G. F. Unger Western-Bestseller 2508 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2508 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Babsy Thomas betrachtet den großen Mann prüfend, und obwohl ihr an Jim Wagoner sonst alles gefällt, hat sie etwas an ihm auszusetzen.
»Jim, warum dienst du diesem Colonel wie ein Hund?«
Jim Wagoner verspeist gerade ein prächtiges Steak. Es ist die erste Mahlzeit nach einem Zehn-Stunden-Ritt. Er isst mit dem gesunden Appetit eines starken Mannes.
Jim Wagoner ist dunkelhaarig. Er hat ein sehr ernstes und ruhiges Gesicht, das unerschütterlich wirkt in seinem Ausdruck. An den Schläfen ist das dunkle und leicht gekräuselte Haar schon ergraut. Doch Jim Wagoner zählt nicht mehr als zweiunddreißig Jahre.
Kauend betrachtet er Babsy Thomas, der das Hotel und das Restaurant gehören. Er findet sie prächtig. Er grinst und sagt: »Wann wirst du mich heiraten, Babsy? Dann spiele ich hier in Longhorn den Prinzgemahl der reichen Babsy Thomas und brauche nicht länger für Colonel Broderick Jackson zu reiten. Du brauchst nur meine Frau zu werden, Babsy, und mich an deinem Reichtum teilhaftig werden zu lassen.«
Er will einen neuen Bissen mit der Gabel zum Mund führen. Aber sein Mund bleibt offen, und die Hand mit der Gabel verharrt bewegungslos vor dem geöffneten Mund, als Babsy Thomas schlicht und ruhig sagt: »Also gut, Jim, dann heirate mich!«


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Seitenzahl: 165

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Leben im Sattel

Vorschau

Impressum

Leben im Sattel

Babsy Thomas betrachtet den großen Mann prüfend, und obwohl ihr an Jim Wagoner sonst alles gefällt, hat sie etwas an ihm auszusetzen.

»Jim, warum dienst du diesem Colonel wie ein Hund?«

Jim Wagoner verspeist gerade ein prächtiges Steak. Es ist die erste Mahlzeit nach einem Zehn-Stunden-Ritt. Er isst mit dem gesunden Appetit eines starken Mannes.

Jim Wagoner ist dunkelhaarig. Er hat ein sehr ernstes und ruhiges Gesicht, das unerschütterlich wirkt in seinem Ausdruck. An den Schläfen ist das dunkle und leicht gekräuselte Haar schon ergraut. Doch Jim Wagoner zählt nicht mehr als zweiunddreißig Jahre.

Kauend betrachtet er Babsy Thomas, der das Hotel und das Restaurant gehören. Er findet sie prächtig. Er grinst und sagt: »Wann wirst du mich heiraten, Babsy? Dann spiele ich hier in Longhorn den Prinzgemahl der reichen Babsy Thomas und brauche nicht länger für Colonel Broderick Jackson zu reiten. Du brauchst nur meine Frau zu werden, Babsy, und mich an deinem Reichtum teilhaftig werden zu lassen.«

Er will einen neuen Bissen mit der Gabel zum Mund führen. Aber sein Mund bleibt offen, und die Hand mit der Gabel verharrt bewegungslos vor dem geöffneten Mund, als Babsy Thomas schlicht und ruhig sagt: »Also gut, Jim, dann heirate mich!«

Er lässt die beladene Gabel wieder auf den Teller sinken, schließt den Mund, schluckt, ohne einen Bissen im Mund zu haben, und reißt die Augen auf. Dann blinzelt er und schnappt endlich nach Luft. Er ist unter seiner bronzefarbenen Gesichtshaut dunkelrot geworden.

»He, Babsy, du würdest meine Frau werden wollen?«

»Vorwärts, Jim, ich nehme dich nun beim Wort!«, sagt sie. Ihre grünlichen Augen betrachten ihn fest. Sie hebt ihr Kinn auf eine stolze Art und schüttelt mit einer für sie typischen Kopfbewegung ihr kupferrotes Haar über die Schultern.

»Du lieber Vater im Himmel«, keucht er, und nun wirkt er unter der von Sonne und Regen gegerbten Haut blass: »Ich – ich – ich habe doch ...«

»... nur Spaß gemacht«, sagt sie schlicht. Und fügt hinzu: »Spaße nie mit einer Frau über solche Dinge.«

»Du bist prächtig, Babsy! Prächtig! Doch ich ...«

»Doch heiraten würdest du mich nicht!«

Nun hat er sich gefangen und wieder in der Hand.

