G. F. Unger Western-Bestseller 2506 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2506 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als sie die Filiale der Kansas Bank in Longhorn City betreten, wirken sie ganz und gar wie seriöse Geschäftsleute und gewiss nicht wie Banditen. Denn sie haben sich gut getarnt. Lyn Skinner trägt einen Vollbart und auf der Nase einen Kneifer. Er sieht in seinem zu weiten Anzug wie ein zerstreuter Professor aus.
Jeremy Kilroy wirkt mit seiner grauen Perücke und dem Krückstock sehr viel älter, als er ist. Er humpelt stark und hält sich leicht gebückt. Johnny Hackett hat sich als mexikanischer Hidalgo verkleidet und gibt sich stolz und vornehm.
Nun, diese drei so unterschiedlich wirkenden »Gentlemen« betreten also nacheinander kurz vor Geschäftsschluss die Bank und warten geduldig, bis sie die letzten Kunden sind ...


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Seitenzahl: 159

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Lockwood

Vorschau

Impressum

Lockwood

Als sie die Filiale der Kansas Bank in Longhorn City betreten, wirken sie ganz und gar wie seriöse Geschäftsleute und gewiss nicht wie Banditen. Denn sie haben sich gut getarnt. Lyn Skinner trägt einen Vollbart und auf der Nase einen Kneifer. Er sieht in seinem zu weiten Anzug wie ein zerstreuter Professor aus.

Jeremy Kilroy wirkt mit seiner grauen Perücke und dem Krückstock sehr viel älter, als er ist. Er humpelt stark und hält sich leicht gebückt.

Johnny Hackett hat sich als mexikanischer Hidalgo verkleidet und gibt sich stolz und vornehm.

Nun, diese drei so unterschiedlich wirkenden »Gentlemen« betreten also nacheinander kurz vor Geschäftsschluss die Bank und warten geduldig, bis sie die letzten Kunden sind ...

Hinter ihnen schließt einer der Angestellten schon den Haupteingang. Es ist so üblich, dass er von nun an dort verharrt, um die Kunden, die noch im Schalterraum sind, hinauszulassen, nachdem sie abgefertigt wurden.

Hinter dem vergitterten Kassenschalter blickt der Kassierer auf seine silberne Taschenuhr und sagt zu Lyn Skinner, der inzwischen an den Schalter trat: »Sie sind spät, Sir. Was kann ich für Sie tun? Ein- und Auszahlungen sind nicht mehr möglich. Unser Buchhalter ist schon weg. Aber Sie sind ja wohl keine Kunden von uns. Sonst würde ich Sie kennen, nicht wahr?«

»Ach«, erwidert Lyn Skinner sanft und verständnisvoll, »wir brauchen keinen Kontenführer, denn ich besitze bei Ihnen kein Konto, sodass Ein- oder Auszahlungen auch nicht verbucht werden könnten. Aber dennoch möchte ich Geld von Ihnen, und zwar alles, was Sie da im offenen Tresor haben.«

Indes er so sanft und verständnisvoll spricht, lässt er den Kassierer in die Mündung seines Colts blicken, der wie durch Zauberei in seiner Hand erschien und dessen Mündung dem Kassierer so groß dünkt wie die Mündung einer Kanone.

Neben dem Angestellten an der Ausgangstür verharrt der wie ein vornehmer Mexikaner zurechtgemachte Johnny Hackett. Er hat plötzlich ein Messer in der Hand und hält es dem noch jungen Mann an die Kehle.

Jeremy Kilroy aber hinkt mit seinem Krückstock zur vergitterten Tür des Kassenraumes und öffnet sie, indem er durch das Gitter nach innen greift, wo der Schlüssel im Schloss steckt.

»Ihr seid aber sehr unvorsichtig«, sagt er. »Habt ihr denn nie mit der Möglichkeit eines Überfalls gerechnet?«

»Nein«, erwidert der Kassierer. »Denn nur Narren würden uns auszurauben versuchen, nur Narren, das können Sie mir glauben, Mister Bandit. Den Banditenjägern der Kansas Bank entkommt keiner zwischen Alaska und Feuerland – keiner!«

Er verstummt mit dem Tonfall absoluter Überzeugung.

