G. F. Unger Western-Bestseller 2515 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2515 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Der Canyon durchbricht die Kette der Dragoons von Süd nach Nord. Und im breiten Maul des Canyons, das vor ihm liegt, sieht Jack McQuarry die Häuser der Stadt.
Er ist ein großer Mann mit einem ruhig wirkenden Gesicht, in dem eine tief in seinem Kern liegende Härte zu erkennen ist. Er und sein Pferd sind mit Staub bedeckt.
McQuarry ist den Mulkey-Brüdern auf den Fersen, die in Hills Boro die Bank ausraubten. Ihre Fährte hatte sich geteilt, und so warb er drei Männer an, die den drei Fährten folgten. Er selbst konnte ja nicht zur selben Zeit drei verschiedenen Fährten folgen. Er war jedoch sicher, dass sich die Fährten irgendwo wieder vereinigen würden. Und so wartete er und ließ die Spürhunde für sich suchen und den Fährten folgen.
Doch dann erhielt er von dem kleinen Mr Fox die Nachricht, dass sich die Mulkey-Brüder schon seit Tagen im Freudenhaus von Dragoon City aufhielten. Und nun ist er da ...


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Seitenzahl: 151

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

McQuarry kommt nach Dragoon City

Vorschau

Impressum

McQuarry kommtnach Dragoon City

Der Canyon durchbricht die Kette der Dragoons von Süd nach Nord. Und im breiten Maul des Canyons, das vor ihm liegt, sieht Jack McQuarry die Häuser der Stadt.

Er ist ein großer Mann mit einem ruhig wirkenden Gesicht, in dem eine tief in seinem Kern liegende Härte zu erkennen ist. Er und sein Pferd sind mit Staub bedeckt.

McQuarry ist den Mulkey-Brüdern auf den Fersen, die in Hills Boro die Bank ausraubten. Ihre Fährte hatte sich geteilt, und so warb er drei Männer an, die den drei Fährten folgten. Er selbst konnte ja nicht zur selben Zeit drei verschiedenen Fährten folgen. Er war jedoch sicher, dass sich die Fährten irgendwo wieder vereinigen würden. Und so wartete er und ließ die Spürhunde für sich suchen und den Fährten folgen.

Doch dann erhielt er von dem kleinen Mr. Fox die Nachricht, dass sich die Mulkey-Brüder schon seit Tagen im Freudenhaus von Dragoon City aufhielten. Und nun ist er da ...

Bis zur Stadt ist es nur noch eine halbe Meile, und er weiß, dass er dort vielleicht beerdigt werden könnte, wenn es nicht besonders gut für ihn läuft. Denn die drei Mulkey-Brüder sind gefährliches Wild – Raubwild.

Dennoch ist in McQuarry kein Zögern.

Er hat das Ende einer Fährte erreicht, und nun gilt es, den Rest zu erledigen, so oder so.

Er glaubt nicht, dass sich die Mulkey-Brüder ergeben werden. Nein, er wird sie niederkämpfen müssen, um die der Bank geraubte Summe zurückbekommen zu können.

Wieder einmal reitet er in einen Revolverkampf. Und wieder einmal fragt er sich, wie lange er dieses Leben noch führen will und ob sich diese Frage in dieser kleinen Stadt vor ihm nicht von selbst erledigen wird.

Es ist später Nachmittag. Die Sonne steht weit im Westen und wirft ihren noch hellen Schein an der Nordseite der Dragoons entlang nach Osten. Der Canyon aber ist schon dunkel. Sein Maul ist wie ein gewaltiger Schlund, der in die Dunkelheit führt.

McQuarry erreicht die ersten Häuser und biegt in den Hof des Mietstalls ein.

Aus der Schmiede, zu der dieser Stall gehört, kommt ein Junge gelaufen, der soeben noch den langen Hebel des Blasebalgs bediente. Es ist ein blonder, sommersprossiger Junge von etwa vierzehn Jahren, der auch mit dem Vorhammer als Zuschläger arbeitet. Und das kann einen solchen Jungen leicht zerbrechen.