Er schüttelt den Kopf. »Es ist anders, Babsy! Du könntest sicherlich für mich der kostbarste Schatz auf dieser Welt sein. Doch ich bin ein Reiter. Ich lebe im Sattel. Höchstens zwei Monate im Jahr schlafe ich in einem richtigen Bett. Ich bin der Vormann einer Riesenranch. Und das bedeutet, dass ich ständig von einem Weidelager und Vorwerk unterwegs zum anderen bin. Das bedeutet, dass ich zweimal im Jahr mit dem Round-up beschäftigt bin, viele Wochen! Und ...«

Er bricht ab und wischt sich über die Stirn, auf der Schweißperlen glitzern.

»Ich bin ein Cowboy, Babsy. An meiner Seite wäre das ein verdammt hartes Los für dich. Denn natürlich könnte ich nicht von deinen Einkünften leben. Ein Mann muss für seine Frau sorgen können, oder er soll nicht heiraten. In zwei oder drei Jahren werde ich genug zusammengespart haben, um selbst eine Ranch aufbauen zu können. Es würde am Anfang eine sehr kleine Ranch sein. In fünf Jahren würde ich die ersten Rinder verkaufen können. Fünf Jahre sind für eine Frau eine sehr lange Zeit. Babsy, könntest du irgendwo in den Hügeln einsam als meine Frau leben und immer wieder auf mich warten? He, das wäre für dich ein erbärmliches Leben! Deshalb heirate ich dich nicht.«

Sie betrachtete ihn seltsam und erhebt sich langsam.

»Ja, du bist ein Cowboy«, sagt sie. »Du lebst im Sattel. Und ich lebe in Hotels und Saloons. Nun gut, dann wird es also nichts mit uns.«

Sie will sich abwenden. Doch er sagt schnell: »Babsy!«

Da lächelt sie schon wieder, und es ist ein warmes und verzeihendes Lächeln.

»Du armer Narr«, sagt sie. »Du kläglicher Feigling! Erst machst du mir einen Heiratsantrag, und dann kneifst du. Geh zur Bank und nimm dir einen Kredit. Clint Starke gibt dir jeden Kredit, den du haben möchtest. Und dann kannst du dich schon morgen selbstständig machen, schon morgen deine eigene Ranch gründen, und diesem Colonel brauchst du nicht länger wie eine Sklave zu dienen.«

»Ich diene ihm nicht wie ein Sklave«, sagt er ziemlich barsch. »Nicht ihm! Und von diesem Clint Starke will ich keinen Kredit.«

Draußen auf der Straße nähert sich trommelnder Hufschlag. Der Reiter verhält vor dem Restaurant sein Pferd. Eine heisere Stimme fragt: »Ist Jim Wagoner dort drinnen?«

Jim Wagoner kennt die Stimme. Sie gehört Bill Lane. Bill Lane hat draußen Jim Wagoners Pferd erkannt und einen von den Nichtstuern auf der Hotelveranda gefragt.

Wenig später tritt Shorty Bill Lane ein, klein, drahtig, krummbeinig und sommersprossig. Seine hellen Augen richten sich auf Jim. Dann zieht er vor Babsy den Hut und schwingt ihn wie ein spanischer Grande.

»Dieser Les Meadow«, sagt er dann, »und dieser Revolverschwinger Blayn Bond haben zwei Fleischdiebe aus den Hügeln gestellt. Einen Mann erschoss Blayn Bond, und den anderen Mann knüpften sie auf! Hast du verstanden, Jim? Sie haben einen Siedler aus den Hügeln einfach aufgeknüpft, weil sie ihn beim Schlachten eines Jackson-Kalbes überraschten!«

Er verstummt heiser, und Jim Wagoner denkt nach. Die Bitterkeit seiner Gedanken zeichnet sich deutlich auf seinem Gesicht ab. Dann sagt er: »Shorty, geh in den Mietstall und leg meinen Sattel auf ein frisches Pferd. Und dann bleibst du in Longhorn, bis Joe Wilson mit dem Wagen gekommen ist und ihr alle die im Store bestellten Dinge aufgeladen habt.«

»Ich würde lieber mit dir reiten«, mault Shorty, aber dann gehorcht er und geht hinaus. An der Tür wendet er sich noch einmal um und sagt zu Babsy Thomas: »Dieser Vormann sollte nicht länger für den Colonel reiten. Können Sie ihm das vielleicht klar machen, Lady?«

»Er hört auch nicht auf mich«, erwidert Babsy Thomas schlicht.

