G. F. Unger Western-Bestseller 2518 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2518 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

»He, Junge, binde dir die Hosenbeine zu, wenn du eine Zigarre rauchst. Sonst machst du dir die Hosen voll.« Der Fremde lacht höhnisch zu seinen Worten.
Ben Quade ignoriert den Mann. Es ist ein Freudentag für Ben, denn er hat gerade seinen ersten Revolver gekauft. Lange hat er dafür gespart. Und mit dem letzten Dollar, der übrig war, hat er sich im Saloon einen Whisky und eine Zigarre gekauft - zur Feier des Tages.
Als er den Saloon verlassen will, stellt sich ihm der Fremde in den Weg.
»Hast du nicht gehört, du Grünschnabel? Ich sagte, dass du dir die Hosen zubinden sollst.«
Ben Quade mustert den Mann, von dem etwas Wildes und angespannt Lauerndes ausgeht, und sagt ruhig: »Ich will keinen Streit, Mister. Lassen Sie mich in Frieden.«
Der Fremde grinst böse. »Ich sagte, du sollst dir die Hosenbeine zubinden. Ich zähle jetzt bis drei. Dann will ich sehen, dass du mir gehorchst. Oder du musst nach deinem Eisen greifen. Doch ich weiß, dass du das nicht wagst. Eine Kanone macht noch längst keinen Mann. Das will ich dir klarmachen, mein Jüngelchen. Also - ich zähle!«
Als er scharf und drohend bis drei gezählt hat, staunt er, denn Ben Quade bewegt sich nicht, blickt ihn nur fest an ...


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Seitenzahl: 162

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Ben Quades Stolz

Vorschau

Impressum

Ben Quades Stolz

»He, Junge, binde dir die Hosenbeine zu, wenn du eine Zigarre rauchst. Sonst machst du dir die Hosen voll.« Der Fremde lacht höhnisch zu seinen Worten.

Ben Quade ignoriert den Mann. Es ist ein Freudentag für Ben, denn er hat gerade seinen ersten Revolver gekauft. Lange hat er dafür gespart. Und mit dem letzten Dollar, der übrig war, hat er sich im Saloon einen Whisky und eine Zigarre gekauft – zur Feier des Tages.

Als er den Saloon verlassen will, stellt sich ihm der Fremde in den Weg.

»Hast du nicht gehört, du Grünschnabel? Ich sagte, dass du dir die Hosen zubinden sollst.«

Ben Quade mustert den Mann, von dem etwas Wildes und angespannt Lauerndes ausgeht, und sagt ruhig: »Ich will keinen Streit, Mister. Lassen Sie mich in Frieden.«

Der Fremde grinst böse. »Ich sagte, du sollst dir die Hosenbeine zubinden. Ich zähle jetzt bis drei. Dann will ich sehen, dass du mir gehorchst. Oder du musst nach deinem Eisen greifen. Doch ich weiß, dass du das nicht wagst. Eine Kanone macht noch längst keinen Mann. Das will ich dir klarmachen, mein Jüngelchen. Also – ich zähle!«

Als er scharf und drohend bis drei gezählt hat, staunt er, denn Ben Quade bewegt sich nicht, blickt ihn nur fest an ...

Ben weiß, dass er einem gefährlichen Revolverschwinger gegenübersteht, und er verspürt Furcht. Doch sein Stolz lässt nicht zu, dass er sich vor aller Augen wie einen dummen Jungen behandeln lässt. Er hat sich einen Revolver gekauft und glaubt, ein Mann zu sein. Jetzt muss er gleich die erste Probe bestehen.

Er sieht es in den Augen des anderen aufblitzen, sieht, dass die Rechte des Mannes zum Coltgriff hinabstößt, und er zieht ebenfalls.

Die Schüsse krachen fast gleichzeitig. Dann herrscht Totenstille im Saloon.

Ben wurde von der Kugel in Ellbogenhöhe an der Rippe geritzt.

Der Revolverheld jedoch lässt den Revolver sinken, macht einen zögernden Schritt vorwärts und hat ein Staunen in seinem Gesicht. Seine Lippen öffnen sich zitternd, und er sagt langsam: »Heiliger Vater – dieser Junge hat mich ...«

Und dann fällt er um.

Es ist wieder still im Raum. Der Pulverrauch verzieht sich.