»Sir?« So fragt der Junge.

»Versorge es gut, Junge«, spricht McQuarry ruhig. »Sei gut zu diesem Wallach. Er verdient es. Und leg mein Gepäck zu ihm in die Stallbox.«

Er schwingt sich aus dem Sattel und wirft dem Jungen die Enden der Zügel zu. Dann geht er mit langen und trotz des harten Reitens immer noch federnden Schritten davon.

Aus der halb offenen Schmiede tritt nun der Schmied, der noch einige Hammerschläge tun musste und den Fremden deshalb nicht so gründlich betrachten konnte.

»Wer ist da gekommen, Pete?« So fragt er den Jungen.

Dieser starrt immer noch McQuarry nach und erwidert schließlich zögernd: »Sir, ich weiß nicht. Da kam ein Mann, von dem etwas ausgeht, doch ich weiß nicht so genau, was. Aber es ist ein Mann wie kein anderer.«

Er hat kaum ausgesprochen, als Norman Fox in den Hof geritten kommt, und offenbar hat er die letzten Worte des Jungen gehört. Denn indes er absitzt und die Zügel fallen lässt, sagt er: »Ja, Junge, der da ist ein Mann wie kein anderer.«

Er macht einige Schritte in Richtung Ausfahrt, hält dann inne und wendet sich halb zurück.

»Die Stadt wird sich noch lange an diesen Tag erinnern, den Tag, da dieser Mann nach Dragoon City kam.«

Nach diesen Worten verschwindet er aus dem Hof.

Der Schmied wischt sich übers Gesicht. Dann sagt er: »Pete, geh dem Fremden nach – ich meine, dem ersten Fremden, der mit dem grauen Wallach geritten kam. Und dann berichte mir, was geschehen ist. Lauf, Pete!«

Pete lässt sich das nicht zweimal sagen, denn er ist voller Neugierde, und er wittert etwas, so als würde etwas Ungeheuerliches geschehen und er, Pete Brown, ein Zeuge eines großen Geschehens werden.

Indes wandert Jack McQuarry die Mainstreet von Dragoon City entlang, sieht sich um und versucht einen ersten Eindruck von der Stadt zu bekommen.

Es ist kein guter Eindruck. Es herrscht nicht viel Leben. Es scheint, als verhielten sich die Leute hier abwartend, lauernd, wachsam. Und weil er ein Fremder ist, von dem sie noch nicht wissen, was er hier will, da spürt er ihre misstrauischen Blicke.

Ja, sie beobachten ihn aus den Häusern, halten sich jedoch dabei möglichst verborgen.

Was für eine Stadt, denkt er mit einem Gefühl von Verachtung, und zugleich wird ihm klar, dass die Mulkey-Brüder sich in solch einer Stadt sehr wohl fühlen. Denn wer will hier etwas gegen sie unternehmen? Drei Banditen und Revolverhelden wie die Mulkey-Brüder sind hier wie drei Tiger inmitten einer Hammelherde.

Und deshalb fragt sich Jack McQuarry, indes er die Mainstreet entlanggeht, was in der Stadt wohl schon geschehen sein mag.

Einige Male hält er inne und schaut sich um. Er sieht das Hotel, den Saloon, den General Store und die Sattlerei. Da und dort stehen Sattelpferde und Wagen.

Als er auf der anderen Straßenseite vor dem Hotel verhält, da sieht er die Frau auf dem Balkon. Sie holt dort Bettzeug herein, welches zum Auslüften über der Brüstung hing. Nun hält sie inne und blickt zu ihm herunter.

Einige Sekunden lang verharren sie beide und betrachten sich.

Ihm gefällt die Frau, und er glaubt von Anfang an nicht, dass sie dort im Hotel als Zimmermädchen und Bedienung arbeitet. Er hält sie sofort für die Chefin oder Besitzerin.