Aber Jeremy Kilroy lacht und erwidert: »Das werden wir mal ausprobieren.«

Indes er spricht, tritt er an den offenen Geldschrank. Er brachte einen großen Leinenbeutel zum Vorschein, den er unter seiner Kleidung eng zusammengefaltet trug, und beginnt das Papiergeld aus dem Geldschrank zu nehmen, um den Sack damit zu füllen.

Es dauert eine Weile, denn es ist eine Menge Geld im Tresor.

Als er es eingesammelt und sich dazu noch ein paar Zwanzig-Dollar-Goldstücke in die Westentasche gesteckt hat, nickt er dem Kassierer zu und sagt: »Gehen wir zur Hintertür, mein Freund.«

Er geht nach diesen Worten voraus. Ihm folgen der Kassierer und Lyn Skinner, der den Kassierer bisher mit dem Colt bedrohte und nun ebenfalls den Kassenraum betritt, von dem aus man zur Hintertür gelangt.

Johnny Hackett, der bislang sein Messer an die Kehle des Angestellten hielt, löst sich von dem jungen Mann und tritt einen Schritt zurück.

Doch dann schlägt er gnadenlos zu. Es sind die erbarmungslosen Schläge eines harten Mannes, der schon durch viele Grenzkämpfe ging und es mit fast jedem Preiskämpfer aufnehmen kann.

Dann folgt er seinen Partnern und dem Kassierer. Letzterer macht sich ernsthaft Sorgen.

Was werden die Kerle mit ihm tun?

Er spürt die Revolvermündung des Mannes hinter ihm in seinem Rücken.

Aber im nächsten Moment bekommt er auch schon den Revolverknauf auf den Kopf.

Jeremy Kilroy öffnet indes die Hintertür und tritt hinaus.

Sie folgen ihm. Johnny Hackett zieht die Tür vorsichtig hinter sich zu.

✰✰✰

Es ist eine halbe Stunde später, als der Angestellte aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht und wie betrunken hinaus auf den breiten Gehsteig taumelt und heiser krächzend ruft: »Überfall! Überfall! Leute, holt den Marshal, Überfall! Sie haben die Bank ausgeraubt!«

Nun erst wird in Longhorn City bekannt, dass die Filiale der Kansas Bank überfallen und ausgeraubt wurde.

Der Town Marshal alarmiert die Bürgerwehr. Aber die Treibherdenstadt Longhorn City ist voller Fremder.

Wer von ihnen könnte es getan haben? Man sucht nach Männern, auf die die Beschreibung des Angestellten zutrifft. Aber man kann die Banditen nicht erkennen, weil Lyn Skinner, Jeremy Kilroy und Johnny Hackett jetzt ganz anders aussehen, nämlich so, wie sie wirklich sind.

Und niemand von all den Fremden hat einen Leinensack voll Geld bei sich.

Man findet in der Ecke des Hofes der Bank hinter einem Stapel Brennholz nur den wie immer ziemlich betrunkenen Blue Pete, den Trunkenbold von Longhorn City, der sich den Schnaps durch Gehsteigfegen, Abortgrubenleeren und Spucknapfputzen verdient.

Es stellt sich später heraus, dass mehr als hunderttausend Dollar geraubt wurden. Es hätten noch mehr sein können, wenn die Bank nicht im Laufe des Tages einige größere Summen an Treibherdenbosse ausgezahlt hätte, die den Erlös für ihre Treibherden lieber in bar nach Texas mitnehmen wollten.

Die Treibherdenstadt Longhorn City hat an diesem Tag und die ganze Nacht hindurch bis zum nächsten Morgen reichlich Gesprächsstoff. Hunderttausend Dollar sind eine Menge Geld, und es gibt zurzeit in dieser wilden Stadt eine ganze Reihe harter Burschen, die die hunderttausend Dollar gerne für sich erobern würden.