Und der kleine Begleiter des Revolverhelden beginnt drüben an der Wand seltsam zu glucksen. Es klingt fast wie ein unterdrücktes Lachen. Aber das kann doch wohl nicht wahr sein.

Alle blicken sie hinüber. Der Bursche zittert am ganzen Körper und hat den Schluckauf. Seine Augen sind weit aufgerissen, und er wirkt wie in einem Trancezustand.

Babsy Bobmare brummt nun, kommt hinter dem Schanktisch hervor, geht hin zu dem Burschen und schlägt ihm die flache Hand klatschend ins Gesicht.

Da kommt der Bursche wieder zu sich und stößt einen leisen Schrei aus. Er blickt umher und sagt dann gepresst: »Das war Jesse Hackett. Er musste immer auf solche Jungen losgehen. Ich kenne ihn schon lange und weiß, warum. Als er solch ein Junge war und seinen ersten Colt trug, stutzte ihn ein Mann zurecht – und er kniff. Seitdem musste er sich immer wieder beweisen, dass auch andere Jungen genauso kneifen und er keine feige Ausnahme war. Jetzt ist er tot. Ich ...«

Ben Quade hört nicht mehr zu. Er geht wie ein Schlafwandler aus dem Saloon. Draußen auf der Veranda wird ihm klar, dass er immer noch die Waffe in der Hand hält.

Menschen kommen von überall gelaufen, sehen ihn seltsam an und drängen an ihm vorbei in den Saloon.

Auch der Sheriff ist dabei.

»Ich habe ihn erschossen, Sheriff«, sagt Ben Quade etwas schrill. »Er ließ mir keine andere Wahl. Hier, mit diesem Colt habe ich ihn getötet.«

Er betrachtet die Waffe staunend. Der Sheriff nimmt sie ihm mit einem schnellen Griff weg und sagt: »Warte hier, Ben! Versuch nicht, dich aus dem Staub zu machen. Wenn er dir keine andere Wahl ließ, dann war es Notwehr. Mach keine Dummheiten, mein Junge!«

Dann geht der Sheriff hastig in den Saloon hinein.

Ben Quade aber steht immer noch starr da. Nur einmal hebt er seine Linke, betrachtet sie staunend und wischt sich dann mit einer müden Bewegung den Schweiß aus dem Gesicht.

Bisher hatte er immer nur von Revolverkämpfen gehört.

Doch jetzt hat er selbst einen hinter sich. Er fühlt sich ausgebrannt und leer. Doch dann hämmert plötzlich die Erkenntnis auf ihn ein, dass er einen Mann getötet hat. Jetzt erst erlebt er noch einmal jene schrecklichen Sekunden – und jetzt erlebt er sie bewusst.

Es ist schlimm für einen Jungen wie Ben Quade.

Hätte ich mir doch nicht diesen Revolver gekauft, denkt er bitter. Doch gleich danach regt sich abermals sein Stolz.

Jeder freie Amerikaner hat das Recht, eine Waffe offen zu tragen – also hat auch er das Recht.

Sollte er sich von einem Revolverhelden nötigen lassen? Nein!

Dennoch ist es ein bitterer Tag für Ben Quade. Er weiß schon jetzt, dass er es immer wieder Tag und Nacht in seinen Gedanken neu erleben wird.

Und nie wird er das staunende Gesicht des getroffenen Revolverhelden vergessen – nie!

Ben Quade weiß nicht, wie lange er so vor dem Saloon steht. Er ist auch nicht allein. Es sind nun Menschen da, die ihn neugierig beobachten und über ihn reden.

Doch er geht nicht fort. Er wartet auf den Sheriff.

Dieser kommt nach einer Weile heraus. Er reicht Ben den Revolver und sagt: »Du hast einige Zeugen, dass der Bursche dir keine andere Wahl ließ und es reine Selbstverteidigung war. Überdies handelt es sich um Jesse Hackett. Es ist eine Belohnung von fünfhundert Dollar ausgesetzt auf ihn, denn er wird vom Gesetz gesucht. Er hat in Fort Worth einen unbewaffneten Mann erschossen. In einer Stunde werde ich das Protokoll fertig haben. Dann kommst du, um zu unterschreiben.«

»Ich will die Belohnung nicht«, murmelt Ben Quade und geht davon. Er steckt langsam den Revolver fort, den der Sheriff ihm gab.