Mit einer höflich und bewundernd wirkenden Handbewegung greift er an seinen Hut, an dem noch der Staub des langen Reitens haftet.

Sie nickt kaum erkennbar dankend und verschwindet mit dem Bettzeug im Zimmer.

Er verharrt, hofft, dass sie noch einmal auf den Balkon tritt – aber er hofft vergebens. Und so geht er weiter und denkt darüber nach, was ihn an dieser Frau so beeindruckte, ja fast faszinierte.

Er sah nur ihren Oberkörper. Alles sonst von ihr war hinter der Balkonbrüstung verborgen. Aber er würde jede Wette eingehen, dass sie vollendet gewachsen und proportioniert ist.

Als er dann wieder einmal innehält und sich umsieht, da erkennt er ein Stück zurück Norman Fox, seinen kleinen Spürhund, der ihm die Nachricht sandte, und noch weiter weg den Jungen aus der Schmiede. Der Junge unterhält sich mit dem Sattler, der aus seinem Laden auf die Straße trat.

Jack McQuarry geht weiter und blickt wieder in eine der Gassen hinein. Und da sieht er am Ende der Gasse ein Haus, das sehr nobel wirkt. Einen prächtigen Eingang kann man über die Veranda erreichen. Und zu beiden Seiten des Eingangs hängen rote Laternen. Solche Laternen sind überall auf der Welt die Erkennungszeichen für Häuser der käuflichen Liebe.

Auf einer Bank neben dem Eingang sitzt ein riesiger Schwarzer mit einer Schrotflinte quer über den Oberschenkeln. Als Jack McQuarry sich langsam nähert, da hebt der Schwarze eine Hand, als wollte er McQuarry aufhalten.

Seine Stimme klingt jedoch höflich, als er sagt: »Mister, wir haben hier seit drei Tagen und Nächten eine geschlossene Gesellschaft. Und selbst wenn wir heute oder morgen wieder offen sind, werden sich unsere Schönen erst ein oder zwei Tage erholen müssen. Tut mir leid, Mister.«

Jack McQuarry erwidert noch nichts. Er betritt die Veranda – und da erhebt sich auch der riesige Schwarze, ist bereit, ihm in den Weg zu treten, um ihn aufzuhalten.

Und da öffnet Jack McQuarry den offen getragenen Staub- und Reitmantel noch etwas weiter an der linken Seite.

Und der Schwarze – sein Name ist Joshua Blanco – sieht den Stern auf McQuarrys Weste.

»Oooh«, dehnt er den Überraschungslaut, spricht dann weiter: »Sir, das ist aber sehr selten, dass sich ein Gesetzesmann zu uns verirrt. Der letzte kam vor fast einem Jahr und liegt jetzt auf unserem Friedhof. Er bekam einen hübschen Platz. Wollen Sie vielleicht zu den Mulkey-Brüdern, die bei uns zu Gast sind?«

»Mister Black«, sagt McQuarry und grinst unter seinem Bart, »Sie müssen mich nicht anmelden. Und nun machen Sie den Weg frei.«

»Mein Name ist Blanco«, murmelt der Schwarze, »nicht Black. Und vielleicht sollte ich Sie trotz Ihres Sterns aufhalten. Denn die Mulkey-Brüder werden kämpfen. Und das gibt dann einen gewaltigen Schaden in diesem Haus. Es sollte doch ein Haus des Friedens und der Freude sein, der Liebe – eben ein Paradies.«

Da nickt McQuarry verständnisvoll.

»Das sehe ich ein, Mister Blanco«, spricht er ruhig. »Aber dann sollten Sie den Mulkey-Brüdern jetzt sagen, dass ich hier auf sie warte – hier draußen. Und wenn sie nicht zu feige wären, dann sollten sie verdammt schnell herauskommen.«

Als McQuarry verstummt, da staunt der Schwarze einige Sekunden mit großen Augen. Dann schüttelt er den Kopf wie jemand, der etwas nicht fassen kann.