Es suchen also in diesen Stunden bis zum nächsten Tage nicht nur der Town Marshal und dessen Aufgebot überall in der Umgebung nach verdächtigen Reitern, sondern auch noch einige andere Mannschaften. Aber die drei Banditen sind spurlos verschwunden. Niemand weiß, dass sie noch einige Stunden in der Stadt blieben, jedoch als scheinbare Müßiggänger stets getrennte Wege gingen und dann nach und nach verschwanden.

Lyn Skinner fuhr mit der Postkutsche nach Norden. Das war gegen Mitternacht.

Jeremy Kilroy ritt nach Westen, nachdem er fast bis zum nächsten Morgen Poker spielte.

Und Johnny Hackett, der jetzt nicht mehr wie ein Mexikaner aussieht, steigt gegen Mittag in den einzigen Personenwagen eines abgehenden Viehzuges nach Osten. Und keiner von ihnen hat mehr als dreihundert Dollar in seinen Taschen.

Wo ließen sie das viele Geld?

✰✰✰

Es ist am Abend des Tages nach dem großen Bankraub, als Vance Coburne nach Longhorn City kommt, scheinbar als Spieler, der in dieser wilden Treibherdenstadt nach Opfern sucht, denen er das Geld abnehmen kann.

Man spricht immer noch an den Schanktischen in den Saloons über den großen Raub, und Coburne hört interessiert zu, stellt manchmal Fragen. Als er erfährt, dass Blue Pete, der Trunkenbold von Longhorn City, betrunken im Hof lag, als die Banditen aus der Hintertür kamen, um durch die Gassen zu verschwinden, da beginnt er bald schon nach diesem Blue Pete zu suchen.

Er findet ihn im Hof eines Saloons bei den Kisten mit den leeren Flaschen. Blue Pete ist dabei, die Flaschen gänzlich zu leeren. In den meisten sind noch einige Tropfen Feuerwasser enthalten, die er sich geduldig in den Hals tröpfeln lässt.

»Das ist aber sehr mühsam«, sagt Vance Coburne, indes er zu ihm tritt.

»Ja, man muss fleißig sein«, erwidert Blue Pete. Seine Aussprache verrät, dass er einst zu der gebildeten Klasse gehörte. »Auf dieser Erde bekommt man nie etwas geschenkt. Man muss etwas dafür tun. Und wenn ich alle Leerflaschenkisten von Longhorn City kontrolliert und alle Flaschen bis auf den letzten Tropfen geleert habe, dann habe ich mir meinen Rausch redlich verdient. Oder wollen Sie etwa einen Dollar für einen kranken Mann spendieren, für den der Schnaps die beste Medizin ist?«

»Wie wär's mit zehn?«, fragt Vance Coburne zurück. »Doch um Sie an Ihre Worte zu erinnern, Mister Blue Pete: Auf dieser Erde bekommt man nichts geschenkt. Man muss etwas dafür tun. Ich will eigentlich nur eine kleine Auskunft. Wie war das gestern, als die Bank ausgeraubt wurde und Sie hinter dem Brennholz im Hof lagen? Die Banditen mussten an Ihnen vorbei. Waren Sie so beschlaucht, dass Sie wirklich von der Sache nichts mitbekamen – oder können Sie mir doch einige Hinweise geben? Zum Beispiel wäre es möglich, dass sich die Kerle unterhalten oder sich etwas zugerufen haben. Denn offenbar trennten sie sich sofort nach Verlassen des Hofes. Da könnte es doch sein, dass sie sich noch etwas zuriefen. Wollen Sie nicht mal nachdenken, Mister Blue Pete?«

Dieser stößt ein heiseres Kichern aus. »Sie sind ja ein ganz Schlauer«, kichert er dann. »Sie nennen mich Mister Blue Pete und behandeln mich wie ein ehrenwertes Mitglied der menschlichen Gemeinschaft. Aber ich bin der letzte Dreck von Longhorn City – und davor war ich es in anderen Städten. Ich kam hierher, weil man mich in einer Stadt einfach in einen leeren Viehzug warf. Als ich meinen Rausch ausgeschlafen hatte, hörte ich Rinder brüllen und war in Longhorn City. Ja, Sie sind ein ganz Schlauer, Mister.«