Da geht Shorty Bill Lane brummend hinaus.

Jim Wagoner sitzt noch am Tisch. Babsy streicht über seine beiden Handrücken und sagt: »Sie haben aus eigener Machtvollkommenheit einen Siedler gehängt. Du bist der erste Vormann dieser Ranch. Und wenn du jetzt noch bleibst, so zeigst du damit, dass du diesen Mord billigst! Jawohl! Mord! Auch ein Fleischdieb, der Kälber auf offener Weide abschlachtet, hat das Recht auf eine faire Verhandlung und den Spruch einer Jury. Auf dieser Weide kommt noch hinzu, dass die Fleischdiebe zumeist Männer sind, die vom Colonel auf raue Art ruiniert wurden und sich nun wenigstens in Bezug auf Fleisch an ihm schadlos halten möchten. Er hat ihnen damals sehr viel mehr genommen als nur Fleisch! Jetzt wollen sie sich etwas von dem Verlorenen zurückholen. Und da werden sie erschossen oder aufgeknüpft! Das ist ein großes Unrecht. Und du bist der erste Vormann und führst die Befehle aus, die der Colonel dir gibt. Schämst du dich jetzt nicht endlich, für solch eine Ranch und solch einen Boss zu reiten?«

Er erhebt sich, greift in die Westentasche und lässt einen Dollar auf die Tischplatte springen.

»Nein«, sagt er, »ich schäme mich nicht. Babsy, du bist erst zwei Jahre in diesem Land. Du kennst dich noch nicht gut genug aus, um Partei ergreifen zu können. Ich glaube fast, du bist zu viel in Clint Starkes Gesellschaft. Du siehst die Dinge schon mit seinen Augen an. Ich will dir etwas sagen, Rotkopf ...«

»Ja, sag es mir!«, fordert sie.

Doch da schüttelt er den Kopf und geht hinaus. An der Tür sagt er über die Schulter: »Es hätte wenig Sinn, Babsy. Du bist zu viel mit Clint Starke zusammen. Jeden Tag.«

Dann geht er hinaus. Die Männer auf der Veranda des Hotels und drüben vor dem Saloon richten ihre Blicke auf ihn. Es sind Bürger und Handwerker der Stadt, Cowboys aus den Hügeln, fremde Satteltramps und irgendwelche Reiter, die dann und wann von irgendwoher in die Stadt kommen, weil diese auf hundert Meilen in der Runde der einzige Versorgungspunkt ist.

Sie alle betrachten den »Ersten« der Jackson Ranch aufmerksam, als dieser den Schecken besteigt, den Shorty Bill vom Mietstall bringt. Jim Wagoner reitet langsam an.

Vor dem Store steht Clint Starke am Rand des Plankengehsteigs. Er steht stolz und arrogant dort, ganz wie ein Mann, dem eine Stadt gehört und der sich als ihr Boss fühlt. Er trägt einen dunklen Tuchanzug und ein weißes Hemd mit schwarzer Samtschleife. Er ist groß, rotblond und rotwangig. In seinem Mundwinkel steckt ein Zigarillo und zeigt schräg nach oben.

»Hallo, Cowboy«, sagt er lässig und macht eine Handbewegung, die bedeuten soll, dass Jim Wagoner anhalten möchte.

Jim hält an und blickt auf den Boss von Longhorn nieder. Er sagt kein Wort. Man kann die Abneigung, die diese beiden Männer gegeneinander hegen, fast spüren, so deutlich und greifbar scheint sie.

Clint Starke lächelt plötzlich. Er zeigt feste Zähne. In seinen gelben Augen ist ein seltsames Funkeln.

»Jim«, sagt er, »wann holt euer Koch die bestellten Dinge ab? Sie füllen mein Lager und nehmen mir Platz weg.«

»Heute noch«, sagt Jim ruhig. »Hast du noch etwas auf dem Herzen, Clint?«

Clint Starke nickt und fragt: »Hat Shorty dir eine gute oder schlechte Nachricht gebracht? Du reitest ziemlich schnell wieder fort, und das sogar trotz Babsy Thomas' Gesellschaft. Hat es irgendwo Kummer gegeben, Vormann?«

Er lächelt nun voller Hohn. Das Glitzern in seinen Augen wird deutlicher. Es ist das böse Leuchten eines Triumphes. Jim Wagoner spürt plötzlich, dass Clint Starke schon Bescheid weiß. Das wäre kein Wunder. In diesem Land verbreiten sich Nachrichten sehr schnell.

