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Am Anfang möchte ich meinen Lesern zu diesem Roman noch etwas sagen: Es gab damals sogenannte »Revolvermannschaften« im Rinderland des Wilden Westens.
Vier Jahre lang war der Pecos River die Grenze, bis zu der Gesetz und Ordnung reichten. Westlich des Pecos gab es damals kein Gesetz, wie es die Verfassung vorschrieb.
Aber es gab Männer, sogar Banditen, die ihre eigenen Gesetze aufstellten und diesen auf mehr oder weniger raue Art Geltung verschafften.
Darum hielten sich auch die großen Rinderzüchter westlich des Pecos Revolvermannschaften. Denn nur mithilfe von Revolverkämpfern konnten sie sich gegen die Banditen und Viehdiebe behaupten.
Dieser Roman wurde nicht geschrieben, um Gewalttätigkeiten zu schildern. Er soll dagegen aufzeigen, wie immer wieder gute und rechtschaffende Männer für eine neue und bessere Zeit eintraten.
G.F. Unger
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Die Revolvermannschaft
Vorschau
Impressum
Die Revolvermannschaft
Am Anfang möchte ich meinen Lesern zu diesem Roman noch etwas sagen: Es gab damals sogenannte »Revolvermannschaften« im Rinderland des Wilden Westens.
Vier Jahre lang war der Pecos River die Grenze, bis zu der Gesetz und Ordnung reichten. Westlich des Pecos gab es damals kein Gesetz, wie es die Verfassung vorschrieb.
Aber es gab Männer, sogar Banditen, die ihre eigenen Gesetze aufstellten und diesen auf mehr oder weniger raue Art Geltung verschafften.
Darum hielten sich auch die großen Rinderzüchter westlich des Pecos Revolvermannschaften. Denn nur mithilfe von Revolverkämpfern konnten sie sich gegen die Banditen und Viehdiebe behaupten.
Dieser Roman wurde nicht geschrieben, um Gewalttätigkeiten zu schildern. Er soll dagegen aufzeigen, wie immer wieder gute und rechtschaffende Männer für eine neue und bessere Zeit eintraten.
G.F. Unger
Am Rand der tiefen Bodensenke verhält Luke Ballard sein Pferd und sitzt lange Zeit bewegungslos im Sattel.
Seine alten, aber immer noch sehr scharfen und manchmal eiskalt wirkenden Falkenaugen starren auf das Camp dort unten nieder. Es ist ein primitives Camp.
Etwa ein Dutzend Männer sind dort unten an der Arbeit. Die meisten dieser Männer sitzen auf dunklen Pferden, und sie sind auch selbst dunkel gekleidet.
Einige der Reiter bewachen zwei Rinderherden. Die eine Herde ist etwa zweihundert Tiere stark. Die andere besteht vorläufig nur aus knapp drei Dutzend Tieren.
Und neben dem primitiven Camp brennen zwei Feuer.
Dort fliegen Lassos, werden die einzeln herbeigetriebenen Rinder umgeworfen und von geschickten Burschen am Boden festgehalten. Und andere Männer laufen vom Feuer her mit den Brenneisen herbei und drücken den Rindern das Brandzeichen auf.
Und das gebrannte Tier springt dann brüllend auf und rast wie verrückt davon – bis es von Reitern wieder unter Kontrolle gebracht und zu der kleineren Herde getrieben wird.
Luke Ballard ist ein schon ziemlich alter Mann. Auf seinem großen Pferd wirkt er wie ein grimmiger Winterriese.
Seine beste Zeit ist längst vorbei. Sein hartes Leben auf rauen Wegen, sein Lebenskampf und alles, was damit zusammenhängt, haben an ihm genagt wie raue Winde an einem starken Baum.
Er betrachtet sich also das Bild dort unten.
Dann sieht er sich um und zögert.
Aber er zögert nicht lange.
Dann treibt er sein Pferd den Hang hinunter und reitet auf das Camp zu.
Wie ein alter, grimmiger und furchtloser König kommt er dahergeritten. Und er ist ja eigentlich auch so etwas wie ein ungekrönter König in diesem Lande.
Es ist nämlich sein Land.