»He, Mister Sheriff«, murmelt er schließlich, »das sind die Mulkey-Brüder.«

»Ich weiß, und sie haben eine Bank ausgeraubt in einer kleinen Stadt, den Kassierer erschossen und auf der Flucht noch weitere Tote zurückgelassen. Also, Mister Blanco ...«

Dieser nickt langsam.

»O weia«, spricht er dann, »Sie trauen sich aber eine Menge zu. Aber Sie haben wegen Ihrer Höflichkeit einem Schwarzen gegenüber fast mein Herz gewonnen. Ich werde den Mulkeys Ihre Aufforderung ausrichten.«

Nach diesen Worten verschwindet er mitsamt seiner Schrotflinte im Haus.

Jack McQuarry aber verlässt die Veranda und geht ein Dutzend Schritte in die Gasse zurück. Er stellt sich breitbeinig hin und schlägt seinen hellen Reitmantel an der rechten Seite weit zurück.

Nun sieht man den schweren Colt tief unter seiner Hüfte hängen.

Er muss nicht lange warten.

Denn aus dem Haus dringt nun das begeisterte Gebrüll der wilden Mulkeys. Ja, sie sind angetrunken und nehmen die Herausforderung begeistert an. Sie sind ja ruhmsüchtige Revolverhelden, und die Grenze hinüber nach Sonora ist schon auf der anderen Seite der Dragoon-Kette.

Wahrscheinlich ärgert es sie nun, dass sie nicht weiterritten, sondern in diesem Bordell bei den schönen Putas hängen blieben. Sie glaubten, weit genug geritten zu sein und ihre Fährte verwischt zu haben. Deshalb kommen sie so böse und wütend heraus wie drei gestellte Wölfe, deren einzige Chance der Angriff ist.

Vor einem Sheriff ohne Aufgebot kneifen sie nicht.

Sie kommen schießend herausgesprungen, und das ist ihr Fehler.

Denn McQuarry steht fest auf seinen leicht gespreizten Beinen und erwidert ihr Feuer. Ihre Kugeln treffen ihn nicht voll, ritzen ihn nur wie Peitschenhiebe oder fetzen seine Kleidung auf.

Und dann liegen sie da, er aber steht noch und hat nicht einmal seinen Revolver leer geschossen.

✰✰✰

Wie ein Lauffeuer geht es durch die Stadt. Pete, der Junge aus der Schmiede, wird immer wieder aufgehalten und muss berichten.

Und Norman Fox verschwindet im Saloon und erzählt dort, was er gesehen hat, bekommt dafür Freidrinks spendiert. Denn der Saloon füllt sich mit Bürgern der Stadt. Sie laufen von überall herbei.

Und dann sehen sie durch die Fenster, wie der Sheriff mit zwei vollen Satteltaschen zum Hotel geht und darin verschwindet.

Und Norman Fox erklärt den Leuten: »Das ist die Beute der Mulkey-Brüder – oder das, was davon noch übrig blieb. Aber fünfzigtausend Dollar konnten sie gewiss nicht im Putahaus verjubeln, höchstens tausend Dollar, denke ich. Leute, Sheriff McQuarry trägt dort fast fünfzigtausend Dollar ins Hotel. Er ist weit geritten. Der will jetzt schlafen, und er wird das Geld als Kopfkissen benutzen und den Revolver in der Hand behalten, hahaha!«

Er endet mit seinem seltsamen Lachen.

Und die Bürger in Dragoon City schweigen, bis einer von ihnen heiser flüstert: »Solch einen Sheriff müssten wir hier haben. Dann wäre ...«

Aber der Flüsterer spricht nicht weiter, sondern bricht sein Flüstern erschrocken ab. Und auch die anderen Bürger schweigen.

