jeden Menschen nach meinen Brüdern gefragt.

Ich brachte es innerhalb von zwei Stunden mit vorsichtigen Einsätzen auf siebenundfünfzig Dollar, und ich wechselte dabei vom Roulett zum Faro und von da zum Würfeltisch.

Weil ich oft eine Pause einlegte und nur dann einen Einsatz riskierte, wenn mein Instinkt mir dazu riet, machte ich so nebenbei – und weil ich mich auskannte – einige bemerkenswerte Beobachtungen.

Auch der Marshal, der mich bei meiner Ankunft »begrüßt« hatte, kam irgendwann herein. Ich hörte, wie man ihn mit Brett Jeffreys anredete.

Die berufsmäßigen Spieler, die alle für das Haus spielten, begannen die Betrunkenen schamlos zu betrügen.

Zweimal kam es vor, dass Gäste aufbegehrten, weil sie etwas nicht in Ordnung fanden. Da kamen die Rauswerfer und brachten die Sache blitzschnell in Ordnung. Die Dummköpfe, die es wagten, hier in dieser Wolfshöhle aufzumucken, wurden auf die ganz harte und raue Art fertiggemacht und flogen durch die Hintertür hinaus.

Schlimmer wurde es noch, als ein wilder Junge vom Brazos den Revolver zog und einen der Black-Jack-Kartenausteiler erschießen wollte.

Er bekam so blitzschnell eine Kugel in den Bauch, dass er nicht mehr sagen konnte, warum er brüllend aufgesprungen war und den Colt herausgeschnappt hatte. Er fiel über den Tisch und starb.

Als man ihn hinausgetragen hatte, kam bald wieder alles in Gang, so wie es zuvor gewesen war. Man machte hier nicht viel Aufhebens von so einer Sache.

Kurz vor Mitternacht kam noch ein Dutzend mexikanischer Banditen herüber und brachten einen großen Beutel Silberpesos mit.

Ich verlor in diesem Moment gerade beim Roulett meine letzten fünf Dollar und war pleite. Ich fluchte leise und nannte mich einen hirnverbrannten Idioten, weil ich bei siebenundfünfzig Dollar nicht aufgehört hatte.

Mir wurde heiß bei dem Gedanken, dass ich unser Gold vielleicht ohne Grund riskiert und verloren hatte. Was, wenn meine Brüder jetzt schon auf dem Heimweg waren und ich vielleicht besser in der Mine gewartet hätte? Es gab ja so viele Möglichkeiten.

Und ich war pleite, so pleite, wie ein Tramp nur sein konnte.

Was nun?

Mit einem Mal ruhte jeder Spielbetrieb, und es wurde so still wie in einer Kirche. Eine Uhr schlug zwölf. Im großen Gastraum begannen Gitarren zu spielen, dazu eine sanfte Trompete, und zwei geschmeidige Hände bearbeiteten kleine Trommeln.

Dann erklang eine dunkle Stimme. Es war eine Frauenstimme, und sie war wie schwarzer Samt, zugleich aber auch klar wie eine Sternennacht, wenn man alle Düfte des Landes spürt und den Wind durch die Baumwipfel streichen hört.

Ich weiß nicht, ob ich die Stimme mit diesen Worten richtig beschreiben kann. Das war eine Stimme, bei deren Klang man sofort wusste, dass ihre Besitzerin einmalig schön war.

Alle Gäste lauschten wie gebannt. Selbst die hitzigsten Spieler machten Pause. Der größte Pokertopf wurde vergessen.

Ich bewegte mich vorsichtig an der Wand entlang zum Durchgang, denn ich wollte – ach was, ich musste! – die Besitzerin dieser Stimme sehen. Das war wie ein Zwang.

Zum Glück konnte ich mich auf den Sandalen fast geräuschlos bewegen. Sonst hätte ich bestimmt Ärger bekommen. Im Durchgang standen natürlich einige Zuschauer, die das Glück hatten, nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen. Ich konnte über einen kleineren Burschen hinwegschauen.

Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich Dolores Concho.

Ja, sie war wie ihre Stimme: schön, dunkel, herrlich wie eine Sternennacht, unergründlich wie ein Meer.

Dass es solch ein Weib gab!

Sie ging zwischen den Tischen umher und sang zum Klang der Gitarren und der Trompete. Sie machte ab und zu einige Tanzschritte, hob die Arme, drehte sich und klapperte mit Kastagnetten.

In ihrem blauschwarzen Haar war ein rotes Band, und ihre Augen leuchteten grün. Bisher hatte ich nicht für möglich gehalten, dass ein Mensch solch grüne Augen haben könnte.