Und auch die Rinder auf fünfzig Meilen in der Runde gehören ihm.
Die Männer dort unten im Camp sind längst auf ihn aufmerksam geworden. Zwei der Reiter lösen sich von der großen Herde und reiten nach zwei Richtungen aus der Senke heraus, um bessere Sicht über das Weideland zu bekommen.
Wenige Reiter bleiben bei den Rindern.
Und die Gruppe bei den beiden Brennfeuern und im Camp versammelt sich im Halbkreis hinter einem großen Mann, der gelassen darauf wartet, bis Luke Ballard nahe genug heran ist.
Etwa zehn Schritte vor diesem Mann verhält Luke Ballard sein großes Pferd, setzt sich besser im Sattel zurecht und senkt die Rechte nieder, bis sie leicht geöffnet hinter dem Coltgriff hängt.
Unter buschigen Augenbrauen hervor starrt er auf die Männer nieder.
Sie sind ein hartes Rudel. Das sind scharfäugige und hartgesichtige Nachtfalken. Das sind Viehdiebe und Banditen.
Und der alte Mann weiß nun, dass er menschliches Raubwild auf seine Weide bekommen hat.
Er richtet seinen festen Blick auf den Anführer. Das ist ein noch junger Mann von vielleicht fünfundzwanzig Jahren. Aber er ist sicherlich so hart und erfahren wie ein Wüstenwolf. Es ist ein großer, dunkelhaariger Mann, mit grauen Augen und einem verwegenen Gesicht.
Luke Ballard nickt bitter. Dann sagt er ruhig: »Es sind meine Rinder, die ihr da brändet. Ich bin Luke Ballard. Ihr seid auf meiner Weide. Und es sind meine Rinder. Aber das wisst ihr sicherlich sehr genau, nicht wahr?«
Der Halbkreis der scharfgesichtigen und hart blickenden Nachtfalken beginnt zu grinsen.
Auch der große Anführer grinst.
»Es sind Rinder ohne Brandzeichen«, sagt er. »Sie laufen frei herum. Wir fangen sie ein und drücken ihnen unseren Brand auf. Nur ein Rind mit Brandzeichen hat einen Besitzer. Das ist doch klar! Großvater, wie wollen Sie beweisen, dass es Ihre Rinder sind, die wir bränden? Es sind herrenlose Rinder.«
Der Mann lächelt blitzend. Es ist ein Piratenlächeln. Und in den grauen Augen des Mannes glitzert es wachsam und gefährlich.
Luke Ballard seufzt bitter.
Da steht das grinsende und sich seiner Überlegenheit bewusste Rudel der Hartgesottenen. Und hier sitzt der Rancher auf einem Pferd, sehr furchtlos zwar – aber ohne jede Chance.
Er hätte fortreiten und seine Mannhaft zusammenholen können.
Aber es wären viele seiner braven Burschen getötet oder zumindest schwer verwundet worden.
Deshalb kam er allein.
Er antwortet nach einem bitteren Seufzer dem Anführer ruhig: »Es sind keine herrenlosen Rinder. Sie sind auch ohne Brandzeichen nicht herrenlos. In diesem Lande gibt es nur eine Ranch. Meine Grenzen wurden von der Natur abgesteckt. Seht die Berge in der Runde? Es gibt keine andere Ranch auf dieser Weide. Und ich war der einzige Rinderzüchter, der vor vielen Jahren die erste Longhorn-Herde ins Land brachte. Alle Rinder in diesem Lande sind Nachkommen der ersten Herde. Mein Besitzanspruch ist ganz eindeutig.«
Der Halbkreis der Rustler grinst wieder.
Es ist ein mitleidloses Grinsen.
Der Anführer aber sagt: »Wir nehmen uns die Rinder, Großvater. Sie haben genug davon und können zehntausend davon entbehren. Das ist alles, Mister! Und wenn Sie auf die Idee kommen sollten, Ihre Reiter herzuholen – nun, wir werden dann einigen Jungs die Köpfe abschießen. Stören Sie uns nicht wieder. Und machen Sie keine Dummheiten mit dem Colt.«
Luke Ballard nickte.
