G. F. Unger Western-Bestseller 2498 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2498 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Zwanzig Tage lang sind sie im Sattel - und meist mit hungrigen Mägen. Und ihre Pferde und ihre Ausrüstung sind schlecht. Sie sind nichts anderes als zwei halb verhungerte und ziemlich heruntergekommene Satteltramps. In ihren Taschen befinden sich Entlassungspapiere. Es sind kurze und trockene Worte, die ein Schreiber der Nordarmee geschrieben hat: Captain Jim McCrea, Gefangennahme bei Appomattox, entlassen mit dem heutigen Tage. Lieutenant Noel McCrea, Gefangennahme bei Appomattox, entlassen mit dem heutigen Tage.
Ja, sie sind Brüder, obwohl sie sehr verschieden wirken. Nur an ihren rauchgrauen Augen könnte man sie als Brüder erkennen. Jim McCrea ist fünf Jahre älter als Noel, der vor sechs Tagen sechsundzwanzig Jahre alt wurde. Und jetzt verhalten sie ihre armseligen Pferde und starren auf die Trümmer einer kleinen Ranch. Sie wurden hier geboren. Dies war einmal ihre Heimat. Aber das ist schon lange her.
Jim McCrea sucht in seiner Hemdtasche herum und bringt schließlich einige Tabakkrümel zum Vorschein. Noel reicht ihm wortlos ein kleines Stück Papier hinüber. Jim dreht sich eine Zigarette und raucht drei lange Züge. Dann reicht er sie dem Bruder. »Eines habe ich jetzt erkannt«, murmelt er bitter. »Und weil ich es erkannt habe, sind die verdammten Jahre nicht ganz sinnlos vertan.«


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Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Impressum

Die richtige Seite

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto / Norma

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0864-7

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Die richtige Seite

Zwanzig Tage lang sind sie im Sattel – und meist mit hungrigen Mägen. Und ihre Pferde und ihre Ausrüstung sind schlecht. Sie sind nichts anderes als zwei halb verhungerte und ziemlich heruntergekommene Satteltramps. In ihren Taschen befinden sich Entlassungspapiere. Es sind kurze und trockene Worte, die ein Schreiber der Nordarmee geschrieben hat: Captain Jim McCrea, Gefangennahme bei Appomattox, entlassen mit dem heutigen Tage. Lieutenant Noel McCrea, Gefangennahme bei Appomattox, entlassen mit dem heutigen Tage.

Ja, sie sind Brüder, obwohl sie sehr verschieden wirken. Nur an ihren rauchgrauen Augen könnte man sie als Brüder erkennen. Jim McCrea ist fünf Jahre älter als Noel, der vor sechs Tagen sechsundzwanzig Jahre alt wurde. Und jetzt verhalten sie ihre armseligen Pferde und starren auf die Trümmer einer kleinen Ranch. Sie wurden hier geboren. Dies war einmal ihre Heimat. Aber das ist schon lange her.

Jim McCrea sucht in seiner Hemdtasche herum und bringt schließlich einige Tabakkrümel zum Vorschein. Noel reicht ihm wortlos ein kleines Stück Papier hinüber. Jim dreht sich eine Zigarette und raucht drei lange Züge. Dann reicht er sie dem Bruder. »Eines habe ich jetzt erkannt«, murmelt er bitter. »Und weil ich es erkannt habe, sind die verdammten Jahre nicht ganz sinnlos vertan.«

Noel sieht den Bruder seltsam an. Jim McCreas dunkelbraunes und von Wind und Wetter gegerbtes Gesicht bildet einen seltsamen Kontrast zu seinem hellblonden Haar und zu seinen dichten, fast weißen Augenbrauen.

»Was hast du erkannt, Jim? Warum sind die verdammten Jahre nicht sinnlos vertan?«, fragt Noel sanft. Er ist etwas muskulöser als der sehnige Jim. Er ist dunkelhaarig, breitschultrig und schmalhüftig.

»Wir haben auf der falschen Seite gekämpft, Bruder.« Jim grinst und knetet sein Sattelhorn. »Man muss immer auf der richtigen Seite stehen – sonst ist man ein armer Hund.«

»Wir sind Texaner – und Texas stand auf der Seite der Konföderierten! Lieber ein armer Hund sein als ein verdammter Renegat«, unterbricht ihn Noel fest.