Jim Wagoner sagt kein Wort mehr. Er reitet weiter. Als er die letzten Häuser der Stadt erreicht hat, treibt er den Schecken scharf an. Es sind zwölf Meilen bis zur Hauptranch.

Unterwegs kommt ihm der Koch Joe Wilson mit dem großen Wagen entgegen. Er hat den Pferdejungen dabei. Er winkt dem Vormann nur zu und ruft: »Ich konnte nicht früher fort, Jim!«

Der winkt zurück und reitet schnell vorbei.

Es ist fünf Uhr nachmittags, als Jim Wagoner die Hauptranch erreicht. Er übergibt sein Pferd einem der Pferdeburschen und fragt: »Sind Les Meadow und Blayn Bond schon hier?«

»Yes, Sir«, sagt der Junge.

Jim Wagoner überquert den weiten Hof. In der Runde stehen die Gebäude der mächtigen Ranch: Ställe, Magazine, Werkstätten, Schlafhäuser, der Speiseraum mit der Küche und das große Ranchhaus. Alles ist umgeben von einem weiten Ring vieler Corrals.

Auf den Stufen der Veranda sitzt der Cowboy Jess Kellog und leckt über das braune Zigarettenpapier. Er rollt die Zigarette fertig und erhebt sich dann. Jess Kellog ist fast so groß und so schwer wie Jim Wagoner. Nur ist er blond, und er wirkt auch sehr verwegen und etwas wild.

»Das war eine raue Hängepartie, Jim«, sagt er. »Und wenn du jetzt deinen Posten aufgibst, dann lasse auch ich mich gleich von der Lohnliste streichen. Und Shorty auch! Wenn es der Kleine dir nicht schon gesagt hat, hat er es nur vergessen.«

»Nur langsam«, brummt Jim. »Warst du mit dabei?«

»Ich kam dazu, als alles schon vorbei war«, erklärte Jess Kellog. »Und ich bin dann mit dem Rudel zur Hauptranch gekommen, obwohl Les Meadow das nicht passte. Ich habe ihm gesagt, dass du mich auf der Hauptranch haben möchtest. Ich wollte hier sein, wenn du kommst.«

»Nun gut«, nickt Jim. Er geht hinauf, überquert die mächtige Veranda und verschwindet bald darauf im Büro der Ranch.

Es ist ein großer Raum, in dem sich Colonel Broderick Jackson lieber aufhält als in der großen Wohnhalle. Er sitzt hinter dem Schreibtisch, hat seine Füße darauf liegen und zerkratzt mit seinen Sporenrädern die Tischplatte.

An der Wand neben der Tür steht der Revolvermann Blayn Bond.

Links neben dem Schreibtisch steht der zweite Vormann Les Meadow. Er hat wohl gerade seinen Bericht beendet, ein Zeichen, wie schnell Jim Wagoner von Shorty benachrichtigt wurde.

Der Colonel betrachtet seinen Ersten.

»Ja, ich habe es schon gehört«, sagt Jim kühl.

»Und was sagst du dazu?«, fragt der Colonel. Er nimmt die Füße vom Tisch und erhebt sich. Er ist nur mittelgroß, aber schlank und drahtig und schon weit über fünfzig Jahre. Man sieht es ihm an, obwohl er sich sehr straff und soldatisch gerade hält. Der Colonel hätte ohne den fast weißen Spitzbart ein nichtssagendes Durchschnittsgesicht. Nur seine hellen und kalten Augen sind bemerkenswert. Sie sind kühl, zwingend und verraten einen kalten Verstand und Schläue.

»Was ich dazu sage?«, murmelt Jim. Er wendet sich an Les Meadow. »Wer war es? Und warum habt ihr ihn aufgehängt? Seit wann, Meadow, arbeitest du für ein Gericht als Henker? Und welche Jury hat den Mann schuldig gesprochen? Welcher Richter hat die Todesstrafe verhängt? Los, Meadow!«

Der Zweite der Jackson Ranch blickt den Ersten tückisch an.