Niemand sieht ihm an, wie der Zorn in ihm frisst. Er fühlt sich gedemütigt und verhöhnt. Und er weiß, wie hilflos er ist. Wenn er jetzt die Waffe ziehen würde, fiele er bald als toter Mann aus dem Sattel. Und es gibt kein Gesetz im Lande, das ihm Schutz und Hilfe geben könnte.
Er ist allein.
Bevor Luke Ballard sein großes Pferd wendet, um fortzureiten, fragt er: »Wie ist denn Ihr Name, Freund?«
Der Anführer lächelt wieder blitzend. Sein Gebiss glänzt unter einem schmalen Bärtchen.
Und er sagt trocken: »Ich bin Ringo Lamm – und hoffentlich sagt Ihnen dieser Name etwas, Großvater.«
»Viel«, erwidert Luke Ballard und reitet davon.
✰✰✰
Etwa vier Stunden später reitet Luke Ballard in Pecos Bow ein. Diese kleine Siedlung besteht noch nicht so lange wie Luke Ballards Ranch. Es ist eine kleine Siedlung mit einem Store, einem Hotel, einem Saloon und dem Mietstall, zu dem der Frachtwagenhof und die Postagentur gehören. Es gibt noch einige andere Häuser und einen alten Arzt.
Das ist Pecos Bow.
Als Luke Ballard sein Pferd an die Haltestange des Saloons lenkt, hat er vier Stunden lang einen wilden Grimm ertragen, und er ist daran fast erstickt.
Und als er jetzt aus dem Sattel klettert und mit den Füßen in den Staub stampft, um sich die Steifheit aus den Beinen zu vertreiben, da beobachten ihn von der Veranda des Saloons einige hartgesichtige Männer, die dunkel gekleidet sind und wachsame Augen haben.
Luke Ballard starrt diese Männer einen Moment an. Und er denkt dabei bitter: Auch diese Burschen werden bald mein Vieh stehlen. Sie werden sich mit diesem berüchtigten Ringo Lamm vereinigen oder eine zweite Bande bilden.
Als er die Schwingtür aufstößt und in den Saloon tritt, hört er einen der Männer lässig sagen: »Das war er. Das war Luke Ballard. Ihr braucht euch gar nicht erst sein Pferd und dessen Brandzeichen zu betrachten.«
Roy Sean, der Saloonwirt, steht selbst hinter der Theke. Er lehnt neben dem großen Spiegel am Flaschenregal und hat seine massigen Arme über der Brust verschränkt. Roy Sean ist nicht sehr groß, aber breit und massig. Er ist jedoch nicht fleischig. An ihm wirkt alles wie Granit. Und er ist bestimmt nicht älter als fünfunddreißig Jahre. Er ist breit, fast viereckig, hat dunkle Haare und gelbliche Augen. Und wenn man in diese Augen blickt, dann weiß man, dass dieser Mann nicht nur körperlich hart und stark ist.
Von dem ungeheuren Ehrgeiz, der in Roy Sean steckt, kann man nichts erkennen. Aber Luke Ballard weiß von diesem Ehrgeiz. Es gab zwischen ihnen einige Auseinandersetzungen. Und dann legte Roy Sean manchmal seine starre und wie aus Granit gehauene Maske ab. Seine Löwenaugen waren dann nicht mehr ausdruckslos. Und ein Mann wie Luke Ballard konnte eine Menge Dinge unter der Oberfläche dieses Mannes erkennen und ahnen.
Roy Sean bewegt sich nicht. Er starrt den Rancher bewegungslos an.
Luke Ballard blickt sich weiter um. Am Ende des langen Schanktisches steht ein Fremder, ein großer, hagerer, etwas mager wirkender Bursche mit dunkelroten Haaren, grauen Augen und hohlen Wangen.
Dieser Mann sieht aus, als hätte er eben erst eine schwere Krankheit überstanden, denn für seine Körpergröße hat er mindestens dreißig Pfund zu wenig Gewicht. Seine abgetragene Kleidung schlottert ihm um den Körper.
Luke Ballard blickt eine Sekunde lang auf die Waffe dieses Mannes. Aber die hängt nicht besonders tief. Es ist ein ganz gewöhnlicher Colt in einem gewöhnlichen Holster. Dieses Holster ist nicht am Oberschenkel festgebunden. Nein, so trägt kein Revolverheld seine Waffe. So tragen normale Cowboys ihren Colt.