»Der Krieg ist vorbei, Noel. Jetzt sind wir wieder freie Männer, die nur sich selbst verantwortlich sind. Ich sage dir jetzt schon, dass ich jede gute Chance ergreifen und mich den Teufel um Ideale kümmern werde. Wenn ich einmal für eine Sache kämpfe, so wird dabei für mich eine ganze Menge abfallen. Sieh, da sind die Trümmer unserer Ranch. Irgendwelche Schurken haben sie abgebrannt. Unser Vater hat es schwer gehabt mit dieser Ranch. Und bevor wir in den Krieg zogen, haben auch wir sehr schwere Arbeit für diese Ranch geleistet. Aber dann haben wir auf der falschen Seite gekämpft. Die Yankees haben unsere Ranch angezündet, unser Vieh geraubt und unseren Vater getötet. Ich habe nie an die Sache des Südens geglaubt. Ich wusste immer, dass die Nordstaaten gewinnen würden. Ich war ein Narr. Und jetzt bin ich keiner mehr. Ich werde immer zusehen, dass ich auf der richtigen Seite stehe.«

Er starrt den jüngeren Bruder zwingend an.

Noel will widersprechen, aber dann zuckt er mit den Schultern.

»Irgendwie müssen wir anfangen«, sagt er. »Dad hatte unter dem Herd immer einen letzten Notpfennig. Wir sollten nachsehen, ob noch etwas davon vorhanden ist.«

Jim spuckt erst zu Boden und nickt dann. Seine scharfen Augen prüfen noch einmal, und er sieht nichts, was ihm Freude bereiten könnte. Die Ranch besteht nur noch aus Trümmern, Schutt, Asche und verkohlten Balken. Die Ruine eines Schuppens steht noch. Der Brunnen scheint noch intakt zu sein, und es sieht so aus, als würde er dann und wann von Reitern benutzt.

»Sicher«, sagt Jim McCrea langsam, »nach Dads Notpfennig können wir suchen. Aber ob ich für diesen Trümmerhaufen noch eine einzige Hand rühre, weiß ich nicht. Ah, wir müssten zehn Jahre wie Sklaven arbeiten, und dann wäre es immer noch eine kleine Ranch. Es lohnt sich nicht, dass wir zehn Jahre opfern, um dann ...«

»Wir könnten es auch in fünf Jahren schaffen, Bruder«, unterbricht ihn Noel. »Es sind noch einige Kühe mit unserem Brandzeichen vorhanden. Und wir sahen überall ungebrannte Rinder – viele, viele Mavericks. Wir besitzen ein eingetragenes Brandzeichen. Wir können uns eine prächtige Herde zusammen brennen. Die Rinder haben sich gewaltig vermehrt. Im Norden sollen sich Absatzmärkte auftun, die nur auf Treibherden warten. Bruder, wir zwei sind eine ganze Mannschaft wert. Fünf Jahre – und wir haben es geschafft!«

»Vielleicht«, murmelt Jim, »vielleicht schaffen wir es. Aber ich weiß nicht, ob ich Lust dazu habe, fünf Jahre wie ein armer Hund zu leben. Das dauert mir zu lange! Nun, wir werden sehen!«

Er gleitet aus dem Sattel und dehnt sich. Sein alter Colt hängt tief am linken Oberschenkel. Jim McCrea ist Linkshänder.

Auch Noel sitzt nun ab. Er ist vier Fingerbreiten kleiner als der Bruder, aber bestimmt nicht leichter. Er hat etwas von einem Indianer an sich. Alles an ihm erscheint wunderbar ausgeglichen.

Wie sie so abgerissen, unrasiert und mit den Zeichen des langen Rittes nebeneinander zum Brunnen gehen, sehen sie irgendwie einem zähen, großen, sehnigen Wüstenwolf – und einem prächtigen Panther ähnlich. Zwei harte, schnelle und gefährliche Männer, die sich bestimmt nicht von anderen Männern aufhalten lassen.

Sie trinken am Brunnen abwechselnd aus der hölzernen Schöpfkelle und geben auch ihren Tieren Wasser in den Tränktrog.

Jim schiebt sich dann etwas missmutig den Hut in den Nacken und beginnt die Trümmer wegzuräumen.