Les Meadow ist ein riesenhafter Mann, stark wie ein Bulle, stur wie ein Bulle, und sicherlich auch furchtlos wie ein Bulle. Sein Denken vollzieht sich in eingleisigen Bahnen, aber vielleicht macht ihn gerade das für Colonel Jackson so wertvoll.

»Es ist vielleicht meine Schuld«, sagt der Colonel sanft. »Weißt du, Jim, als wir in der vergangenen Woche die geschlachteten Rinder in den Hügeln fanden, da sagte ich in meinem Zorn, dass diese Rinderschlächter noch schlimmer wären als Viehdiebe, die die Rinder abtreiben, um sie irgendwo zu verkaufen. Ich sagte in meinem Zorn, dass ich jeden Rinderschlächter aufhängen ließe, dessen ich habhaft werden könnte. Les Meadow hörte das. Und er hielt es für einen Befehl. Er ist unbezahlbar in seiner Art. Doch er muss wohl ganz genau beaufsichtigt werden.«

Jim Wagoner starrt den Colonel an, und er begreift, wie geschickt sich dieser wieder einige Hintertürchen offen hält.

»Einen Vormann, den man beaufsichtigen muss und der einen Wutausbruch seines Bosses für das Erteilen von Befehlen hält, können wir hier nicht gebrauchen«, sagt Jim. »Werfen Sie diesen Mörder raus, Colonel!«

»Langsam, langsam, Mister«, meldet sich der Revolverheld Blayn Bond. »Wagoner, wenn Sie als erster Vormann gegen die Rinderdiebe und Schlächter nichts unternehmen, dann muss es der zweite Vormann tun. Was ist falsch daran? Wir hatten die Burschen auf frischer Tat ertappt. Sie griffen nach den Waffen und trachteten sogar noch nach unserem Leben. Also begann ich zu schießen, und ein anderer Mann wäre ihnen bestimmt nicht zuvorgekommen. Wir haben kein Gesetz im Land. Und der Boss hat wirklich gesagt, dass er den nächsten Schlächter aufknüpfen lassen wird. Wie sollen wir unsere Reiter und den Besitz der Ranch schützen und das Anwachsen der Diebstähle verhindern, wenn wir nicht mal hart und rau durchgreifen?«

Jim Wagoner betrachtet den Revolvermann. Blayn Bond ist groß und hager, fahlblond und wirkt sehr farblos. Doch seine Augen sind wie gefrorenes Wasser.

Jim Wagoner wendet sich an den Colonel.

»Entlassen Sie die beiden Mörder«, sagt er. »Oder streichen Sie mich auf der Stelle von Ihrer Lohnliste. Ich bin hier fertig, wenn Sie diesen Lynchmord decken.«

Der Colonel schüttelt den grauen Kopf, und seine Augen funkeln scharf. »Jim, du kannst mich nicht bluffen oder erpressen! Es werden in dieser wilden Zeit hier bei uns in Texas sehr viele Rinder- und Pferdediebe gehängt. Aber ganz abgesehen davon. Ich habe deine Zusage, dass du meine große Herde nach Kansas bringst. Auf die Erfüllung dieser Zusage bestehe ich. Woher sollte ich denn sonst so schnell einen Herdenboss hernehmen? Jim, diese Ranch ist auch dein Werk, und du lässt mich so leicht nicht im Stich. Ganz bestimmt nicht!«

Er nickt Les Meadow und Blayn Bond zu, und die verlassen schnell das Büro. Da tritt der Colonel dicht vor Jim hin, legt ihm die Hände auf die Schultern und blickt ihn fest an.

»Jim, es ist hart, aber es musste mal ein Exempel statuiert werden! Ich lasse mich nicht länger ausplündern! Und du weißt genau, dass die Leute in den Hügeln aufgehetzt werden. Sie waren sich früher nie so einig wie jetzt. Jim, ich kann Les Meadow und Blayn Bond jetzt nicht davonjagen. Wenn ich das täte, würden die Rinder- und Fleischdiebe überhaupt keine Furcht mehr haben. Ich will dir jedoch versprechen, dass ich in Zukunft besser auf Les Meadow achten werde und er stets noch genauere und eindeutigere Befehle von mir erhalten wird.«

✰✰✰

Als Jim Wagoner aus dem Ranchhaus tritt, lehnt der weißblonde und verwegen wirkende Jess Kellog an einem Stützbalken des Verandadaches.