Der Rancher blickt einen kurzen Moment in die rauchgrauen Augen des Fremden hinein – und es sind sehr ruhige, feste und kritisch blickende Augen. Es fehlt ihnen das Lauernde, ständig Wachsame und Eiskalte jener zweibeinigen Wölfe, die Luke Ballard heute auf seiner Weide und draußen vor dem Saloon gesehen hat.
Der Fremde wendet sich dann seinem Bier zu, leert das Glas und nickt Roy Sean zu.
»Bitte, noch ein Bier«, sagt er sanft.
Aber der Saloonwirt bewegt sich nicht sogleich. Er beobachtet unbeweglich den Rancher.
Luke Ballard hat sich indes weiter umgeblickt und sieht nun Sam Tomkins in der Ecke sitzen. Der alte Arzt hat ein Schachbrett vor sich stehen und vollendet gerade einen Zug.
Als sich Luke Ballard langsam nähert, blickt Doc Sam Tomkins auf. Sein Walrossschnurrbart bewegt sich. Und seine trockene Stimme sagt: »Matt! Ich verliere immer, wenn ich gegen mich selbst spiele. Wenn ich gegen mein zweites Ich spiele, verliere ich immer. Warum gibt es in diesem Land keinen Menschen, mit dem ich dann und wann eine Partie Schach spielen könnte?«
Luke Ballard brummt ein unverständliches Wort. Er setzt sich zu Sam Tomkins und blickt zu Roy Sean hinüber.
»Sean«, sagt er, »bring mir einen großen Whisky!«
Aber der Saloonbesitzer bewegt sich jetzt zu dem Fremden, nimmt dessen leeres Glas und beginnt, es neu zu füllen. Erst nach einer Weile, als er den Schaum abstreicht, sagt er kalt: »Ballard, du weißt doch ganz genau, dass ich dich nicht bediene. Für dich gehe ich keinen Schritt. Hol dir den Whisky, wenn du ihn so sehr nötig hast.«
Dann bringt er das Gefüllte Glas zu dem Fremden zurück, kassiert das Geld und verschwindet durch eine kleine Tür in seinem Büro- und Wohnzimmer.
Luke Ballard zuckt mit den Schultern und sieht Doc Sam Tomkins an.
»Sam«, sagt er, »ich brauche deinen Rat und deine Hilfe.«
Doc Tomkins starrt immer noch auf die Schachfiguren.
Luke Ballard legt seine großen Hände auf den Tisch. Er ballt sie zu Fäusten und sagt: »Auf meiner Weide ist eine starke Rustlerbande an der Arbeit und brändet mein Vieh mit ihrem Zeichen. Und draußen vor dem Saloon stehen einige Burschen, denen ich ebenfalls ansehen konnte, dass sie Hartgesottene sind. Auch sie werden bald meine Rinder stehlen. Und es werden noch mehr von dieser Sorte kommen, wenn es sich erst herumgesprochen hat, wie leicht das hier ist.«
Als er verstummt, nimmt der Doc seinen Kneifer ab. Doc Sam Tomkins ist ziemlich klein, sehr rundlich und legt wenig Wert auf seine Kleidung.
»Sicher«, murmelt er, »deine Mannschaft besteht aus guten Cowboys, die ihre Arbeit verstehen. Du hast nie Raufbolde, Revolverhelden und Streithähne eingestellt. Es sind alles gute Jungs, die für dich reiten – und bisher genügten sie auch vollkommen, um dein Rinderreich zu schützen. Aber jetzt würdest du mehr von ihnen verlangen müssen. Ein Rudel guter und treuer Hunde kann mit ein oder zwei Wölfen fertig werden. Aber wenn die Wölfe in großen Rudeln kommen, haben auch gute Hunde keine Chancen. Das ist nun mal so. Du musst dir nun einige scharfe Tiger anschaffen. Nun, ich kann dir einige gute Revolverkämpfer nennen. Ich kann dir auch sagen, wo sie ungefähr zur Zeit zu finden sind. Aber ob sie kommen, ist eine andere Sache.«
»Das lass nur meine Sorge sein«, murmelt Luke Ballard rau.