Noel sattelt die Pferde ab, dann geht er zum Bruder und hilft ihm. Und auch er legt während der Arbeit nicht den Colt ab, der tief an seiner rechten Hüfte hängt.

Nach zwei Stunden haben sie den zusammengebrochenen Herd freigelegt. Mit einem Stück Herdplatte beginnt Jim zu graben. Und nach zehn Minuten stößt er auf den kleinen Blechkasten. Wenig später holt er ihn heraus. Sie gehen damit zum Brunnen. Mit einem starken Messer öffnen sie die Kassette.

Fünf goldene Geldstücke holt Jim heraus.

»Fünf Doppeladler sind's«, murmelt er zufrieden. »Das sind hundert gute Dollar – damit kann man jetzt halb Texas aufkaufen. Unser Vater war ein weiser Mann, Noel!«

»Yeah, und er glaubte an uns, seine Söhne«, sagt Noel ruhig und sieht in die Augen des Bruders. »Für dieses Geld bekommen wir Proviant für ein halbes Jahr – und einige Pferde – und die notwendigste Ausrüstung. Es ist ja jetzt alles so billig in Texas. Wir können uns eine Herde zusammentreiben und ...«

»Wir werden sehen, Bruder«, unterbricht ihn Jim kurz und steckt die fünf goldenen Zwanzigdollarstücke ein.

Als sie sich am Brunnen gewaschen haben und notdürftig ihre abgerissene Kleidung säubern, geht im Westen die Sonne unter. Jim entdeckt in der Ferne einige Rinder. Er schwingt sich auf das ungesattelte Pferd.

»Mach ein Feuer, Bruder! Ich hole uns ein Stück Fleisch. Aber es ist heute das letzte Mal, dass ich mich mit einem Stück Kuhfleisch begnüge! Morgen leisten wir uns in Pecosville ein Festmahl. Wenn unsere Pferde nicht so müde wären, würde ich heute noch nach Pecosville reiten und mir die ganze Stadt kaufen.«

Er reitet langsam aus dem Hof, über die Weide und auf das kleine Rinderrudel zu.

Als Noel das Feuer in Gang gebracht hat, hört er einen Schuss. Es ist vollkommen dunkel geworden, als Jim ans Feuer geritten kommt.

Er grinst und legt ein großes Stück Fleisch auf den Brunnenrand.

»Ein Rindermann tötet sonst nie ein Kalb«, sagt er. »Aber heute habe ich es getan.«

Noel gibt keine Antwort. Er schneidet das Fleisch in Scheiben und legt diese in ihre Pfanne.

Sie sind mit der Abendmahlzeit gerade fertig und trinken das gute Brunnenwasser, als sie Hufschläge in der Nacht hören. Sofort gleiten sie in verschiedenen Richtungen aus dem Bereich des Feuerscheins und tauchen in der Dunkelheit unter.

Der Mond ist noch nicht aufgegangen, doch bald erkennen sie im Sternenlicht ein Rudel Reiter. Es kommt bis auf fünfzig Yards heran und verhält.

Dann ruft eine scharfe und harte Stimme: »Ho, wer kampiert da am Brunnen?«

Es entsteht eine kleine Pause, in der nur die Geräusche der Reiter und die Stimmen der nächtlichen Weide, die der Wind heranbringt, zu hören sind.

Dann erklingt Noel McCreas klirrende Stimme: »Ho, wer fragt da so großspurig?«

Ein grimmiger Fluch kommt als Antwort. Das Reiterrudel bewegt sich erregt, und es weicht etwas auseinander, sodass es keine dichte Traube mehr bildet. Es ist ein erfahrenes Rudel.

Die fluchende Stimme wird nun von einer anderen unterbrochen, und dies ist unzweifelhaft die Stimme eines großen Bosses. Es ist eine tiefe und mächtige Stimme. So spricht ein Mann, der sich um die Ausführung seiner Befehle keinerlei Sorgen macht. Jim und Noel kennen diese Stimme. Dieser Mann war schon immer groß und mächtig.