Und er geht jetzt anders als vorher. Das Eckige, Staksige ist verschwunden. Er wirkt plötzlich nicht mehr ganz so hager und ungelenk.

Ja, auch äußerlich wirkt er nun anders.

In seinem Innern jedoch ist ein bitteres Bedauern.

Gewiss, er wurde in dieser Stunde ein Mann, der sich nicht demütigen ließ, der seinen Stolz behielt und sich erfolgreich gegen einen steckbrieflich gesuchten Revolverhelden verteidigte.

Er spürt nun auch ein dankbares Glücksgefühl, noch am Leben zu sein. Doch zugleich ist die Gewissheit in ihm, dass eine gute Zeit für ihn beendet ist.

Er ist kein Junge mehr.

Alles wurde anders.

Er spürt, dass er etwas verlor – endgültig verlor.

✰✰✰

Es vergehen einige Wochen, und es wurde wahrhaftig alles anders.

Auf der Ranch behandelte niemand Ben Quade mehr wie einen Jungen. Und selbst die älteren Cowboys, die ihm oft genug Befehle erteilten und unangenehme Arbeiten auf ihn abwälzten, sind nun sehr zurückhaltend. Sie behandeln ihn als gleichwertigen Mann und sind offensichtlich vorsichtig mit jedem Wort.

Ben gibt sich in diesen Wochen Mühe, ein erstklassiger Spitzencowboy zu werden. Er arbeitet hart.

Da man jetzt beim Round-up ist, befindet er sich fast ständig unter freiem Himmel. Bald schläft er auch wieder besser und die Erinnerung verblasst allmählich.

Es kommt sogar der Tag, da er abends am Campfeuer über einen Witz genauso lacht wie seine Kameraden. Er ist ja noch so jung.

Und trotzdem spürt er immer noch eine unerklärliche Furcht vor der Zukunft.

Genau einen Monat nach seinem Kampf schickt ihn der Rancher wieder mit dem Wagen in die Stadt.

Als Ben Quade dann am frühen Mittag die Stadt in Sicht bekommt, hat er inzwischen lange genug nachdenken können. Er entledigt sich seines Waffengurtes, rollt diesen zusammen und legt ihn mitsamt der Waffe unter den Wagensitz.

Nein, er möchte nicht noch einmal Streit in dieser Stadt, nur weil er einen Revolver trägt. Er will kein Revolverheld werden.

Kurz vor dem Ortseingang trifft er auf den Sheriff, der herausgeritten kommt. Der Sheriff stellt mit dem ersten Blick fest, dass Ben Quade keinen Revolver trägt, und nickt ihm freundlich zu.

»Du bist klüger, als ich dachte, Ben«, sagt er. »Wir werden uns heute Abend sicher wieder treffen, wenn wir beide auf dem Rückweg sind. Ich reite zu den Dunhills, denen in der vergangenen Nacht Geld gestohlen worden sein soll. Immer wird ihnen Geld gestohlen, wenn sie ihre Steuern zahlen müssen. Diese Dummköpfe sind so dumm, dass sie auch noch andere Leute für dumm halten.«

»Daran ist der alte Sam Dunhill schuld.« Ben Quade grinst. »Der will keine Steuern zahlen und nimmt seinem Sohn, der die Ranch leitet, einfach das Geld aus dem Schrank. Jetzt will sein Junge wohl ein Exempel statuieren. Sie werden den alten Dunhill einsperren müssen, Sheriff.«

»Das werde ich auch«, grollt der Sheriff und reitet weiter.

Ben Quade schüttelt den Kopf. Er kennt die Dunhills gut. Sie sind reich und könnten leicht ihre Steuern zahlen. Doch der alte Dunhill ist schon über neunzig Jahre und recht kindisch. Er nimmt seinem Sohn, der auch schon über sechzig ist, stets das Geld aus dem Schrank, welches für die Steuern bestimmt ist. Und nun hat sein Sohn tatsächlich Anzeige wegen Diebstahls erstattet.

Als Ben dann in der Stadt vor den Store fährt, sind plötzlich mehr Leute auf der Straße als sonst. Er begreift, dass man aus den Häusern und Läden kam, um ihn zu sehen.