»Nun?«, fragt er lässig, doch sein ernster Blick steht im Gegensatz zu dem lässigen Klang seiner Stimme. »Haben wir gekündigt? Reiten wir jetzt von dieser Ranch?«

Jim Wagoner blickt den Freund fest an. Ja, dieser Jess Kellog und Shorty Bill Lane sind seine Freunde, sonst würden sie nicht für den Colonel reiten. Sie sind auf der Ranch, weil Jim Wagoner hier Vormann ist.

Jim schüttelt den Kopf. »Ich habe nicht gekündigt«, sagt er. »Der Colonel hat meine Zusage, dass ich die große Herde nach Kansas bringe. Und ...«

»Warum dienst du ihm wie ein Sklave?« Jess Kellog fragt es hart. Und er spricht die gleichen Worte wie Babsy Thomas heute Mittag in der Stadt.

Jim Wagoner sagt ruhig: »Jess, wir sind Freunde. Aber wenn es dir auf dieser Ranch nicht gefällt, so reite fort. Ich bleibe!«

»Manchmal könnte man irre an dir werden«, murmelt Jess Kellog und geht davon. »Ich sattle zwei Pferde.«

Jim Wagoner geht zu seinem Quartier hinüber. Als erster Vormann bewohnt er einen kleinen Anbau des großen Schlafhauses, in dem Betten für vier Dutzend Reiter stehen.

Er tritt langsam ein und wirft seinen staubigen Hut auf den Tisch. Dann blickt er sich um. Dies hier ist seit vier Jahren sein Heim, denn seit vier Jahren ist er der erste Vormann dieser Ranch.

Langsam beginnt er zu packen. Als er damit fertig ist, rollt er auch noch die beiden Decken in eine geteerte Segeltuchplane. Das Gewehr steht im Ständer neben der Tür.

Als er sein Gepäck aufnehmen und das Quartier verlassen will, taucht Jill Jackson auf, die Tochter des Colonels. Sie trägt Reitkleidung.

»Jim, kann ich mit dir zum Herdencamp reiten?«, fragt sie ernst.

Er betrachtet sie. Es ist ein dunkelhaariges, mittelgroßes, geschmeidiges und sehr apartes Mädchen, vital und eigenwillig. Sie ist erst seit wenigen Monaten aus dem Osten zurück.

»Wozu, Jill? Es wird Nacht.« Er setzt seinen alten Hut auf und will den Reisesack aufnehmen. Doch da kommt sie in den Raum und hängt plötzlich an seinem Hals. Sie küsst ihn und sagt dann heftig: »Ich will mich doch von dir verabschieden, Jim! Was ist dabei, und was kann ich dafür, wenn ...«

»Nein, Jill«, sagt er ein wenig rau und schiebt sie von sich. »Es ist falsch von dir, Mädel.«

»Was ist falsch, Jim?«

»Du siehst in mir etwas, was ich nicht bin. Dein Vater hat dich nicht acht Jahre lang in Boston erziehen lassen, damit du nachher einen ungebildeten Cowboy heiratest. Mädel, ich bin ein Mann, der im Sattel lebt. Du bist nach Herkunft und Erziehung für einen anderen Mann bestimmt. Du könntest nicht mit einem Cowboy in einer Hütte leben, Jill.«

Er verstummt, denn es wird ihm bewusst, dass er ungefähr die gleichen Worte heute Mittag schon zu Babsy Thomas sagte.

Jill Jackson ist mehr als verwundert: »In einer Hütte leben? Jim, du bist hier der erste Vormann! Und wenn du mich zur Frau nimmst, so bist du der Schwiegersohn meines Vaters. Dann wirst du diese Ranch leiten, solange ...«

»Das werde ich nicht«, sagt er. »Ich bringe für deinen Vater die große Rinderherde nach Kansas. Das ist meine letzte Arbeit für die Jackson Ranch. Ich werde mir irgendwo ein Stück Land suchen und mich selbstständig machen. Und das wäre nichts für dich, Mädel. Also lass mich in Frieden und such dir einen Mann, der zu dir passt. Sonst würdest du das bitter bereuen.«

Sie steht mit hängenden Armen bewegungslos da und betrachtet ihn. Und sie wirkt irgendwie hilflos und schutzbedürftig.

»Du willst aus Kansas nicht zurück zu uns, hier nach Texas heim auf die Ranch? Oh, du kommst nicht zurück?«

Er schüttelt den Kopf. »Geh nach Boston zu deiner Tante zurück«, sagt er rau.