»Hoiii, ich sehe eure Pferde, Leute! Kommt ans Feuer! Ich will sehen, ob ihr die heimgekehrten McCreas seid. Komm mit, Callahan! Vielleicht bekommst du jetzt zwei harte Burschen zu sehen!«

Dann reitet ein Reiter aus der Mitte des wartenden Rudels heraus und hält auf das Feuer zu. Ein Zweiter folgt. Jim und Noel verlassen den Schutz der Dunkelheit und nähern sich gleichfalls dem Feuer. Sie erreichen es zu gleicher Zeit wie die beiden Reiter.

Und sie sehen Theodorick Denverlee – sie sehen einen mächtigen Mann auf einem mächtigen Pferd. Der Feuerschein lässt Theodorick Denverlees Feuerbart noch roter erscheinen. Sein Gesicht ist wie ein flaches Brett, aus dem eine Adlernase springt.

Er lacht plötzlich dröhnend und doch beherrscht.

Und dann sitzt Theodorick Denverlee ab.

»Oha«, sagt er tief und langsam, »ich habe mir es doch gleich gedacht, dass ihr nur die stolzen McCreas sein könnt. Nun, willkommen in der Heimat! Ich freue mich mächtig, dass ich die beiden Kriegshelden unseres Countys zuerst begrüßen kann!«

Er geht mit ausgestreckten Händen um das Feuer herum.

Jim und Noel bekommen das Gefühl, als würden ihre Hände von Schraubstöcken umklammert. Sie wissen, dass dieser Großrancher schon sein fünftes Jahrzehnt vollendet haben muss, aber sie würden es nicht glauben, wenn sie es nicht so genau wüssten.

Und sie bleiben wachsam und zurückhaltend. Theodorick Denverlee war noch nie der Freund eines Nachbarn, und es gibt eine ganze Menge Kleinrancher, die er wie Käfer zertreten oder einfach davongejagt hat.

Und jetzt taucht er hier in der Nacht mit einer Mannschaft auf dieser Weide auf. Seine Hauptranch liegt dreißig Meilen westlich in der Nähe von Pecosville.

Er zeigt mit dem Daumen auf einen ziemlich kleinen Mann, der jetzt neben ihn tritt.

»Das ist mein erster Vormann, Stanley Callahan«, sagt er. »Vielleicht habt ihr schon mal was von ihm gehört?«

Jim und Noel sehen den kleinen Mann an, der auf den ersten Blick ziemlich unscheinbar wirkt. Callahan sieht wirklich nach nichts aus. Aber wenn man in seine Augen sieht, beurteilt man ihn sofort völlig anders. Er ist dann mit einem Mal nicht mehr unscheinbar – er wirkt wie die Verkörperung einer tödlichen Gefahr. Sein Gesicht weist tausend winzige Fältchen auf. Es bleibt unbeweglich, als er die Blicke der beiden Brüder erwidert.

»Yeah«, sagt Jim McCrea, »wir haben von Callahan schon gehört. Und was machen Sie hier auf unserer Weide?«

Die Frage kommt fast unfreundlich, aber es liegt ein besonderer Ton in Jim McCreas sanfter Stimme.

Der kleine Revolvermann neben Denverlee strafft sich sofort unmerklich und zeigt ein scharfes Lächeln, das die winzigen Fältchen in seinem Gesicht vertieft. Der scharfe Blick seiner Augen erlischt, sie werden stumpf und farblos und verraten keinerlei Gefühle.

»All right, Callahan«, murmelt Denverlee zur Seite – und es sieht aus, als spräche ein mächtiger Löwe zu einem scharfen Terrier. »Die McCreas haben ein Recht zu dieser Frage«, er verschränkt die mächtigen Arme über der breiten Brust. »Ich benutze diese Weide – ich habe meine Machtgrenze bis zum Silverstone Creek vorgeschoben. Ich habe diese Drei-Dollar-Ranch geschluckt. Und ich bin immer noch nicht satt. Vom Silverstone Creek bis zum Red Ridge ist noch viel Weide für einen starken Mann.«

Er grinst, zeigt sein prächtiges Gebiss und sieht die beiden Brüder aus funkelnden Augen an.

»Wir lachen vielleicht später einmal über diesen Witz«, murmelt Noel McCrea langsam. In seinen rauchgrauen Augen erscheint mit einem Mal eine heiße Flamme. Seine Rechte hängt lose hinter dem Coltkolben. Er sieht Callahan an, der ihm gegenübersteht, und weiß, dass sein Bruder Jim auf Denverlee achtgeben wird.