Nur der Leichenbestatter, dem auch die Holzhandlung und die Schreinerei mit dem Sarggeschäft gehören, räuspert sich und sagt bitter: »An dieser Beerdigung werde ich nichts verdienen.«

✰✰✰

Als Jack McQuarry die Hoteldiele betritt, da steht Sheere Freeman hinter dem Anmeldepult und sieht ihm mit ihren grünen Augen entgegen. Ihr Haar ist rabenschwarz, und auf ihrer geraden Nase und den hohen Wangenknochen erkennt er näher tretend einige Sommersprossen. Aus der Nähe gefällt sie ihm noch besser. Er sieht ihr an, dass sie eine Frau ist, die das Leben kennt.

In ihrem Blick erkennt er den Stolz einer Frau, die sich niemals in ihrem Leben aufgab, und obwohl sie ihren Mund geschlossen hält, glaubt er, dass dieser Mund sehr ausdrucksvoll sein kann.

»Ma'am, mein Name ist Jack McQuarry und ich möchte ein Zimmer. Ich bin weit geritten und muss schlafen. Lässt sich das machen?«

Nun lächelt sie ernst, und ihr Blick forscht immer noch in seinen rauchgrauen Augen und seinem stoppelbärtigen Gesicht.

»Dies ist ein Hotel, Mister McQuarry«, spricht sie mit einer Stimme, deren Klang ihm gefällt. Ja, sie gefällt ihm, und er weiß, dass sie das erkennen kann, weil sie eine erfahrene Frau ist.

»Ich glaube, Sie sind mehr oder weniger leicht angeschossen, Mister McQuarry«, spricht sie weiter. »Ihre Kleidung ist blutgetränkt. Sie brauchen mehr als nur ein Bett und einige Stunden Schlaf. Dieses Hotel hat auch eine Badestube. Ich werde mich um Sie kümmern. Oder ist Ihnen das nicht recht?«

Abermals sehen sie sich gegenseitig in die Augen. Und beide spüren sie etwas. Es ist das Wissen zweier erfahrener Menschen, dass sich ihre Wege eines Tages kreuzen mussten, weil es ein Schicksal gibt, das dies alles schon vor langer Zeit vorherbestimmt hat.

Er nickt: »O ja, Ma'am. Das wäre mir recht.«

»Ich bin Sheere Freeman«, erwidert sie. »Sagen Sie einfach Sheere zu mir, Jack.«

✰✰✰

Als er erwacht, ist es draußen Tag. Es muss schon der nächste Tag sein. Also hat er zumindest zwölf Stunden geschlafen.

Als er sich erhebt, da entdeckt er, dass er nackt ist bis auf einige Pflaster auf seinen harmlosen Streifwunden, die aber etwas geblutet haben.

Seine Kleidung ist fort. Doch sein Revolver ist da, ebenso die beiden Satteltaschen voller Geld. Aber es ärgert ihn, dass er so nackt wie ein neugeborener Säugling ist.

Langsam tritt er ans Fenster und blickt auf die Straße nieder. Und abermals fällt ihm auf, dass nur wenig Leben und Bewegung in der kleinen Stadt ist. Und so fragt er sich: Ist das eine sterbende Stadt? Haben die Leute hier keine Hoffnung auf eine erfolgreiche Zukunft? Was ist hier los?

Aber eigentlich ist es ja noch früher Morgen. Vielleicht kommen die Bürger hier erst später richtig in Gang. Allerdings gibt es bei solchen Städten meist besiedeltes Umland mit Ranches und Farmen. Doch unterwegs sah er rechts und links des Wagenwegs nichts, nur auffällig viele Rinderspuren.

Er will sich wieder abwenden, um sich ein Bettlaken umzuhängen, als er das Geräusch hört.