Der Doc nickt. Er holt einen Bleistiftstummel und ein Stück schon sehr zerknittertes Papier aus der Tasche. Er schreibt einige Zeilen darauf und schiebt es Luke Ballard zu.
»All right«, knurrt Luke Ballard. »Ich werde einen meiner Reiter nach Langtry schicken. Vielleicht ist dieser Wego Farrell noch dort und nimmt mein Angebot an.«
»Vielleicht«, grinst Doc Tomkins unter dem Walrossbart. Und weil er sieht und weiß, dass Luke Ballard den zweiten Namen und die zweite Anschrift auf dem Zettel ohne Brille nicht lesen kann, sagt er noch trockener als vorher: »Der andere Mann, dessen Namen ich dir aufschrieb, ist Jim Bowman. Er ist als Black Jim besser bekannt. Vor drei Wochen hat er in San Antonio mit den berüchtigten Drake-Brüdern gekämpft. Es ging um eines der Saloon-Mädels. Nun, die Drake-Brüder waren so ziemlich das Schlimmste auf dieser Welt. Jetzt sind sie tot. Black Jim Bowman hat aber auch etwas abbekommen, wie ich im San Antonio Courier gelesen habe. Aber vielleicht hat er sich schon wieder so weit erholt, dass er dein Angebot annehmen wird, nicht wahr?«
»Ich schicke ebenfalls einen Reiter zu ihm«, knurrt Luke Ballard und erhebt sich. Er hat es nun eilig, zu seiner Ranch zu kommen.
»Viel Glück, Luke – mit deiner zukünftigen Revolvermannschaft«, murmelt der Doc. »Wahrscheinlich ist dies wohl wirklich das einzige Mittel, um sich zu schützen. Aber es sind ziemlich wilde Burschen. Es könnte auch sein, dass sie sich irgendwann auf die andere Seite schlagen, wenn es dort mehr zu verdienen gibt.«
»Wir werden sehen – ich muss es versuchen«, murmelt Luke Ballard und geht zum Schanktisch.
Der Fremde wendet sich ihm zu.
»Ich habe einige Worte Ihrer Unterhaltung hören können, Mister«, sagt der Fremde. »Nun, ich bin zwar kein berühmter Revolvermann, nur ein wandernder Cowboy, der eine Weile krank gewesen ist. Ein Mustang hat mich vor einigen Wochen gegen einen Zaun geworfen. Ich suche Arbeit. Haben Sie welche, Mister?«
Als der Fremde den letzten Satz spricht und Luke Ballard ihn forschend betrachtet, wird die Schwingtür aufgestoßen. Die Männer von der Veranda kommen herein.
Und auch sie hören die Frage des Fremden. Sie bleiben stehen und beobachten.
Der Rancher wirft ihnen einen kurzen Blick zu und setzt dann die Prüfung und Musterung des Fremden fort.
Und er wird sich immer mehr darüber klar, dass ihm der hagere Bursche irgendwie gefällt. Er hält ihn immer mehr für einen soliden Cowboy.
Deshalb nickt er.
»Gut, wir können es versuchen, Cowboy. Ich stelle Sie auf Probe ein. Sie können gleich mit mir kommen.«
»Danke, Mister Ballard«, lächelt der Fremde. »Mein Name ist Broderick Ketshum.«
Luke Ballard nickt. Er nimmt sich eine Flasche Whisky und zwei Gläser, schenkt ein und sagt zu Roy Sean, der soeben wieder aus seinem Hinterzimmer kommt: »Siehst du, Sean, ich bediene mich selbst.«
Der Saloonwirt sagt nichts. Er lehnt sich wieder an das Flaschenregal, verschränkt die Arme und sieht an Luke Ballard vorbei auf die eingetretenen Gäste, deren Gruppe sich von der Tür her nun zum Schanktisch in Bewegung setzt.
Die dunkel gekleideten Männer, denen die Colts tief an den Schenkeln hängen, stellen sich neben Luke Ballard und Broderick Ketshum an die Theke.