»Denverlee, Sie haben diese Ranch noch nicht geschluckt«, spricht Noel weiter. »Und wenn Sie noch ein halbes Dutzend Callahans mitgebracht hätten. Für wie mächtig halten Sie sich eigentlich, Denverlee?«

»Ruhig, Noel«, murmelt Jim McCrea und sieht dabei den Großrancher an, der sich schon vor dem Krieg ein kleines Rinderimperium geschaffen hat und der jetzt anscheinend noch mächtiger geworden ist.

»Zeigen Sie mal ein paar von Ihren Trümpfen, Denverlee! Dieser scharfe Revolvermann an Ihrer Seite ist doch bestimmt nicht alles?«

Denverlee lacht tief und doch leise.

»Mein höchster Trumpf ist mein Angebot, das ich euch mache. Und ihr werdet daran sehen, wie hoch ich euch einschätze. Ich kenne die Legenden über euch. Ihr habt nur die Wahl zwischen einem Kampf gegen meine Macht – und gegen mich! – und der Annahme meines Angebotes!«

Er lacht wieder tief, leise und voll sicherem Selbstbewusstsein.

Und der kleine Revolvermann an seiner Seite zischt plötzlich: »Geben Sie mir freie Hand, Boss – dann nehme ich diesen beiden Pilgern die Entscheidung ab! Dann brauchen sie gar nicht mehr zu wählen! Es weiß doch niemand im Land, dass sie heimgekehrt sind.«

Der kleine Körper des Revolvermannes ist angespannt wie eine Stahlfeder. Aber sein Gesicht ist unbeweglich.

»Dann fang doch an, Revolverschwinger«, sagt Noel sanft. »Ich bin schon ein paar Kötern von deiner Sorte begegnet. Nun mach schon, Kleiner! Du wirst schon sehen ...«

»Halt!«, stößt Theodorick Denverlee hervor. »Ich habe die Mannschaft warten lassen, weil ich mit euch reden will. Es wird nicht gekämpft, Callahan!«

Er tritt einen Schritt zur Seite und setzt sich auf den Brunnenrand.

»Ihr würdet viele Jahre ein Hungerleben führen, bis ihr die Ranch wieder aufgebaut hättet«, sagt er. »Und wenn ihr sie aufbauen wolltet, würde ich es noch nicht einmal zulassen. Ihr müsstet gegen die ganze Macht der Box D Ranch ankämpfen. Oh, ich weiß, dass ihr eine ganze Mannschaft wert seid. Deshalb will ich euch auf meiner Seite haben. Ihr sollt für mich reiten. Ich zahle euch je zweihundert Dollar bei freier Station und vielen anderen Vergünstigungen. Selbst wenn ihr die kleine Ranch wieder aufgebaut habt, könnt ihr nicht mehr Geld verdienen. Nun, ich denke, dass mein Angebot ein fairer Vorschlag ist. Als Gegenleistung verlange ich, dass ihr für mich kämpft und mir den Besitztitel über diese Ranch überschreibt. Wenn ich mein Ziel erreicht habe, teile ich mein Rinderreich in Bezirke auf. Jeder Bezirk ist eine Ranch für sich. Ihr könnt dann jeder eine solche Ranch leiten – bei festem Gehalt und Beteiligung am Ertrag. Ich lasse euch in vielen Dingen völlig freie Hand. Ich will nur eure Treue, und ihr sollt für mich kämpfen. Es gibt im ganzen Land keinen Mann, der euch einen besseren Vorschlag machen könnte. Also!«

Er verstummt mit diesem fordernden Wort, beugt sich vor und starrt zwingend in die Gesichter der beiden Brüder.

»Vor wem haben Sie denn solch eine Heidenangst?«, fragt Noel mit leichtem Spott.

Jim sagt noch gar nichts. Er starrt Denverlee nachdenklich an. Irgendwie hat er mit seinem Angebot Jim McCreas geheime Wünsche getroffen. Ja, es stimmt schon: Die beiden Brüder könnten auf dieser kleinen Ranch nur bescheiden und bei harter Arbeit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Und selbst dann müssten sie erst Denverlee niederkämpfen – was fast unmöglich ist.