Oha, er kennt diese Art von Lärm. Deshalb weiß er sofort, dass er eine Rinderherde kommen hört. Sie muss scharf getrieben werden. Er hört das Rindergebrüll, dazwischen die scharfen Rufe und Pfiffe der Treiber, das Knallen der Bullpeitschen. Und so wird ihm klar, dass sich die Herde in Stampede befindet.

Es dauert dann nicht lange, da sieht er die ersten Rinder auf der Mainstreet von Dragoon City. Der Lärm wird lauter, wilder. Und der Staub füllt die kleine Stadt.

Unter seinem Fenster laufen die Rinder vorbei. Ihre Hörner klappern aneinander. Er kann auch schemenhaft im Staub die Treiber erkennen. Ja, sie jagen die Herde erbarmungslos vorwärts. Da und dort splittert Holz. Einige Rinder versuchen auf den Plankengehsteigen zu laufen und brechen ein.

Es dauert einige Minuten, dann ist der Spuk vorbei.

Es wird stiller, und so hört er das Geräusch hinter sich.

Als er sich umwendet, sieht er Sheere Freeman. Auf ihren Armen trägt sie seine Sachen. Sie hält inne, und als sie sich betrachten, da macht es ihm nichts aus, dass er splitternackt vor ihr steht. Denn er weiß, dass diese Frau schon mehr als einen nackten Mann gesehen hat.

Er sieht ihr Lächeln nicht nur auf ihrem Mund, sondern auch in ihren Augen und hört sie fragen: »Hunger?«

»Und wie.«

Da wirft sie seine gesäuberten Sachen aufs Bett und spricht ruhig: »Kommen Sie in die Küche, Jack. Da kann ich Ihnen helfen.«

Damit verschwindet sie.

Und er hätte viele Fragen. Doch er wird damit warten, bis er unten ist. Nur eines weiß er jetzt schon: Viehdiebe treiben aus Mexiko gestohlene Herden durch den Canyon der Dragoons, durch diese Stadt und auf die leere Weide rings um Dragoon City. Es kann nicht anders sein, denn die Herde wurde brutal durch den Canyon gejagt, und keine normale Treibherde wird so getrieben.

Also ist der Canyon ein Fluchtweg für in Sonora gestohlene Rinder, weil man den Südeingang des Canyons leicht absperren und dort alle Verfolger aus Mexiko aufhalten kann.

Und wenn die Herden auf dieser Seite sind, dann müssen sie sich erholen und benötigen eine gute Weide, um wieder mehr Gewicht zu bekommen. So einfach ist das für McQuarry zu begreifen.

Deshalb also stagniert die kleine Stadt Dragoon City. Sie hat kein besiedeltes Umland, denn niemand wagt es, sich hier anzusiedeln oder eine Ranch zu gründen. Die Weide wird von den Viehdieben beansprucht, die hier ihre Herden sammeln.

Indes er sich in seinen Gedanken damit beschäftigt, kleidet er sich an und betrachtet sich im Spiegel. Er findet sein Aussehen ganz passabel. In seinen grauen Augen erkennt er einen bitteren Ernst, und er weiß, wäre er am Vortag nicht so erschöpft gewesen, dann hätte er nicht schlafen können, sondern immer wieder seinen Kampf gegen die Mulkey-Brüder erlebt.

Wieder einmal hat er töten müssen, weil es keine Wahl gab. In diesem Land herrscht nur die Gewalt, und die Schwachen gehen unter. Und er trägt den Stern eines Deputy Sheriffs. Er nahm den Stern nur für diesen Auftrag, und wenn er das geraubte Geld zurückgebracht hat, dann wird er dem County Sheriff den Stern wieder zurückgeben.

Er sieht sich noch einmal an und fragt sich, ob dies sein Leben ist, immer wieder für andere Menschen zu kämpfen, nur weil er dazu besonders befähigt ist und der Starke den Schwachen schützen soll. Er fragt sich wieder einmal mehr, warum er das auf sich nimmt und nicht einfach seines Weges reitet.