Sie wenden sich dem Rancher zu, und einer sagt: »Wir haben eben gehört, wie Sie diesen Mann da einstellten. Nun, auch wir suchen Arbeit. Brauchen Sie nicht noch einige Reiter, Mister?«
»Ich möchte euch nicht haben«, sagt Luke Ballard und wendet sich seinem neuen Cowboy zu. Er hebt sein Glas, sieht dem jungen Manne fest in die Augen und sagt: »Also, auf gute Zusam...«
Aber weiter kommt er nicht, denn der Sprecher des Rudels reißt ihn jäh an der Schulter herum.
Luke Ballard schüttet sich den Whisky auf das Hemd. Er macht eine heftige Bewegung, schüttelt die Hand des Mannes ab und weicht dann zurück.
Seine Rechte lässt das Glas fallen und senkt sich auf den Coltgriff nieder.
»Zum Teufel«, sagt er, »bald werde ich euch alle aus diesem Lande jagen. Bald habe ich genug von eurer Sorte!«
Die Männer sind zu einem Halbkreis auseinandergewichen. Es ist einige Sekunden still.
Dann sagt einer der Männer: »Seht ihn euch an! Er denkt wirklich, dass er der große Mann in diesem Lande ist. Und davonjagen will er uns! Das ist also der große Luke Ballard, der mächtige Rinderkönig, von dem wir hörten. Nun, Jungs, wir sollten ihm jetzt gleich beibringen, dass seine Zeit nun vorbei ist, nicht wahr?«
Der Sprecher tritt einen Schritt vor. Seine Hand klatscht gegen den Colt.
»Sie haben uns beleidigt, alter Mann. Das nehmen wir sehr übel. Sie werden diese Beleidigung zurücknehmen, einen Whisky mit uns trinken und laut und deutlich sagen, dass Sie uns für prächtige Burschen halten. Los, fangen Sie an, Großvater! Nur wenn Sie ein großer Narr sind, ziehen Sie den Colt!«
Und als dieser Sprecher verstummt, meldet sich der andere wieder. Er deutet mit den Fingern auf den von Luke Ballard soeben eingestellten Cowboy und sagt kalt: »Du verschwindest, Bruder. Pack dich! Raus mit dir!«
Der Cowboy, der sich Broderick Ketshum nannte, atmet langsam aus. Sein hohlwangiges, bleiches und von der kaum erst überwundenen Krankheit noch gezeichnetes Gesicht wird noch bleicher. Er presst seine schmalen Lippen zusammen.
Dann seufzt er bitter und setzt sich in Bewegung. Dabei sagt dieser magere und hohlwangige Cowboy ruhig und klar: »Kommen Sie, Boss! Kommen Sie! Aber bleiben Sie mir aus der Schusslinie.«
Alle Köpfe fahren herum.
Und alle Augen sehen, dass der Cowboy seinen alten Colt in der Hand hält.
Der Hauch von Gefahr weht für einige Sekunden durch den Raum.
Aber dann lacht jemand trocken und fragt: »Bruder, kannst du mit diesem Colt überhaupt schießen?«
Als Antwort kracht ein Schuss.
Auf dem Schanktisch zerplatzt ein Whiskyglas in viele kleine Splitter.
Und der Colt des Cowboys raucht ein wenig.
»Ich kann ein wenig damit umgehen, nicht wahr?«, sagt Broderick Ketshum.
Aber das weiß jetzt jeder Mann im Raum. Von der Schwingtür bis zum Schanktisch sind es zwanzig Schritte. Das Glas war nicht sehr groß. Und es hat so ausgesehen, als hätte Brod Ketshum gar nicht gezielt.
Luke Ballard hat sich inzwischen von seinem Erstaunen erholt.
»Danke, mein Junge«, sagt er und zieht ebenfalls seinen Colt. »Ich werde diesen Lümmeln lieber die Kanonen wegnehmen. Dann brauchen wir uns beim Abtritt nicht so beeilen.«
»So ist es richtig, Boss«, sagt Brod Ketshum und erteilt dann einige Befehle, die auch befolgt werden.
Luke Ballard sammelt indes die Colts ein und wirft sie in Roy Seans Spülwanne. Dann legt er einen Dollar auf den Schanktisch und nickt dem Saloonwirt zu.