Jim McCrea denkt tief und gründlich nach. Er möchte nicht mehr auf der falschen Seite kämpfen. Das ist es, was ihn so nachdenken lässt. Er wiederholt die Worte seines jüngeren Bruders.

»Yeah, Denverlee – vor welchem Mann haben Sie eine solch mächtige Angst?«

»Ich habe nie Angst – nie! Vor nichts auf dieser Welt habe ich Angst! Es gibt keinen Mann und es wird nie einen geben, vor dem ich mich fürchte! Das ist es nicht. Ich möchte nur nicht von Buck Perritt aufgehalten werden. Ihr kennt Buck Perritt, denn er ist schon länger im Land als ihr McCreas und als ich. Er will mich aufhalten. Er hat sich ...«

»Buck Perritt war doch auch im Krieg«, unterbricht Noel. »Wie wir hörten, hat er als Colonel für die Nordstaaten gekämpft und ...«

»Yeah, er ist vor fünf Wochen heimgekommen«, unterbricht Denverlee hart. »Sein Sohn Steve konnte mich nicht aufhalten. Aber sein Vater hat eine Menge harter Burschen mitgebracht – alles verdammte Yankees, die zu seiner Truppe gehörten – eine harte Bande von Exkavalleristen, die kein Zuhause mehr hatten und für die er immer noch der Colonel ist. Und ich lasse mich von einem ehemaligen Yankee-Colonel nicht aufhalten. Mir gehört die Stadt und das ganze Land bis zum Silverstone Creek. Und bald ...«

»Warum waren Sie nicht im Krieg, Denverlee?«, unterbricht Noel ihn wieder. Seine Frage trifft den Mann nicht so hart, wie er vielleicht geglaubt hat. Denverlee lacht selbstsicher.

»Es war nicht mein Krieg«, sagt er sanft. »Ich kämpfe nicht für fremde Interessen. Wenn ich kämpfe, dann nur für mich. Ein Mann, der sich für eine Seite entscheidet, kann leicht hereinfallen. Ihr seht es ja an euch! Nein, es war nicht mein Krieg. Ich habe für mich einen Ersatzmann gestellt. Das war mein gutes Recht. Aber jetzt will ich eine Antwort auf mein Angebot!«

Die Brüder sehen sich an. Noel erkennt in Jims Augen den Ausdruck leichter Unsicherheit.

»Jim, wir sollten ebenfalls nicht für fremde Interessen kämpfen«, murmelt er.

»Wenn wir auf der richtigen Seite stehen, kämpfen wir auch für unsere Interessen«, erwidert Jim langsam.

»Nun gut«, knurrt Denverlee, »ich sehe, ihr müsst es euch noch überlegen. Ich will euch nicht drängen. Besprecht es. Kommt morgen in die Stadt. Wenn ihr euch auf meine Lohnliste setzen lasst, so zahle ich hundert Dollar Handgeld und einen Monatslohn Vorschuss. Ihr dürft euch die besten Pferde aussuchen. Überlegt es euch! Ich dulde euch nur auf meiner Seite. Ihr könnt nicht neutral bleiben!«

»Boss, die beiden Satteltramps sind halb so viel von dem Aufwand wert, den Sie machen«, sagt Callahan sanft. »Ich glaube nicht, dass sie sehr viel taugen. Von ihrer Sorte können Sie für sechzig Dollar im Monat eine ganze Armee bekommen!«

Nach diesen Worten wendet sich der Revolvermann ab und geht davon. Jim und Noel lassen ihn gehen.

»Denverlee, der da, das ist ein Mörder, der nur für Geld kämpft und Ihnen noch mächtigen Kummer bereiten wird, wenn es rauchig wird«, sagt Noel warnend.

»Ich habe ihn fest in der Hand. Ich kenne seine Sorte. Deshalb bin ich ja auch scharf auf Burschen wie euch. In diesem Land stehen hunderttausend ungebrannte Rinder auf der Weide. Dem Stärkeren gehören sie. Ihr könnt nicht gegen den Strom schwimmen, McCreas! Nur bei mir und mit mir liegt ihr richtig!«

Er geht davon. Als er aufsitzt und abreitet, murmelt er noch einmal über die breite Schulter: »Bis morgen also!«

✰✰✰

Jim und Noel sahen sich an.