»Und Sie waren mal das Gegenteil von einem Trunkenbold, Mister Blue Pete«, erwidert Vance Coburne. »Ich würde fast darauf wetten, dass Sie mal ein wichtiger Mann waren, vielleicht sogar ein Professor.«

»Nein, nicht Professor«, widerspricht Blue Pete, »aber drüben in Old England ein berühmter Schauspieler. Doch dann ...« Er bricht ab und murrt nach einer Weile störrisch: »Was geht Sie das an, zum Teufel! Sie können ja einem arglosen Burschen die Würmer aus der Nase ziehen, bevor der arme Kerl überhaupt weiß, dass er welche drin hat. Oha, wie war das mit den zehn Dollar?«

»Verdienen Sie sich die, Mister Blue Pete.«

»Dass sie mich immerzu Mister nennen, ist eigentlich eine Gemeinheit, die mich wohl daran erinnern soll, was ich früher einmal war. Aaah, wie war das noch, als ich gestern betrunken im Hof lag? Ja, ich hörte Stimmen. Ich weiß, da war etwas. Ich hatte den Hof gefegt und das Brennholz ordentlich gestapelt. Zwischendurch nahm ich immer wieder einen Schluck aus der Flasche, die ich mir verdient hatte, weil ich am Vormittag die Abortgrube vom Trailman Hotel leerte. Als ich mit der Arbeit im Hinterhof der Bank fertig war, musste ich mich hinlegen. Und dort in der Ecke hinter dem Holz sah mich niemand. Ja, ich war betrunken, doch nicht so sehr, dass ich sozusagen tot war. Der Schnaps begann erst in mir zu wirken. Ich hörte sie hinten herauskommen, vernahm auch ihre Stimmen. Doch an ihre Worte kann ich mich nicht erinnern. Es war mir auch völlig gleich, was sie sich zuriefen. Doch ...«

Blue Pete hielt plötzlich inne, so als wäre jäh ein Gedanke in seinem Kopf oder als erinnerte er sich an etwas mit einigem Staunen.

»Was ist, Mister Blue Pete?« Vance Coburne fragt es ernst und geduldig zugleich.

Der Trunkenbold Blue Pete hält sich nun mit beiden Händen den Kopf, presst dabei die Handflächen gegen seine Ohren.

Eine Weile verharrt er so. Dann nimmt er die Hände wieder herunter.

»Nein, ich glaube nicht, dass ich es in meinem Rausch geträumt habe«, spricht er dann etwas unsicher. »Nein, ich glaube es wirklich nicht. Aber da war eine Frauenstimme. Sie kam vom Tor und von der Stelle, wo man aus dem Hof in die Gasse gelangt. Es war eine wunderschöne Frauenstimme, melodisch und dunkel. Meine Frau hatte eine solche Stimme. Und dennoch betrog sie mich damals mit meinem besten Freund. So eine Stimme hörte ich also. Ich weiß nicht mehr, was sie sagte. Nur ein einziges Wort fällt mir wieder ein.«

»Welches Wort, mein Freund«, murmelt Coburne, »welches Wort?«

»Lockwood, ja, Lockwood. Es sitzt irgendwie in meinem Kopf fest. Lockwood, hörte ich sie in irgendeinem Zusammenhang sagen. Und dann trennten sie sich, liefen in verschiedene Richtungen davon. Denn hinter der Bank gibt es viele Gassen, eigentlich sind es nur Durchgänge zwischen Schuppen, Ställen, Magazinen und irgendwelchen Werkstätten. Mehr weiß ich wirklich nicht, Mister. Und glauben Sie mir, ich habe mein Hirn jetzt gewaltig angestrengt. Nicht mal der Town Marshal hat es fertigbringen können, dass ich es im Kopf so knirschen ließ.«

Vance Coburne klopft Blue Pete dankbar auf die Schulter. Dann gibt er ihm die versprochenen zehn Dollar.

Er will sich abwenden, um fortzugehen, doch er hält noch mal inne. Und er fragt: »Weil Ihre Frau Sie mit Ihrem besten Freund betrog, wurden sie zum Säufer?«

»Sie war für mich ein Engel, ein reiner, guter, wunderschöner Engel«, murmelt Blue Pete. »Es war für mich, als stürzte ich aus dem Himmel in den Abgrund der Hölle. Mann, Mister, wie hätte ich ohne Alkohol den Schmerz in meiner Seele und im Herzen vergessen können?«

»Und jetzt?« So fragt Vance Coburne ernst.