Der Storehalter behandelt ihn nicht mehr wie einen jungen Burschen, sondern höflich und aufmerksam wie einen Mann, und der zweite Blick des Storehalters hat nach Ben Quades Colt gesucht. Als er an Ben keinen Colt entdecken konnte, trat ein freundlicher Ausdruck in seine Augen.

Es wiederholt sich nun alles wie schon all die Monate vorher.

Ben gibt die Liste ab und spannt dann die Pferde aus, um sie zum Mietstall zu bringen. Er stellt sie in den Schatten eines halb offenen Schuppens und holt dann Wasser und Futter.

Der Stallmann ging schon zum Essen, sodass Ben allein ist.

Als er fertig ist und von den Pferden weg aus dem Schuppen tritt, da erkennt er, dass er doch nicht allein ist.

Zwei Männer sind da.

Einen kennt er schon. Es ist jener kleine, affengesichtige Bursche, der mit Jesse Hackett gekommen war und den der Saloonwirt Babsy Bobmare zum Schluss mit einer Maulschelle aus einem tranceähnlichen Zustand erweckte.

Das hässliche Gesicht des Mannes zuckt und bewegt sich nun seltsam und drückt aus, wie sehr dieser Mensch von Gefühlen und Empfindungen besonderer Art erfüllt ist. Seine schwarzen Knopfaugen haben den Ausdruck eines Süchtigen.

»Da-da-das ist er«, sagt er zu dem anderen Mann.

Ben Quade blickt auf den zweiten Mann.

Es ist ein großer, breiter, starkknochiger Bursche mit einem harten Piratengesicht und zwei Revolvern, deren Holster fest an die Schenkel gebunden sind.

»Ich bin Lex Hackett«, sagt dieser Mann, »und Jesse war mein kleiner Bruder. Arty Slater erzählte mir, dass du Jesse wie einen kleinen Pinscher umgelegt hättest. Versuch das mal mit mir!«

Ben Quade beißt die Zähne zusammen. Er muss würgend schlucken, denn von Lex Hackett hat er schon gehört. Der einstige Buschreiter war ein gefürchteter Guerillaführer während des Krieges und zog sich dann in das Banditenland westlich des Pecos zurück. Man spricht darüber, dass Lex Hackett immer wieder mit starken Banden nach Mexiko reitet und dort Raubzüge unternimmt.

Ben hätte nie gedacht, dass dieser Mann der große Bruder jenes eitlen Revolverschwingers war, den er vor einem Monat töten musste.

»Ich – ich trage keine Waffe«, sagt er.

»Das sehe ich«, erwidert Lex Hackett kehlig. Sein grobes Gesicht verzieht sich spöttisch. »Wohl aus Angst vor der eigenen Courage, was? Aber das nützt dir nichts. Ich bin Jesses großer Bruder. Ich kann Jesses Tod nicht einfach hinnehmen. Das gehört sich als Bruder einfach nicht.«

Ben Quade begreift, dass Lex Hacketts Denken sehr einfach und primitiv ist, sich in eingleisigen, sturen Bahnen bewegt, und dass er Dinge, die er sich in den Kopf gesetzt hat, störrisch bis zum Ende verfolgt.

Worte haben wenig Sinn, dies spürt Ben Quade genau. Und dennoch versucht er es.

Er sagt: »Mister Hackett, Ihr kleiner Bruder ließ mir damals keinen Ausweg. Wollte ich meinen Stolz behalten, so musste ich kämpfen. Warum können Sie nicht verstehen, dass ich mich nicht ohne Gegenwehr demütigen lassen konnte?«

»Oh, das kann ich sogar gut verstehen.« Lex Hackett lacht kehlig. »Doch Jesse war mein Bruder. Wo kommen wir denn hin auf dieser Welt, wenn ein Mann den Tod seines Bruders ungerächt lässt?«

Ben Quade gibt es auf.

In diesen Sekunden zerbricht in Ben Quade etwas von seinem Glauben an die Welt und ihre Menschen.

Er sagt nichts mehr, blickt Lex Hackett nur stumm an. Einmal wirft er einen schnellen Blick auf Arty Slater.

Er weiß, dass Arty Slater diesen Mann hergeführt hat, um zu sehen, wie abermals ein Mann nutzlos und sinnlos sein Leben verliert. In Ben Quade ist eine tiefe Abscheu vor diesem anormalen Burschen, denn Slater kann nicht normal sein.