»Jetzt mache ich Abortgruben leer, um saufen zu können. Danke für die zehn Dollar. Das wird ein Fest.«

Blue Pete eilt davon und steuert den Hinterausgang des Saloons an.

Vance Coburne aber verharrt noch und denkt nach.

Lockwood!

O ja, er weiß mit diesem Namen etwas anzufangen.

✰✰✰

Wenn Vance Coburne erst mal eine Fährte aufgenommen hatte, dann erreichte er bisher stets auch ihr Ende. Und das heißt ganz einfach: Bisher entkam ihm keiner, den er haben wollte.

In der Postagentur findet er bald heraus, dass eine junge und schöne Frau die Postkutsche nach Colorado nahm. Das war vor gut vierundzwanzig Stunden. Die junge Frau hatte eine dunkle, melodisch klingende Stimme. Doch sie trug Trauerkleidung und war verschleiert. An Gepäck hatte sie zwei prall gefüllte Reisetaschen bei sich.

Als Vance Coburne dies alles weiß, sucht er den Kassierer der beraubten Bank in dessen Wohnung auf. Auch der junge Bankangestellte lebt in diesem Haus in einem Zimmer, denn das Haus gehört der Bank. Alle Bankangestellten – auch der Direktor – leben in diesem Haus am Rand der Stadt, weit weg vom Viehverladebahnhof, wo die Herden ständig in den Verladecorrals brüllen und der Lärm der Verladearbeit und des Rangierbetriebs Tag und Nacht die Luft erfüllt.

»Was wollen Sie?« So fragt der Kassierer ziemlich mürrisch, als Coburne bei ihm angeklopft hat und er die Tür öffnet.

Coburne legt dem Kassierer die flache Hand gegen die Brust, drückt ihn vor sich her in die Wohnung und stößt hinter sich die Tür mit dem Fuß zu.

»Mein Name ist Vance Coburne«, sagt er dann ruhig. »Ich bin der Mann, den die Kansas Bank geschickt hat. Hier ist mein Ausweis. Und nun holen Sie den jungen Angestellten. Ich muss Sie beide befragen.«

»Ich muss erst den Bankleiter verständigen und ...«

»Das ist nicht nötig«, unterbricht Coburne den Kassierer. »Der hat die Banditen ja wohl nicht gesehen, weil er schon heimgegangen war. Ich muss von Ihnen und dem Angestellten – Freddy, heißt er ja wohl – eine Beschreibung der Banditen bekommen. Gewiss, diese waren offenbar verkleidet. Aber Größe und Gewicht, Augenfarbe und ähnliche Anhaltspunkte können Sie mir sicherlich geben. Holen Sie diesen Freddy. Einer der Banditen soll ihm ja ein Messer an den Hals gedrückt haben. So erzählt man sich überall.«

Es dauert dann nicht lange, da hat Coburne die beiden Männer ausgefragt. Und der junge Bankclerk Freddy Hicks gibt ihm nun den zweiten Anhaltspunkt, denn er sagt plötzlich: »Jetzt fällt mir etwas ein, Sir. Er drückte mir das Messer an den Hals. Ich schielte auf die Klinge. Und da sah ich auf dem Handgelenk – halb noch unter dem Jackenärmel verborgen – eine Tätowierung.«

»Was für eine, mein junger Freund?« Vance Coburne fragt ganz ruhig und so, als verspräche er sich nicht viel von der Antwort. Niemand sieht ihm an, wie sehr er in seinem Innern triumphiert, ja, dass er gewissermaßen jetzt innerlich einem lauernden Raubtier gleicht, das zum Sprung ansetzt, weil die Beute schon fast in erreichbarer Nähe ist.