Lex Hackett zieht plötzlich einen seiner beiden Colts und wirft ihn mit einer schnellen und sicheren Bewegung vor Bens Füße. Schon an dieser Bewegung kann man erkennen, wie schnell und geschickt der sonst so grobschlächtig wirkende Revolvermann ist. Die Waffe landet genau vor Bens Füßen im Staub des Hofes.

»Nimm sie«, sagt Hackett, »nimm sie und schieße, wenn du kannst! Denn sobald du sie mit den Fingerspitzen berührst, werde ich ziehen.«

Von Arty Slater kommt nun wieder jenes glucksende Geräusch. Er hat vor Aufregung den Schluckauf bekommen. Seine schwarzen Knopfaugen starren verzückt.

Der Bursche gehört wahrhaftig in eine Heilanstalt. Doch die gibt es hier im Südwesten nicht. Hier laufen Burschen wie Arty Slater frei herum.

Ben Quade starrt auf den Colt zu seinen Füßen. Es ist eine Waffe wie seine eigene, und sie erscheint ihm schrecklich in ihrer kalten und mitleidlosen Konsequenz.

Wenn er sie aufhebt, muss er schießen.

Aber wenn er sich einfach umwendet und fortgeht?

Als er an diese Möglichkeit denkt, blickt er Lex Hackett daraufhin prüfend an.

Eine Sekunde später weiß er, dass dieser Mann ihn nicht fortgehen lassen wird. Lex Hackett betrachtet es als eine heilige Pflicht, seinen Bruder zu rächen.

Ben Quade möchte herumwirbeln und fortlaufen. Er wünscht sich auf einmal, noch ein kleiner Junge zu sein. Ja, dann könnte er einfach fortlaufen. Er hat Furcht, eine heiße, geradezu erbärmliche Furcht.

Doch es erbarmt sich seiner niemand.

Plötzlich schämt er sich seiner Furcht. Und damit wird alles wieder wie beim ersten Mal.

Sein Stolz ist plötzlich da. Dieser Stolz kämpft gegen die erbärmliche Furcht an, besiegt sie. Und dann ist nur noch dieser Stolz vorhanden. Er macht aus Ben Quade einen gereizten und ziemlich wilden Burschen. Denn er sagt nun: »Sie verteufelter Bandit, ich will diesen Kampf immer noch nicht! Aber ich werde nicht kneifen!«

Lex Hackett nickt heftig.

»Dies ist mir auch lieber so«, sagt er, »denn ich würde dich auf jeden Fall erschießen. Es ist mir jedoch lieber, wenn du deine Chance wahrnimmst.«

Ben Quade ist jetzt viel zu zornig, um die schreckliche Unmenschlichkeit, die in Hacketts Worten liegt, in sich aufzunehmen.

Er lässt sich vor der Waffe auf ein Knie nieder.

Lex Hackett beobachtet ihn und hat die Hand griffbereit über dem Revolverkolben hängen. Er ist bereit, binnen eines winzigen Sekundenbruchteiles zu reagieren.

Ben sieht ihn an. Er weiß genau, wo der Colt vor ihm liegt. Er kann ihn greifen, ohne hinsehen zu müssen. Er wird ihn sozusagen blind ergreifen. Damit wird der Bandit nicht rechnen, und dies ist Bens einzige Chance. Er weiß, dass Hackett darauf wartet, dass er, Ben, im Moment des Zugreifens den Blick auf die Waffe richten wird.

Aber er tut es nicht. Er greift nun blind zu, und er gewinnt damit einen wertvollen Sekundenbruchteil. Indes seine Hand den Revolver erfasst, wirft er sich zur Seite.

Lex Hackett wurde zwar um einen winzigen Sekundenbruchteil überrumpelt, doch er ist unheimlich schnell, viel schneller, als sein Bruder Jesse es war.

Er schießt zuerst. Doch weil sich Ben Quade zur Seite wirft und sehr schnell bewegt, bekommt er die Kugel nur in die Wade.

Bens Kugel trifft besser. Lex Hackett drückt zwar noch zweimal ab, doch er fällt dabei und schießt irgendwohin ins Leere.

Ben Quade bleibt am Boden sitzen – und nicht nur der Beinwunde wegen. Er fühlt sich krank und elend und erwacht wie aus einem schlimmen Traum.

Was er tat, geschah instinktiv. Er konnte es nicht vorherbestimmen. Doch jetzt holen ihn die Gedanken wieder ein. Jetzt erst begreift er wieder und wird ihm alles bewusst, was vor einer Minute geschah.

Er erinnert sich an Arty Slater, und er sieht ihn davonlaufen wie eine Ratte. Er hebt den Revolver, um auf ihn zu schießen, doch er bringt es nicht fertig.

Dabei verdankt er es diesem seltsamen Burschen ziemlich sicher, dass er mit Lex Hackett kämpfen musste.

Menschen kommen bald darauf angelaufen. Die ganze Stadt ist plötzlich auf den Beinen und kommt in den Hof des Mietstalls.

✰✰✰

Es ist schon Abend, als Ben Quade am Comanche Pass auf den Sheriff trifft. Bens linkes Bein ist vom Knie abwärts nackt bis auf den blutdurchtränkten Verband, und er hat Schmerzen und schon etwas Wundfieber. Doch er hat den Wagen voll mit den Dingen, die er holen sollte, und wird mit nur einer Stunde Verspätung die Ranch erreichen – also etwa eine Stunde nach Mitternacht.

Als er den Sheriff erblickt, hält er den Wagen an.

Der Sheriff ist allein. Offenbar hat er den alten Dunhill nur zurechtgestutzt und dessen Sohn gesagt, er sollte ihm nicht wieder mit solchen internen Familiensachen kommen.

Der Sheriff erkennt an Ben Quade sofort zwei Dinge – nämlich das verwundete und verbundene Bein und dann die unübersehbare Tatsache, dass Ben wieder seine Waffe trägt.

Sie betrachten sich beide eine Weile wortlos. Der Sheriff ist ein erfahrener, grauköpfiger Mann, zäh und hart, ein alter Jagdfalke.

Und er wartet auf Bens Erklärung.

»Ich wollte nicht kämpfen«, sagt Ben heiser. »Ich hatte sogar meine Waffe abgelegt, um niemanden zu reizen. Aber da kam plötzlich Lex Hackett in den Hof des Mietstalls. Jener kleine Affe, der schon bei Jesse Hackett gewesen war, hatte ihn gewiss hergebracht, denn dieser Bursche – Arty Slater heißt er ja wohl – war wieder mit dabei und sah sich alles an. Ich wollte wirklich nicht kämpfen, Sheriff! Doch dieser Lex Hackett ließ nicht mit sich reden. Er warf mir einen seiner beiden Revolver vor die Füße und sagte mir, dass es ihm lieber wäre, wenn ich meine Chance wahrnehmen würde. Er traf mich dann ins Bein. Und dann ...«

Ben Quade verstummt hilflos. Er starrt den alten Sheriff an, als könne dieser ihm Trost geben.

»Lex Hackett?« Dies fragt der Sheriff und pfeift lautlos durch die Zähne. »Er hat sich aus dem Pecos-Land hierher nach Osten gewagt? Auf seinen Kopf sind zweitausend Dollar Belohnung ausgesetzt – tot oder lebendig. Und drüben in Mexiko ist die Belohnung auf seinen Kopf noch höher als bei uns. Jeder konnte ihn verhaften oder erschießen. Du brauchst dich nicht damit zu entschuldigen, dass er dich zu einem Kampf gezwungen hat. Wenn du die Belohnung kassierst, Junge, kannst du dir eine kleine Ranch kaufen.«

Er spricht es irgendwie nachdenklich, und in seinen Augen ist dabei ein ernstes Forschen und Prüfen.

Ben Quade starrt auf seine Füße und schüttelt den Kopf.

»Ich wollte nichts anderes als erwachsen sein und einen Revolver tragen wie all die anderen Männer im Land auch. Ich wollte doch gar nichts Außergewöhnliches. Warum ...«

Er spricht nicht weiter. Es fehlen ihm die Worte. Doch der Sheriff begreift ganz genau, welche Frage Ben sich immer wieder stellt.

Warum wurden mir zwei Revolverkämpfe aufgezwungen? Warum musste ich zwei Männer töten? Warum passierte dies keinem anderen Mann, warum ausgerechnet mir, der sich gerade seinen ersten Revolver kaufte?

Der Sheriff betrachtet ihn ernst.