Freddy Hicks muss nicht lange nachdenken. »Es war wahrscheinlich ein Schlangenkopf, und ich kann mir denken, dass es die Tätowierung einer ganzen Schlange war, die sich um den Arm gewickelt hatte. Ja, so etwa habe ich es in Erinnerung.«

»Ich danke Ihnen sehr«, murmelt Vance Coburne und geht wieder.

Er ist mit einem der Leerzüge von Osten hergekommen.

Nun aber nimmt er die Mittagspost nach Westen, also nach Colorado.

Und er weiß zwei wichtige Dinge: Da ist der Name Lockwood. Und da ist die Tätowierung am Arm von einem der Banditen.

Aber eigentlich gibt es noch eine dritte, sehr wichtige Sache – wenn man eine schöne Frau mit einer angenehmen Stimme überhaupt so nennen darf.

Wie jene schöne Frau mit den beiden prall gefüllten Reisetaschen fährt Coburne auch nach Westen.

Als es Tag wird, halten sie zum dritten Mal bei einer Pferdewechselstation und haben an die hundert Meilen hinter sich gebracht.

Der Fahrer ruft laut, indes er mit seinem Begleitmann vom hohen Bock zur Erde hinabklettert: »Leute, hier gibt es Frühstück! Wir fahren in einer halben Stunde weiter! Frühstück, Leute!«

Auch Coburne klettert wie die anderen acht Fahrgäste aus der Kutsche und sieht sich um. Dicht vor der Station zweigt vom Hauptwagenweg ein anderer Weg nach Nordwesten ab, wo im ersten Morgenlicht die Vorberge in der Ferne zu sehen sind. Dort endet die Kansas-Prärie, und das Land steigt allmählich zu den Rockies in weiter Ferne an. An der Weggabelung steht ein Pfahl, an dem einige Wegweiser befestigt sind, die nach Norden und Süden aber auch nach Westen und Nordwesten weisen. Auf einem der Bretter steht zu lesen:

Lockwood, 120 Miles.

Das ist es, denkt Vance Coburne.

Er kehrt zur Station zurück und fragt den Stationsmann, der mit seinem Gehilfen das Sechsergespann der Kutsche gegen ein frisches aus den Corrals austauscht: »Mister, nach Lockwood – geht da auch eine Kutsche?«

»In drei Tagen wieder«, erwidert der Stationsmann. »Die Kutsche heute ist vor einer halben Stunde abgefahren. Nur alle drei Tage kommt eine und kehrt hier um. Es ist eine kleine Nebenlinie zu einer unwichtigen Stadt. Aber wenn Sie es eilig haben, können Sie ein Pferd kaufen. Der Stationsmann in Lockwood nimmt es – wenn Sie nur diese Strecke damit reiten – mit zehn Prozent Nachlass zurück. Ich gebe Ihnen dann eine Bescheinigung mit.«

»Das machen wir«, erwidert Vance Coburne. »Aber erst will ich das Frühstück probieren. Und etwas Proviant möchte ich kaufen.«

✰✰✰

Es ist dann drei Tage später, als Vance Coburne die kleine Stadt Lockwood, von Hügeln umgeben, mitten im Tal liegen sieht. Es ist ein schönes und weites Tal, an die fünfzig Meilen lang und mehr als zwanzig breit.

Durch Hügellücken oder über niedrige Pässe geht es gewiss zu Nebentälern. Dies alles hier ist eine prächtige Weide mit Platz für Zehntausende von Rindern.

Immer wieder hält Coburne auf etwas höheren Punkten an und blickt in die Runde. Als er rechts von sich eine Menge Raubvögel – darunter auch Geier – kreisen sieht, hält er wieder einmal an und betrachtet sich die Sache. Da und dort grasen Rinder, aber Reiter sind nirgendwo zu sehen.

Er entschließt sich, zu dieser Stelle hinüberzureiten, über der die Geier und Raubvögel kreisen. Vielleicht liegt dort ein krankes Rind. Es muss noch leben, was es auch sein mag. Denn sonst würden die Aasfresser nicht kreisen, sondern niedergehen.

Sein Weg führt ihn durch eine Senke, dann über einen flachen Hügelkamm und um eine Waldinsel herum. Dann sieht er es.

Ein Pferd steht dort. Im Gras aber liegt eine leblose Gestalt.